Entscheidungsstichwort (Thema)
Schallschutzvorrichtungen als Betriebsvorrichtungen
Leitsatz (amtlich)
Schallschutzvorrichtungen an Decken oder Wänden innerhalb eines Gebäudes können ausnahmsweise Betriebsvorrichtungen sein, wenn von einem Betrieb ein so starker Lärm ausgeht, daß ohne die Vorrichtungen ein reibungsloser Betriebsablauf in Frage gestellt wäre. Der Zweck der Verhinderung dieser Beeinträchtigung muß bei dem Einbau und der Gestaltung der Vorrichtungen den Ausschlag gegeben haben.
Normenkette
BerlinFG § 19 Abs. 1 S. 4; BewG 1974 § 68 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in Berlin (West) eine Brauerei. In den Jahren 1977 und 1978 errichtete sie auf ihrem Betriebsgelände ein neues Flaschenabfüllgebäude mit Flaschenkeller. Sie ließ zum Zwecke des Schallschutzes u.a. im Flaschenkeller eine abgehängte Schallschutzdecke anbringen und die oberen zwei Drittel der Wände mit Edelstahlkassetten versehen. Für diese Schallschutzmaßnahmen wandte die Klägerin ... DM auf.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA-) beurteilte die Schallschutzvorrichtungen als Gebäudebestandteile und gewährte antragsgemäß eine Investitionszulage von 12,5 v.H. der Herstellungskosten gemäß § 19 Abs.1 Satz 3 Nr.2 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in der für das Streitjahr (1978) geltenden Fassung. In der Folgezeit änderte das FA den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Investitionszulagebescheid 1978 mehrfach aus hier nicht streitigen Gründen. Auch die Änderungsbescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Gegen den fünften Änderungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie eine 25 %ige Investitionszulage gemäß § 19 Abs.1 Satz 4 BerlinFG begehrte. Sie vertrat die Ansicht, die Schallschutzvorrichtungen seien bewegliche Wirtschaftsgüter, die mittelbar der Fertigung dienen. Das FA wies den Einspruch zurück.
Die Klage blieb ebenfalls erfolglos. Das Finanzgericht (FG) sah in den Schallschutzmaßnahmen keine beweglichen Wirtschaftsgüter. Es war der Auffassung, sie seien wesentliche Bestandteile des Gebäudes und gehörten damit zum Gebäude. Auch sei keine Betriebsvorrichtung gegeben.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie macht geltend, das FG gehe zu Unrecht davon aus, daß die Schallschutzeinrichtungen wesentliche Bestandteile des Gebäudes seien. Jedenfalls handele es sich um eine Betriebsvorrichtung. Die Schallschutzmaßnahmen stünden in einer unmittelbaren Beziehung zum betrieblichen Prozeß des Flaschenabfüllens.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA einen zuungunsten der Klägerin wirkenden Änderungsbescheid erlassen, den die Klägerin zum Gegenstand des Verfahrens erklärt hat.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den geänderten Investitionszulagebescheid 1978 vom 29.September 1988 zu ändern und die Investitionszulage um 12,5 v.H. höher festzusetzen; hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Gewährung der von der Klägerin begehrten erhöhten Investitionszulage setzt nach § 19 Abs.1 Satz 4 Nr.1 Buchst.a Doppelbuchst.aa BerlinFG neben anderen im Streitfall unstreitig gegebenen Erfordernissen voraus, daß die im Flaschenkeller angebrachten Schallschutzeinrichtungen bewegliche Wirtschaftsgüter sind. Ob dies der Fall ist, kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.
a) Das FG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß die Schallschutzvorrichtungen gemäß § 94 Abs.2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wesentliche Bestandteile des Gebäudes geworden sind, da sie dem Baukörper besonders angepaßt sind. Sie kleiden den Flaschenkeller nahezu vollständig aus. Ferner bildet die abgehängte Schallschutzdecke Installationsraum für Luftumwälzungs- und Beleuchtungsanlagen.
b) Demgemäß kann es sich bei den Schallschutzeinrichtungen des Flaschenkellers der Klägerin nur dann um bewegliche Wirtschaftsgüter handeln, wenn sie Betriebsvorrichtungen (oder Scheinbestandteile, die hier allerdings nicht in Betracht kommen) sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12.August 1982 III R 118/79, BFHE 136, 443, BStBl II 1982, 782). Nach der Regelung des § 68 Abs.2 Nr.2 des Bewertungsgesetzes (BewG), die auch im Investitionszulagenrecht gilt, sind Betriebsvorrichtungen Maschinen und sonstige Vorrichtungen, die zu einer Betriebsanlage gehören. Aus dem Erfordernis der Zugehörigkeit "zu einer Betriebsanlage" folgert die Rechtsprechung, daß der Begriff der Betriebsvorrichtung Gegenstände voraussetzt, durch die das Gewerbe unmittelbar betrieben wird (BFH-Urteile vom 12.Februar 1982 III R 127/78, BFHE 135, 334, BStBl II 1982, 448 unter 2.; vom 11.Dezember 1987 III R 191/85, BFHE 151, 573, BStBl II 1988, 300, und vom 9.Dezember 1988 III R 133/84, BFH/NV 1989, 570). Zwischen der Betriebsvorrichtung und dem Betriebsablauf muß ein ähnlich enger Zusammenhang bestehen, wie er üblicherweise bei Maschinen gegeben ist. Es reicht nicht aus, wenn eine Anlage für einen Gewerbebetrieb lediglich nützlich oder notwendig oder sogar gewerbepolizeilich vorgeschrieben ist.
Entsprechend diesen Rechtsgrundsätzen hat der Senat in BFHE 151, 573, BStBl II 1988, 300 entschieden, daß Schallschutzeinrichtungen in einem Gebäude grundsätzlich nicht den erforderlichen besonders engen Zusammenhang zum Betriebsablauf aufweisen. Der Übertragung des Schalles entgegenzuwirken, sei vielmehr grundsätzlich Aufgabe des Gebäudes selbst, insbesondere der Ausstattung von Decken und Wänden mit entsprechendem Isoliermaterial. Allerdings hat es der Senat für denkbar gehalten, daß in Ausnahmefällen Schallschutzvorrichtungen Betriebsvorrichtungen sein können, wenn z.B. in einem Gewerbebetrieb in besonderem Maße starker Lärm entsteht.
Aber auch bei besonders starkem Lärm muß es zunächst Aufgabe des Gebäudes sein, durch entsprechend gestaltete Decken und Wände (z.B. durch die Dicke der Mauern) in ausreichendem Maße Schutz gegen die Übertragung des Lärms nach außen in die Umwelt oder in andere Räume des Gebäudes zu bieten. Wird statt dickerer Mauern Isoliermaterial an Decken und Wänden angebracht, handelt es sich daher noch nicht um Betriebsvorrichtungen, auch dann nicht, wenn das Isoliermaterial in bestehende Gebäude eingebaut wird. Grundsätzlich nicht anders ist die Rechtslage, wenn Vorrichtungen an Decken und Wänden eingebaut werden, um Schall zu absorbieren und dadurch Schutz gegen eine zu starke Lärmbelästigung im Innern des Gebäudes in demjenigen Raum zu erreichen, in dem sich die Lärmquelle befindet. Die Räume in einem Gebäude müssen ausreichenden Schallschutz nicht nur nach außen, sondern auch nach innen gewähren, wenn es aufgrund der Art oder der Größe der Räume erforderlich ist.
Anders kann es ausnahmsweise sein, wenn von einem Betrieb in einem Gebäude ein so starker Lärm ausgeht, daß dadurch ohne entsprechende Schutzvorkehrungen der Betriebsablauf selbst in Frage gestellt wäre. Werden in einem solchen Fall besondere Schallschutzdecken und Wandverkleidungen in dem betreffenden Raum eindeutig zu dem Zweck eingebaut, einen reibungslosen Betriebsablauf zu garantieren, so wird der Betrieb "durch diese Vorrichtungen unmittelbar betrieben".
2. Im Streitfall hat die Klägerin schon in der Vorinstanz einen entsprechenden Sachverhalt vorgetragen. Sie hat behauptet, die Schallschutzmaßnahmen an der Decke und an den Wänden des Abfüllraumes seien notwendig, um den bei der Flaschenabfüllung entstehenden Lärm so zu absorbieren, daß das Bedienungspersonal durch schnelle und klare Verständigung untereinander Störungen an den Maschinen sofort beseitigen könne. Falls dieser Vortrag zutrifft und dieser Zweck bei dem Einbau und der Gestaltung der Schallschutzvorrichtungen den Ausschlag gegeben hat, wäre nach den oben dargestellten Grundsätzen eine Betriebsvorrichtung gegeben.
3. Das FG hat hierzu keine Feststellungen getroffen, sondern es ausdrücklich offengelassen, ob der Vortrag der Klägerin den Tatsachen entspricht. Die Sache ist daher an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG wird nunmehr die notwendigen Feststellungen nachzuholen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 63301 |
BFH/NV 1990, 66 |
BStBl II 1990, 751 |
BFHE 161, 240 |
BFHE 1991, 240 |
BB 1990, 1692 |
BB 1990, 1692-1693 (LT) |
DB 1990, 2102 (T) |
HFR 1990, 608 (LT) |
StE 1990, 299 (K) |