Herstellung von Alkohol durch einen Obstlandwirt
Das Gericht entschied: Baut ein Landwirt mit angeschlossener Brennerei Obst an, das er teilweise verkauft und teilweise mittels einer Destillieranlage zu Alkohol verarbeitet, unterliegt die Alkohollieferung nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG. Der Alkohol ist kein landwirtschaftliches Erzeugnis im Sinne von Art. 295 Abs. 1 Nr. 4 MwStSystRL. Auch ist die Herstellung des Alkohols in der Brennerei kein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb und keine landwirtschaftliche Dienstleistung im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG bzw. von Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL.
Landwirtschaft mit angeschlossener Brennerei
Worum ging es in dem Fall? Der Kläger betreibt eine Landwirtschaft mit angeschlossener Brennerei. Das angebaute Obst wird teilweise verkauft und teilweise zu Alkohol verarbeitet. Die sensorisch besten Brände füllt er selbst ab und verkauft sie als Schnäpse an Laufkundschaft und Hofläden. Den Rest liefert er als Rohalkohol an Großhändler. Der Kläger unterwarf den gesamten oben beschriebenen Verkauf der Jahre 2015 bis 2018 der Steuer von 8,3 % (19 % abzüglich pauschale Vorsteuer des § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG). Nach Auffassung des Finanzamts unterliegen die Verkäufe der Regelbesteuerung, da die Reinigung zu einem Produkt der zweiten oder einer höheren Verarbeitungsstufe führe.
Regelbesteuerung für Alkoholverkäufe
Nach Auffassung des FG hat das Finanzamt die oben genannten Alkoholverkäufe zurecht der Regelbesteuerung unterworfen. Nach dem für den Streitzeitraum geltenden § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG gilt für die Lieferung von alkoholischen Flüssigkeiten (ausgenommen Lieferungen in das Ausland und im Ausland bewirkte Umsätze) im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ein effektiver Steuersatz von 8,3 % (19 % Umsatzsteuer abzüglich 10,7 % pauschalierte Vorsteuer). Als land- und fortwirtschaftlicher Betrieb gelten unter anderem die Landwirtschaft und der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau (§ 24 Abs. 2 Nr. 1 UStG).
Zwar ist der Kläger unstreitig ein "landwirtschaftlicher Erzeuger" und betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb. Doch findet die Herstellung des Rohalkohols aus dem angebauten Obst nicht mehr im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs im Sinne des § 24 UStG statt. Entscheidend ist für das FG, dass bereits nach dem ersten durch den Landwirt durchgeführten Destilliervorgang kein landwirtschaftliches Erzeugnis mehr vorliegt bzw. keine Verarbeitung im Rahmen einer landwirtschaftlichen Tätigkeit gegeben ist. Sämtliche Umsätze der Brennerei unterliegen daher der Regelbesteuerung. Deshalb komme es – entgegen der Auffassung des Finanzamts – nicht darauf an, ob durch den zweiten Destilliervorgang ein Produkt höherer Verarbeitungsstufe entstanden sei. Der Alkohol ist kein landwirtschaftliches Erzeugnis im Sinne von Art. 295 Abs. 1 Nr. 4 MwStSystRL. Die Herstellung von Alkohol ist in der MwStSystRL – mit Ausnahme des in Anhang VII unter Nr. 1 Buchst. a genannten Weinbaus – nicht erwähnt. Die Alkoholerzeugung aus Obst ist auch kein Obstanbau im Sinne von Anhang VII Nr. 1 Buchst. b MwStSystRL und von § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG. Eine entsprechende Auslegung würde nach Auffassung des FG die Wortsinngrenze überschreiten.
Herstellung des Alkohols ist kein Nebenbetrieb
Die Herstellung des Alkohols in der Brennerei ist umsatzsteuerrechtlich weder ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG noch eine nach Art. 295 Abs. 2 MwStSystRL der landwirtschaftlichen Erzeugung gleichgestellte Verarbeitungstätigkeit. Die vorliegende Brennerei wird nicht mit normalerweise in landwirtschaftlichen Betrieben verwendeten Mitteln ausgeübt. Durch die Destillation wird aus der alkoholhaltigen Obstmaische höherprozentiger Alkohol gewonnen. Dieses Produkt hat mit dem Ausgangprodukt nur noch wenig gemein und kann nur mit besonderen Geräten (Schnapsbrennkessel) hergestellt werden. Damit unterscheidet sich die Rohalkoholherstellung deutlich von den Beispielen, die in Anhang VIII Nr. 2 der MwStSystRL aufführt werden (z. B. Trocknung, Reinigung, Zerkleinerung, Desinfektion oder Einsilierung landwirtschaftliche Erzeugnisse). Anders als die Herstellung von Maische erfordert die Produktion von hochprozentigem Alkohol besondere Geräte und ist ohne menschlichen Eingriff nicht möglich. Auch stehen die Landwirte insoweit in Konkurrenz zu Brennereien ohne eigene Landwirtschaft. Die Herstellung von Rohalkohol sei deshalb keine typisch landwirtschaftliche Betätigung mehr.
Anwendungsbereich des § 24 Abs. 1 Nr. 2 UStG
Das FG ist sich bewusst, dass durch sein Urteil der Anwendungsbereich des § 24 Abs. 1 Nr. 2 UStG – alkoholische Flüssigkeiten – erheblich eingeschränkt wird. Jedoch zählt die vergorene Maische noch zu den alkoholischen Flüssigkeiten im Sinne des § 24 UStG, da zu ihrer Herstellung keine Destillieranlage erforderlich ist (BFH, Urteil v. 12.3.2008, XI R 65/06).
Dass es in Südbaden eine lange Tradition landwirtschaftlicher Betriebe mit angeschlossener Brennerei gibt, ändert daran nach Auffassung des FG nichts. Schließlich sei die Ausnahmeregelung des § 24 UStG als Privilegierung der Land- und Forstwirte nach Auffassung des EuGH eng auszulegen.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Verwaltungsauffassung widersprochen hat und die Rechtsfrage, inwieweit Alkoholherstellung durch Landwirte von § 24 UStG erfasst wird, bisher in der Rechtsprechung nicht zu entscheiden war. Auch ruhen gerade in Südbaden eine Vielzahl von Einsprüchen wegen des vorliegenden Rechtsstreits.
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