Leitsatz (amtlich)
1. Ein vor langer Zeit zusammen mit Nebenbetrieben erworbener land- und forstwirtschaftlicher Betrieb kann auch dann ein Liebhabereibetrieb werden, wenn die Dauerverluste u. a. darauf zurückzuführen sind, daß die Nebenbetriebe sich zu selbständigen Gewerbebetrieben entwickelten und deshalb ihre Gewinne die Verluste aus der Land- und Forstwirtschaft nicht mehr beseitigen.
2. Der BFH kann im Revisionsverfahren offenbare Unrichtigkeiten des angefochtenen Urteils berichtigen.
Normenkette
FGO § 107; EStG § 2 Abs. 3
Tatbestand
Zu entscheiden ist auf die Revision der Witwe und des Testamentsvollstreckers über das Vermögen des 1967 verstorbenen Steuerpflichtigen in der Einkommensteuersache 1952 bis 1958, ob die vom Steuerpflichtigen betriebene Land- und Forstwirtschaft ein Liebhabereibetrieb war.
Der Steuerpflichtige war früher Textilfabrikant in Ostdeutschland. Nach dem letzten Krieg errichtete er im Bundesgebiet eine Textilfabrik. Weiterhin gehörten ihm ein zeitweise verpachtetes Sägewerk, ein Elektrizitätswerk, ein verpachtetes Gasthaus und eine Verschlußbrennerei. Der Steuerpflichtige war ferner Eigentümer eines im oberbayerischen Voralpenland gelegenen Schlosses und des dazugehörenden Schloßgutes, das er 1922 zusammen mit dem Elektrizitätswerk, dem Sägewerk und der Verschlußbrennerei erworben hatte.
Bei der Land- und Forstwirtschaft fand in der Zeit vom 3. bis 7. Februar 1958 und vom 17. Oktober bis 10. November 1960 mit Unterbrechungen eine Betriebsprüfung statt, die von einem Fachprüfer für landwirtschaftliche Betriebe durchgeführt wurde. Dieser hielt die Buchführung der Land- und Forstwirtschaft wegen verschiedener Mängel nicht für ordnungsmäßig. U. a. waren verschiedene Rohstoffe aus der Brennerei als Futtermittel in der Landwirtschaft verwendet worden. In den Wirtschaftsjahren 1952/53 bis 1954/55 waren z. B. die für die Landwirtschaft entnommene Schlempe nicht bewertet und in Rechnung gestellt und der dem eigenen Elektrizitätswerk für die Landwirtschaft entnommene Strom nicht verrechnet worden.
Das FA lehnte bei den für die Jahre 1952 bis 1958 nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO vorgenommenen Berichtigungsveranlagungen den Ausgleich der Verluste aus der Land- und Forstwirtschaft mit den positiven Einkünften des Steuerpflichtigen ab. Die Einkommensteuer 1953 betrug 0 DM. Für die Jahre 1952 und 1959 wurden der Steuerpflichtige und seine Ehefrau zusammen veranlagt. Für die übrigen Jahre wurden sie getrennt veranlagt.
Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.
Das FG wies die Klage ab. Es vertrat die Ansicht, die Land- und Forstwirtschaft des Steuerpflichtigen müsse schon deshalb als Liebhabereibetrieb angesehen werden, weil sie die typischen äußeren Merkmale des Dauerverlustbetriebes bei hohen positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten des Steuerpflichtigen aufweise.
Nach der auf Grund der Ausführungen der beiden Sachverständigen - des Betriebsprüfers und des vom Steuerpflichtigen zugezogenen Gutachters - gewonnenen Überzeugung des Senats hätten die Dauerverluste ihre Ursachen nahezu ausschließlich in der Bewirtschaftungsart durch den Steuerpflichtigen, vor allem in den weit überhöhten Personal- und Sachausgaben. Die Sachverständigen hätten übereinstimmend ausgeführt, daß die in allen Streitjahren im Betrieb verausgabten Löhne jedes wirtschaftlich vertretbare Maß überstiegen. Die Kostspielige, wirtschaftlich nicht notwendige Pferdehaltung, die Schweinehaltung, der Unterhalt einer Gärtnerei dieses Umfangs, einer Ostbaumkultur und einer Gutsküche seien mit der Beschäftigung mehrerer qualifizierter und gutbezahlter Arbeitskräfte verbunden gewesen, die zudem infolge mangelnder Koordination außerhalb ihres engen Aufgabengebietes nicht in der richtigen Weise eingesetzt worden seien. Hier habe sich erheblich kostenerhöhend ausgewirkt, daß der Steuerpflichtige und Mitglieder seiner Familie den Betrieb nicht selbst geleitet und die Arbeitskräfte nicht entsprechend eingesetzt und überwacht hätten. Gleiches gelte für die Sachaufwendungen.
Die Trennung der zusammen mit der Landwirtschaft erworbenen Nebenbetriebe (Elektrizitätswerk, Sägewerk und Brennerei) von der Land- und Forstwirtschaft sei zu Recht vorgenommen worden. Es habe an einem inneren Zusammenhang gefehlt. Für die Behandlung als Nebenbetriebe der Landwirtschaft seien die Zukäufe zu hoch gewesen. Außer dem vom Steuerpflichtigen erstrebten, steuerrechtlich aber unzulässigen internen Ausgleich der Verluste aus der Land- und Forstwirtschaft seien keine Gründe für eine Zusammenfassung der Betriebe gegeben.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Das Rubrum des vorinstanzlichen Urteils ist in zwei Punkten zu berichtigen.
Die Ehefrau des Steuerpflichtigen ist nur wegen des Einkommensteuerbescheids 1952 am Verfahren beteiligt und deshalb lediglich insoweit als Klägerin aufzuführen. Die Eheleute wurden in den Jahren 1953 bis 1955 getrennt veranlagt. Nur die gegenüber dem Steuerpflichtigen ergangenen Einkommensteuerbescheide sind Gegenstand dieses Rechtsstreits. Zwar ist der Sammelberichtigungsbescheid 1956 bis 1959 vom 7. März 1966 an den Steuerpflichtigen und seine Ehefrau gerichtet, obwohl die Eheleute nur für das Jahr 1959 zusammen veranlagt wurden. Die Ehefrau des Steuerpflichtigen wurde durch diesen Bescheid aber nur insoweit berührt, als er das - vom Revisionsverfahren nicht erfaßte - Jahr 1959 betrifft. Die Revision der Ehefrau des Steuerpflichtigen ist deshalb nur hinsichtlich des Jahres 1952 als eingelegt anzusehen.
Die Erwähnung der beiden Söhne des Steuerpflichtigen als Erben ist eine falsche Fassung des Rubrums, soll aber offenbar nur der Bezeichnung der Sache dienen. Der Senat hat deshalb keine Bedenken, als Kläger - abgesehen von der Ehefrau des Steuerpflichtigen für das Jahr 1952 - nur den Testamentsvollstrecker anzusehen. Die Revision ist deshalb nicht als namens der beiden Söhne des Steuerpflichtigen eingelegt aufzufassen.
Der erkennende Senat ist für die Berichtigungen der Vorentscheidung im Rahmen des Revisionsverfahrens zuständig. Dies wird auch für das Zivilprozeßrecht, in dem anders als im Finanzprozeß nach § 319 Abs. 3 ZPO gegen die Ablehnung der Berichtigung kein Rechtsbehelf gegeben ist, allgemein angenommen (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 4 S. 208 [210]; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Juni 1964, NJW 1964 S. 1858). Dementsprechend vertrat der Senat auch im Beschluß IV 399/61 vom 18. November 1965 (HFR 1966, 131) die Ansicht, daß der BFH für die Fehlerberichtigung nach § 92 Abs. 3 AO a. F. zuständig ist, wenn das eine offenbare Unrichtigkeit der Steuerfestsetzung enthaltende Urteil des FG bestätigt wird.
5. Das FG nahm mit Recht das Vorliegen eines Liebhabereibetriebs an und versagte deshalb die Berücksichtigung der Verluste aus diesem Betrieb.
Der Einkommensteuer unterliegen nur die in § 2 Abs. 3 EStG aufgeführten Einkünfte. Voraussetzung für die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung von Gewinnen und Verlusten ist, daß der Steuerpflichtige ernstlich mit einem Ausgleich zwischen Aufwand und Ertrag (Einnahmen und Ausgaben) und einem wenn auch bescheidenen Nutzen (Einkommen) rechnet (vgl. RFH-Urteil VI A 1473/28 vom 14. März 1929, RStBl 1929, 329, und BFH-Urteil I 221/62 S vom 2. November 1965, BFH 85, 121, BStBl III 1966, 255). Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob der Betrieb nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird und seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung nach auf die Dauer gesehen nachhaltig mit Gewinn arbeiten kann. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, beurteilt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des Steuerpflichtigen, sondern nach den objektiven Verhältnissen (vgl. Urteil des Senats IV 69/63 vom 27. Juni 1968, BFH 93, 274, BStBl II 1968, 815, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Es ist der Revision zuzugeben, daß nach diesen Grundsätzen fast ausschließlich Verluste aus Land- und Forstwirtschaft einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden. Das ist darauf zurückzuführen, daß die Art der Bewirtschaftung nicht allein maßgeblich für die Qualifizierung als Liebhabereibetrieb ist. Gewerbebetriebe werden in aller Regel nicht aus Gründen der Liebhaberei geführt, sondern aus Gewinnstreben. Dagegen werden häufiger land- und fortstwirtschaftliche Betriebe von Steuerpflichtigen, die sie nicht als Einkunftsquelle nutzen wollen und andere erhebliche Einkünfte haben, aus Gründen privater Art erworben, wie z. B. als landwirtschaftlich schön gelegener Wohnsitz oder zur gesellschaftlichen Repräsentation. Das letzere gilt besonders, wenn es sich, wie im vorliegenden Fall, um ein sehr repräsentatives Gut handelt. Kommen diese Gründe der Anschaffung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zu anhaltenden Verlusten hinzu, liegt der Betrieb einer Land- und Forstwirtschaft nicht in der einkommensteuerrechtlich relevanten, sondern in der privaten Sphäre. Hier gilt ähnliches wie bei dem Verbot des Abzugs von Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten, die die Lebensführung betreffen oder die die gesellschaftliche Stellung eines Steuerpflichtigen mit sich bringt (§ 12 Nr. 1 EStG).
Daß das FG die Land- und Forstwirtschaft sowie das Elektrizitätswerk, das Sägewerk und die Brennerei, die der Steuerpflichtige 1922 zusammen erworben hatte, nicht als wirtschaftliche Einheit ansah und die Verluste und Gewinne deshalb nicht saldierte, ist keine Frage der mangelnden Sachaufklärung, sondern des materiellen Rechts. Das FG lehnte es mit Recht ab, diese Betriebe, die sich, was von der Revision zugegeben wird, auf Grund des Zukaufs in den Streitjahren nicht mehr als Nebenbetriebe, sondern als selbständige Gewerbebetriebe darstellten, zusammen mit der Land- und Forstwirtschaft als einen einheitlichen Betrieb zu behandeln und die Gewinne und Verluste zusammenzufassen. Bei der Ermittlung der Betriebsergebnisse einer Land- und Forstwirtschaft sind nur die Gewinne oder Verluste aus Neben betrieben zu berücksichtigen. Handelt es sich dagegen um selbständige Gewerbebetriebe, sind ihre Gewinne getrennt von den Betriebsergebnissen der Land- und Forstwirtschaft zu ermitteln. Das kann, wie im vorliegenden Fall, zur Folge haben, daß die Land- und Forstwirtschaft für sich allein betrachtet dauernd mit Verlusten abschließt und sie vor allem deswegen als Liebhabereibetrieb anzusehen ist.
An dieser sich aus der Systematik des EStG ergebenden rechtlichen Betrachtung kann sich nicht deshalb etwas ändern, weil der Steuerpflichtige vor sehr langer Zeit den landwirtschaftlichen Betrieb mit den damals noch Nebenbetriebe darstellenden, jetzt zu selbständigen gewerblichen Unternehmen gewordenen Betrieben erwarb oder weil sich der Charakter dieser Betriebe erst in jüngster Zeit änderte. Denn die Entscheidung darüber, ob eine bestimmte wirtschaftliche Betätigung die Voraussetzungen einer steuerlich irrelevanten Liebhaberei erfüllt, kann nur auf den im Streitjahr vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb abstellen und muß dabei selbständige gewerbliche Betriebe auch dann außer Betracht lassen, wenn sie früher einmal landwirtschaftliche Nebenbetriebe waren oder vor langer Zeit zusammen mit dem landwirtschaftlichen Betrieb erworben wurden. Diese für den Steuerpflichtigen harte Folge beruht auf seinem eigenen Verhalten und seiner eigenen Entschließung, die Nebenbetriebe rationeller und gewinnbringender zu gestalten.
Fundstellen
Haufe-Index 68496 |
BStBl II 1969, 340 |