Leitsatz (amtlich)
Wird bei der Beförderung von Gütern durch einen zum Zuständigkeitsbereich des Landes Berlin gehörenden Unternehmer das Gebiet der sowjetischen Besatzungszone berührt, so ist der auf dieses Gebiet entfallende Anteil des Beförderungspreises bei der Berechnung der Steuer nicht außer Ansatz zu lassen.
Normenkette
BefStG § 2 Abs. 1 Buchst. a, § 5 Abs. 2 S. 1
Tatbestand
Die beschwerdeführende Firma (Beschwerdeführerin -- Bfin. --) betreibt die Beförderung von Gütern im Güterfernverkehr u. a. von Berlin (West) durch das sowjetisch besetzte Gebiet in das Gebiet der Bundesrepublik. Für die im Monat März 1952 durchgeführten Beförderungen dieser Art hat das Finanzamt die Beförderungsteuer unter Zugrundelegung der gesamten hierauf entfallenden Entgelte festgesetzt. Die Bfin. beantragt die Festsetzung der Beförderungsteuer unter Zugrundelegung nur des Teils der Beförderungsentgelte, der sich bei Außerachtlassung des auf das sowjetisch besetzte Gebiet entfallenden Anteils ergibt. Die Bfin. bemißt dabei diesen Anteil auf 40 v. H. der Gesamtentgelte.
Entscheidungsgründe
Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist ohne Erfolg.
Nach § 2 Abs. 1 Buchst. a des Beförderungsteuergesetzes (BefStG) unterliegt der Beförderungsteuer die Beförderung von Personen und Gütern "innerhalb des Reichsgebiets". Nach § 5 Abs. 2 BefStG ist, soweit bei einer Beförderung fremdes Hoheitsgebiet berührt wird, der auf dieses Gebiet entfallende Anteil des Beförderungspreises bei der Berechnung der Steuer außer Ansatz zu lassen.
Zunächst ist die Meinung der Bfin. irrig, daß es ein einheitliches Reichsgebiet nicht mehr gebe. Der Bestand des Deutschen Reiches ist, wie bereits das Bundesverfassungsgericht und mehrfach auch der Bundesgerichtshof ausgesprochen haben, durch die Ereignisse im Mai 1945 nicht berührt worden. Das Deutsche Reich besteht nach wie vor als Gesamtstaat im Rechtssinn fort. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 371/52 vom 26. Februar 1954 (Bd. 3 S. 288, 316, 319) und die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs GSZ 6/53 vom 20. Mai 1954 (Bd. 13 S. 265, 292 ff.) und IV Z R 45/54 vom 21. Juni 1954 (Neue Juristische Wochenschrift 1954 S. 1724 = Der Betriebs-Berater 1954 S. 783) wird Bezug genommen. Besteht aber das Deutsche Reich als Gesamtstaat im Rechtssinn fort, dann gibt es auch ein einheitliches Reichsgebiet im Rechtssinn. Daß zu diesem Reichsgebiet auch die sowjetische Besatzungszone gehört, also dieses Gebiet im Verhältnis zu dem Land Berlin oder zur Bundesrepublik nicht als Ausland angesehen werden kann, kann ernsthaft nicht bestritten werden (vgl. hierzu auch Bundesverfassungsgericht Bd. 1 S. 337/341). Demgegenüber sind die Ausführungen der Bfin. abwegig, der Begriff "Reichsgebiet" sei durch die Macht der Tatsachen unterhöhlt und ein Festhalten an diesem Begriff sei formalistisch, wie es auch nicht darauf ankommt, daß die im BefStG enthaltenen Begriffe "Reichsmark", "Reichsminister" usw. sich geändert haben.
Aus dem Fortbestand des Deutschen Reiches im Rechtssinn und damit aus dem Vorhandensein eines einheitlichen Reichsgebiets im Rechtssinn ergibt sich weiter, daß entgegen der Meinung der Bfin. das Gebiet der sowjetischen Besatzungszone nicht als fremdes Hoheitsgebiet i. S. des § 5 Abs. 2 Satz 1 BefStG anzusehen ist. Diese Vorschrift ist eine Steuerberechnungsvorschrift, die aus der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Buchst. a BefStG folgt und mit ihr im engsten Zusammenhang steht. Unter fremdem Hoheitsgebiet in diesem Sinn ist also das Gebiet außerhalb des "Reichsgebiets" zu verstehen, so wie unter dem grenzüberschreitenden Verkehr i. S. des Satzes 2 der Vorschrift des § 5 Abs. 2 BefStG der Verkehr über die Auslandsgrenze des Reichsgebiets und nicht der Verkehr über eine innerdeutsche Grenze zu verstehen ist (vgl. hierzu die Begründung zur Vorschrift des § 4 des Gesetzes über die Besteuerung des Personen- und Güterverkehrs vom 8. April 1917, die der Vorschrift des § 5 BefStG entspricht, Verhandlungen des Reichstags XIII. Legislaturperiode II. Session Bd. 320 Drucksachen-Nr. 631 S. 21). Der Hinweis der Bfin. auf die territoriale Begrenzung der Steuerhoheit des Landes Berlin geht fehl. Aus der territorialen Begrenzung der Steuerhoheit des Landes Berlin kann nicht der Schluß gezogen werden, daß damit Rechtsvorgänge, die sich außerhalb seines Hoheitsbereichs vollziehen, in jedem Fall einer Besteuerung nach Maßgabe des materiellen Rechts entzogen wären. Die territoriale Begrenzung der Steuerhoheit des Landes Berlin ist nur in dem Sinn von Bedeutung, daß eine Ausübung der Steuerhoheit außerhalb des Hoheitsbereichs nicht möglich ist. Eine Ausübung der Steuerhoheit durch das Land Berlin außerhalb seines Hoheitsbereichs liegt aber nicht vor, wenn das Land Berlin bei der Durchführung des BefStG sich auf die Inanspruchnahme von Unternehmern beschränkt, die nach den Zuständigkeitsvorschriften in den Bereich seiner Steuerhoheit fallen. Hierzu ist zu bemerken, daß sich die Zuständigkeitsvorschriften auf dem Gebiet der Beförderungsteuer im Land Berlin, in der sowjetischen Besatzungszone und in der Bundesrepublik nicht im Sinn einer Überschneidung geändert haben, so wie auch das BefStG -- jedenfalls in Bezug auf die im Streitfall in Frage stehenden Vorschriften (§ 1, § 2 Abs. 1 Buchst. a, § 5 Abs. 2 BefStG) ihrem Inhalt nach -- weder im Land Berlin noch in der sowjetischen Besatzungszone noch in der Bundesrepublik geändert worden ist, so daß in dieser Beziehung in den genannten Gebieten nach wie vor Rechtseinheit besteht.
Schließlich geht auch noch der Hinweis der Bfin. auf die Straßenbenutzungsgebühr fehl, die in der sowjetischen Besatzungszone mit Wirkung vom 1. September 1951 erhoben wird. Bei dieser Gebühr handelt es sich -- gleichgültig wie die Erhebung dieser Gebühr begründet wird -- keineswegs um eine Beförderungsteuer, d. h. um eine die gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Gütern betreffende Abgabe. Nach der erwähnten Verordnung wird die Straßenbenutzungsgebühr vielmehr erhoben ohne Rücksicht darauf, ob eine Beförderung i. S. des § 1 BefStG vorliegt oder nicht. Von einer Doppelbesteuerung, also von einer doppelten Erhebung der Beförderungsteuer, kann mithin -- abgesehen davon, daß der Schuldner der Beförderungsteuer und der Schuldner der Gebühr verschiedene Personen sind -- nicht die Rede sein. Unerheblich ist für die Frage des Vorliegens einer Doppelbesteuerung, daß nach der Begründung zum Gesetz zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes vom 2. Juli 1936 einer der Beweggründe für die Besteuerung der gewerbsmäßigen Beförderung von Personen und Gütern mit Kraftfahrzeugen die Gewinnung von Einnahmen zur Finanzierung des Baus der Reichsautobahnen war. Es ist zuzugeben, daß die Straßenbenutzungsgebühr eine zusätzliche Belastung für die Beförderungsunternehmer im Land Berlin und im Gebiet der Bundesrepublik darstellt; es mag auch sein, daß sie sich auf den Verkehr zwischen Berlin und der Bundesrepublik erschwerend auswirkt. Dem Rechnung zu tragen ist aber nicht Sache der Rechtsprechung.
Hiernach besteht, da § 2 Abs. 1 Buchst. a BefStG die Beförderung von Personen und Gütern innerhalb des Reichsgebiets der Steuer unterwirft, ferner die sowjetische Besatzungszone zum Reichsgebiet gehört und kein fremdes Hoheitsgebiet i. S. des § 5 Abs. 2 Satz 1 BefStG ist, die festgesetzte Steuer zu Recht. Dieser Auffassung des Senats entspricht auch die tatsächliche Anwendung des BefStG nicht nur im Land Berlin, sondern auch in der sowjetischen Besatzungszone und in der Bundesrepublik.
Fundstellen
Haufe-Index 408099 |
BStBl III 1955, 49 |
BFHE 1955, 125 |