Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung wegen Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot
Leitsatz (NV)
1. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist keine geeignete Rechtsgrundlage, um die von einem Gesellschafter für eigene Rechnung ausgeübte Tätigkeit nur deshalb der eigenen GmbH zuzurechnen, weil sie auch unter deren Unternehmensgegenstand fällt.
2. Die Annahme eines zivilrechtlichen Anspruchs auf Vorteilsherausgabe und/oder auf Schadensersatz der Klägerin wegen Verstoßes ihres Alleingesellschafters gegen ein Wettbewerbsverbot setzt die Existenz eines solchen voraus. Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH zu beurteilen.
3. Die Annahme eines Verstoßes gegen ein (unterstelltes) Wettbewerbsverbot setzt voraus, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer entweder seine Treuepflichten als Gesellschafter oder seine Verhaltenspflichten als Geschäftsführer verletzt. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn er eine Eigentumswohnung, die er vor der Gründung der GmbH erwarb und sanierte, veräußert.
4. Das Fehlen eines zivilrechtlichen Anspruchs auf Vorteilsherausgabe und/oder Schadensersatz schließt nicht die Annahme einer vGA i. S. d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG aus. Eine solche setzt jedoch (im Streitfall) voraus, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer bei dem Verkauf seiner Eigentumswohnung Informationen oder Geschäftschancen der GmbH nutzte.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine am ... 1984 gegründete GmbH, war im Streitjahr 1987 in der Immobilienbranche tätig. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin war X, dem aufgrund eines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages vom ... September 1984 sowie der Ergänzung vom ... Dezember 1987 gestattet war, neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer sein bisheriges Einzelunternehmen Architekturbüro weiter zu betreiben.
Im Kalenderjahr 1980 hatte X das bebaute Grundstück in A, B-Straße 1, erworben. Das aufstehende Gebäude ließ er im Jahre 1981 in Eigentumswohnungen aufteilen und begann im Anschluß daran mit umfangreichen Sanierungsmaßnahmen. Ab dem Jahr 1982 veräußerte X nach und nach die Eigentumswohnungen.
Im Rahmen einer für die Jahre 1986 bis 1988 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) fest, daß X im Jahre 1987 eine der zu Beginn des Prüfungszeitraums noch vorhandenen Eigentumswohnungen veräußert hatte. Das FA sah hierin eine Konkurrenztätigkeit des X zur Klägerin und erfaßte den Überschuß aus dem Wohnungsverkauf wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Dementsprechend erließ das FA u. a. geänderte Steuerbescheide 1987.
Gegen die Bescheide legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Die Klägerin legte nach Zulassung der Revision durch den Bundesfinanzhof (BFH) Revision ein. Sie rügt die Verletzung der §§ 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), 43 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und §§ 667, 681 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Sie beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG und der Einspruchsentscheidung
1. den Körperschaftsteuerbescheid 1987 zu ändern, indem das zu versteuernde Einkommen um ... DM herabgesetzt wird,
2. den einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheid 1987 zu ändern, indem der Gewerbeertrag um ... DM herabgesetzt wird,
3. den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 1987 entsprechend der Nr. 1 zu ändern.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Annahme des FG und des FA, für den Streitfall sei sowohl von einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG als auch von einer anderen Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG auszugehen, wird nicht von den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen gedeckt.
1. Unter einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. BFH- Urteil vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795). Schließlich kann die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch dahin begründet sein, daß das zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter abgeschlossene Rechtsgeschäft zwar für die Kapitalgesellschaft günstig ist, jedoch aus Gründen des Fremdvergleichs zu dem Schluß zwingt, daß es von Anfang an nicht ernstlich gewollt war (vgl. BFH-Urteile vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673; vom 17. Oktober 1984 I R 22/79, BFHE 142, 276, BStBl II 1985, 69; vom 2. Juli 1986 I R 144/85, BFH/NV 1987, 398; vom 2. Dezember 1992 I R 54/91, BFHE 170, 119, BStBl II 1993, 311; vom 16. Dezember 1992 I R 2/92, BFHE 170, 175, BStBl II 1993, 455; vom 29. Juni 1994 I R 11/94, BFHE 175, 253, BStBl II 1994, 952).
2. Das FG ist im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, daß der Gewinn aus der Veräußerung der Eigentumswohnung in A von X und nicht von der Klägerin erzielt wurde. Die Eigentumswohnung wurde von X im eigenen Namen erworben, saniert und verkauft. X übte die dem vom Veräußerungsgewinn zugrundeliegende Tätigkeit selbst und für eigene Rechnung aus. Er erzielte deshalb den Veräußerungsgewinn im steuerlichen Sinne. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist keine geeignete Rechtsgrundlage, um die von einem Gesellschafter für eigene Rechnung ausgeübte Tätigkeit nur deshalb der eigenen GmbH zuzurechnen, weil sie auch unter deren Unternehmensgegenstand fällt. Soweit den BFH-Urteilen vom 15. Dezember 1965 I 181/63 U (BFHE 84, 342, BStBl III 1966, 123), vom 30. September 1970 I R 130/68 (BFHE 100, 240, BStBl II 1971, 68), vom 27. Januar 1971 I R 79/68 (BFHE 101, 361, BStBl II 1971, 352), vom 11. Februar 1981 I R 128/77 (BFHE 132, 552, BStBl II 1981, 448) und vom 9. Februar 1983 I R 229/81 (BFHE 138, 208, BStBl II 1983, 487) etwas anderes zu entnehmen ist, hält der Senat an der damals vertretenen Rechtsauffassung nicht länger fest.
3. Das FG hat einen zivilrechtlichen Anspruch der Klägerin gegen X auf Vorteilsherausgabe und/oder Schadensersatz in Höhe von ... DM bejaht und in dem "Verzicht" auf seine Geltendmachung eine vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 gesehen. Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen jedoch dessen Rechtsauffassung nicht. Insoweit ist zwischen der zivilrechtlichen Beurteilung eines Anspruchs auf Vorteilsherausgabe und/oder auf Schadensersatz und der steuerrechtlichen Annahme einer vGA zu unterscheiden.
a) Die Annahme eines zivilrechtlichen Anspruchs auf Vorteilsherausgabe und/oder auf Schadensersatz der Klägerin wegen eines Verstoßes ihres Alleingesellschafters gegen ein Wettbewerbsverbot setzt die Existenz eines solchen voraus. Das FG hat die Existenz eines solchen Wettbewerbsverbotes sowohl aus den allgemeinen Treuepflichten eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers als auch aus dem Geschäftsführervertrag abgeleitet. Diese Auffassung ist zumindest insoweit fehlerhaft, als nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) der Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH solange keinem Wettbewerbsverbot unterliegt, als er der GmbH Vermögen entzieht, das zur Deckung des Stammkapitals nicht benötigt wird (vgl. BGH-Urteil vom 10. Mai 1993 II ZR 74/92, BGHZ 122, 333, GmbH-Rundschau 1993, 427). Insoweit hält der Senat an seiner teilweise anders lautenden Rechtsprechung nicht länger fest (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854; vom 26. April 1989 I R 172/87, BFHE 157, 138, BStBl II 1989, 673; vom 12. April 1989 I R 142--143/85, BFHE 156, 484, BStBl II 1989, 636).
b) Angesichts der Besonderheiten des Streitfalls teilt der Senat auch nicht die Rechtsauffassung des FG, daß jede (formelle) Betätigung des Alleingesellschafter-Geschäftsführers im Bereich des Unternehmensgegenstandes seiner GmbH einen Verstoß gegen ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot darstellt. Die Annahme eines Verstoßes gegen ein (hier unterstelltes) Wettbewerbsverbot setzt voraus, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer entweder seine Treuepflichten als Gesellschafter oder seine Verhaltenspflichten als Geschäftsführer verletzt. Ersteres setzt eine eigennützige Einflußnahme auf die Kapitalgesellschaft oder die Verwertung von Informationen voraus, die aufgrund der Gesellschafterstellung erlangt wurden. Letzteres setzt z. B. voraus, daß der Geschäftsführer Geschäftschancen, die der Kapitalgesellschaft gebühren, als Eigengeschäft wahrnimmt oder Kenntnisse der Kapitalgesellschaft über geschäftliche Möglichkeiten tatsächlicher oder rechtsgeschäftlicher Art an sich zieht und für eigene Rechnung nutzt (vgl. Scholz/Schneider, GmbH-Gesetz, 8. Aufl., § 43 Rdnr. 144).
Die tatsächlichen Feststellungen des FG ergeben keinen derartigen Verstoß gegen ein (unterstelltes) Wettbewerbsverbot. Dasselbe verbot dem X nicht, eine Eigentumswohnung, die er vor Gründung der Klägerin erworben und saniert hatte, zu veräußern. In der Veräußerung kann weder eine Einflußnahme auf die Geschäftsführung der Klägerin noch eine Verwertung von Geschäftschancen der Klägerin gesehen werden. Die Klägerin hatte nicht die Chance, die Eigentumswohnung in A zu erwerben. Das (wiederum unterstellte) Wettbewerbsverbot konnte den X auch nicht daran hindern, sein Grundstück wirtschaftlich bestmöglichst zu verwerten. Er durfte es deshalb als solches verkaufen bzw. -- wie geschehen -- sanieren und anschließend verkaufen. Er durfte dabei allerdings keine besonderen Informationen oder Geschäftschancen der Klägerin für sich selbst nutzen (z. B. der Klägerin Kaufinteressenten abwerben). Diesbezügliche Feststellungen tatsächlicher Art hat das FG jedoch bisher nicht getroffen. Selbst wenn X bestimmte Informationen der Klägerin für sich genutzt hätte, stünde der Klägerin deshalb kein Anspruch auf die Herausgabe des gesamten Veräußerungsgewinns zu. Ein etwaiger zivilrechtlicher Anspruch wäre der Höhe nach auf den Betrag zu begrenzen, den ein fremder Dritter für die Überlassung der Information als Entgelt bezahlt hätte bzw. in dessen Höhe auf seiten der Klägerin ein Schaden eingetreten ist.
c) Sollte das FG im zweiten Rechtszug die Existenz eines zivilrechtlichen Anspruchs auf Vorteilsherausgabe und/oder Schadensersatz verneinen, so schließt dies noch nicht die Annahme einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 aus. Eine solche setzt jedoch voraus, daß X bei dem Erwerb, der Sanierung und Veräußerung seiner eigenen Eigentumswohnung Informationen oder Geschäftschancen der Klägerin nutzte, für deren Überlassung ein fremder Dritter ein Entgelt gezahlt haben würde. Dieser Möglichkeit wird das FG im zweiten Rechtszug in tatsächlicher Hinsicht nachgehen müssen.
4. Bei dieser Sachlage kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Sie war aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG wird im zweiten Rechtszug den Sachverhalt unter den aufgezeigten rechtlichen Gesichtspunkten neu würdigen und etwa für erforderlich gehaltene Beweise erheben müssen. Zu diesem Zweck war die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 65445 |
BFH/NV 1996, 645 |