Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Steuerliche Betriebsprüfung Verfahrensrecht, Abgabenordnung Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Berechtigung des angeblichen wirtschaftlichen Eigentümers, gegen einen nur dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer zugesandten und diesem gegenüber unanfechtbar gewordenen Fortschreibungsbescheid Rechtsmittel einzulegen.
Die Beteiligung an der Finanzierung der Erwerbs- oder Aufbaukosten begründet kein wirtschaftliches Eigentum oder Miteigentum am Grundstück, auch nicht im Zusammenhang mit einem dafür eingetragenen Nießbrauch, zumal wenn keine bürgerlich- rechtliche Eigentumsübertragung nachfolgen soll.
Normenkette
BewG § 22; AO §§ 204, 215 Abs. 1, § 216 Abs. 1, § 225a; StAnpG § 11 Ziff. 4
Tatbestand
Streitig ist die Zurechnung eines Einfamilienhauses auf den 1. Januar 1958 bzw. 1. Januar 1957.
Der Revisionskläger zu 1) schloß im Juli 1955 als gesetzlicher Vertreter seiner damals minderjährigen Tochter (geboren im Jahre 1936) einen notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück zum Preise von 6.500 DM. Diese wurde anschließend als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Das Finanzamt (FA) schrieb auf Grund der Veräußerungsmitteilung das Grundstück der Tochter, vertreten durch den Vater, mit dem bisherigen Einheitswert von 11.900 DM auf den 1. Januar 1956 zu. Der Zurechnungsbescheid wurde dem Revisionskläger zu 1) als gesetzlichem Vertreter zugesandt und nicht beanstandet. Im Jahre 1957 ging dem FA ein Gebrauchsabnahmeschein für das auf dem Grundstück wiederaufgebaute Einfamilienhaus mit Garage zu. Als Bauherr wurde in einem Bescheide des Wohnungsamtes der Revisionskläger zu 1) angegeben. Durch Fortschreibungsbescheid vom 5. September 1958 wurde der Einheitswert des Grundstücks als eines Einfamilienhauses auf 33.500 DM fortgeschrieben; das Grundstück blieb weiterhin der inzwischen verehelichten und jetzt volljährigen Tochter zugerechnet. Ihr wurde der Bescheid zugesandt, ein Rechtsmittel wurde innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht eingelegt.
Im Dezember 1958 reichten die Tochter und deren Ehemann dem FA eine Vermögenserklärung auf den 1. Januar 1958 ein. Darin wurde der Revisionskläger zu 1) als der wirtschaftliche Eigentümer des Grundstücks bezeichnet, der den Grundstückskauf und den Bau finanziert habe. Der Revisionskläger zu 1) bezeichnete in seiner Vermögenserklärung vom 1. September 1958 auf den 1. Januar 1957 das Grundstück als sein Vermögen. Für die Einkommensteuer 1957 und 1958 beanspruchte er die Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 b EStG. Er führte nunmehr (im Jahre 1960) aus, er habe formal die Tochter zur bürgerlich-rechtlichen Eigentümerin des Grundstücks gemacht, während es unter seiner uneingeschränkten lebenslänglichen Verwaltung und Nutzung stehe. Er sei wirtschaftlicher Eigentümer. In jedem Fall sei ihm das wirtschaftliche Eigentum am Gebäude nach § 50 BewG zuzurechnen. Ein Einheitswert für das auf fremden Grund und Boden errichtete Einfamilienhaus liege bisher nicht vor. Später beantragte er, die erforderliche Zurechnungsfortschreibung müsse gemäß § 225 a AO trotz Unanfechtbarkeit des für die Tochter erlassenen Einheitswertbescheides von Amts wegen vorgenommen werden.
Nach diesen Anträgen wurden die Akten im Hinblick auf eine Fehleraufdeckung im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. a AO dem Landesfinanzamt (LFA) vorgelegt. Dieses fand keinen Anlaß, im Dienstaufsichtswege einzugreifen. Nunmehr lehnte das FA durch Bescheid und Einspruchsentscheidung den Antrag des Revisionsklägers zu 1) auf Zurechnung des Grundstücks auf den 1. Januar 1958 ab, die ohne Beseitigung des bereits auf diesen Stichtag erlassenen unanfechtbaren Feststellungsbescheides mit Zurechnung an die Tochter nicht möglich sei. Eine Fehleraufdeckung durch die Aufsichtsbehörde mit der Möglichkeit einer Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Ziff. a AO liege nicht vor.
Mit der Berufung bezog sich der Revisionskläger zu 1) auf § 204 AO (Aufklärungspflicht des FA) und beantragte, ihm das Grundstück zum 1. Januar 1957 oder 1. Januar 1958 zuzurechnen.
Die Tochter wurde zum Berufungsverfahren zugezogen. Aus den vom Gericht beigezogenen Grundakten ergab sich, daß die Tochter und ihr Ehemann die persönliche Schuld für zwei hypothekarisch gesicherte, zur Baufinanzierung aufgenommene Darlehen in Höhe von insgesamt 30.100 DM übernommen haben, während der Revisionskläger zu 1) nur Gesamtschuldner des einen Darlehens (also von 15.100 DM) ist. Außerdem hat die Tochter einen Betrag von 4.000 DM geleistet. Im Grundbuch ist am 19. Dezember ein lebenslänglicher Nießbrauch für den Revisionskläger zu 1), seine Ehefrau und für eine dritte Person eingetragen worden.
Das Verwaltungsgericht (VG) rechnete das Grundstück auf den 1. Januar 1958 dem Revisionskläger zu 1) zu 3/4 und der Tochter zu 1/4 zu. Es führte aus, die anteilsmäßige Zurechnung an den Revisionskläger zu 1) und an dessen Tochter auf den 1. Januar 1958 könne nicht ohne änderung des Bescheids vom 5. September 1958 über die Zurechnung zum 1. Januar 1958 an die Tochter erfolgen. Es liege ein wirtschaftliches Miteigentum des Revisionsklägers zu 1) vor. Der wirtschaftliche Eigentümer werde in seinen Rechten betroffen, wenn das Grundstück einem anderen zugerechnet werde, und er sei berechtigt, Rechtsmittel einzulegen. Die übersendung des Fortschreibungsbescheids an ihn spiele nur für die Frage der Rechtsmittelfrist eine Rolle. Die Rechtsmittelfrist sei für den Revisionskläger zu 1) nicht abgelaufen. § 219 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AO fänden keine Anwendung, da es sich nach dem Bescheid nicht um eine Grundstücksgemeinschaft gehandelt habe. Auf den Zeitpunkt des Bekanntwerdens komme es nicht an. Verwirkung liege nicht vor, da der Revisionskläger zu 1) die Rechtslage nicht anerkannt habe, sondern in seiner Vermögens- und Einkommenserklärung das Grundstück als ihm gehörig angeführt habe. Daß er den ihm als gesetzlichen Vertreter der Tochter zugestellten Bescheid über die Zurechnung des Grundstücks auf den 1. Januar 1956 an die Tochter nicht angefochten habe, lasse keine Schlußfolgerung auf den 1. Januar 1958 zu, da er bis dahin an der Zurechnung des unbebauten Grundstücks kein Interesse gehabt habe. Der Bescheid auf den 1. Januar 1958 sei ihm gegenüber nicht unanfechtbar. Die Zurechnung auf einen früheren Zeitpunkt scheide aus, da er die Zurechnung erst mit der Errichtung des Hauses erstrebt habe. Maßgeblich für die Zurechnung des Grundstücks sei ein am 1. Januar 1958 bestehender Eigenbesitz im Sinne des § 11 Ziff. 4 StAnpG. Sofern dem Nießbraucher, der als solcher allerdings nicht Eigenbesitzer sei, die wesentlichen Eigentumsrechte, die eine Umgestaltung, Zerstörung oder Veräußerung der Sache gestatteten, zuständen, sei die steuerliche Zurechnung gerechtfertigt. Der Wille des Revisionsklägers zu 1) sei auf eine weitergehende Rechtsausübung gerichtet gewesen als der im Jahre 1960 eingetragene Nießbrauch zulasse. Maßgebender Anhaltspunkt für den Willen zum Eigenbesitz sei der Umstand, daß er den Grundstückserwerb und die Bebauung in erheblichem Umfang mit eigenen Mitteln finanziert und bis zu seinem Lebensende die Einwirkungsmöglichkeit auf die Sachsubstanz nicht habe aufgeben wollen. Das Fehlen der Veräußerungsbefugnis stehe dem Eigenbesitz nicht entgegen. Das Grundstück habe er nach seinem Tode der Tochter zukommen sollen. Allerdings sei diese am Stichtage nicht völlig von der Substanz des bebauten Grundstücks ausgeschlossen gewesen. Sie habe auch in nicht unwesentlichem Umfang zur Finanzierung des Grundstückserwerbs und des Hausbaues beigetragen. So habe sie zusammen mit ihrem Ehemann die persönliche Schuld für die beiden hypothekarisch gesicherten Darlehen von 30.100 DM übernommen, während der Revisionskläger zu 1) nur Gesamtschuldner eines Darlehens von 15.100 DM sei. Sie habe außerdem einen Betrag von 4.000 DM geleistet. Darlehensverträge zwischen dem Revisionskläger zu 1) und der Tochter seien weder behauptet noch abgeschlossen worden. Die Tochter habe dem Gericht erklärt, daß sie keineswegs auf alle Rechte an dem Grundstück bis zum Tode ihres Vaters verzichten würde, wenn es hinsichtlich der Sachsubstanz zu wesentlichen Meinungsverschiedenheiten kommen sollte. Da der Revisionskläger zu 1) und die Tochter Rechte hinsichtlich der Sachsubstanz hätten, liege wirtschaftliche Miteigentum an den ideellen Anteilen eines Grundstücks vor. Die beiden anderen Nießbrauchberechtigten und der Ehemann der Tochter seien am Eigenbesitz nicht beteiligt. Das ideelle wirtschaftliche Miteigentum müsse nach Bruchteilen bestimmt werden. Unterlage für die Aufgliederung (§ 742 BGB) böten die aufgewendeten Mittel unter Einbeziehung der Schuldverpflichtung des Ehemannes der Tochter. Ihren Aufwendungen stehe der Gesamtbetrag der Erwerbs- und Bebauungskosten von rund 81.700 DM gegenüber. Auf dieser Grundlage sei das Grundstück zum 1. Januar 1958 dem Revisionskläger zu 1) zu 3/4 und der Tochter zu 1/4 zuzurechnen.
Der Revisionskläger zu 1) legte fristgemäß Rb. mit dem Antrage ein, ihm das Grundstück auf den 1. Januar 1958 voll zuzurechnen. Sein Wille sei von vornherein auf die wirtschaftliche Beherrschung des bebauten Grundstücks gerichtet gewesen. Sein Eigenbesitz sei nicht deshalb zu einem wirtschaftlichem Miteigentum zusammengeschrumpft, weil sich die Tochter zur Rückzahlung der dinglich gesicherten Darlehen verpflichtet habe.
Das FA - Revisionskläger zu 2) - legte ebenfalls fristgerecht Rb ein, und zwar mit dem Antrage, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Berufung zurückzuweisen. Es führt aus, der Revisionskläger zu 1) habe formell nicht mehr das Recht gehabt, den Einheitswertbescheid vom 5. September 1958 anzufechten. Die vorangegangene Zurechnung auf den 1. Januar 1956 habe er unangefochten gelassen. In dem neuen Bescheid sei keine änderung der steuerlichen Zurechnung erfolgt. Diesen Bescheid hätte nur die Tochter anfechten können, da er keine negative Feststellung gegen eine andere bestimmte Person enthalten habe.
Sachlich sei der Revisionskläger zu 1) nicht wirtschaftlicher Miteigentümer des Grundstücks. Ein Wille des Revisionsklägers zu 1) zum Eigenbesitz sei nicht nachgewiesen, und es sei nicht dargetan, welche Herrschaftsrechte ihm zugestanden hätten, zumal der Nießbrauch am Stichtage noch nicht bestellt gewesen sei. Etwaige vorher eingeräumte Nutzungsrechte seien das äquivalent für die Beteiligung an der Finanzierung, wodurch jedoch kein wirtschaftliches Eigentum begründet worden sei. Zudem hätten auch die Tochter als bürgerlich-rechtliche Eigentümerin und deren Ehemann nicht unwesentlich zur Finanzierung beigetragen. über die Nutzung hinausgehende Rechte seien dem Revisionskläger zu 1) nicht gewährt worden, auch sei kein späterer übergang des bürgerlich- rechtlichen Eigentums, wie in den vom VG angeführten Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH), Vereinbart gewesen.
Entscheidungsgründe
Die am 27. Juli 1962 eingelegte Rb. zu 1) und die am 2. August 1962 eingelegte Rb. zu 2) sind gemäß der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO vom 6. Oktober 1965 (BGBl 1965 I S. 1477) als Revisionen zu behandeln. Ihre Zulässigkeit richtet sich nach § 286 AO alter Fassung, weil das VG-Urteil vor dem 1. Januar 1966 ergangen ist (§ 184 Abs. 1 und 2 FGO). Beide Revisionen sind fristgerecht eingelegt worden und zulässig.
Die Revision des FA (Revisionsklage zu 2) ist begründet und führt unter Aufhebung der Vorentscheidung zur Zurückweisung der Berufung.
Die Revision des Klägers und Revisionsklägers zu 1) ist unbegründet.
I. Die Revision des FA Der Bescheid auf den 1. Januar 1956, mit dem das Grundstück der Tochter zugerechnet wurde, ist unstreitig unanfechtbar geworden. Er ist dem Revisionskläger zu 1) als dem gesetzlichen Vertreter der damals minderjährigen Tochter zugegangen und ist weder von ihm im eigenen Namen noch namens der Tochter angefochten worden. Infolgedessen konnte und mußte das FA damals annehmen, daß die Zurechnung an die Tochter auf Grund des Grundstückserwerbs zu Recht erfolgt war und auch der Auffassung des Revisionsklägers zu 1) entsprach. Bis zum 1. Januar 1958 ist in den bürgerlich- rechtlichen Eigentumsverhältnissen keine änderung eingetreten und bis zum Erlaß des Art- und Wertfortschreibungsbescheids auf den 1. Januar 1958 erfolgte vom Revisionskläger zu 1) oder dessen Tochter keine Beanstandung der bisherigen Zurechnung. Es hätte eines ausdrücklichen Antrags betreffend Zurechnungsfortschreibung mit tatsächlicher Begründung bedurft. Selbst unter weiter Auslegung der Ermittlungspflicht des FA bestand für dieses keine Veranlassung, die steuerliche Zurechnung von Amts wegen zu ändern oder zu bezweifeln. Der amtlichen Ermittlungspflicht steht die Aufklärungspflicht des Steuerpflichtigen gegenüber, zumal wenn dieser allein von dem nachträglich behaupteten Sachverhalt Kenntnis haben konnte (vgl. BFH-Entscheidung V 265/61 U vom 17. September 1964, BStBl 1964 III S. 569, Slg. Bd. 80 S. 266). Der Bescheid vom 5. September 1958 konnte daher nur der inzwischen volljährig gewordenen Tochter zugestellt werden. Da sie den Bescheid nicht angefochten hat, ist der Fortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1958 mit der darin enthaltenen Zurechnung an die Tochter auch für den Revisionskläger zu 1) unanfechtbar.
Bei der Einheitswertfeststellung gilt für die Zurechnung der Grundsatz der einheitlichen Entscheidung gegenüber Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger (BFH-Entscheidung III 41/56 S vom 27. April 1956, BStBl 1956 III S. 203, Slg. Bd. 63 S. 21). Unter Beachtung der in diesem Urteil aufgeführten Beispiele käme hier Fall 3 in Frage, da der Bescheid im Jahre 1958 erging und der Revisionskläger zu 1) behauptet, schon seit Erwerb des Grundstücks das wirtschaftliche Eigentum besessen, allerdings bis zum Bau des Hauses kein Interesse an der Geltendmachung des wirtschaftlichen Eigentums gehabt zu haben. Das Beispiel, wonach ein Bescheid über die änderung in der Zurechnung eines Gegenstandes nicht den Erwerber bindet, wenn er nur gegenüber dem Veräußerer ergeht, weicht aber insoweit entscheidend vom vorliegenden Sachverhalt ab, als dort die bürgerlich-rechtliche Veräußerung eines Grundstücks und die Wirkung der Zurechnung im Verhältnis Veräußerer und Erwerber in Frage stehen. Bei einer Veräußerung erfolgt Mitteilung an das FA (Veräußerungsmitteilung), so daß das FA die ordnungsmäßige Zustellung des Zurechnungsbescheids an beide Beteiligte vornehmen kann und muß. Das FA kann aber von einem nachträglich behaupteten wirtschaftlichen Eigentum nichts wissen, bevor es ein Beteiligter bewertungsrechtlich geltend gemacht hat. Andernfalls würde ein Einheitswertbescheid bis zur Verjährung der Steuer oder Verwirkung trotz Zustellung an den bürgerlich- rechtlichen Eigentümer anfechtbar bleiben, wenn irgendwann später von einem Dritten wirtschaftliches Eigentum behauptet würde. Für ein solches Entgegenkommen ist hier um so weniger Raum, als dem Revisionskläger zu 1) die Zurechnung des Grundstücks auf den 1. Januar 1956 an die Tochter bekannt war. Er legte damals trotz formeller Berechtigung ebensowenig ein Rechtsmittel dagegen ein, wie die Tochter gegen den Bescheid auf den 1. Januar 1958 mit der angeblich unrichtigen Zurechnung. Es besteht auch keine Notwendigkeit, aus Rechts- oder Billigkeitsgründen dem wirtschaftlichen Eigentümer, der sich gegen die Zurechnung an den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer wendet, die Anfechtung rückwirkend gegen Einheitswertbescheide, die dem bürgerlich- rechtlichen Eigentümer gegenüber unanfechtbar geworden sind, einzuräumen. Der wirtschaftliche Eigentümer kann alsbald nach Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums eine Fortschreibung zum nachfolgenden 1. Januar beantragen oder eine Fortschreibung zum Zwecke der Fehlerbeseitigung nach § 225 a AO fristgerecht beantragen bzw. anregen. Ein Pflichtiger, also auch derjenige, der nach seiner Auffassung wirtschaftlicher Eigentümer mit Berechtigung der Zurechnung an sich ist, hat mit zumutbarer Sorgfalt jeden Feststellungsbescheid - also hier zunächst der Revisionskläger zu 1) den ihm zugestellten Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1956 mit Zurechnung an seine Tochter - in der Rechtsmittelfrist zu überprüfen und später laufend darauf zu achten, ob sich eine Fortschreibungsmöglichkeit zu seinen Gunsten ergibt. Dieser Rechtsgrundsatz, den der Senat in dem Urteil III 392/60 U vom 17. Juli 1964 (BStBl 1964 III S. 618, Slg. Bd. 80 S. 397) zu § 225 a AO herausgestellt hat, ist im vorliegenden Fall auf den Revisionskläger zu 1) anwendbar.
Der Einheitswertbescheid vom 5. September 1958 mit Zurechnung an die Tochter ist somit als unanfechtbar anzusehen. Der Revisionskläger zu 1) konnte nicht mehr dagegen angehen. Der Einspruch war als unbegründet zurückzuweisen. Eine anderweitige Zurechnungsfortschreibung auf den gleichen Stichtag ist nicht zulässig. Eine Berichtigung nach § 222 AO kommt nicht in Frage, da die Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO nicht gegeben sind. Eine Fortschreibung zum Zwecke einer Fehlerbeseitigung von Amts wegen auf Anregung des Revisionsklägers zu 1) nach § 225 a AO kommt als rechtliche Grundlage der Klage ebenfalls nicht in Frage, weil sie nicht auf den gleichen Stichtag wie der beanstandete Bescheid, sondern nur auf einen nachfolgenden Feststellungszeitpunkt vorgenommen werden darf (BFH-Entscheidung III 266/51 S vom 31. Oktober 1952, BStBl 1952 III S. 313, Slg. Bd. 56 S. 816). Hier ist die Klage jedoch zur Inanspruchnahme des § 7 b EStG im Jahre 1958 auf den Stichtag der bereits erfolgten Zurechnung abgestellt. Eine Zurechnung auf den 1. Januar 1957 kommt erst recht nicht in Frage; die rechtskräftige Fortschreibung auf einen Stichtag schließt die spätere Fortschreibung auf einen früheren Stichtag in der Regel aus (BFH-Entscheidung III 96/58 U vom 16. Januar 1959, BStBl 1959 III S. 150, Slg. Bd. 68 S. 386).
Die Revision des FA ist daher formell bereits deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger und Revisionskläger zu 1) entgegen der Auffassung des VG den Einheitswertbescheid vom 5. September 1958 auf den 1. Januar 1958 nicht mehr anfechten oder beseitigen konnte.
Darüber hinaus ist die Revision des FA auch insoweit materiell begründet, als sie Verletzung des § 11 Ziff. 4 StAnpG rügt.
Der Revisionskläger zu 1) ist nicht wirtschaftlicher Miteigentümer des Grundstücks. Eigenbesitz ist die Herrschaft über ein Wirtschaftsgut mit dem Willen, dieses wie ein Eigentümer bzw. wie ein Berechtigter zu beherrschen. Das objektive Tatbestandsmerkmal ist im vorliegenden Fall zu verneinen, so daß das stets etwas unsichere subjektive Tatbestandsmerkmal hier dahingestellt bleiben kann. Die vom FG angeführten Gründe gegen den völligen Ausschluß der Tochter vom Eigentum sprechen nicht nur gegen einen völligen, sondern auch gegen einen teilweisen Ausschluß durch den Revisionskläger zu 1). Wirtschaftliches Eigentum kann an ideellen Anteilen eines Grundstücks bestehen, und zwar auch aufgeteilt zwischen bürgerlich-rechtlichem Eigentümer und wirtschaftlichem Eigentümer. An einem ungeteilten Grundbesitz, der zivilrechtlich im Eigentum einer Person steht, kann wirtschaftliches Miteigentum begründet sein, wenn mehrere Personen den Grundbesitz als ihnen gemeinschaftlich gehörig besitzen (BFH-Entscheidungen III 9/52 U vom 20. Februar 1953, BStBl 1953 III S. 74, Slg. Bd. 57 S. 184; III 41/52 U vom 20. Februar 1953, BStBl 1953 III S. 114, Slg. Bd. 57 S. 290). Die Sachlage liegt hier aber anders als in den genannten Urteilen. Der Revisionskläger zu 1) wollte nach seinem Klagevortrag nicht das Grundstück mit seiner Tochter gemeinschaftlich besitzen, sondern er erstrebte das alleinige wirtschaftliche Eigentum. Dazu fehlen die Voraussetzungen. Die Beteiligung des Revisionsklägers zu 1) an der Finanzierung begründet an sich kein wirtschaftliches Eigentum. Außerdem hat der nach den Feststellungen des VG gar nicht die Alleinfinanzierung übernommen. Die bürgerlich- rechtliche Eigentümerin - die Tochter - hat für 30.100 DM hypothekarisch gesicherte Darlehen, aufgenommen für den Bau des Hauses, mit ihrem Ehemann die persönliche Schuld übernommen und außerdem 4.000 DM in bar geleistet. Die weiteren Feststellungen des VG, daß hinsichtlich dieser Beträge keine vertraglichen Regelungen bestanden haben, wie es bei einem wirtschaftlichen Eigentum des Revisionsklägers zu 1) und der Vollfinanzierung durch diesen mittels Darlehnsaufnahmen bei der Tochter zur steuerlichen Klarstellung der Rechtsverhältnisse gerade unter Verwandten erforderlich gewesen wäre, sprechen eindeutig gegen das behauptete wirtschaftliche Eigentum. Eine Beteiligung an der Finanzierung begründet für den Gläubiger weder rechtliches noch wirtschaftliches Eigentum am Grundstück. Dagegen spricht auch folgende Erwägung: In der Regel ist es für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit (gemeinsamen) Eigenbesitzes und der Anerkennung wirtschaftlichen Eigentums (Miteigentums) von Bedeutung, ob die Beteiligten nach dem Wegfall von Hindernissen, die der Schaffung entsprechender bürgerlich-rechtlicher Eigentumsverhältnisse entgegenstanden, eine entsprechende überführung des wirtschaftlichen in zivilrechtliches Eigentum vornehmen (vgl. die beiden oben genannten BFH-Urteile III 9/52 U und III 41/52 U). Ausnahmsweise mag es genügen, wenn aus offenliegenden, rein persönlichen Gründen die grundbuchmäßige Umschreibung lediglich hinausgeschoben wird (BFH-Entscheidung VI 35/56 U vom 12. April 1957, BStBl 1957 III S. 193, Slg. Bd. 64 S. 518). Hier liegt der Sachverhalt aber genau umgekehrt. Der Revisionskläger zu 1) hat seinerzeit für seine Tochter das Grundstück erworben und diese im Grundbuch eintragen lassen. Dafür wird er seine Gründe gehabt haben. Er erstrebte auch nicht danach die bürgerlich-rechtliche übertragung des Eigentums und hat offensichtlich auch keinen Anspruch auf einen rechtlichen Eigentumsübergang, so daß es sich hier um kein vorübergehendes, vorangegangenes wirtschaftliches Eigentum handelt, dem das bürgerlich-rechtliche Eigentum sozusagen als Bestätigung nachfolgt. Vielmehr wurde dem Revisionskläger zu 1) im Jahre 1960 zur Abgeltung seiner Ansprüche lediglich ein Nießbrauchsrecht eingetragen. Nießbrauch bedeutet, daß eine Sache, hier das Grundstück, in der Weise belastet wird, daß derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen (§ 1030 BGB). Die Erweiterung der Befugnisse auch zur Verfügung über die Sache (Dispositionsnießbrauch) widerspricht dem Wesen des Nießbrauchs und dem Grundsatz von der geschlossenen Zahl der Sachenrechte (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, § 1030 Anm. 4). Der Nießbrauch begründet nicht wirtschaftliches Eigentum, und zwar nicht einmal dann, wenn der Nießbrauchsberechtigte zur Verstärkung seiner wirtschaftlichen Sachherrschaft als Testamentsvollstrecker für die mit lebenslänglichem Nießbrauch belasteten Erbteile eingesetzt ist (BFH-Entscheidung III 84/54 U vom 9. Juli 1954, BStBl 1954 III S. 250, Slg. Bd. 59 S. 107). Hier ist der Revisionskläger zu 1) nicht einmal alleinberechtigter Nießbraucher, sondern nur einer von drei Gesamtberechtigten. Zudem spricht der Tatbestand für keine weitergehenden Vereinbarungen betreffend die übertragung der Sachherrschaft, die in klarer Form vorliegen müßten, um steuerlich in wirtschaftlicher Betrachtungsweise anerkannt werden zu können. Als wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks und insbesondere des Gebäudes ist ein Nutzungsberechtigter nur dann anzusehen, wenn er auf Grund der im Innenverhältnis getroffenen Abreden für eigene Rechnung zur Verfügung über die Substanz befugt wäre (vgl. BFH- Entscheidung III 163/58 vom 22. Juni 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 S. 161). Davon kann hier keine Rede sein.
Das Grundstück mit Gebäude ist weder ganz noch zum Teil dem Kläger und Revisionskläger zu 1) zuzurechnen.
Die Revision des FA ist daher auch materiell begründet.
II. Aus den Erwägungen, die die Revision des FA tragen, ergibt sich zugleich die Zurückweisung der Revision des Revisionsklägers zu 1) als unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 412024 |
BStBl III 1966, 493 |
BFHE 1966, 526 |
BFHE 85, 526 |