Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung wegen Steuerhinterziehung als Mittäter durch Unterlassen; Überzeugungsbildung des Tatrichters
Leitsatz (NV)
1. Zur Beteiligung an einer Steuerhinterziehung als Mittäter ist ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken erforderlich.
2. Ein Unterlassen ist unter der Voraussetzung als ursächlich für eine Steuerhinterziehung anzusehen, daß die unterlassene Handlung nicht hinzugedacht werden kann ohne daß der Erfolg entfällt.
3. Zur Überzeugungsbildung des Tatrichters.
a) Zur Überzeugungsbildung des Tatrichters ist erforderlich, daß er sich ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem persönlichen Gewissen unterworfen persönliche Gewißheit in einem Maße verschafft, daß er an sich mögliche Zweifel überwindet und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann, wobei er nicht eine von allen Zweifeln freie Überzeugung anstreben darf, sich in zweifelhaften Fällen vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewißheit begnügen muß.
b) Bei Zweifeln an der Ursächlichkeit eines vorwerfbaren Verhaltens ist die Überzeugungsbildung dann nicht fehlerhaft, wenn sie erkennbar auf Tatsachen beruht, die vernünftigerweise die Überzeugung mit der erforderlichen Gewißheit vom Gegenteil ausschließt.
c) Eine Überzeugungsbildung kann allerdings rechtsfehlerhaft sein, wenn das Gericht von einer angemessenen Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts absieht, obwohl sich eine weitere Aufklärung des Sachverhalts aufdrängt.
d) Soweit es bei der Überzeugungsbildung auf eine hypothetische Entscheidung ankommt, ergibt in der Regel die Aufklärung der Erwägungen, von denen die hypothetische Entscheidung abhängig gewesen wäre, maßgebenden Aufschluß.
Normenkette
AO 1977 §§ 71, 370 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 25 Abs. 2; FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 118 Abs. 2
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) nahm den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) auf Zahlung von . . . Mio DM Mineralölsteuer als Haftenden in Anspruch mit der Begründung, er habe sich gemeinsam mit A einer Steuerhinterziehung schuldig gemacht. Der Kläger soll nach Auffassung des HZA maßgeblich dazu beigetragen haben, daß A für die von ihm vertretenen Firmen (A und W) durch ein Gespräch mit der Verwaltung die Stundung fälliger Mineralölsteuer in Höhe von rund . . . Mio DM erlangt und später nicht gezahlt hat. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Klage führte zur Aufhebung des Haftungsbescheids und der Einspruchsentscheidung. Das Finanzgericht (FG) führt zur Begründung seines Urteils im wesentlichen folgendes aus:
Die Feststellungen rechtfertigten zwar die Entscheidung, daß A den objektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllte. Denn er habe nicht offenbart, daß ein Teil der an eine Bank für einen Kredit in beträchtlicher Höhe sicherungsübereigneten Mineralölbestände nicht mehr vorhanden gewesen sei und daß er an die Bank täglich einen erheblichen Betrag zur Rückzahlung eines Kontokorrentkredits habe zahlen müssen. Außerdem habe er den Eindruck erweckt, seine Tankstellen ließen sich kurzfristig gewinnbringend veräußern, wobei er unerwähnt gelassen habe, daß die Tankstellen mit dem stärksten Umsatz einer anderen Firma (GmbH) gehört hätten. Zur Überzeugung des FG stehe aber nicht fest, daß der Kläger bewußt und gewollt mit A zusammengewirkt habe und infolgedessen als Mittäter einer Steuerhinterziehung anzusehen sei.
Ein mittäterschaftlich strafrechtlich relevantes Handeln könne einmal darin gesehen werden, daß der Kläger unter Einsatz seines Ansehens und unter Umgehung des Instanzenweges die Stundungsbesprechung initiiert habe, zum anderen darin, daß er sich während der Besprechung weitgehend passiv verhalten und dadurch den Eindruck erweckt habe, er trage die unvollständigen Ausführungen des A mit.
Die Vermittlung der Besprechung stelle aber für sich allein noch kein vorwerfbares Verhalten dar. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß der Kläger das Stundungsgespräch in Kenntnis einer Absicht des A, sich eine Stundung zu erschleichen, vermittelt habe.
Aufgrund der Beweisaufnahme könne auch nicht festgestellt werden, daß der Kläger bei den Erörterungen über den Verkauf der Tankstellen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht und dadurch zur Gewährung der Stundung entscheidend beigetragen habe. Zur Überzeugung des FG stehe außerdem nicht fest, daß der Kläger Einzelkenntnisse hinsichtlich der Tankstellen gehabt, insbesondere gewußt habe, daß die Tankstellen mit dem stärksten Umsatz einer anderen Firma gehörten.
Das FG sei aber davon überzeugt, daß der Kläger von dem Fehlen eines Teils der sicherungsübereigneten Mineralölbestände und von der Rückzahlungsverpflichtung des A aufgrund des Kontokorrentkredits Kenntnis gehabt und diese steuerlich erheblichen Tatsachen pflichtwidrig verschwiegen habe. Als Steuerberater habe der Kläger nichts tun oder unterstützen dürfen, was zu einem im Gesetz nicht vorgesehenen Steuervorteil für seinen Mandanten habe führen können. Diese Pflicht ergebe sich aus vorangegangenem Tun, nämlich aus der Vermittlung - und der Teilnahme an - der Besprechung.
Eine tatbestandsmäßige Handlung durch Unterlassen setze jedoch voraus, daß das Unterlassen für den eingetretenen Erfolg ursächlich gewesen sei. Dazu sei erforderlich, daß die unterlassene Handlung nicht hinzugedacht werden könne, ohne daß der Erfolg entfalle. Erforderlich sei daher die Gewißheit oder eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, daß der Erfolg bei Vornahme der unterlassenen Handlung nicht eingetreten wäre. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall nicht vor. Denn aufgrund der Gesamtumstände und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des FG auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, daß das Stundungsgespräch anders verlaufen wäre, wenn alle Fakten bekannt gewesen wären. Die Beweisaufnahme habe - entgegen dem Vorbringen des HZA - ergeben, daß die an der Besprechung beteiligten Beamten Gb, S und O auch bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht schon von sich aus, also ohne Einschaltung des Behördenleiters, persönlich und damit durch den an der Besprechung beteiligten Zeugen O als ranghöchsten Beamten das Stundungsgespräch abgelehnt hätten. Die Beamten hätten sich bereits vor der Einschaltung des Behördenleiters mehrheitlich zu einer Ablehnung der Stundung durchgerungen gehabt. Zwar sei einer der Beamten - durch die Besprechung - schwankend geworden. Das sei jedoch nicht der Grund für die Einschaltung des Behördenleiters gewesen. Das sei vielmehr geschehen, um zu verhindern, daß der Behördenleiter von zu erwartenden negativen Presseberichten wegen des mit der Ablehnung der Stundung unausweichlich verbundenen Konkurses - des A - überrascht werde. Eine Darlegung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des A durch den Kläger hätte die Beamten in ihrer ablehnenden Haltung nur bestärkt. Auch in diesem Fall hätte O - als der ranghöchste Beamte - dem Behördenleiter die Sache mit einem ablehnenden Entscheidungsvorschlag vorgetragen.
Zur Überzeugung des FG stehe nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, daß der Behördenleiter auch bei Kenntnis der genauen Sachlage anders entschieden hätte. Bei dessen Entscheidung habe die Teilnahme des Klägers an der Besprechung keine Rolle gespielt. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß der Behördenleiter sich bei seiner Entscheidung ausschließlich von wirtschaftlichen und nicht von rechtlichen Gesichtspunkten habe leiten lassen und aus zeitlichen Gründen gar keine Gelegenheit gehabt habe, in den Fall einzusteigen. Ausgangsposition dieser Entscheidung sei gewesen, daß bei Ablehnung der Stundung nichts zu bekommen gewesen wäre, bei Gewährung der Stundung sich aber noch eine Chance geboten hätte, von den Steuerrückständen wenigstens noch etwas einziehen zu können. Daran hätte sich auch bei umfassender Kenntnis nichts geändert.
Aufgrund dieser Gesamtumstände verblieben erhebliche Zweifel, ob der Behördenleiter, der unter Zeitdruck eine eilbedürftige Entscheidung von erheblichem wirtschaftspolitischem Ausmaß habe treffen müssen, anders entschieden hätte, wenn ihm die zusätzlichen Fakten bekannt gewesen wären. Diese Zweifel seien nach dem im Strafrecht herrschenden Grundsatz ,,in dubio pro reo" zugunsten des Klägers zu berücksichtigen.
Für die infolge der Stundung verkürzten Steuern hafte der Kläger deshalb nicht, weil zu seinen Gunsten davon auszugehen sei, daß es an einem Kausalzusammenhang zwischen seinem Verhalten und der Steuerverkürzung fehle. Auch insoweit sei der Grundsatz ,,in dubio pro reo" anzuwenden.
Eine Steuerhinterziehung habe der Kläger zwar auch noch in dem Zeitraum zwischen der Stundung und deren Widerruf sowie im Beitreibungsverfahren begehen können. Es fehle aber an Anhaltspunkten dafür, daß der Kläger mit dem Stundungsgespräch oder mit seinem späteren Verhalten bezweckt habe, den Zugriff der Zollbehörden auf das noch vorhandene Vermögen des A hinauszuschieben oder diesem zu ermöglichen, weitere Vermögenswerte flüssig zu machen und vor dem sich abzeichnenden Konkurs in Sicherheit zu bringen. Insbesondere sei nicht erkennbar, daß der Kläger insoweit in die Pläne des A eingeweiht gewesen sei oder diese gekannt und er folglich vorsätzlich gehandelt habe.
Das HZA begründet seine Revision wie folgt:
Das FG habe bei seiner Entscheidung über die Verneinung der Mittäterschaft des Klägers die Bedeutung des § 25 Abs. 2 des Strafgesetzbuches (StGB) insbesondere als Zurechnungsnorm verkannt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, daß dem Kläger eine - wenn nicht sogar die zentrale - Rolle bei der gemeinsam angestrebten Stundung zugekommen sei. Angesichts der Erfahrung, des Überblicks und des Verhaltens des Klägers insgesamt müsse angenommen werden, daß diesem auf dem dargestellten und durch die Beweisaufnahme erhärteten Hintergrund die entscheidende Bedeutung seiner Teilnahme an dem Stundungsgespräch bekannt und von seinem Willen umfaßt gewesen sei. Damit lägen nach den vom Gericht selbst festgestellten Tatsachen die Voraussetzungen für die Mittäterschaft des Klägers vor.
Die Ausführungen des FG zur Mittäterschaft seien widersprüchlich und unlogisch, weil dasselbe Verhalten, nämlich das Verschweigen der Veräußerung sicherungsübereigneten Mineralöls und der Verpflichtung zur Rückzahlung des Kontokorrentkredits, bei A eine Steuerhinterziehung begründet haben solle, bei dem Kläger aber nicht. Die Aufteilung des Verhaltens des Klägers mit dem Ergebnis, daß nur das Unterlassen strafrechtlich bedeutsam sei, sei unverständlich. Es fehle an jeder Grundlage dafür, das Verhalten des Klägers in einzelne Tatteile zu zerlegen, einen Tatbeitrag (Veräußerung des Tankstellennetzes) grundsätzlich für eine Mittäterschaft für geeignet zu erklären, die anderen beiden Tatbeiträge hingegen nicht, und schließlich eine Alleintäterschaft zu verneinen. Unrichtig sei die Feststellung des FG, A selbst habe ausgesagt, daß er bezüglich eines möglichen Verkaufs der Tankstellen Vorverhandlungen mit einem Interessenten geführt habe. Bei seiner Vernehmung durch das FG habe A unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß er zur Zeit des Stundungsgesprächs überhaupt nicht daran gedacht habe, die Tankstellen zu veräußern. Zur Frage der Verhandlungen mit dem Interessenten habe A bekundet, die Terminabsprache mit diesem habe einen anderen Hintergrund gehabt. Natürlich habe er sich auch vorher schon einmal umgehört, was die Veräußerung der Tankstellen erbringen könne, allerdings ohne ernstliche Verkaufsabsichten. In diesem Sinne könne er auch mit dem Interessenten gesprochen haben. Daß A keine ernstlichen Verkaufsverhandlungen geführt habe, werde auch daran deutlich, daß die Stundung eine Woche später widerrufen worden sei, weil bei dem Gespräch mit der Verwaltung keine Belege über positiv verlaufene Verkaufsverhandlungen hätten vorgelegt werden können. Damit sei die Feststellung des FG nicht vereinbar, die Aussage, A wolle verkaufen und es gebe interessierte Käufer, entspreche ihrem wesentlichen Inhalt nach den Tatsachen. Diese Feststellung stehe auch im Widerspruch zu der vorgenannten Aussage des A.
Das FG irre in der Auffassung, die Stundung wäre auch gewährt worden, wenn alle Tatsachen bekannt gewesen wären. Das FG unterstelle dem Behördenleiter und den Beamten, die an der Besprechung beteiligt gewesen seien, ohne tatsächliche Anhaltspunkte ein gesetzwidriges Verhalten bei der Stundung. Das FG hätte die genannten Personen als Zeugen in der durchgeführten Beweisaufnahme fragen müssen, wie sie sich in einem solchen Fall, in dem die Konkursgründe der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung gegeben gewesen wären, verhalten hätten. Wäre den Beamten, O, S und Gb bekannt gewesen, daß die Konkursgründe vorgelegen hätten, so hätte es eine Entscheidung des Behördenleiters nicht gegeben. In diesem Fall hätte äußerstenfalls O allein den Behördenleiter telefonisch kurz in Kenntnis gesetzt. Es sei mithin keine Frage, daß die unvollständigen und unrichtigen Angaben zur Veräußerung der Tankstellen durch A und den Kläger zu der Stundung geführt hätten. Ohne den Kläger hätte es keine Stundungsgespräche gegeben. Ohne ihn wäre auch den Aussagen des A insbesondere zur Veräußerung der Tankstellen nicht geglaubt worden, wäre der Behördenleiter nicht in die Entscheidung einbezogen worden und hätte dieser sich nicht für eine Stundung ausgesprochen. Die Funktion des Klägers habe darin bestanden, den Angaben des A Glauben zu verschaffen. Dieses Ziel sei erreicht worden. Der Behördenleiter habe allein aufgrund des Vortrags seiner Beamten entschieden.
Das FG habe die Vermutung ausgesprochen, der Zeuge O hätte dem Behördenleiter die Sache auch dann vorgetragen, wenn der Kläger die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des A dargelegt hätte. Das Gegenteil sei jedoch der Fall. Das FG hätte aber jedenfalls O fragen müssen, ob er sich wirklich so verhalten hätte, wie das FG vermutet habe.
Das gleiche gelte in noch stärkerem Maße hinsichtlich der Vermutung des Gerichts zum Verhalten des Behördenleiters. Das FG habe die ihm verbliebenen Zweifel durch gezielte Befragung leicht ausräumen können.
Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Entscheidung des FG sei frei von Rechtsfehlern getroffen worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß der Steuerhaftungsbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt und daß er deshalb aufzuheben war (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Rechtmäßigkeit des Steuerhaftungsbescheids nach § 71 der Abgabenordnung (AO 1977) zu beurteilen ist. Es hat auch ohne Rechtsfehler entschieden, daß der Kläger an einer Steuerhinterziehung durch A nicht als Mittäter beteiligt gewesen ist und daß er nicht mit der Begründung als Haftender in Anspruch genommen werden kann, er habe als Alleintäter eine Steuerhinterziehung begangen.
1. Der Auffassung des HZA, die Ablehnung einer Mittäterschaft des Klägers durch das FG beruhe auf einer Verkennung der Bedeutung des § 25 Abs. 2 StGB insbesondere als Zurechnungsnorm, kann nicht gefolgt werden.
a) Das FG hat bei seiner Entscheidung über eine Beteiligung des Klägers an einer Steuerhinterziehung des A als Mittäter rechtlich zutreffend darauf abgestellt, ob ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken zwischen dem Kläger und A stattgefunden hat. Das entspricht der Vorschrift des § 25 Abs. 2 StGB, welche für Mittäterschaft ein gemeinschaftliches Handeln erfordert; dazu wird ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken verlangt (vgl. Cramer in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 22. Aufl., § 25 Rdnr. 71; Baumann/Weber, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 9. Aufl., S. 526). Fehlt es am Bewußtsein und Wollen des Zusammenwirkens, kommt eine Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB auch dann nicht in Betracht, wenn ein Zusammenwirken vorliegt; denn ein Zusammenwirken allein reicht für eine Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB nicht aus (Baumann/Weber, a.a.O.).
b) Den Ausführungen des FG, es habe ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken des Klägers mit A nicht feststellen können, ist zu entnehmen, daß das FG zu der Überzeugung gelangt ist, es fehle an hinreichenden Umständen, denen ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken entnommen werden könne. Das ist eine Tatsachenfeststellung, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist. Das HZA hat dagegen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht.
Seine Einwendungen richten sich in diesem Punkt gegen die Richtigkeit der Feststellungen, die das FG in diesem Zusammenhang getroffen hat, sowie gegen die Sachverhaltswürdigung durch das FG. Aus rechtlicher Sicht sind sie zumindest deshalb unbegründet, weil ihnen nicht entnommen werden kann, daß die beanstandeten Feststellungen des FG einschließlich der Schlußfolgerungen im Rahmen der Sachverhaltswürdigung auf Verfahrensfehlern beruhten oder daß sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstießen. Nur derartige Fehler sind aber geeignet, die Bindungswirkung nach § 118 Abs. 2 FGO aufzuheben; dabei ist zu beachten, daß ein Verstoß gegen Denkgesetze nicht schon dann in Betracht kommt, wenn eine Schlußfolgerung nicht als zwingend angesehen werden kann (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 118 Anm. 10 A).
2. Das FG ist auch ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß zweifelhaft sei, ob die Verhaltensweisen, durch die der Kläger gegen § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 verstoßen habe, für die Erlangung der Stundung ursächlich geworden seien, diese Zweifel sich zugunsten des Klägers auswirkten und dem Kläger eine Steuerhinterziehung durch diese Verhaltensweisen folglich nicht angelastet werden könne.
a) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß diese Verhaltensweisen (Verschweigen des Fehlens sicherungsübereigneter Mineralölbestände und der Rückzahlungsverpflichtung seitens des A aufgrund eines Kontokorrentkredits) sich als Unterlassen darstellen und daß ein Unterlassen unter der Voraussetzung als ursächlich anzusehen ist, daß die unterlassene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfällt (vgl. Zeller in Koch, Abgabenordnung - AO 1977, 3. Aufl., § 370 Rdnr. 42). Für den Streitfall folgt daraus, daß das Unterlassen des Klägers nur dann in einer für eine Steuerhinterziehung bedeutsamen Weise ursächlich geworden wäre, wenn Angaben des Klägers über das Fehlen sicherungsübereigneter Mineralölbestände sowie über die Rückzahlungsverpflichtung zur Ablehnung der Stundung geführt hätten.
b) Das FG hat seine Entscheidung über diese Frage rechtlich zutreffend davon abhängig gemacht, ob es mit Gewißheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu der Überzeugung gelangen konnte, daß das Stundungsgespräch anders verlaufen wäre - d. h., daß die Stundung abgelehnt worden wäre -, wenn der Kläger in dem Stundungsgespräch das Fehlen sicherungsübereigneter Mineralölbestände und die Rückzahlungsverpflichtung offenbart hätte.
Zur Überzeugungsbildung i. S. des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist (wie nach § 286 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, vgl. dazu Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 17. Februar 1970 III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 256) erforderlich, daß der Tatrichter ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem persönlichen Gewissen unterworfen persönliche Gewißheit in einem Maße erlangt, daß er an sich mögliche Zweifel überwindet und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann, wobei der Richter nicht eine von allen Zweifeln freie Überzeugung anstreben darf, sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewißheit überzeugen muß. Richtet der Tatrichter seine Überzeugungsbildung nach einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit aus, so ist das allerdings dann rechtsfehlerhaft, wenn damit eine Überzeugungsbildung angestrebt wird, die nicht von der eigenen Überzeugung des Tatrichters getragen wird (vgl. dazu BGHZ 53, 245, 256).
Die Ausführungen des FG lassen erkennen, daß es sich eine eigene Überzeugung gebildet hat, die den vorgenannten Anforderungen entspricht. Insbesondere können die Ausführungen des FG, nach denen es für seine Überzeugungsbildung eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit als ausreichend angesehen hat, nicht so verstanden werden, daß es sich nicht eine eigene Überzeugung gebildet habe. Vielmehr sind diese Ausführungen dahin zu verstehen, daß das FG bei seiner Überzeugungsbildung nicht den von allen Zweifeln freien, sondern den für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewißheit angestrebt hat. Dafür spricht im Streitfall besonders, daß das FG als Grundlage seiner Überzeugungsbildung zunächst die Gewißheit genannt hat und daß die daran anschließende Angabe der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit als Grundlage demgemäß als Erläuterung dafür zu verstehen ist, welchen Grad der Gewißheit das FG angestrebt hat.
c) Die Ausführungen des FG rechtfertigen auch seine Entscheidung, es habe nicht zu der Überzeugung gelangen können, daß die Stundung versagt worden wäre, wenn der Kläger das Fehlen sicherungsübereigneter Mineralölbestände und die Rückzahlungsverpflichtung offenbart hätte.
aa) Bei Zweifeln an der Ursächlichkeit eines vorwerfbaren Verhaltens ist die Überzeugungsbildung zumindest dann nicht fehlerhaft, wenn sie erkennbar auf Tatsachen beruht, die vernünftigerweise die Überzeugung mit der erforderlichen Gewißheit (an Sicherheit grenzernder Wahrscheinlichkeit) vom Gegenteil - d. h. vom zweifelsfreien Vorliegen der Ursächlichkeit - ausschließt. Dadurch wird erreicht, daß Zweifel an der Ursächlichkeit eines vorwerfbaren Verhaltens dann nicht zum Nachteil des Betroffenen unberücksichtigt bleiben, wenn sie sich zu einem für eine vernünftige lebensnahe Betrachtung beachtlichen Grad verdichtet haben (vgl. Beschluß des BGH vom 25. September 1957 4 StR 354/57, BGHSt 11, 1, 4 f.).
bb) Das FG konnte seine Zweifel nach den vorgenannten Grundsätzen auf die Feststellungen stützen, (1) der Behördenleiter habe sich bei seiner Stundungsentscheidung ausschließlich von wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten leiten lassen, weil er aus zeitlichen Gründen gar keine Gelegenheit gehabt habe, in eine nähere Prüfung des Falles einzutreten, (2) die Ausgangsposition für die Entscheidung des Behördenleiters sei gewesen, bei Ablehnung der Stundung nichts zu bekommen, während sich bei Gewährung der Stundung noch eine Chance geboten hätte, von den Steuerrückständen wenigstens noch etwas einziehen zu können, woran auch eine umfassende Kenntnis nichts geändert hätte. Die in diesen Ausführungen enthaltenen Tatsachen rechtfertigen eine Verdichtung der Zweifel an der Ursächlichkeit des dem Kläger vorgeworfenen Verhaltens zu einem für eine vernünftige lebensnahe Betrachtung beachtlichen Grad. Denn es entspricht einer vernünftigen und lebensnahen Betrachtung anzunehmen, daß Tatsachen, die auf eine Entscheidungsgrundlage, nämlich auf die für die Stundungsentscheidung tatsächlich berücksichtigten Erwägungen, keinen Einfluß haben, auch nicht geeignet sind, eine andere Entscheidung herbeizuführen.
d) Das Ergebnis der Überzeugungsbildung, nach der das FG nicht mit der erforderlichen Gewißheit (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) zu der Feststellung gelangt ist, daß die Stundung versagt worden wäre, wenn der Kläger die ihm bekannten Tatsachen über das Fehlen sicherungsübereigneter Mineralölmengen und über die Rückzahlungsverpflichtung offenbart hätte, beruht auch nicht deshalb auf einem Rechtsfehler, weil das FG den Behördenleiter und die anderen Zeugen nicht entsprechend den Einwendungen des HZA zur Begründung der Revision ausdrücklich danach gefragt hat, wie sich eine Bekundung der genannten Tatsachen durch den Kläger auf ihr Verhalten hinsichtlich der Stundung ausgewirkt hätte.
aa) Eine Überzeugungsbildung kann allerdings auch dann rechtsfehlerhaft sein, wenn das Gericht von einer angemessenen Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts absieht, obschon sich eine weitere Aufklärung des Sachverhalts - vor allem aufgrund der Anregungen eines Beteiligten - aufdrängt. Das Gericht darf sich hinsichtlich des konkreten Sachverhalts nicht unwissend halten und verbleibende Unsicherheiten nicht mit dem Mittel der freien Überzeugungsbildung zu überwinden suchen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 18. Juli 1986 4 C 40/45.82, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 108 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - Nr. 181). Gegenstand der Sachverhaltsaufklärung einschließlich der Zeugenvernehmung kann deshalb auch die Frage sein, welche Entscheidung getroffen worden wäre, wenn bestimmte Tatsachen bekannt gewesen wären (vgl. Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß, 5. Aufl., S. 192; Löwe/ Rosenberg, StPO, 24. Aufl., Vor § 48 Rdnr. 3). Dabei ist allerdings zu beachten, daß Ziel der Aufklärung eines derartigen hypothetischen Sachverhalts nicht die Feststellung von Tatsachen eines wirklichen Tathergangs ist. Soweit es bei der Überzeugungsbildung auf eine hypothetische Entscheidung ankommt, darf die Aufklärung in der Regel deshalb nicht so sehr auf die Beantwortung der Frage ausgerichtet werden, welche Entscheidung bei Kenntnis der Tatsachen getroffen worden wäre. Maßgebenden Aufschluß hinsichtlich dieser Frage ergibt vielmehr in der Regel die Aufklärung der Erwägungen, von denen die hypothetische Entscheidung abhängig gewesen wäre, wobei besonders darauf zu achten ist, daß die Aufklärung von ,,gegenwärtigen Kenntnissen und Einsichten" möglichst nicht beeinflußt wird (vgl. Döhring, Die Erforschung des Sachverhalts im Prozeß, 1964, S. 130 f.).
bb) Diese Grundsätze, nach denen zur Ermittlung einer hypothetischen Entscheidung die Aufklärung der dafür maßgebenden Erwägungen im Vordergrund stehen muß, rechtfertigen die Entscheidung, daß das FG im Streitfall sich seine Überzeugung über die hypothetische Stundungsentscheidung bei Offenbarung des Fehlens sicherungsübereigneter Mineralölbestände und der Rückzahlungsverpflichtung durch den Kläger nicht unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht gebildet hat. Denn es hat sich dabei auf die Erwägungen, die nach seinen Feststellungen für die gewährte Stundung tatsächlich maßgebend gewesen sind, sowie auf seine Feststellung gestützt, daß diese Erwägungen sich durch die Offenbarung der vorgenannten Tatsachen nicht geändert hätten. Nach diesen Feststellungen war die Stundungsentscheidung von - durchaus sachgerechten und einleuchtenden - wirtschaftspolitischen Erwägungen getragen, auf die eine Kenntnis der verschwiegenen Tatsachen ohne Einfluß geblieben wäre. Mit Rücksicht auf diese Feststellungen konnte das FG die Frage an den Behördenleiter, wie er bei Kenntnis der verschwiegenen Tatsachen entschieden hätte, deshalb als entbehrlich ansehen, weil danach die Offenbarung der verschwiegenen Tatsachen durch den Kläger auf die Erwägungen des Behördenleiters keine Wirkung gehabt hätte. Daraus konnte das FG ohne Verstoß gegen die Aufklärungspflicht folgern, daß die Stundung auch gewährt worden wäre, wenn der Kläger die verschwiegenen Tatsachen offenbart und der Behördenleiter davon Kenntnis erhalten hätte. Das FG hat diese Annahme folgerichtig und überzeugend damit begründet, daß die Kenntnis der verschwiegenen Tatsachen an der Entscheidungsgrundlage des Behördenleiters, bei Ablehnung der Stundung würde der Staat auf jeden Fall leer ausgehen, nichts geändert hätte.
Die Frage an den Zeugen O, wie er sich bei Kenntnis der vom Kläger verschwiegenen Tatsachen verhalten hätte, brauchte sich dem FG schon deshalb nicht aufzudrängen, weil es zu der Feststellung gelangt war, daß O sich auch bei Kenntnis dieser Tatsachen an den Behördenleiter gewandt hätte, um ihn von der geplanten Ablehnung der Stundung zu informieren. Der Einwand des HZA, daß der Zeuge O den Behördenleiter bei Kenntnis der vom Kläger verschwiegenen Tatsachen nur kurz telefonisch von der Ablehnung der Stundung unterrichtet hätte, greift schon deshalb nicht durch, weil er lediglich eine den Feststellungen des FG entgegenstehende Behauptung enthält und der Senat an die Feststellungen des FG gebunden ist.
e) Entgegen der Auffassung des HZA kann ein Widerspruch nicht daraus entnommen werden, daß das FG sich zur Begründung seiner Entscheidung, A habe den objektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung verwirklicht, u. a. auch darauf berufen hat, daß A das Fehlen der sicherungsübereigneten Mineralölbestände und die Rückzahlungsverpflichtung verschwiegen habe. Das ist schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil den Ausführungen des FG nicht entnommen werden kann, daß es auch die Frage geprüft hat, ob die Stundung gewährt worden wäre, wenn A das Fehlen der Mineralölbestände und die Rückzahlungsverpflichtung offenbart hätte. Das FG hat sein Ergebnis, A habe den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht, hinsichtlich des Verschweigens dieser Tatsachen nur darauf gestützt, es handle sich um steuerlich erhebliche Tatsachen i. S. des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Diese Ausführungen sprechen sogar dafür, daß das FG - möglicherweise rechtsfehlerhaft - die Verhältnisse des A einschließlich deren Ursächlichkeit für eine Steuerverkürzung oder für die Erlangung eines Steuervorteils rechtlich anders gewürdigt hat als die Verhaltensweisen des Klägers, durch die nach den Ausführungen des FG die Tatbestandsmerkmale der Regelung in Nr. 2 des § 370 Abs. 1 AO 1977 verwirklicht worden sind. Ob das FG die Verhaltensweisen des A rechtlich zutreffend gewürdigt hat, ist allerdings für die Entscheidung über die Revision des Klägers deshalb ohne Bedeutung, weil die Frage nach dessen Haftung aufgrund der Feststellungen des FG unabhängig davon beurteilt werden kann, ob A eine Steuerhinterziehung begangen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 424438 |
BFH/NV 1987, 560 |