Leitsatz (amtlich)
Die Entschädigung für die Übertragung eines dinglichen Rechts, das sich der Erwerber vor dem Kauf rechtswidrig angemaßt hat, ist - auch wenn der Unternehmer unter dem Druck eines Enteignungsverfahrens leistet - nicht als Schadensersatz, sondern als Entgelt zu beurteilen.
Normenkette
UStG 1951 § 5 Abs. 1 S. 1; UStDB 1951 § 10
Tatbestand
Nach den Feststellungen des FG betreibt der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger) gemeinsam mit seiner Ehefrau die Landwirtschaft und den Handel mit Dünge- und Futtermitteln. Er besitzt in Gütergemeinschaft mit seiner Ehefrau in S. u. a. das landwirtschaftlich genutzte Grundstück Fl. Nr. ..., das in den Jahren 1939 bis 1941 noch seinen Eltern gehörte. Damals bauten die Elektrizitätswerke AG (AG) in B. eine 220 kV-Leitung von Mitteldeutschland nach Oberösterreich und überspannten im Zuge dieser Maßnahmen das genannte Feld. Außerdem errichteten sie auf dem Grundstück einen Leitungsmast. Das Gelände war schon im Jahre 1929 im Flächennutzungsplan der Gemeinde als Bauland ausgewiesen worden. Die damaligen Eigentümer, denen eine Entschädigung von lediglich 200 DM angeboten worden war, schlugen die Abfindung aus und verweigerten ihr Einverständnis zur Benutzung des Grundstücks durch die AG. Ein Zwangsenteignungsverfahren wurde zunächst nicht durchgeführt. Erst im November 1962, nachdem der Eigentumswechsel auf den Kläger und seine Ehefrau eingetreten war, leitete das Landratsamt ein solches Verfahren ein, in dessen Verlauf der privatschriftliche Vergleich vom 14. März 1963 zustande kam. Der Steuerpflichtige und seine Ehefrau gestatteten darin "die Errichtung eines Mastes auf ihren Grundstücken sowie deren Überspannung durch eine 220 kV-Leitung" und verpflichteten sich, zur Sicherung dieser Rechte für die AG eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu bestellen. Diese Verpflichtung erfüllten sie durch notarielle Erklärung vom 26. März 1963. Auf Grund des Vergleichs vom 14. März 1963 zahlte die AG "für die Einräumung der oben angeführten Dienstbarkeit" an die Eheleute W. im Jahre 1963 eine einmalige Entschädigung von 60 000 DM. Außerdem übernahm sie die Kosten des Anwalts der Eheleute in Höhe von 3 738 DM.
Abweichend von der Umsatzsteuererklärung, in der die Steuer mit 530,70 DM berechnet war, zog das FA im Umsatzsteuerbescheid 1963 die Entschädigungszahlung zur Berechnung der Umsatzsteuer heran und setzte die Steuer auf 3 315 DM fest. Den Einspruch gegen diese Mehrforderung wies es mit Bescheid vom ... ab und erhöhte dabei den ursprünglich festgesetzten Steuerbetrag mit der Begründung, auch die Vergütung der Anwaltskosten sei Entgelt im Sinne des § 10 UStDB 1951. Durch die Heranziehung der Anwaltskosten ergab sich ein Gesamtumsatz von 133 357 DM, so daß in der Einspruchsentscheidung der noch im Steuerbescheid gemäß § 7a Abs. 1 und 4 UStG 1951, § 57a UStDB 1951 berücksichtigte Kürzungsbetrag von 95,24 DM (Steuer) nicht mehr abgezogen werden konnte. Aus diesem Betrag und der Steuer aus der Anwaltskostenvergütung ergab sich eine Erhöhung des im Bescheid festgesetzten Betrags um 244,76 DM.
Mit der Anfechtungsklage, in der eine Ermäßigung der Steuer um 3 029,52 DM beantragt war, ist der Steuerpflichtige mit 244,76 DM durchgedrungen; im übrigen hat das FG die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt: Abweichend von der Meinung des Steuerpflichtigen könne die Entschädigung von 60 000 DM umsatzsteuerrechtlich nicht als Schadensersatz beurteilt werden. Sie sei vielmehr Entgelt für eine sonstige Leistung im Rahmen eines von den Ehegatten als Unternehmern ausgeführten Leistungsaustausches. Zwar habe die AG dem Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau durch den Bau des Mastes auf dem zum landwirtschaftlichen Vermögen gehörenden Grundstück und durch die Überspannung dieses Feldes einen Schaden zugefügt; sie habe auch mit ihrer Zahlung Ersatz für die Wertminderung geleistet. Zugleich aber sei durch die Zahlung eine Leistung der Eheleute, nämlich die Einräumung der Dienstbarkeit und die damit verbundene Genehmigung der von der AG geübten Eigenmacht und Eigentumsstörung abgegolten worden. Nach der Rechtsprechung des RFH sei eine solche Zahlung in vollem Umfange Entgelt. Die Befreiungsvorschrift für Miet- und Pachtverhältnisse in § 4 Nr. 10 UStG 1951 sei nicht anwendbar.
Gegen dieses Urteil hat der Steuerpflichtige im Umfang der Klageabweisung Revision eingelegt und dazu ausgeführt: Das FG habe rechtsfehlerhaft verkannt, daß die Zahlung der AG zum überwiegenden Teil als Ausgleich für die widerrechtliche Trassenführung und den ihm dadurch entstandenen Schaden zu beurteilen sei. Die Grunddienstbarkeit habe lediglich einen Wert von 150 DM gehabt. Dieser Wert sei auch bei der Verbriefung angegeben worden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat die strittige Zahlung im Ergebnis zutreffend als Entgelt für die der AG im privatschriftlichen Vertrag vom 14. März 1963, in der notariellen Urkunde vom 26. März 1963 und durch Eintragung im Grundbuch zugesicherten bzw. übertragenen Rechte beurteilt.
Nach Buchst. C des Vertrags vom 14. März 1963 hat der Steuerpflichtige den strittigen Betrag "für die Einräumung der oben angeführten Dienstbarkeit" vereinnahmt. Der Vertrag bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß das Entgelt auch zur Abgeltung eines Schadens dienen sollte. Auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen im Klageverfahren enthält keine tatsächlichen Behauptungen, durch die die Natur der Entschädigung schlüssig als Schadensersatz dargelegt wäre. Zwar beurteilt der Kläger die Entschädigung - mit Ausnahme des Teilbetrags von 150 DM, den er als den Preis für die Einräumung der Dienstbarkeit ansieht - als Schadensersatz. Er begründet dabei seine Meinung mit den Hinweisen, er habe mit der Einräumung der Dienstbarkeit keine Leistung erbracht, sondern lediglich seinen aussichtslosen Kampf um die Beseitigung des Unrechts abgebrochen, in der Entschädigung komme die Entwertung des Grundstücks (Verlust der Baulandeigenschaft) zum Ausdruck, die Entschädigung stehe also mit dem durch die verbotene Eigenmacht angerichteten Schaden in Wechselbeziehung, die Entschädigung sei entsprechend der Schadenswirkung aus der Preisdifferenz zwischen Bauland und landwirtschaftlicher Nutzungsfläche errechnet worden und die AG habe den hohen Betrag nur deshalb bezahlt, weil ihr die Beseitigung der Eigentumsstörung ungleich teurer zu stehen gekommen wäre. Der tatsächliche Inhalt dieses Vorbringens entspricht den Feststellungen des FG und dem Inhalt der vom FG verwendeten Unterlagen; er kann deshalb der Revisionsentscheidung zugrunde gelegt werden. Die rechtliche Beurteilung führt aber zu folgenden Ergebnissen:
Die Einräumung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit an einem Grundstück ist eine sonstige Leistung im Sinne des § 1 Nr. 1 UStG 1951. Sie ist, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, nicht nach § 4 Nr. 10 UStG 1951 steuerfrei (ständige Rechtsprechung, vgl. Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., Rdnr. 2751 b, c).
Auf den objektiven Wert dieser Leistung kommt es für die Steuerberechnung nicht an. Maßgebend ist vielmehr gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 UStG 1951 das vereinnahmte Entgelt. Ist dieses deshalb höher als der Verkehrswert, weil der Unternehmer durch die Einräumung des Rechts besondere Nachteile in Kauf nimmt - im vorliegenden Falle den Verlust der Baulandeigenschaft des mit der Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks und seiner Umgebung -, so ist gleichwohl der zum Ausgleich dafür kalkulierte Betrag kein Schadensersatz im Rechtssinn. Denn Nachteile, die der leistende Unternehmer in Erwartung der vertraglichen Gegenleistung willentlich in Kauf nimmt und damit durch seine Leistung herbeiführt, sind lediglich Motive für die Preisgestaltung und begründen keine selbständigen Ansprüche gegen den Vertragspartner. Als Schadensersatz kann eine Zahlung auch dann nicht beurteilt werden, wenn der Unternehmer die Leistung, wie im vorliegenden Fall anzunehmen ist, nur unter dem Zwang der Verhältnisse, insbesondere unter dem Druck eines schwebenden Enteignungsverfahrens erbracht hat. Der steuerpflichtige Umsatz erfordert lediglich - abgesehen von der Bewirkung auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung (z. B. Enteignung!) - den Willen des Unternehmers zur Leistung (vgl. Urteil des BFH V 144/65 vom 27. Februar 1969, BFH 95, 308, BStBl II 1969, 387). Die Frage, welche Umstände diesen Leistungswillen herbeigeführt haben, ist nicht zu prüfen. Mit der Erklärung, er habe durch den Vergleich einen aussichtslosen Kampf um sein Recht abgebrochen, hat der Steuerpflichtige selbst eingeräumt, daß er mit der Übertragung der Dienstbarkeit eine freiwillige und damit steuerrechtlich beachtliche Leistung erbracht habe.
Im Gegensatz zur Meinung des Steuerpflichtigen kann der Vertrag über die Bestellung der Dienstbarkeit vom 14. März 1963 nicht den Sinn haben, daß lediglich ein Teilbetrag der Entschädigung in Höhe von 150 DM als Entgelt für die Einräumung der Dienstbarkeit an einer landwirtschaftlichen Nutzfläche, der hohe Restbetrag aber als Ausgleich (Schadensersatz) dafür gelten sollte, daß das Grundstück infolge der geübten Eigenmacht zuvor gegen den Willen der Eigentümer seiner Baulandeigenschaft beraubt worden sei: Abgesehen davon, daß der Wortlaut des Vergleichs für diese Auslegung keinen Anhalt gibt, läßt auch der Sinn und Zweck des Vertrags keine solche Deutung zu. Denn die AG hat in dem Vertrag ihren schon durch die Einleitung eines Enteignungsverfahrens zum Ausdruck gebrachten Willen durchgesetzt, die Eigentümer des Grundstücks insoweit zur Übertragung ihres Rechts zu veranlassen, als dieses dem in verbotener Eigenmacht geübten Verhalten entgegenstand. Sie wollte also den vertraglosen und rechtswidrigen Zustand in einen vertraglichen und rechtmäßigen umwandeln. Dieses Ziel erreichte sie durch den Vertrag vom 14. März 1963 und die Bestellung der Dienstbarkeit am 26. März 1963. Mit der Legalisierung verwandelte sich zugleich der vorher gegen den Willen der Eigentümer eingetretene, von einer Eigentumsstörung ausgegangene Verlust der Baulandeigenschaft in einen willentlichen Verzicht der Eigentümer auf diese Nutzbarkeit. Der Verlust der Baulandeigenschaft in der Bedeutung eines den Störer grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtenden Zustandes (§§ 823, 249, 251 BGB) wurde damit zu einer lediglich vorübergehenden Beeinträchtigung des Eigentums. Im übrigen fehlen Anhaltspunkte, die auch dem Vorbringen des Steuerpflichtigen in der Tatsacheninstanz nicht zu entnehmen sind, dafür, daß während der vertraglosen Zeit durch die rechtswidrige Eigentumsstörung ein Schaden bereits konkretisiert war. Eine solche Konkretisierung setzte den Willen des Steuerpflichtigen zur Verwertung des Grundstücks als Bauland voraus. Jedenfalls ist in dem Zeitpunkt, in dem die AG bereit war, die durch ihr Verhalten eingetretene Wertminderung aus dem Verlust der Baulandeigenschaft auszugleichen, die Rechtsgrundlage der wechselseitigen Ansprüche, die nunmehr lediglich in dem Vertrag vom 14. März 1963 bestand, geändert worden. Die Entschädigung die hiernach auch nicht teilweise als Schadensersatz behandelt werden kann, hat deshalb das FA mit Recht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 UStG 1951, § 10 UStDB 1951 der Umsatzsteuer unterworfen.
Die Revision war nach diesen Erwägungen mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen. Eine andere Entscheidung ergibt sich auch nicht aus der Erwägung, daß die Umsatzsteuer kraft Gesetzes bei beiden Ehegatten entstanden war, während der Steuerbescheid nur gegen den Ehemann gerichtet wurde. Denn die beiden Ehegatten sind gemäß § 7 Abs. 1 StAnpG Gesamtschuldner. Es schuldet deshalb jeder von ihnen gemäß § 7 Abs. 3 StAnpG die ganze Leistung. Der Steuerbescheid konnte deshalb auch gegen den Ehemann allein ergehen.
Fundstellen
BStBl II 1972, 509 |
BFHE 1972, 186 |