Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird eine auf Grund letztwilliger Verfügung geschuldete und nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG als Sonderausgabe abzugsfähige Versorgungsrente vom Rentenschuldner abgelöst, so kann dieser die Ablösungssumme nicht als Sonderausgabe absetzen. Beim Rentengläubiger unterliegt die Ablösungssumme nicht der Einkommensteuer.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1, §§ 22, 24, 33
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) hatte auf Grund eines 1940 geschlossenen Erbvertrags mit seinem 1942 verstorbenen Vater als Alleinerbe an dessen Frau (die Stiefmutter des Bf.) eine monatliche Rente von 1.000 RM steuer- und kostenfrei zu zahlen. Die Zahlungen wurden bis 1945 geleistet bzw. mit Sparguthaben, deren Bücher die Stiefmutter in der Hand hatte, verrechnet. Seit 1947 schwebte ein Rechtsstreit zwischen dem Bf. und seiner Stiefmutter über die Zahlungen. Der Bf. hatte die Zahlungen in der bisherigen Höhe verweigert, da sie nach seiner Auffassung die Leistungsfähigkeit des Betriebs überstiegen. Der Rechtsstreit wurde am 5. April 1951 durch Vergleich vor dem Landgericht beendet. Der Bf. hatte danach die Stiefmutter mit dem kapitalisierten Rentenwert abzufinden und die rückständigen Rentenraten und Zinsen zu zahlen. Dadurch waren alle Ansprüche der Stiefmutter abgegolten. Der Bf. hatte auf Grund des Vergleichs zu zahlen:
Errechneter Kapitalwert der im Verhältnis 5 RM = 1 DM umgestellten Rente am 21. Juni 1948 ------------------------ 82.800 DM Ausgleich für die Rentenansprüche bis 21. Juni 1948 ------------------------ 3.000 DM Zinsen von 3,5 % aus 85.800 DM ab 21. Juni 1948 ---------------------------- 9.026 DM insgesamt -------------------------- 94.826 DM.Den Ausgleich von 3.000 DM hatte der Bf. bereits 1950 gezahlt. Den Betrag von 91.826 DM zahlte er in zwei Jahresraten, und zwar 1951 mit 50.900 DM und 1952 mit 40.926 DM. Er will diese Beträge in vollem Umfang als Sonderausgaben, hilfsweise als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt haben. Das Finanzamt setzte die Rentennachzahlungen von 3.000 DM als Sonderausgaben für 1950 ab. Für 1951 ließ es von dem kapitalisierten Rentenbetrag von 82.800 DM einen Teilbetrag von 12.650 DM als Rentennachzahlung für die Zeit vom 21. Juni 1948 bis zum Tage des gerichtlichen Vergleichs am 5. April 1951 als Sonderausgabe zum Abzug zu. Für 1952 berücksichtigte es die Zinsen von 9.026 DM als Sonderausgaben. Den Rest der kapitalisierten Rente von (82.800 ./. 12.650 DM =) 70.150 DM berücksichtigte es unter Berufung auf die Urteile des Reichsfinanzhofs VI 75/42 vom 25. März 1942 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1942 S. 563) und IV 44/42 vom 27. August 1942 (RStBl 1942 S. 931) nicht. Die Einsprüche blieben erfolglos.
Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus: Die vom Finanzamt nicht anerkannten Beträge seien keine Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Rente, die der Bf. auf Grund des Erbvertrags an seine Stiefmutter habe zahlen müssen, sei eine Versorgungsrente gewesen, die auf dem Erbvertrag als besonderem Verpflichtungsgrund beruht habe. Die als Rente gezahlten Beträge seien deshalb als Sonderausgaben abzugsfähig. Die Kapitalablösung der Rentenverpflichtung sei dagegen weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG eine Sonderausgabe. Kapitalablösungen lägen auf dem Gebiet des Vermögens. Das Vermögen des Bf. sei durch die Rentenverpflichtung gelastet gewesen; das entsprechende Rentenstammrecht habe zum Vermögen der Stiefmutter gehört. Durch die Ablösung des noch nicht aufgezehrten Rentenstammrechts sei eine Umschichtung im Vermögen der beiden Beteiligten vor sich gegangen; der Vorgang sei auf ihr Einkommen und ihre Einkommensteuer ohne Einfluß. Unerheblich sei, ob der Bf. die Ablösungsbeträge aus seinem laufenden Einkommen oder seinem Vermögen aufgebracht habe. Die Ablösung der Rentenverpflichtung habe auch nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung im Sinne des § 33 EStG geführt. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Bf. durch die übernahme der Rentenverpflichtung im Erbvertrag überhaupt "belastet" worden sei, da er durch die übernahme der Verpflichtung als Erbe die Anwartschaft auf das Vermögen seines Vaters erworben habe. Jedenfalls fehle die Zwangsläufigkeit der Belastung; der Bf. habe die Rentenverpflichtung im Erbvertrag freiwillig übernommen.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) erstrebt der Bf. weiterhin den vollen Abzug der Ablösungszahlung.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist im Streitpunkt nicht begründet.
Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG gehören Schuldzinsen sowie Renten und dauernde Lasten, die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhen, zu den Sonderausgaben. Als solche können sie im Jahr der Zahlung von Gesamtbetrag der Einkünfte abgesetzt werden. Die 1952 gezahlten Schuldzinsen sind deshalb mit Recht zum Abzug zugelassen worden; ebenso die Beträge, die der Bf. für die Zeit bis 1951 als Rente an die Stiefmutter gezahlt (nachgezahlt) hat. Die Rente hat das Finanzgericht mit Recht als Versorgungsrente angesehen.
Den Betrag, der im Vergleich als Ablösung für die zukünftigen Rentenzahlungen festgesetzt wurde, haben die Vorinstanzen dagegen zutreffend nicht zum Abzug zugelassen. Die Zahlungen wurden in zwei Jahresraten geleistet. Sie sind keine Rente oder dauernde Last im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG. Denn zum Begriff Rente oder dauernde Last gehört, daß auf Grund eines Stammrechts über längere Zeit verteilt (Urteil des Bundesfinanzhofs VI 75/55 U vom 12. April 1957 - Slg. Bd. 65 S. 109, Bundessteuerblatt 1957 III S. 275 -) wiederkehrend Beträge gezahlt werden. Einmalige oder kurzfristige Zahlungen für Ablösung einer Versorgungsrente sind begrifflich keine Rente und fallen deshalb nicht unmittelbar unter den Wortlaut des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG.
Mit der Frage, ob Zahlungen zur Ablösung von Versorgungsrenten, die als Sonderausgabe abzugsfähig sind, wenn auch nicht nach dem Wortlaut, so doch bei sinngemäßer Auslegung des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG als Sonderausgaben abzugsfähig sind, hat sich der Reichsfinanzhof in den bereits von den Vorinstanzen angezogenen Entscheidungen VI 75/42 und IV 44/42 befaßt. In beiden Fällen ging es, wie im Streitfall, um die Ablösung von Versorgungsrenten, die ein Steuerpflichtiger auf Grund einer letztwilligen Verfügung einer anderen Person schuldete. In der Entscheidung VI 75/42 stellte der VI. Senat klar, daß eine Ablösungszahlung beim Rentenschuldner nicht als Sonderausgabe abgezogen werden kann, wenn die Ablösungssumme beim Rentenberechtigten keine steuerpflichtige Einnahme ist. Als steuerpflichtige Einnahme kann sie beim Empfänger nicht angesetzt werden, wenn das Kapital, sofern es von vornherein an Stelle der Rente geschuldet worden wäre, nicht unter eine der Einkunftsarten des EStG gefallen wäre. Kapitalzuwendungen auf Grund letztwilliger Verfügung fallen aber unter keine Einkunftsart. In der Sache IV 44/42 ist der IV. Senat des Reichsfinanzhofs der Entscheidung VI 75/42 beigetreten. Er gab aber eine andere Begründung und führte aus, Renten würden zum Abzug zugelassen, weil sie in der Regel aus dem Einkommen gezahlt würden. Das Gesetz habe allerdings aus Vereinfachungsgründen darauf verzichtet zu bestimmen, daß Renten nur abzugsfähig seien, wenn sie aus dem Einkommen gezahlt würden. Kapitalzahlungen und Ablösungen von Renten würden indessen gewöhnlich aus dem Vermögen aufgebracht; sie lägen auf dem Vermögensgebiet und könnten deshalb die Einkommensteuer nicht berühren.
Der Senat tritt diesen Entscheidungen im Ergebnis bei. Im EStG ist die steuerliche Behandlung von Versorgungsrenten beim Verpflichteten und Berechtigten aufeinander abgestimmt. Als Renten geleistete Beträge sollen nur einmal der Einkommensbesteuerung unterliegen. Kann der Rentenverpflichtete seine Leistungen als Sonderausgabe nach § 10 EStG abziehen, so muß der Rentenberechtigte die Rentenbezüge nach § 22 EStG versteuern. Darf aber der Verpflichtete die Rentenleistungen als Unterhaltszahlungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen nach § 12 Ziff. 2 EStG nicht als Sonderausgabe vom Gesamtbetrag seiner Einkünfte absetzen, so stellen die Rentenbezüge beim Empfänger nach § 22 EStG keine steuerpflichtigen Einkünfte dar. Es entspricht dieser Systematik des EStG, wenn die Entscheidung VI 75/42 die Parallelität der Behandlung in den Vordergrund gestellt und daraus gefolgert hat, daß, wenn die Ablösungssumme beim Empfänger keine Einkunft ist, der Zahlende sie auch nicht als Sonderausgabe absetzen kann.
Der Bf. ist der Auffassung, die Ablösungssumme, die er der Stiefmutter gezahlt habe, unterliege bei dieser nach § 22 EStG in Verbindung mit § 24 EStG der Einkommensteuer. Bei mehr formaler Auslegung des Gesetzes ist diese Auffassung möglich, wenn man die Ablösung als Entgelt für den Wegfall der künftigen Renten, die steuerpflichtig gewesen wären, betrachtet. Der Reichsfinanzhof hat aber bereits in der Entscheidung VI A 82/36 vom 14. Oktober 1936 (RStBl 1937 S. 110) ausgeführt, daß das nicht dem Sinnzusammenhang des EStG entsprechen würde. Die Rente war eine Versorgungsrente. Hätte der Erblasser die Versorgung seiner Witwe durch ein Kapital gesichert, so wäre der Kapitalzufluß bei der Witwe nicht einkommensteuerpflichtig gewesen; der Bf. hätte dann die Kapitalzahlung einkommensteuerlich nicht berücksichtigen können. Bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Einkommensteuerrechts wäre es nicht gerechtfertigt, von dem Berechtigten eine Einkommensteuer zu erheben, wenn nachträglich die Umwandlung des Rentenanspruchs in einen Kapitalanspruch vereinbart wird und damit ein Zustand geschaffen wird, der, wenn er von vornherein bestanden hätte, keine Einkommensteuer ausgelöst hätte. Warum zunächst eine Rente festgesetzt und später statt dessen eine Ablösung der Rente vereinbart wurde, ist unerheblich.
Mit Recht konnte das Finanzgericht aus den von ihm dargelegten Gründen auch annehmen, daß sich die Ablösung der Rente auf dem Gebiet des Vermögens bewegt habe. Die Auffassung des Bf., daß bei testamentarischer Begründung einer Rente kein Rentenstammrecht bestehe, das durch eine Kapitalzahlung abgelöst werden könne, trifft nicht zu.
Der Bf. legt Wert auf den Umstand, daß er die Ablösungssumme nicht aus dem Vermögen, sondern aus dem laufenden Einkommen gezahlt habe. Darauf kommt es indessen nicht an. Es kann auch nicht etwa aus der Begründung der Entscheidung des Reichsfinanzhofs IV 44/42 das Gegenteil gefolgert werden. Soweit die Entscheidung des Reichsfinanzhofs das Einkommen und Vermögen erwähnt, soll nur dargetan werden, daß im allgemeinen Renten aus dem Einkommen, Ablösungen von Renten aber aus dem Vermögen gezahlt werden. Es wird aber nicht für den Einzelfall darauf abgestellt, ob die Ablösungssumme aus dem Einkommen oder Vermögen gezahlt worden ist. Eine solche unterschiedliche Behandlung wäre auch kaum durchführbar und wirtschaftlich nicht gerechtfertigt.
Die Ausführungen, mit denen das Finanzgericht die Anwendung des § 33 EStG abgelehnt hat, lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 409090 |
BStBl III 1958, 277 |
BFHE 1959, 10 |
BFHE 67, 10 |