Leitsatz (amtlich)
1. Mischzuschläge, die sich aus steuerpflichtigen Lohnzuschlägen für Mehrarbeit und aus steuerfreien Lohnzuschlägen für Nachtarbeit zusammensetzen, können bezüglich des Anteils der Nachtarbeit in Höhe des zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Aufteilungsmaßstabes steuerfrei sein, wenn eine solche Vereinbarung in einem Tarifvertrag dem Grunde und der Höhe nach festgelegt oder aus ihm zumindest eindeutig abzuleiten ist. Die tarifvertragliche Aufteilung eines solchen Mischzuschlages in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Anteil ist steuerrechtlich jedoch insoweit nicht zu beachten, als sie einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten darstellt.
2. Ergibt sich aus dem Tarifvertrag keine derartige Aufteilung des Mischzuschlages, so ist er nur in der Höhe des im Tarifvertrag festgesetzten Zuschlagssatzes für reine Nachtarbeit, die nicht Mehrarbeit ist, steuerfrei.
Normenkette
EStG 1971/1974 § 34a Abs. 1; EStG 1975 § 3b Abs. 1; StAnpG § 6; TVG § 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zahlte den Streitjahren 1973 mit 1975 ihren Arbeitnehmern "Mischzuschläge", bestehend aus Zuschlägen für Mehrarbeit und solchen für Nachtarbeit, in einem einheitlichen Betrag in Höhe von 50 v. H. und - ab Juni 1974 - in Höhe von 60 v. H. des tariflichen Grundlohns.
Der für die betreffenden Arbeitsverhältnisse einschlägige Manteltarifvertrag vom 24. März 1970 hat u. a. folgende Fassung:
"§ 2 Arbeitszeit
IV. Zuschläge
Für Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, soweit diese vom Betrieb im Einvernehmen mit dem Betriebsrat angeordnet worden ist, sind folgende Zuschläge zu bezahlen:
1. Mehrarbeit 25 %
(Gesamtentlohnung 125 %)
2. Nachtarbeit (auch Nachtschicht-Arbeit) 15 %
(Gesamtentlohnung 115 %)
3. Nachtarbeit, die gleichzeitig Mehrarbeit ist 50 %
(s. Erläuterung)
(Gesamtentlohnung 150 %)."
Diesem Vertrag ist u. a. ein besonderer Anhang, überschrieben " Erläuterungen der Tarifparteien", angefügt. Dort heißt es "Zu § 2 IV Ziff. 3 - Zuschläge" wie folgt:
"Die Tarifparteien sind sich darüber einig, daß der unter § 2 IV Ziff. 3 festgelegte Zuschlag für Nachtarbeit, die gleichzeitig Mehrarbeit ist, sich wie folgt zusammensetzt:
25 % für Nachtarbeit
und 25 % für die reine Mehrarbeit."
Am 20. April 1972 schlossen die Tarifvertragsparteien eine " Tarifvereinbarung", die im wesentlichen den Wortlaut der "Erläuterungen wiederholt.
Eine weitere Tarifvereinbarung vom 18. November 1974 hat in teilweiser Vorwegnahme eines neu abzuschließenden Manteltarifvertrags u. a. folgenden Wortlaut:
"I.
...
Die Tarifparteien sind sich einig, daß die Bestimmungen des Abs. II Bestandteil des neuen Manteltarifvertrags für gewerbliche Arbeitnehmer werden und daß die übrigen, von dieser Tarifvereinbarung nicht betroffenen Bestimmungen des MTV vom 24.3.1970 bis 30.6.1975 weiter gelten, bis sie durch die noch neu zu formulierenden Paragraphen ersetzt werden. ...
II.
Der bisherige Manteltarifvertrag erhält folgende Fassungen:
1. § 2 - Arbeitszeit
IV. Zuschläge
2. Nachtarbeit (auch Nachtschichtarbeit) 25 %
(Gesamtentlohnung 1 25 %)
3. Nachtarbeit, die gleichzeitig Mehrarbeit ist 60 %
(Gesamtentlohnung 160 %)
...
IV.
... die Ziffern 1, 4 und 5 des Absatzes II treten mit Wirkung vom 1. Juni 1974 in Kraft ...".
Zu diesem Ergebnis der Manteltarifverhandlungen informierte der Arbeitgeberverband seine Mitglieder mit Schreiben vom 16. Dezember 1974 u. a. wie folgt:
"1. Nachtarbeit, die gleichzeitig Mehrarbeit ist Die Tarifparteien sind sich darüber einig' geworden, daß der dafür festgelegte Zuschlag von 60 % wie folgt aufzuteilen ist:
für Nachtarbeit 35 %
für Mehrarbeit 25 %."
Die Klägerin ließ demgemäß die gezahlten Mischzuschläge in den Streitjahren bis einschließlich Mai 1974 mit 25 v. H. des Grundlohns und ab Juni 1974 mit 35 v. H. des Grundlohns lohnsteuerfrei.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte unter Hinweis auf § 34a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1971 und § 3b EStG 1975 von den geleisteten Zahlungen für die Zeit bis Mai 1974 nur 15 v. H. und ab Juni 1974 nur 25 v. H. des Grundlohns als steuerfrei an, weil nur dieser Zuschlag durch Tarifvertrag als Nachtarbeitszuschlag festgelegt sei. Auf dieser Grundlage errechnete das FA nach seiner Auffassung zu Unrecht steuerfrei belassene Beträge und erließ wegen der hierauf entfallenden Lohnsteuern und Lohnkirchensteuern einen Haftungsbescheid gegen die Klägerin.
Nach erfolglosem Einspruch machte die Klägerin die Steuerfreiheit von weiteren Anteilen an den Mischzuschlägen jeweils in Höhe von 10 v. H. des Grundlohns geltend. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte im wesentlichen aus: Die Voraussetzung des § 34a Abs. 1 EStG 1971 und des § 3bAbs. 1 EStG 1975, wonach die gezahlten Zuschläge dem Grund und der Höhe nach gesetzlich oder tarifvertraglich festgelegt sein müßten, sei für die Mischzuschläge nicht gegeben. Denn weder der Manteltarifvertrag vom 24. März 1970 noch die Tarifvereinbarung vom 18. November 1974 enthielten für den Fall des Zusammentreffens von Nacht- und Mehrarbeit eine Bestimmung über die Aufteilung des einheitlich festgelegten Zuschlags von 50 v. H. bzw. 60 v. H. Lediglich in Zusätzen der Tarifvertragsparteien außerhalb des Manteltarifvertrags vom 24. März 1970 bzw. der Tarifvereinbarung vom 18. November 1974 sei die Einigung der Parteien über die Aufteilung enthalten. Diese Zusätze seien aber nur eine Auslegung der Tarifvertragsparteien, enthielten also keine Rechtsnormen über den Inhalt eines Arbeitsverhältnisses i. S. des § 1 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes (TVG). Dies gelte um so mehr, als Gegenstand der Auslegung eine Frage mit rein steuerlichen Auswirkungen sei, für die den Tarifvertragsparteien nach § 1 Abs. 1 TVG die Festlegungskompetenz fehle. Deswegen bestünden auch Bedenken, einer Aufteilung des Mischzuschlags durch Tarifvertrag zu folgen. Auch nach der Regelung der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1972 (Abschn. 52b Abs. 4) und 1975 (Abschn. 17 Abs. 6) sei bei Mischzuschlägen nur ein Betrag steuerfrei zu belassen, der den im Tarifvertrag gezahlten Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entspreche.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 34a Abs. 1 und § 38 Abs. 4 EStG 1971, des § 3b Abs. 1 und § 42d Abs. 1 EStG 1975 sowie - insoweit ohne weitere Begründung - mangelnde Sachaufklärung. Sie meint, die von ihr gezahlten und steuerfrei belassenen Zuschläge für Nachtarbeit seien dem Grunde und der Höhe nach in einem Tarifvertrag festgelegt. Denn die Tarifvereinbarung vom 20. April 1972, die bereits im Manteltarifvertrag vom 24. März 1970 vorgesehen gewesen sei, sowie das Schreiben des Arbeitgeberverbandes vom 16. Dezember 1974 zur Tarifvereinbarung vom 18. November 1974 enthielten jeweils für die maßgeblichen Zeiträume Bestimmungen über die Aufteilung der Zuschläge. Für die Zeit ab Juni 1974 folge die Bestimmung des Anteils des Nachtarbeitszuschlags am Mischzuschlag zudem deutlich der Anhebung des Nachtarbeitszuschlags von bisher 15 v. H. auf 25. v. H. sowie des Mischzuschlags von bisher 50 v. H. auf 60 v. H. Die Tarifvertragsparteien hätten bei der Bemessung des Mischzuschlags und seiner Aufteilung dem Umstand Rechnung getragen, daß es schwer sei, Arbeitnehmer zu finden, die bereit seien, nachts Mehrarbeit zu leisten. Da die Erschwernis primär in der Nachtarbeit liege, sei bei einem solchen Mischzuschlag die Nachtarbeit finanziell besonders hoch zu honorieren. Die Regelungskompetenz für diese Fragen, die sich aus Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) ergebe, werde vom Einkommensteuergesetz unterstellt. Sowohl die Erläuterungen zum Manteltarifvertrag vom 24. März 1970 als auch die Tarifvereinbarung vom 20. April 1972 seien echte Tarifverträge i. S. des § 34a Abs. 1 EStG 1971 bzw. § 3b Abs. 1 EStG 1975. Auf rund dieser Vereinbarungen lagen keine Mischzuschläge, sondern besonders festgesetzte Einzelzuschläge vor. Im übrigen sei der vorliegende Fall ausdrücklich in den Lohnsteuer-Richtlinien im Sinne der von ihr, der Klägerin, praktizierten Handhabung geregelt. Mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung aller Steuerpflichtiger hätte das FA auch die Rundverfügungen der Oberfinanzdirektion (OFD) Düsseldorf vom 1. April 1966 S 2223 A-St 121 und vom 16. Januar 1976 S 2370 A-St 12 H, die eine für sie günstige Regelung enthielten, beachten müssen. Da schließlich im Streitfall derselbe Sachverhalt wie im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Juni 1978 VI R 33/76 (BFHE 125, 383, BStBl II 1978, 574) vorliege, müßten die Mischzuschläge von 50 bzw. 60 v. H. des Grundlohns sogar in vollem Umfang steuerfrei sein.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und die Haftungsbeträge so weit herabzusetzen, daß die genannten Mischzuschläge in vollem Umfang steuerfrei bleiben. Sie beantragt hilfsweise, die Haftungsbeträge unter Berücksichtigung eines steuerfreien Anteils an den Mischzuschlägen bis Mai 1974 von 25 v. H. und für die Folgezeit von 35 v. H. des Grundlohns herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Senat hat dem Bundesminister der Finanzen (BdF) anheimgegeben, dem Verfahren beizutreten. Der BdF ist nicht beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist bezüglich des von der Klägerin gestellten Hauptantrags unzulässig, bezüglich ihres Hilfsantrags zulässig, aber nur teilweise begründet.
I.
Unzulässig ist der von der Klägerin im Revisionsverfahren gestellte Hauptantrag, die genannten Mischzuschläge in Höhe von 50 v. H. bzw. 60 v. H. In vollem Umfang steuerfrei zu belassen. Denn die Klägerin geht damit über ihren im Klageverfahren gestellten Antrag hinaus, den Mischzuschlag bis einschließlich Mai 1974 nur in Höhe von 25 v. H. und den Mischzuschlag von Juni 1974 an lediglich in Höhe von 35 v. H. des Grundlohns steuerfrei zu lassen. Eine solche Klageänderung ist nach § 123 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässig. Die Klägerin ist insoweit durch die Vorentscheidung nicht beschwert (vgl. BFH-Urteil vom 8. Februar 1979 V R 114/74 BFHE 127, 254, BStBl II 1979, 358).
II.
Der von der Klägerin gestellte Hilfsantrag, die Mischzuschläge für die Zeit bis einschließlich Mai 1974 mit 25 v. H. und für die Folgezeit mit 35 v. H. des Grund lohnssteuerfrei zu belassen, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Soweit das Verfahren die Mischzuschläge für die Zeit bis zum 31. Mai 1974 betrifft, ist die Revision begründet.
Nach § 34a Abs. 1 EStG 1971/1974 sind gesetzliche oder tarifvertragliche Zuschläge, die neben dem Grundlohn für tatsächlich geleistete Nachtarbeit gezahlt werden, steuerfrei, wenn sie in einem Gesetz oder in einem Tarifvertrag dem Grunde und der Höhe nach festgelegt sind. Die Frage, ob "tarifvertragliche Zuschläge" in diesem Sinne vorliegen, beurteilt sich allein nach arbeitsrechtlichen Vorschriften (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 1957 VI 84/56 U, BFHE 65, 179, BStBl III 1957, 302). Arbeitsrechtliche Grundsätze sind auch maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob die Zuschläge "in einem Tarifvertrag dem Grunde und der Höhe nach festgelegt" sind (§ 34a Abs. 1 Satz 2 EStG 1971/1974). Ob solche Zuschläge steuerfrei sind, ist hingegen allein nach steuerrechtlichen Vorschriften zu beurteilen (BFH-Urteil in BFHE 65, 179, BStBl III 1957, 302). Ob der Steuerfreiheit der Zuschläge übergeordnete gesetzliche Normen des Steuerrechts entgegenstehen, ist nach steuerrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden. Daher gilt für die Mischzuschläge für die Zeit bis zum 31. Mai 1974 folgendes:
a) Der Anteil des Nachtarbeitzuschlags an dem für das Zusammentreffen von Nachtarbeit und Mehrarbeit gezahlten Mischzuschlag von 50 v. H. war entgegen der Ansicht des FG für die Zeit bis zum 31. Mai 1974 in einem Tarifvertrag dem Grunde und der Höhe nach festgelegt. Der zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossene Manteltarifvertrag vom 24. März 1970 enthielt allerdings keine Bestimmung, wie der Mischzuschlag für Nachtarbeit, die zugleich Mehrarbeit ist, in Höhe von 50 v. H. des Grundlohns auf Mehrarbeit und auf Nachtarbeit aufzuteilen ist. Der Senat läßt es dahingestellt, ob die von den Tarifvertragsparteien vereinbarten "Erläuterungen" zu dem vorbezeichneten Manteltarifvertrag im arbeitsrechtlichen Sinne einen eigenen Tarifvertrag darstellen. Denn jedenfalls legten die Tarifvertragsparteien später in der schriftlichen Tarifvereinbarung vom 20. April 1972 fest, daß sich der Mischzuschlag von 50 v. H. aus einem Zuschlag für Nachtarbeit in Höhe von 25 v. H. und aus einem Zuschlag für Mehrarbeit in gleicher Höhe zusammensetzt. Diese Tarifvereinbarung legt den Grund und die Höhe des im Mischzuschlag enthaltenen Nachtarbeitszuschlags i. S. des § 34a Abs. 1 Satz 2 EStG 1971/1974 eindeutig fest; sie wahrt auch die in § 1 Abs. 2 TVG für Tarifverträge vorgeschriebene Schriftform. Solche schriftlichen, einen Manteltarifvertrag ergänzenden lohntarifvertraglichen Regelungen sind allgemein üblich und bilden nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen mit dem Manteltarifvertrag eine sachliche Einheit (vgl. Wiedemann/Stumpf, Tarifvertragsgesetz, 5.Aufl. § 1 Rdnr. 155).
b) Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, daß den Tarifvertragsparteien für die Aufteilung des Mischzuschlags auf steuerpflichtige Mehrarbeitszuschläge und auf steuerfreie Nachtarbeitszuschläge die Regelungskompetenz fehle. Nach § 1 Abs. 1 TVG können die Tarifvertragsparteien in einem Tarifvertrag ihre Rechte und Pflichten regeln und Rechtsnormen vereinbaren, die u. a. den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ordnen. Hierzu gehören auch Vorschriften über die Pflichten des Arbeitgebers zur Lohnzahlung und inbsbesondere zur Leistung bestimmter Zuschläge zum Arbeitslohn, wie z. B. für Mehrarbeit und Nachtarbeit (vgl. Wiedemann/Stumpf, a. a. O., § 1 Rdnrn. 9, 151, 155, 159 zum Stichwort: "Zuschläge"). Die Tarifvertragsparteien können folglich auch einheitliche Mischzuschläge festsetzen, wenn Mehrarbeit mit Nachtarbeit zusammenfällt, und sie können die damit stets zusammenhängenden und für die Bemessung der Höhe des Mischzuschlags unter Umständen auch wesentlichen Fragen mitregeln, in welchem Verhältnis der Mischzuschlag auf Nachtarbeit und Mehrarbeit entfällt.
An diese tarifvertraglichen Vereinbarungen ist der Senat nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzlich gebunden, auch wenn sich steuerrechtliche Auswirkungen dadurch ergeben, daß Zuschläge für Nachtarbeit steuerfrei sind, Zuschläge für Mehrarbeit hingegen nicht. So hat der Senat den Tarifvertragsparteien im Urteil in BFHE 125, 383, BStBl II 1978, 574 nicht die Kompetenz abgesprochen, einen Zuschlag für Nachtarbeit, soweit sie Mehrarbeit ist, in Höhe von 50 v. H. des Grundlohns zu vereinbaren und im Tarifvertrag zugleich festzulegen, daß bei einem Zusammentreffen mehrerer Zuschläge für dieselbe Arbeit der jeweils niedrigere Zuschlag durch den höheren Zuschlag abgegolten ist, obgleich dies dort zu dem Ergebnis führte, daß der gesamte Mischzuschlag von 50 v. H. nach § 34a Abs. 1 EStG 1971 steuerfrei war.
c) Die Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien findet allerdings ihre Grenze an dem - in den Streitjahren noch maßgeblichen - § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG). Denn diese Vorschrift bestimmt auch für den Bereich des Tarifvertragsrechts, daß durch Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts die Steuerpflicht nicht umgangen oder gemindert werden kann. Dies hat der Senat schon bei der steuerrechtlichen Anerkennung von zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Vereinbarungen von Abfindungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgesprochen (vgl. Urteil vom 13. Oktober 1978 VI R 91/77, BFHE 126, 399, BStBl II 1979, 155). Nach diesem Urteil haben Finanzbehörden und Steuergerichte in der Regel ernstlich vereinbarte und durchgeführte zivilrechtliche Verträge im Rahmen des § 3 Nr. 9 EStG 1975 ebenfalls zu beachten, soweit es sich nicht um einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts handelt.
Zu diesen Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts rechnen auch Tarifvereinbarungen. Denn ihre Normen gehören nach herrschender Meinung dem Privatrecht an (vgl. Wiedemann/Stumpf, a. a. O., § 1 Rdnr. 15 Abs. 1 und 2, und die dort angeführte Rechtsprechung), und sie sind, obwohl sie als "Gesetze im materiellen Sinn" gelten, den formellen Gesetzen und Rechtsverordnungen - so auch denen auf dem Gebiet des Steuerrechts - im Range untergeordnet (vgl. Wiedemann/Stumpf, a. a. O. , § 1 Rdnrn. 14 und 15 Abs. 2). Ebenso wie sonstige Vertragspartner können auch Tarifvertragsparteien Regelungen treffen, die zu einer Steuerersparnis führen. Vom Gesetz mißbilligt werden nur solche Formen und Gestaltungsmöglichkeiten, die als rechtsmißbräuchlich oder unangemessen anzusehen sind. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, richtet sich stets nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Hierbei können insbesondere Gründe nichtsteuerrechtlicher Art, die für die gewählte Vertragsgestaltung, von beachtlicher Bedeutung waren, den Verdacht eines Mißbrauchs entkräften (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 14. Oktober 1964 II 175/61 U, BFHE 80, 539, 544, BStBl III 1964, 667, 669; vom 1. September 1965 II 85/62, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Grunderwerbsteuergesetz, § 1, Rechtsspruch 155). Von solchen Erwägungen ist der Senat im Ergebnis auch bei der Beurteilung von Mischzuschlägen in dem Urteil in BFHE 125, 383, BStBl II 1978, 574 ausgegangen. Er billigte in dieser Entscheidung die von den Tarifvertragsparteien getroffene Regelung, nach der durch den Zuschlag von 50 v. H. des Grundlohns der Mehrarbeitszuschlag durch den Nachtarbeitszuschlag abgegolten sein sollte, obgleich dies zur völligen Steuerfreiheit des Zuschlags führte. Maßgeblich hierfür war u. a. die Erkenntnis, daß die Tarifvertragsparteien damit eine arbeitsrechtliche Lösung haben treffen wollen. Denn sie wollten, wie der Senat in dieser Entscheidung darlegte, sicherstellen, daß Arbeitnehmer, die regelmäßig nachts arbeiten, keine Nachtarbeitszuschläge erhalten. Der Senat betonte zusätzlich, daß eine völlige Begünstigung von unregelmäßigen Nachtarbeiten bei Zuschlägen zum Arbeitslohn sich, wenn auch in anderer Form, ebenso in anderen Tarifverträgen finde.
Im Streitfall ist die Möglichkeit eines Mißbrauchs von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten deshalb nicht auszuschließen, weil die von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Aufteilung des Mischzuschlags von 50 v. H. auf je 25 v. H. des Grundlohns für Nacht- und für reine Mehrarbeit zwar der Höhe nach dem im Manteltarifvertrag vom 24. März 1970 vereinbarten Zuschlag für Mehrarbeit ohne Nachtarbeit von 25 v. H. des Grundlohns entspricht, nicht aber der dort ebenfalls festgelegten Höhe des Zuschlages für Nachtarbeit ohne Mehrarbeit, die nur 15 v. H. des Grundlohns betragen soll. Sollten sich die Tarifvertragsparteien bei Festlegung des höheren Anteils für Nachtarbeit von 25 v. H. In dem vorgenannten Mischzuschlag ausschließlich von Gesichtspunkten der Steuerfreiheit des Nachtarbeitszuschlags haben leiten lassen, so könnte dies für die Annahme eines Mißbrauchs zum Zwecke der Umgehung der den Arbeitnehmern auferlegten Steuerpflicht sprechen. Diese Möglichkeit würde indessen ausscheiden, wenn die Aufteilung des Mischzuschlags im Verhältnis von 25 : 25 wesentlich darauf zurückzuführen wäre, daß die Arbeitnehmer beim Zusammentreffen von Mehrarbeit mit Nachtarbeit gerade die Nachtarbeit als besonders belastend empfinden und die Tarifvertragsparteien diesem Umstand haben Rechnung tragen wollen. Von Bedeutung könnte auch sein, daß nur die Zuschlage für Mehrarbeit, nicht aber die für Nachtarbeit sozialversicherungspflichtig sind. Der Vorteil der Steuerfreiheit konnte somit durch einen Nachteil im Rahmen des Sozialversicherungsrechts aufgefangen sein, und somit ein weiteres Indiz gegen die Annahme eines Mißbrauchs von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts sein (vgl. zu den ähnlichen Überlegungen das BFH-Urteil in BFHE 126, 399, BStBl II 1979, 155, unter 3., dritter Absatz).
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit es die zur Klärung der vorstehenden Fragen erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachholt. Es wird hierzu wohl die bei dem Abschluß der Tarifvereinbarung vom 20. April 1972 Beteiligten hören müssen, um festzustellen, welche Gründe dafür maßgebend waren, den die Summe der Einzelzuschläge übersteigenden Teil des Mischzuschlags auf den Nachtzuschlag entfallen zu lassen. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten vorliegt, könnte es auch von Bedeutung sein, ob entsprechende Tarifvereinbarungen, in denen der Mischzuschlag höher ist als die Summe der Einzelzuschläge, häufig vorkommen und wie in solchen Fällen die Mischzuschläge regelmäßig aufgeteilt werden. Hierzu könnte eine Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung eingeholt werden, dem in der Regel eine Vielzahl von Tarifverträgen zur Auswertung vorliegt.
Sollte das FG aufgrund seiner tatsächlichen Feststellungen einen Mißbrauch i. S. des § 6 Abs .1 StAnpG annehmen, so muß es nach § 6 Abs. 2 StAnpG die Steuer so festsetzen, "wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben" wäre. Das FG würde dann zu erwägen haben, ob es den wirtschaftlichen Gegebenheiten eventuell am ehesten entspricht, den Mischzuschlag von 50 v. H. Im Verhältnis der Zuschläge für reine Nachtarbeit von 15 v. H. zur reinen Mehrarbeit von 25 v. H. des Grundlohns aufzuteilen. Dann würden 15/40 des Gesamtzuschlags von 50 v. H. auf die Nachtarbeit und 25/40 auf die Mehrarbeit entfallen.
Das FG wird das FA gegebenenfalls auffordern müssen, die im Lohnsteuerhaftungsbescheid für die jeweiligen Streitjahre nachgeforderte Lohnsteuer und Kirchensteuer zeitanteilig aufzugliedern. Da sich der Anteil des Nachtarbeitszuschlags am Mischzuschlag vom 1. Juni 1974 an erhöhte, muß auch die jeweilige Höhe der in beiden Zeiträumen gezahlten Zuschläge feststehen. Das FA wird seinerseits zu prüfen haben, ob der Lohnsteuerhaftungsbescheid insoweit den Anforderungen des § 211 i. V. m. § 97 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO), § 46 Abs. 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung 1971 (LStDV 1971) genügt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 20. Mai 1980 VI R 169/77, BFHE 130, 461, BStBl II 1980, 669), und ob es diesen Bescheid deshalb gegebenenfalls aufheben und durch einen neuen Bescheid ersetzen muß, der auf Antrag der Klägerin nach § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden könnte.
2. Soweit das Verfahren die Mischzuschläge für die Zeit vom 1. Juni 1974 an betrifft, ist der Hilfsantrag der Klägerin unbegründet. Denn für diesen Zeitraum war eine Aufteilung des Mischzuschlags nicht in einem Tarifvertrag vereinbart, wie dies in den für diesen Zeitraum maßgeblichen § 34a Abs. 1 EStG 1974 und § 3b Abs. 1 EStG 1975 vorgeschrieben ist.
Im Streitfall galt ab 1. Juni 1974 in teilweiser Vorwegnahme eines neu abzuschließenden Manteltarifvertrags die Tarifvereinbarung vom 18. November 1974, die für Nachtarbeit einen Einzelzuschlag von 25 v. H. und für Nachtarbeit, die gleichzeitig Mehrarbeit ist, einen Zuschlag von 60 v. H. des Grundlohns vorsieht. Eine Bestimmung über die Aufteilung des Mischzuschlags in Höhe von 60 v. H. in Zuschläge für Nachtarbeit und solche für Mehrarbeit war in diesem Tarifvertrag nicht enthalten. Die bisherige Tarifvereinbarung vom 20 April 1972 konnte bezüglich der Aufteilung dieses Mischzuschlags auch nicht fortgelten. Denn sie war dadurch gegenstandslos geworden, daß an Stelle des bisherigen Zuschlags von 50 v. H. nunmehr ein Zuschlag von 60 v. H. gewährt wurde.
Nach dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben des Arbeitgeberverbandes vom 16. Dezember 1974 waren sich die Tarifvertragsparteien bei der Vereinbarung vom 18. November 1974 zwar darüber einig, daß der Mischzuschlag von 60 v. H. mit 35 v. H. auf Nachtarbeit und 25 v. H. auf Mehrarbeit aufzuteilen sei. Diese mündliche Abrede stellt jedoch keine tarifvertragliche Norm dar, weil ihr die nach § 1 Abs. 2 TVG erforderliche Schriftform fehlt. Die Schriftform eines von beiden Tarifvertragsparteien zu unterzeichnenden Tarifvertrages kann durch die Mitteilung eines der Tarifvertragspartner an seine Mitglieder nicht ersetzt werden. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die mündliche Absprache arbeitsrechtlich als nichtig anzusehen ist, weil alle Fragen, die die Tarifvertragsparteien im Zusammenhang mit dem Tarifvertrag regeln wollten und als Vertragsbestandteil betrachten, nach herrschender Meinung (vgl. insbesondere Wiedemann/Stumpf, a. a. O., § 1 Rdnrn. 98 bis 100) der Schriftform bedürfen, oder ob diese der Schriftform entbehrende mündliche Auslegung des Tarifvertrags durch die Tarifvertragspartner bezüglich des dort vereinbarten Mischzuschlags als sog. "authentische Interpretation im weiteren Sinne" (vgl. Wiedemann/Stumpf, a. a. O., § 1 Rdnr. 428 Abs. 1) als ein die Gerichte nicht bindendes Beweismittel bei der Auslegung des Tarifvertrags mitberücksichtigt werden kann. Selbst wenn man letzteres annehmen wollte, so würde ein solches Hilfsmittel der Auslegung nicht dem Erfordernis des § 34a Abs. 1 Satz 2 EStG 1974 und des § 3b Abs. 1 Satz 2 EStG 1975 genügen, die für die Steuerfreiheit von Nachtarbeitszuschlägen - und damit auch für die Aufteilung eines Mischzuschlages in einen Nachtarbeits- und einen Mehrarbeitszuschlag - die Festlegung in einem Tarifvertrag dem Grunde und der Höhe nach verlangen.
Es würde zwar nach den vom Senat im Urteil in BFHE 125, 383, BStBl II 1978, 574 bestätigten Anweisungen in den Lohnsteuer-Richtlinien genügen, wenn die Aufteilung eines Mischzuschlags aus dem Tarifvertrag selbst abzuleiten wäre. Hinreichend bestimmte Anhaltspunkte für ein solches Aufteilungsverhältnis sind jedoch der Tarifvereinbarung vom 18. November 1974 nicht zu entnehmen. Zieht man den Manteltarifvertrag vom 24. März 1970 und die Tarifvereinbarung vom 20. April 1972 zum Vergleich mit heran, so ergibt sich zwar daß in der Vereinbarung vom 18. November 1974 der Zuschlag für Nachtarbeit von 15 auf 25 v., H. und der von Nachtarbeit, die zugleich Mehrarbeit ist, von 50 auf 60 v. H. des Grundlohns angehoben wurde. Hieraus kann jedoch nicht zwingend gefolgert werden, daß damit auch das Aufteilungsverhältnis beim Mischzuschlag von bisher 25 : 25 nunmehr auf 25 : 35 zugunsten der Nachtarbeit verändert werden sollte. Denn es wäre auch die Vereinbarung eines anderen Aufteilungsmaßstabes denkbar gewesen.
Im Streitfall kann mithin der im Tarifvertrag nicht aufgeteilte Mischzuschlag für den Zeitraum vom 1. Juni 1974 an nur in Höhe des im Tarifvertrag festgesetzten niedrigeren Zuschlages für reine Nachtarbeit, die nicht zugleich Mehrarbeit ist, steuerfrei gelassen werden. Deshalb hat das FG im Ergebnis zu Recht den Anteil von Nachtarbeit in dem vom 1. Juni 1974 an gezahlten Mischzuschlag von 60 v. H. des Grundlohns nur in Höhe von 25 v. H. als steuerfrei behandelt.
Die Klägerin beruft sich insoweit zu Unrecht auf das Urteil des Senats in BFHE 125, 383, BStBl II 1978, 574.
In diesem Urteil wurde der gesamte Mischzuschlag als steuerfrei behandelt. Die Klägerin übersieht, daß nach dem diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt der Anteil der Nachtarbeit am Mischzuschlag aus dem Manteltarifvertrag selbst, und zwar aus der bereits erwähnten Bestimmung ableitbar war, daß bei einem Zusammentreffen mehrere Zuschläge für dieselbe Arbeit der jeweils niedrigere Zuschlag durch den höheren Zuschlag abgegolten sein sollte. Eine ähnliche Absprache ist in der hier maßgeblichen Tarifvereinbarung vom 18. November 1974 nicht enthalten.
Unbegründet ist auch die Rüge der Klägerin, das FA sei im Streitfall im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung an die für sie günstigen Verfügungen der OFD Düsseldorf gebunden. Dieser Hinweis geht schon deshalb fehl, weil die OFD Düsseldorf dem beklagten FA gegenüber nicht weisungsbefugt ist und nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des FG entsprechende Verfügungen und Erlasse der dem hier zuständigen FA übergeordneten Behörden nicht bestanden.
Entgegen der Rüge der Klägerin vermag der Senat auch nicht zu erkennen, inwieweit das FG den Sachverhalt bezüglich des Zeitraums vom 1. Juni 1974 an mangelhaft aufgeklärt haben sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 413548 |
BStBl II 1981, 371 |
BFHE 1981, 446 |