Leitsatz (amtlich)
Wird ein Einzelunternehmen unter Aufdeckung der stillen Reserven in eine OHG eingebracht, ist der Tatbestand des § 22 Abs. 1 UmwStG 1969 auch dann erfüllt, wenn die Einlage zum Teil für Rechnung des Einbringenden und zum Teil für Rechnung eines Mitgesellschafters bewirkt wird, der dem Einlegenden zum Ausgleich dafür einen Betrag in Geld zahlt.
Normenkette
UmwStG 1969 § 22; EStG §§ 16, 34
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Alleininhaber der "H & Co". Er schloß mit seinem Prokuristen W einen Gesellschaftsvertrag und nahm ihn mit Wirkung ab 3. Januar 1972 als Gesellschafter in sein Unternehmen auf, "so daß Firma sich von dem vorerwähnten Tage ab in eine OHG verwandelte" (§ 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages i. V. m. Ziff. 1 des Nachtrags zum Gesellschaftsvertrag). Die Gesellschafter sollten je zur Hälfte am Gesellschaftsvermögen beteiligt sein. W war verpflichtet, eine Einlage von 150 000 DM zu leisten, die der Kläger entnehmen durfte. 100 000 DM waren sofort, 50 000 DM in drei Jahresraten zu zahlen.
In der Eröffnungsbilanz der OHG wurden die stillen Reserven des Einzelunternehmens des Klägers aufgelöst. Das Kapitalkonto des Klägers wurde dadurch von 158 080,58 DM um 150 000 DM auf 308 080,58 DM erhöht. Das Kapitalkonto des W betrug zunächst nur 7 878,26 DM und entsprach einer Darlehensforderung des W gegen den Kläger. W zahlte am 3. Januar 1972 100 000 DM, die einem privaten Konto des Klägers gutgeschrieben und später durch die Buchung "per Kapitalkonto F an Kapitalkonto W" in der Buchführung der OHG erfaßt wurden.
Der Kläger erklärte in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1972 einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 150 000 DM, den der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zunächst dem ermäßigten Steuersatz gemäß §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterwarf. Nach einer Betriebsprüfung stellte sich das FA unter Berufung auf den Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BdF) IV B 2 - S 1909 - 15/73 vom 10. September 1973 (BStBl I 1973, 638 - zum Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform vom 14. August 1969 [UmwStG 1969] -) auf den Standpunkt, daß der Kläger vor Einbringung seines Unternehmens in die OHG die Hälfte der Buchwerte und stillen Reserven an W veräußert und den Erlös entnommen habe. Dieser Gewinn sei kein Veräußerungsgewinn i. S. der §§ 16, 34 EStG oder § 22 Abs. 3 UmwStG 1969. Letzteres treffe nur für den Gewinn zu, der bei der Einlage des dem Kläger verbleibenden Anteils an den Wirtschaftsgütern des Einzelunternehmens in die OHG entstanden sei.
Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab seiner Klage statt (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 1980 S. 468 - EFG 1980, 468 -) und änderte den angefochtenen Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung in der Weise, daß es einen laufenden Gewinn von 16 100 DM und einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn von 150 000 DM zugrunde legte.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Zahlung des Gesellschafters W von 100 000 DM müsse als Ausgleichs- oder Zuzahlung außerhalb des Betriebsvermögens angesehen werden. Sie gehe dem Einbringungsvorgang nach § 22 UmwStG 1969 voraus. Die Zahlung sei Entgelt für die Übertragung von Anteilen an Wirtschaftsgütern, die anschließend in der Personengesellschaft wiedervereinigt worden seien.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Der Senat hält die Verfahrensrügen der Revision nicht für durchgreifend. Die Entscheidung bedarf insoweit keiner Begründung (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFH-EntlastG -).
2. Das FG hat zu Recht die Voraussetzungen des § 22 UmwStG 1969 im Streitfall bejaht und den Gewinn des Klägers, der durch die Aufdeckung der stillen Reserven seines Einzelunternehmens entstanden ist, gemäß § 22 Abs. 3 UmwStG 1969 nach den §§ 16, 34 Abs. 1 und 2 EStG versteuert.
a) Der Kläger hat sein Einzelunternehmen in die neu gegründete OHG eingebracht. Das ergibt sich aus § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags, wonach die OHG selbst mit der Aufnahme des bisherigen Prokuristen W als Gesellschafter in das Einzelunternehmen entstand.
aa) Der Kläger hat nicht lediglich Eigentumsanteile an den Wirtschaftsgütern des Einzelunternehmens in die OHG eingebracht (vgl. BdF-Erlasse BStBl I 1973, 638, und vom 16. Juni 1978 IV B 2 - S 1909 - 8/78, BStBl I 1978, 235 - zum Umwandlungssteuergesetz 1977 -; vgl. ferner Söffing, Deutsche Steuer-Zeitung A 1972 S. 233, 240 - DStZ A 1972, 233, 240 -; für eine Zerlegung des Vorganges auch Loos, Der Betrieb 1972 S. 403, 404 - DB 1972, 403, 404 -). Der Gesellschaftsvertrag, die einzige vom FG festgestellte Vereinbarung zwischen dem Kläger und W, enthält keine Bestimmung, nach der der Kläger einen Anteil am Eigentum an diesen Wirtschaftsgütern auf seinen Prokuristen W übertragen hat. Anhaltspunkte für eine derartige, außerhalb des Gesellschaftsvertrags getroffene Vereinbarung sind nicht erkennbar. Auch der wirtschaftliche Gehalt des zwischen dem Kläger und W geschlossenen Gesellschaftsvertrags gebietet nicht, davon auszugehen, daß der Kläger vor der Gründung der OHG Eigentumsanteile an seinen Wirtschaftsgütern an W veräußert hat. Bruchteilseigentum des Klägers und des W als Übergang zwischen dem Alleineigentum des Klägers und dem Gesamthandseigentum der Gesellschafter der OHG könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn dieses Übergangsstadium zivilrechtlich oder bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise notwendig gewesen wäre, um das Gesamthandseigentum im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses zu begründen. Das ist jedoch nicht der Fall. Durch die Einlage des Einzelunternehmens gelangten die dazu gehörenden Wirtschaftsgüter in das Gesellschaftsvermögen der OHG (Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 3. Aufl., S. 161 f.). An diesem Gesellschaftsvermögen war auch W mit Wirksamwerden des Gesellschaftsvertrags unabhängig von einer eigenen Einlage beteiligt. Seine dingliche Mitberechtigung war Folge seines Eintritts in die OHG als Gesellschafter (Ulmer in Münchner Kommentar, § 705 Tz. 31: "Anwachsung", ferner § 718 Tz. 3).
Der Kapitalanteil ist dagegen abhängig von einer Einlage (Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, S. 199; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Februar 1973 IV R 9/68, BFHE 108, 114, 119, BStBl II 1973, 221). Der Gesellschafter braucht die Einlage nicht persönlich zu leisten, auch ein Mitgesellschafter kann sie erbringen (Ulmer, a. a. O., § 705 Tz. 134). Der Mitgesellschafter legt dann das Wirtschaftsgut für Rechnung des anderen Gesellschafters ein. Dies kann im Verhältnis zwischen beiden Gesellschaften unentgeltlich (schenkweise) geschehen, wie häufig bei der Aufnahme von Kindern in das Unternehmen des Vaters (Huber, a. a. O.; BFHE 108, 114, BStBl II 1973, 221 und BFH-Urteil vom 1. Februar 1973 IV R 138/67, BFHE 109, 117, BStBl II 1973, 526). Der andere Gesellschafter, für dessen Rechnung der Mitgesellschafter die Einlage geleistet hat, kann aber auch verpflichtet sein, an den Mitgesellschafter zum Ausgleich einen Betrag in Geld zu zahlen. In beiden Fällen erhöht sich der Kapitalanteil des anderen Gesellschafters um den Wert der für seine Rechnung geleisteten Einlage. Dies setzt nicht voraus, daß er zuvor bereits Eigentümer des eingelegten Wirtschaftsguts war.
bb) Im Streitfall waren sich die Gesellschafter nach § 3 des Gesellschaftsvertrags einig, daß W zur Hälfte am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist. Das spricht dafür, daß der Kläger sein Einzelunternehmen teils für seine Rechnung, teils für Rechnung des W eingebracht hat. Entgelt für die Einräumung des Kapitalanteils sind die von W zu zahlenden 150 000 DM. Sie stellen ihrem rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt nach entgegen dem Wortlaut des Gesellschaftsvertrags ("Einlage") keinen Beitrag i. S. der §§ 105 Abs. 2 HGB, 705, 706 BGB dar. Das ergibt sich aus der Bestimmung in § 3 des Gesellschaftsvertrags, wonach der Kläger berechtigt ist, diese "Einlage" zu entnehmen. Das Gesellschaftsvermögen sollte letztlich nur aus den Wirtschaftsgütern des Einzelunternehmens bestehen; die von W zu zahlenden 150 000 DM sollten nicht dem Gesellschaftszweck dienen, sondern einem Gesellschafter (dem Kläger) zur Verfügung stehen. Das ergibt sich schließlich aus der vom FG festgestellten Tatsache, daß die von W gezahlten 100 000 DM unmittelbar einem Privatkonto des Klägers gutgeschrieben wurden.
cc) Die Eröffnungsbilanz der OHG auf den 3. Januar 1972 weist allerdings für den Kläger ein Kapitalkonto in Höhe von 308 080,58 DM aus, während sich das des W lediglich auf 7 878,26 DM beläuft und erst "später", nach Zahlung der 100 000 DM um 100 000 DM erhöht wurde. Dies könnte so zu verstehen sein, daß W erst dann zur Hälfte am Gesellschaftsvermögen beteiligt sein sollte, wenn er 150 000 DM gezahlt hatte. Die Einlage des W bestand dann zunächst aus seiner Forderung in Höhe von 7 878,26 DM, während der Kläger sein Einzelunternehmen unter Aufdeckung der stillen Reserven zunächst nur für eigene Rechnung einlegte und dem W später einen seiner Zahlung entsprechenden Kapitalanteil einräumte.
dd) Für die Einkommensteuerveranlagung des Klägers ist es im Streitfall unerheblich, ob er seinen Betrieb sogleich für eigene und für Rechnung des W (oben 2a bb) oder zunächst allein für eigene Rechnung einbrachte, um W später einen Teil seines Kapitalanteils zu übertragen (oben 2a cc). In jedem Fall hat der Kläger sein Einzelunternehmen als Ganzes in die OHG eingebracht und dabei - anders als in den Fällen der BFH-Urteile vom 25. November 1980 VIII R 32/77 (BFHE 132, 425, BStBl II 1981, 419) und vom 26. Februar 1981 IV R 98/79 (BFHE 133, 186, BStBl II 1981, 568) alle stillen Resrven aufgelöst. Der BFH ist bereits in diesen Urteilen stillschweigend davon ausgegangen, daß ein Einzelunternehmen auch dann als Ganzes in eine Personengesellschaft eingebracht wird, wenn vereinbart ist, daß der Einlegende für die auch zugunsten anderer Gesellschafter geleistete Einlage von diesen eine Ausgleichszahlung erhält. Es ist nicht notwendig, daß für die Einbringung des Betriebs ausschließlich Gesellschaftsrechte gewährt werden (vgl. Glade/Steinfeld, Umwandlungssteuergesetz 1977, 3. Aufl., Tz. 1325; Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 22 UmwStG 1969 Anm. 27). Ein Fall des Mißbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i. S. des § 6 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - (§ 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -) liegt im Streitfall nicht vor (vgl. dazu Söffing, DStZ A 1972, 239; Loos, DB 1972, 404; Martin, DB 1974, 201). Der Senat braucht im Streitfall auch nicht zu entscheiden, ob der Gesellschafter, der sein Unternehmen einbringt und in der Handelsbilanz und Steuerbilanz der Gesellschaft die stillen Reserven auflöst, die Versteuerung des Veräußerungsgewinns durch eine negative Ergänzungsbilanz vermeiden kann (vgl. Widmann, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1974/1975 S. 88, 101 ff.). Denn der Kläger verlangt das nicht.
b) Die eingelegten Wirtschaftsgüter sind mit den Teilwerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 5 EStG) angesetzt worden, sämtliche stillen Reserven wurden aufgedeckt. Der Unterschied zwischen den Buchwerten und dem Ansatz des eingebrachten Betriebsvermögens in der Eröffnungsbilanz der OHG in Höhe von 150 000 DM ist ein Veräußerungsgewinn i. S. des § 22 Abs. 3 UmwStG 1969 (so im Ergebnis auch Widmann, a. a. O.; Rau, Steuer- und Wirtschafts-Kurzpost, Gruppe 4, S. 1360; anderer Ansicht Glade/Steinfeld, a. a. O., Tz. 1333). Er ist gemäß §§ 16 Abs. 4 und 34 Abs. 1 EStG zutreffend versteuert worden.
Fundstellen
Haufe-Index 74342 |
BStBl II 1982, 622 |
BFHE 1982, 551 |