Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus
Leitsatz (NV)
1. Der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus ist anhand der Kostenmiete zu ermitteln, wenn das Haus besonders aufwendig gestaltet oder ausgestattet ist. Das Vorhandensein einer Schwimmhalle begründet für sich allein den Ansatz der Kostenmiete. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Schwimmhalle während des gesamten Veranlagungszeitraums aus objektiven Gründen nicht benutzbar ist.
2. Wird die Einliegerwohnung in einem Veranlagungszeitraum vor 1987 um 23% verbilligt vermietet, so rechtfertigt dies keine Kürzung der darauf entfallenden Werbungskosten.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1-2, § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines im Jahr 1973 fertiggestellten Zweifamilienhauses in ..., das er im Streitjahr (1986) mit seiner Familie bewohnte. Die zweite Wohnung war für eine Monatsmiete von 5,68 DM je qm fremdvermietet. Die zum Haus gehörende Schwimmhalle befand sich nach den von der Bewertungsstelle getroffenen Feststellungen im Mai 1984 in einem schlechten und nicht nutzbaren Zustand. Das Dach hatte erhebliche Schäden; es wurde im Jahr 1985 gegen Regen abgedichtet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte im Einkommensteuervorauszahlungsbescheid für 1986 vom 28. April 1987 bei der Ermittlung des Nutzungswerts der vom Kläger selbstgenutzten Wohnung die Kostenmiete an. Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA die Kostenmiete herabsetzte. Während des Klageverfahrens erließ das FA den Einkommensteuerbescheid für 1986 vom 11. Dezember 1987. Es setzte die Kostenmiete mit 26074 DM an. Der Kläger beantragte, diesen Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Das Finanzgericht (FG) legte unter Klageabweisung im übrigen den monatlichen Mietwert der eigengenutzten Wohnung auf 11,91 DM je qm und den der vermieteten Wohnung auf 5,68 DM je qm fest und kürzte die Werbungskosten für die vermietete Wohnung um 53 v.H. Die Berechnung des Steuerbetrages übertrug es dem FA. Zur Begründung führte es aus, der Nutzungswert einer eigengenutzten Wohnung in einem Zweifamilienhaus i.S. des § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung sei stets nach dem marktüblichen Wohnwert des Hauses zu bestimmen. Dementsprechend seien auch nur die marktüblichen Werbungskosten für die Erhaltung des Hauses, insbesondere der marktübliche Betrag für Absetzungen für Abnutzung, zu berücksichtigen. Die entsprechend dem Flächenverhältnis der beiden Wohnungen zueinander zu ermittelnden Werbungskosten für die vermietete Wohnung seien um insgesamt 53 v.H. zu kürzen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 21 Abs. 2 EStG. Nach seiner Auffassung ist der Ansatz der Kostenmiete im Streitfall gerechtfertigt.
Während des Revisionsverfahrens erließ das FA den Einkommensteuerbescheid für 1986 vom 24. November 1992, mit dem es die der Höhe nach unveränderte Steuerfestsetzung teilweise für vorläufig erklärte. Der Kläger beantragt, diesen Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2, § 127 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
I. Das FG hat den Einkommensteuerbescheid vom 11. Dezember 1987 zu Recht als Gegenstand des zunächst gegen den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid gerichteten Verfahrens behandelt (§ 68 FGO; Senatsurteil vom 12. Juli 1988 IX R 149/83, unter I., BFHE 154, 93, BStBl II 1988, 942). Der während des Revisionsverfahrens ergangene Bescheid vom 24. November 1992 wurde auf Antrag des Klägers ebenfalls Gegenstand des Verfahrens (§§ 68, 121, 123 Satz 2 FGO).
II. 1. Die Vorentscheidung verletzt § 21 Abs. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung, weil das FG zu Unrecht davon ausgegangen ist, daß der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus stets anhand der - ggf. zu erhöhenden - Marktmiete zu ermitteln ist.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92 (BFHE 174, 51) erneut ausgeführt hat, ist der Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus i.S. des § 21 Abs. 2 EStG dann anhand der Kostenmiete zu ermitteln, wenn dieses Haus besonders aufwendig gestaltet oder ausgestattet ist. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Entscheidung Bezug genommen. Nach den vom Senat dargelegten Grundsätzen rechtfertigt das Vorhandensein einer Schwimmhalle für sich allein den Ansatz der Kostenmiete. Etwas anderes gilt nur, wenn die Schwimmhalle während des gesamten Streitjahres aus objektiven Gründen nicht benutzbar war. Der Kläger hat dies zwar vorgetragen; hierzu hat das FG jedoch keine Feststellungen getroffen.
2. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat - von seiner Rechtsansicht ausgehend zu Recht - keine Feststellungen hinsichtlich der Höhe der Kostenmiete getroffen. Diese wird es nachzuholen haben.
Sollte das FG aufgrund der nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis kommen, der für die selbstgenutzte Wohnung anzusetzende Nutzungswert sei niedriger als der dem Einkommensteuerbescheid vom 24. November 1992 zugrunde gelegte, kann die daraus folgende Verminderung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Klägers nach den bisherigen Feststellungen nicht durch eine Kürzung der auf die Einliegerwohnung entfallenden Werbungskosten (teilweise) ausgeglichen werden.
Die vereinnahmte Miete von 5,68 DM je qm liegt nur um rd. 23 v.H. unter dem nach Auffassung des FG anzusetzenden Mietwert von 7,40 DM je qm. Dieser Unterschied rechtfertigt eine Werbungskostenkürzung nicht. Eine solche Kürzung setzt für Veranlagungszeiträume vor 1987 voraus, daß die vereinbarte und gezahlte Miete die ortsübliche Marktmiete um mehr als ein Drittel unterschreitet (Senatsurteile vom 15. Dezember 1992 IX R 13/90, BFHE 170, 162, BStBl II 1993, 490; vom 23. März 1993 IX R 130/92, BFHE 171, 181, BStBl II 1993, 606).
Die Einkommensteuer darf allerdings im Ergebnis nicht niedriger festgesetzt werden, als sie sich nach der (aufgehobenen) Vorentscheidung errechnen würde (Verböserungsverbot; vgl. etwa Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 118 FGO, Tz. 64).
Fundstellen
Haufe-Index 64548 |
BFH/NV 1994, 699 |