Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Fertigstellungsfrist bei beweglichen Wirtschaftsgütern im Rahmen der Beschäftigungszulage
Leitsatz (NV)
Für bewegliche Wirtschaftsgüter gilt grundsätzlich die Fertigstellungsfrist des § 4 b Abs. 2 Satz 4 InvZulG 1982. Eine analoge Anwendung der Fertigstellungsfrist für unbewegliche Wirtschaftsgüter (§ 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982) kommt nicht in Betracht.
Normenkette
InvZulG 1982 § 4b Abs. 2 Sätze 4-5
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Metallgießerei. Mit Bescheid vom 22. Februar 1983 erteilte der Regierungspräsident die von der Klägerin beantragte Genehmigung zur wesentlichen Änderung der Gießerei durch Errichtung und Betrieb eines Tiegelschmelzofens, einer Sandaufbereitungsanlage, einer Schleuderradputzmaschine, einer Naßentstaubungsanlage und einer Werkshalle. Dieser Bescheid erging auf der Grundlage des Bundesimmissionsschutzgesetzes und umfaßte die landesrechtliche Baugenehmigung.
Für das Streitjahr (1983) beantragte die Klägerin eine Investitionszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982. Dabei rechnete sie in das Begünstigungsvolumen u. a. Anzahlungen auf die Anschaffung der Sandaufbereitungsanlage und der Schleuderradputzmaschine ein.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gewährte die Zulage insoweit nicht. Das FA war der Auffassung, daß die Sandaufbereitungsanlage und die Schleuderradputzmaschine keine begünstigten Wirtschaftsgüter seien, da sie erst nach dem 31. Dezember 1983 geliefert bzw. aufgestellt worden seien.
Die nach erfolglos erhobenem Einspruch eingelegte Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 36 veröffentlichten Entscheidung die Ansicht, eine Investitionszulage für die Anschaffung der beiden beweglichen Wirtschaftsgüter komme nicht in Betracht, weil diese nicht vor dem 1. Januar 1984 geliefert oder fertiggestellt worden seien. Die in § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982 enthaltene, bis zum 1. Januar 1985 laufende Frist gelte nur für abnutzbare unbewegliche Wirtschaftsgüter. Eine analoge Anwendung komme im Streitfall nicht in Betracht. Eine Regelungslücke liege nicht vor; denn der Gesetzgeber habe bei der unterschiedlichen Dauer der Herstellungsfristen in § 4 b InvZulG 1982 allein zwischen der Anschaffung oder Herstellung von beweglichen Wirtschaftsgütern einerseits und der Herstellung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern andererseits differenziert. Ausnahmsweise habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem zu § 4 b InvZulG 1975 ergangenen Urteil vom 23. November 1979 III R 4/79 (BFHE 130, 475, BStBl II 1980, 554) für den Fall eine Regelungslücke angenommen, daß eine Betriebsvorrichtung gleichzeitig mit einem Gebäude oder einem Gebäudeteil errichtet wird und mit diesem eine bautechnische und bauordnungsrechtliche Einheit bildet. Diese Ausnahme sei aber im Streitfall nicht gegeben.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie ist im wesentlichen der Ansicht, daß der dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982 nach allein für abnutzbare unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens geltende lange Verwirklichungszeitraum (bis zum 31. Dezember 1984) im Wege der Analogie auf alle genehmigungspflichtigen Investitionen, auch wenn sie bewegliche Wirtschaftsgüter betreffen, Anwendung finden müsse. Letztlich verlange auch Art. 3 des Grundgesetzes (GG) eine analoge Anwendung des § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982 auf genehmigungspflichtige, bewegliche Wirtschaftsgüter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Der Klägerin steht für die Anschaffung der Sandaufbereitungsanlage und der Schleuderradputzmaschine keine Investitionszulage nach § 4 b InvZulG 1982 zu. Die beiden (beweglichen) Wirtschaftsgüter sind nach den nicht angefochtenen und daher den Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen der Vorinstanz erst nach dem 31. Dezember 1983 geliefert worden (s. § 4 b Abs. 2 Satz 4 InvZulG 1982).
2. Ein anderes Ergebnis kann auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung der Fertigstellungsfrist für unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (§ 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982) abgeleitet werden. Voraussetzung für eine analoge Anwendung einer Rechtsnorm ist, daß ein Gesetz lückenhaft i. S. einer planwidrigen Unvollständigkeit und deshalb ergänzungsbedürftig ist (BFH-Urteil vom 25. Januar 1984 I R 32/79, BFHE 140, 446, BStBl II 1984, 382, Nr. 3 der Entscheidungsgründe).
a) Eine derartige Lücke des Gesetzes ist hinsichtlich der Anschaffung eines genehmigungspflichtigen, beweglichen Wirtschaftsguts nicht gegeben. In § 4 b Abs. 2 Satz 4 InvZulG 1982 wird für die Gewährung einer Investitionszulage die (weitere) Voraussetzung aufgestellt, daß die Wirtschaftsgüter vor dem 1. Januar 1984 geliefert oder fertiggestellt werden müssen. Allein für die Herstellung von unbeweglichen Anlagegütern und für nachträgliche Herstellungsarbeiten an unbeweglichen Anlagegütern bestimmt § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982 eine Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 1984; und zwar ungeachtet einer etwaigen Genehmigungsbedürftigkeit der jeweiligen Baumaßnahmen. Hieraus folgt, daß das Gesetz für Investitionen in der Form der Anschaffung oder Herstellung beweglicher Wirtschaftsgüter ausschließlich auf den 31. Dezember 1983 als Verwirklichungszeitpunkt abstellt.
b) Eine Gesetzeslücke kann auch nicht damit begründet werden, daß die Fertigstellungsfrist für unbewegliche Wirtschaftsgüter nach § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982 einen allgemeinen Rechtssatz enthält, dessen Fehlen bei vergleichbaren Bestimmungen als planwidrige Unvollständigkeit dieser Bestimmungen anzusehen wäre. Insbesondere kann § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982 nicht, wie die Klägerin meint, der allgemeine Rechtssatz entnommen werden, daß auch für die Anschaffung genehmigungspflichtiger, beweglicher Wirtschaftsgüter die längere, bis zum 31. Dezember 1984 dauernde Verwirklichungsfrist gelten müsse. Tragender Gesichtspunkt der in § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982 niedergelegten längeren Frist, innerhalb der ein unbewegliches Anlagegut fertiggestellt sein muß, war die im allgemeinen längere Herstellungsdauer bei unbeweglichen Anlagegütern (s. hierzu bereits BFH-Urteil in BFHE 130, 475, BStBl II 1980, 554, zu § 4 b InvZulG 1975 unter Hinweis auf BTDrucks 7/3010, 6). Die Regelung des § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982 stellt mithin ausschließlich auf Herstellungsvorgänge bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern ab. Die Bestimmung des § 4 b Abs. 2 Satz 4 InvZulG 1982 ist danach, soweit sie die Anschaffung oder Herstellung beweglicher Wirtschaftsgüter betrifft, nicht mit § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982 vergleichbar.
Auch der Umstand, daß das Betreiben eines angeschafften beweglichen Wirtschaftsguts genehmigungspflichtig ist, begründet nicht die notwendige Vergleichbarkeit der Regelung des § 4 b Abs. 2 Satz 4 InvZulG 1982 und der des § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982. Das Erfordernis einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung berücksichtigen die Vorschriften über die Beschäftigungszulage allein in § 4 b Abs. 2 Satz 3 InvZulG 1982 bei der Bestimmung des Zeitpunktes, wann mit der Herstellung von Baumaßnahmen begonnen worden ist. Hinsichtlich der Bestimmung des Endzeitpunkts einer Herstellung mißt das Gesetz dem Genehmigungserfordernis keine Bedeutung bei.
Der in diesem Zusammenhang von der Klägerin geltend gemachte Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht gegeben. Es bestehen, wie vorstehend ausgeführt, sachgemäße Umstände, die den Gesetzgeber bei der Bestimmung des Endzeitpunktes einer Investition zur Differenzierung zwischen Anschaffung oder Herstellung eines beweglichen Wirtschaftsgutes und Herstellung eines unbeweglichen Wirtschaftsgutes bewogen haben. Hinzu kommt, daß der Gesetzgeber gerade bei der Ausgestaltung von Subventionsnormen einen weiten Ermessensspielraum hat. Hier ist sogar unschädlich, wenn Ungereimtheiten und Härten bewußt in Kauf genommen werden (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 9. Dezember 1988 III R 72/86, BFHE 155, 438, BStBl II 1989, 244, zu § 4 b Abs. 5 InvZulG 1982).
c) Der erkennende Senat hat allerdings in seinen Urteilen in BFHE 130, 475, BStBl II 1980, 554 und vom 28. Oktober 1988 III R 127/87 (BFH/NV 1989, 667) die Regelung des § 4 b Abs. 2 Sätze 3 und 5 InvZulG 1975, die im wesentlichen den Vorschriften des § 4 b Abs. 2 Sätze 5 und 3 InvZulG 1982 entspricht, für den Fall als planwidrig unvollständig angesehen, daß Betriebsvorrichtungen, die gleichzeitig mit einem Gebäude oder einem Gebäudeteil hergestellt werden, mit diesem eine bautechnische und bauordnungsrechtliche Einheit bilden.
Es bestehen schon Zweifel, ob diese Rechtsprechung im Streitfall überhaupt anwendbar ist; denn sie betraf den Fall, daß ein bewegliches Wirtschaftsgut innerhalb der langen Fertigstellungsfrist hergestellt worden war. Vorliegend geht es jedoch um die Anschaffung eines beweglichen Wirtschaftsguts. Jedenfalls ist die vom erkennenden Senat für die entsprechende Anwendung des § 4b Abs. 2 Satz 3 InvZulG 1975 u. a. aufgestellte Voraussetzung einer bautechnischen Einheit nicht erfüllt.
Die Sandaufbereitungsanlage und die Schleuderradputzmaschine stehen nach ihrem Funktionszusammenhang, ihrem baulichen Ineinandergreifen und ihrem äußeren Erscheinungsbild bautechnisch nicht mit der Werkshalle in einem unlösbaren Zusammenhang. Insbesondere besteht zwischen den Maschinen und der Werkshalle keine wechselseitige funktionale Beziehung. Zwar umgibt die Halle die Maschinen und schützt diese somit u. a. gegen äußere Einflüsse. Demgegenüber dienen die Maschinen dem Betrieb und nicht dem Gebäude. Ebensowenig kann man von einem baulichen Ineinandergreifen von Maschinen und Werkshalle sprechen. Denn ein bauliches Ineinandergreifen im Sinne einer bautechnischen Einheit hat der erkennende Senat nur dann angenommen, wenn Teile der Betriebsvorrichtung gleichzeitig sich als Teile des Gebäudes darstellten, also eine teilweise substantielle Identität bestand (Senatsurteile in BFHE 130, 475, BStBl II 1980, 554, und in BFH/NV 1989, 667).
Fundstellen
Haufe-Index 417822 |
BFH/NV 1992, 270 |