Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung von Zinsen aus Sparguthaben
Leitsatz (NV)
1. Ein minderjähriges Kind bezieht aus einem geschenkten Sparguthaben steuerrechtlich eigene Einkünfte, wenn die Guthabenforderung endgültig in das Vermögen des Kindes übergegangen ist. Voraussetzung für eine Zurechnung der Zinsen beim Kind ist, daß alle Folgerungen gezogen werden, die sich aus einer endgültigen Vermögensübertragung ergeben.
2. Der Vater verwaltet ein Sparguthaben seines Kindes nicht wie fremdes, sondern wie eigenes Vermögen, wenn er von dem Guthaben einen Betrag abhebt, den er zeitweise für sich verwendet.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7 (EStG 1971 § 20 Abs. 1 Nr. 4); FGO § 118 Abs. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden.
In den Streitjahren 1973 bis 1977 bestand bei der ,,S" in K ein Sparkonto mit der Nummer . . . auf den Namen des 1960 geborenen Sohnes der Kläger. Für das Sparkonto war ein Sparbuch auf den Namen des Sohnes der Kläger ausgestellt. In diesem ist in der Namenszeile neben dessen Namen vermerkt: ,,verfügungsberechtigt Herr . . . (Name des Klägers)".
Durch Einzahlungen im Jahre 1972 und eine Zinsgutschrift hatte sich bis zum Beginn des Jahres 1973 ein Guthaben von . . . DM ergeben. Ende 1977 belief sich das Guthaben auf . . . DM. Die Veränderungen beruhten auf jährlichen Zinsgutschriften und einer Auszahlung von 4 000 DM am 1. Dezember 1975.
Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) von diesem Sachverhalt Kenntnis erhalten hatte, erfaßte er die Zinsen bei den Einkommensteuerveranlagungen der Kläger für die Streitjahre. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führt aus, die Zinsen seien zu Recht den Klägern als Einkünfte aus Kapitalvermögen zugerechnet worden.
Zivilrechtlich stehe einem Kind, auf dessen Namen die Eltern ein Sparkonto einrichten, die Guthabenforderung zu, wenn ein entsprechender Wille der Eltern für die Sparkasse erkennbar sei. Was erkennbar sei, hänge von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Benennung des Sohnes ergebe nicht ohne weiteres seine Forderungsberechtigung. Gegen sie spreche, daß der Kläger das Sparbuch im Besitz gehabt hätte. Dieser sei auch als Verfügungsberechtigter in das Sparbuch eingetragen worden. Der Kläger, nicht der Sohn, stünde im übrigen als Genosse in Beziehung zur S, bei der, anders als bei einer öffentlichen Sparkasse, nicht jedermann sparen könne. Eine Verfügungsberechtigung der Eltern als gesetzliche Vertreter des Kindes wäre gerade nicht vorgesehen gewesen. Der Kläger habe unter diesen Umständen mindestens die Stellung eines wirtschaftlichen Gläubigers.
Das Schreiben der S vom 27. August 1979, auf das sich die Kläger berufen und in dem die S bestätigt, ihr sei bekannt gewesen, daß der Sohn der Kläger Inhaber des Sparbuchs gewesen sei, kläre die Forderungsberechtigung nicht. Aus diesem Schreiben lasse sich nicht einmal die Erklärung der S entnehmen, daß ihr erkennbar gewesen sei, der Sohn habe von Anfang an Inhaber der Guthabenforderung sein sollen, geschweige denn ein Sachverhalt, aus dem sich die Erkennbarkeit ergebe.
Ein zusätzliches Indiz für die Stellung der Eltern bzw. des Klägers als wirtschaftliche Gläubiger sei auch die Tatsache, daß der Kläger im Dezember 1975 4 000 DM vom Sparkonto abgehoben habe. Als Verfügung zugunsten des Sohnes lasse sich die Verwendung dieser Mittel nicht darstellen. Daß das Geld zunächst von den Eltern den eigenen Mitteln zugeschlagen wurde, hätten sie selbst eingeräumt. Die Anschaffung eines Mopeds rund ein Jahr später für rund 3 000 DM sei keine Verwendung des abgehobenen Geldes, sondern eine - wie auch immer wirtschaftlich begründete - Disposition der Eltern im Rahmen ihrer eigenen Verfügungsmacht.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die Entscheidung des FG verstoße gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. November 1976 VIII R 137/74 (BFHE 120, 391, BStBl II 1977, 205). Die Kläger hätten in der Klagebegründung darauf verwiesen, daß alle in diesem BFH-Urteil geforderten Voraussetzungen erfüllt seien. Das FG habe jedoch die vom BFH aufgestellten Grundsätze mißachtet und sei überhaupt nicht auf die dort genannten Bedingungen eingegangen. Der Vermerk über die Verfügungsberechtigung des Klägers verweise lediglich auf die gesetzlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Abhebung von 4 000 DM vom Sparbuch sei zugunsten einer Anschaffung für den Sohn erfolgt, zu der der Vater seine Zustimmung gegeben habe. Die Tatsache, daß der Vater Genosse bei der S sei, könne nicht zu der Annahme führen, daß dieser dadurch wirtschaftlicher Inhaber des Sparbuchs werde. Das Schreiben der S vom 27. August 1979 sei entgegen der Auffassung des FG ein Beweismittel dafür, daß das Sparbuch von Anfang an dem Sohn zuzurechnen war. Die Erfassung der Zinsen, die dem Sparkonto des Sohnes gutgeschrieben worden seien, als Einnahmen des Vaters verstoße gegen Art. 6 des Grundgesetzes (GG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des FG, daß die auf dem Sparguthaben bei der S für die Streitjahre 1973 bis 1977 gutgeschriebenen Zinsen bei den Klägern als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen sind, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1971 (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1987) gehören Zinsen aus Guthaben bei Kreditinstituten zu den Einkünften aus Kapitalvermögen.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 24. April 1990 VIII R 170/83, BFHE 160, 356, BStBl II 1990, 539, eingehend zur Zurechnung von Zinsen aus Sparguthaben Stellung genommen. Auf die dortigen Ausführungen, die auch Grundlage für die Entscheidung des Streitfalls VIII R 89/83 sind, wird verwiesen.
2. Das FG ist bei seiner Entscheidung von Rechtsgrundsätzen ausgegangen, die der Senat für zutreffend hält. Aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist das FG zu dem Ergebnis gekommen, daß die Zinsen aus dem Sparguthaben nicht dem Sohn, sondern dem Kläger zuzurechnen sind.
An die tatsächlichen Feststellungen des FG einschließlich der Schlußfolgerungen tatsächlicher Art, die das FG aufgrund des festgestellten Sachverhalts im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenwürdigung gezogen hat, ist der BFH nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden, und zwar auch dann, wenn die Gesamtwürdigung nicht zwingend, aber möglich ist. Das Ergebnis der Tatsachenwürdigung durch das FG verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungsgrundsätze. Entgegen den Ausführungen der Kläger in der Revisionsbegründung verletzt die Entscheidung des FG auch nicht Art. 6 GG, der die Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt.
Schon die Tatsache, daß der Kläger im Dezember 1975 einen Betrag von 4 000 DM vom Sparguthaben abgehoben hat, diesen Betrag den eigenen Mitteln zugeschlagen hat und erst etwa ein Jahr später lediglich 3 000 DM für die Anschaffung eines Mopeds für den Sohn verwandte, zeigt, daß der Kläger das Sparguthaben nicht wie fremdes, sondern wie eigenes Vermögen verwaltet hat.
Zu Recht hat das FG auch darauf hingewiesen, daß rechtsgeschäftliche Gestaltungen zwischen nahen Angehörigen - wie zwischen dem Kläger und seinem Sohn - nach ständiger Rechtsprechung des BFH klare und eindeutige Vereinbarungen erfordern. Die Eröffnung eines Sparkontos hat zwar in erster Linie Rechtswirkungen zwischen der Bank und dem Antragsteller, ggf. einem Dritten, zur Folge. Soll durch die Vereinbarung eine Vermögensverschiebung zwischen nahen Angehörigen bewirkt werden, können steuerrechtliche Wirkungen jedoch nur eintreten, wenn die Vereinbarung klar und eindeutig ist.
Nicht unbeachtet darf in diesem Zusammenhang bleiben, daß der Kläger bis zur Aufdeckung des Sachverhalts nichts zur Aufklärung etwaiger Unklarheiten getan hat. Er hat die Zinsen aus dem Sparbuch weder in seiner eigenen Steuererklärung noch in einer Steuererklärung für seinen Sohn, zu der er in Anbetracht der Höhe der Zinsen verpflichtet gewesen wäre (vgl. § 56 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Einkommensteuer - Durchführungsverordnung 1971), angegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 417094 |
BFH/NV 1991, 28 |