Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
Das Adoptivkind des Sohnes des Erblassers gehört nicht zu den Abkömmlingen im Sinne der für die Steuerklasse II getroffenen Bestimmungen des § 10 Abs. 1 ErbStG.
Normenkette
ErbStG § 10 Abs. 1
Tatbestand
Am 8. Juli 1960 ist X. (Erblasser) unter Hinterlassung eines privatschriftlichen, am 2. Mai 1959 errichteten Testaments verstorben, in dem außer seiner Frau und seinem Sohne auch seine Enkelin C., eine Nichte, ferner die nicht mit ihm verwandte Frau B. und der Bf. bedacht worden sind. Der Bf. ist der noch minderjährige Sohn der Schwiegertochter des Erblassers, den der Sohn des Erblassers durch Kindesannahmevertrag vom 6. März 1959 adoptierte. Während das Finanzamt die Erbschaftserwerbe der übrigen testamentarisch bedachten Personen gemäß § 17 des Erbschaftsteuergesetzes 1959 (ErbStG) steuerfrei gelassen hat, zog es den Bf., den es in die Steuerklasse V einordnete, mit dem Wert der von ihm ererbten Wertpapiere zu einer Erbschaftsteuer in der durch endgültigen Steuerbescheid festgesetzten Höhe von DM heran.
Der Einspruch, mit dem der durch seinen Adoptivvater vertretene Bf. die Einreihung in die Steuerklasse II und damit die Freistellung von der Erbschaftsteuer unter Berücksichtigung der ihm nach § 17 ErbStG zu gewährenden Freibeträge begehrte, blieb ohne Erfolg
Mit der Berufung machte der Bf. geltend, sein Erwerb sei nach Steuerklasse II zu besteuern, weil sein Adoptivvater ein Kind des Erblassers sei. Nach dem Wortlaut des § 10 ErbStG würden in die Steuerklasse II die Abkömmlinge der in Steuerklasse I unter Nr. 2 genannten Personen eingeordnet, d. h. die Abkömmlinge der ehelichen, der an Kindes Statt angenommenen, der unehelichen Kinder und der Stiefkinder des Erblassers. Zu diesen Abkömmlingen zähle im Streitfalle außer der leiblichen Tochter seines Adoptivvaters, der ein Kind des Erblassers sei, auch er selbst als Adoptivsohn. Denn auch das Adoptivkind sei im Gegensatz zur Auffassung des Finanzamts als Abkömmling im Sinne des ErbStG anzusehen. Allerdings sei die Ansicht des Finanzamts auch die im Schrifttum zum ErbStG, insbesondere von Model und Megow vertretene. Die beiden genannten Schriftsteller gingen davon aus, daß das ErbStG an die bürgerlich-rechtlichen Begriffe über das Verwandtschaftsverhältnis anknüpfe. Dem sei zuzustimmen, nicht aber der daraus abgeleiteten Auslegung des § 10 ErbStG, nach der Adoptivkinder leiblicher Kinder nicht als Abkömmlinge im Sinne dieser Vorschrift anzusehen seien. Mit dieser Ansicht befänden sich die genannten Schriftsteller im Gegensatz zur Lehre und Rechtsprechung des bürgerlichen Rechts. Denn unter Abkömmlingen im Sinne des bürgerlichen Rechts seien nicht nur die leiblichen Abkömmlinge zu verstehen. Das BGB enthalte zwar keine Legaldefinition des Begriffes "Abkömmling", bediene sich aber seiner in zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen. Unter Berücksichtigung dieser einschlägigen familien- und erbrechtlichen Vorschriften seien nach der bürgerlich-rechtlichen Lehre Abkömmlinge die sämtlichen Verwandten absteigender Linie mit der sich aus § 1589 Abs. 2 BGB ergebenden Einschränkung (Palandt, Kommentar zum BGB, 20. Auflage, überblick vor § 1589 Ziff. 2). Diese Ansicht werde u. a. auch von Soergel (Kommentar zum BGB, 8. Auflage, Vorbem. zu § 1589, S. F 273) vertreten, nach dessen Ausführungen die Verwandtschaft nach BGB grundsätzlich auf der Abstammung (Blutsverwandtschaft) beruhe, der Rechtsbegriff der Verwandtschaft sich aber mit der natürlichen Abstammung nicht vollständig zu decken brauche, da Verwandtschaft im Rechtssinne auch bei der Adoption bestehe. Weiter werde dort gesagt, das Gesetz bezeichne als Kinder die Abkömmlinge ersten Grades, als Abkömmlinge aber alle Verwandten in absteigender Linie. Daraus folge, daß die Adoptivkinder nach den Begriffen des bürgerlichen Rechts zu den Verwandten gemäß § 1589 zählten, daß im übrigen alle Verwandten in absteigender Linie im Gesetz als Abkömmlinge bezeichnet würden. Die Einstufung des Steuerschuldners in Steuerklasse V lasse sich auch nicht mit dem Hinweis des Finanzamts auf § 1763 BGB rechtfertigen, der bestimme, daß sich die Wirkungen der Annahme an Kindes Statt nicht auf die Verwandten des Annehmenden erstreckten. Eine derartige Bezugnahme scheitere am Wortlaut des § 10 ErbStG. Denn nach bürgerlich-rechtlicher Auslegung sei unter "Abkömmlingen der in der Steuerklasse I Nr. 2 Genannten" jeder Abkömmling zu verstehen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er leiblicher oder nicht leiblicher Abstammung sei. Es müsse daher auch gleichgültig sein. ob der Abkömmling als nicht mit dem Erblasser verwandt gelte. Eine Auslegung in dem Sinne, daß auf Grund der engen Bindung des ErbStG an die bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen ein gemäß § 1763 BGB mit dem Erblasser nicht verwandter Erbe, der aber Abkömmling eines der in Steuerklasse I Nr. 2 Genannten ist, in die Steuerklasse V einzureihen sei, müsse daher als falsch und widersprüchlich bezeichnet werden. Denn in § 10 Abs. 1 ErbStG würden im Hinblick auf die Steuerklasse II schlechthin "die Abkömmlinge der in der Steuerklasse I Nr. 2 Genannten" aufgeführt; ein einschränkender Zusatz des Inhalts "sofern sie durch ihn mit dem Erblasser verwandt sind" sei im Gesetz nicht vorhanden. Diese im Gesetzestext fehlenden Worte könnten auch nicht im Wege der Lückenausfüllung ergänzt werden. Denn die weite Fassung des Gesetzestextes entspreche den Absichten des Gesetzgebers, der der engen Terminologie des BGB nicht habe folgen wollen und deshalb eine gewisse Ausnahmeregelung geschaffen habe. Es erscheine auch keineswegs unbillig, den Bedachten in die Steuerklasse II einzureihen, da in einem solchen Falle wie hier durch die letztwillige Verfügung des Erblassers zugunsten des Adoptivkindes seines Sohnes dokumentiert werde, daß der Erblasser den Bedachten voll in seine Familie aufgenommen habe und ihn wie einen Enkel ansehe. Es widerspreche daher dem gesunden Rechtsempfinden, den Bedachten wie einen völlig Fremden zu behandeln.
Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es vertritt die Auffassung, daß der in § 10 ErbStG verwendete, im Gesetz selbst aber nicht näher bestimmte Begriff "Abkömmling" im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs dahin verstanden werden müsse, daß darunter die von einer Person Abstammenden, also die Blutsverwandten absteigender Linie, zu verstehen seien. Die in § 10 ErbStG getroffene Regelung, nach der in die Steuerklasse I bis IV einzelne (begünstigte) Arten von "Erwerbern, in die Steuerklasse V die "übrigen Erwerber" einzureihen seien, lasse erkennen, daß der Gesetzgeber die Einordnung in die Klassen I bis IV nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser vorgenommen habe. Die Reihenfolge der Einordnung richte sich nach der familiären Bindung zum Erblasser. Aus § 10 ErbStG in Verbindung mit den §§ 11, 16, 17, 18 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 6, §§ 19 und 21 ErbStG ergebe sich, daß der Erwerb eines zur Familie des Erblassers gehörenden steuerlich begünstigt werden und daß für den Umfang der Begünstigung die Nähe der Familienzugehörigkeit bestimmend sein solle. Das Beispiel des unter Steuerklasse I Nr. 2 c erwähnten unehelichen Kindes eines Vaters, der die Vaterschaft anerkannt habe, mache deutlich, daß es einer Sonderbestimmung bedürfe, wenn ein Erwerber in eine begünstigte Steuerklasse eingeordnet werden solle, der mit dem Erblasser nach bürgerlichem Recht nicht verwandt sei. Deshalb gehörten zur Steuerklasse II nur die nach bürgerlichem Recht mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge, nicht aber das Adoptivkind seines Sohnes, weil es nach § 1763 BGB nicht mit dem Erblasser verwandt sei.
Mit der Rb. wird eine rechtsirrtümliche Auslegung des Begriffes Abkömmling im Sinne des § 10 ErbStG gerügt. Im einzelnen führt der Bf. aus: Wenn der Gesetzgeber sich in § 10 ErbStG der Formulierung "nach dem persönlichen Verhältnis" bediene, so gebe er damit zu erkennen, daß bei der Einstufung in die einzelnen Steuerklassen primär die persönlichen und erst in zweiter Linie die familienrechtlichen Verhältnisse maßgebend seien. Das treffe überall zu, wo das ErbStG Ausnahmebestimmungen gegenüber dem bürgerlichen Recht enthalte, z. B. bei der bevorzugten Behandlung des überlebenden Ehegatten, beim unehelichen Kind im Verhältnis zu seinem Vater, beim Stiefkind und nicht zuletzt beim Abkömmling vom leiblichen Kind oder vom Geschwisterteil des Erblassers. Bei den Genannten handle es sich um Personen, denen die familienrechtlichen Bindungen zum Erblasser fehlten, die aber entsprechende persönliche Verhältnisse mit dem Erblasser verbänden. Wenn sich der Gesetzgeber darauf beschränkt habe, in der Steuerklasse II zu fordern, daß der Bedachte Abkömmling des in Steuerklasse I Nr. 2 Genannten sei, ohne auf weitergehende familienrechtliche Beziehungen abzustellen, so wolle er erkennbar das persönliche Verhältnis zwischen Erblasser und Bedachtem berücksichtigen. Dies verkenne die angefochtene Entscheidung. Zur weiteren Begründung der Rb. hat der gesetzliche Vertreter des Bf. auf die Ausführungen in dem Aufsatz "Sind Adoptivkinder Abkömmlinge des Annehmenden im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes?" (veröffentlicht in Versicherungsrecht 1962 S. 1123 ff.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist gemäß § 286 AO zulässig, da das Finanzgericht sie im Urteil ausdrücklich zugelassen hat. Sie ist aber unbegründet.
Die Entscheidung hängt vor allem davon ab, ob der Bf. als Abkömmling im Sinne des § 10 ErbStG zu gelten hat. Das BGB und das ErbStG enthalten eine gesetzliche Erläuterung des Begriffes "Abkömmling" ebensowenig, wie sie den Begriff der "Familie" gesetzlich näher bestimmt haben (vgl. zu letzterem Hildegard Krüger in Krüger-Breetzke-Nowack, Gleichberechtigungsgesetz, Einleitung S. 149, Anm. 210). Man muß deshalb zunächst auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückgreifen, nach dem unter Abkömmlingen einer Person die von ihr abstammenden Nachkommen, also die mit ihr in gerader, jedoch absteigender Linie verwandten Personen, die sogenannten Deszendenten zu verstehen sind. Dieser auf der Blutsverwandtschaft basierende allgemeine Begriff des "Abkömmlings" hat allerdings im bürgerlichen Recht Abwandlungen dadurch erfahren, daß im Sinne des BGB der Verwandtschaftsbegriff teils erweitert, teils eingeengt worden ist. So wird das uneheliche Kind, selbst wenn seine blutmäßige Abstammung nachgewiesen und sogar vom unehelichen Erzeuger die Vaterschaft anerkannt worden ist, nach der Regelung des BGB aus dem Kreise der Verwandten des Vaters ausgeschieden und zählt deshalb im Sinne dieses Gesetzes nicht zu seinen Abkömmlingen. Andererseits wird der Kreis der Abkömmlinge im BGB dadurch erweitert, daß den unmittelbaren Nachkommen einer Person in diesem eingeschränkten Sinne, also ihren ehelichen Kindern, andere Personen rechtlich gleichgestellt werden, auch wenn sie im Einzelfalle blutmäßig nicht mit ihr verwandt sind. Dies gilt vornehmlich für die an Kindes Statt angenommenen Personen. Im Sinne des BGB müssen daher auch die an Kindes Statt angenommenen Personen als Abkömmlinge angesehen werden, allerdings nur im Verhältnis zum Annehmenden selbst, nicht zu dessen Eltern und Voreltern, zu denen gemäß § 1763 BGB ein Verwandtschaftsverhältnis nicht begründet wird. Es bleibt aber weiterhin zu prüfen, ob dieser im bürgerlichen Recht entwickelte und nach den Bedürfnissen dieses Rechtszweiges gestaltete Begriff des Abkömmlings für das Erbschaftsteuerrecht und insbesondere im Hinblick auf die Gestaltung der Steuerklassen übernommen werden kann.
Wenn auch im allgemeinen die familien- und erbrechtlichen Begriffe des bürgerlichen Rechts im Erbschaftsteuerrecht Verwendung finden, so geschieht dies doch nur mit gewissen Einschränkungen und unter Berücksichtigung der besonderen Zweckbestimmung, der die Vorschriften des Erbschaftsteuerrechts in ihrer Gesamtheit und auch im einzelnen dienen. Der hier zur Anwendung gelangende § 10 ErbStG enthält eine gesetzliche Regelung, die die Eingliederung der Personen, die einen Erwerb im Erbwege gemacht haben, in ein System von fünf Steuerklassen zum Gegenstande hat. Nach dieser Regelung ist die Steuerklasse V, für die auf Grund der nachfolgenden Bestimmungen des Gesetzes die höchsten Steuersätze vorgesehen sind, für alle Personen bestimmt, die nicht auf Grund ihres persönlichen Verhältnisses zum Erblasser in eine der vier vorangehenden, durch niedrigere Steuersätze, Steuerfreibeträge und andere Vorteile privilegierten Steuerklassen eingereiht werden. Für die Einordnung des Erwerbers in die steuerlich begünstigten Klassen I bis IV ist demnach, wie sich aus den einleitenden Worten des § 10 ErbStG ergibt, die Nähe des persönlichen Verhältnisses zum Erblasser bestimmend. Dieses persönliche Verhältnis im Sinne des § 10 ErbStG wird nach Inhalt und Zweck dieser Vorschrift nicht durch geistliche Verwandtschaft, wie sie nach kanonischem Recht durch Taufe und Firmung entsteht (vgl. hierzu Staudinger, Kommentar zum BGB, 9. Auflage, Bd. IV 2, Bem. 1 e zu § 1589), auch nicht durch geistig-seelische Beziehungen oder durch moralische Bindungen, die möglicherweise den Erblasser gegenüber dem Erwerber verpflichtet erscheinen lassen, hergestellt, sondern es beruht einzig und allein auf den durch das Band der Ehe, der Verwandtschaft und der Schwägerschaft im Sinne des Familienrechts hergestellten Beziehungen.
Derartige familienrechtliche Beziehungen bestehen entgegen der vom Bf. in der Rb. vertretenen Auffassung insbesondere zwischen dem Erblasser und seiner ihn überlebenden Witwe, aber auch zwischen dem Erblasser und seinen Stiefkindern bzw. Stiefeltern, die zwar nicht mit dem Erblasser verwandt, wohl aber mit ihm verschwägert sind. Alle durch § 10 ErbStG den privilegierten Steuerklassen I bis IV durch Einzelaufzählung zugeordneten Personen sind mit einer einzigen Ausnahme auf diese Weise familienrechtlich mit dem Erblasser verbunden und besitzen, soweit es sich um Verwandte im eigentlichen Sinne handelt, ihm gegenüber auch ein gesetzliches Erbrecht. Diese Ausnahme bildet das uneheliche Kind im Falle des Erbschaftserwerbs vom außerehelichen Erzeuger, wenn dieser die Vaterschaft anerkannt hat. Es sei bemerkt, daß dessen Einreihung in die Steuerklasse I ausdrücklich erfolgt ist, obwohl das uneheliche Kind im Sinne des Familienrechts mit seinem Vater weder verwandt noch verschwägert ist. Davon abgesehen sind alle in Beziehung auf die Steuerklassen I bis IV im einzelnen bezeichneten Personen durch eheliches Band, Verwandtschaft oder Schwägerschaft mit dem Erblasser verbunden, während die sonstigen persönlichen Verhältnisse wie freundschaftliche Beziehungen und sittliche Bindungen des Erblassers zum Bedachten für die Einordnung in die Steuerklasse ohne Bedeutung sind und allenfalls im Rahmen der sachlichen Steuerbefreiungs- und Begünstigungsvorschriften nach § 18 ErbStG berücksichtigt werden. Unter diesen Umständen muß gerade die familienrechtliche Bindung als das allgemeine und maßgebliche Merkmal für die Einordnung der Erbschaftserwerber in die privilegierten Steuerklassen angesehen werden. Das gilt insbesondere auch für die Einordnung der Erwerber in die Steuerklasse II, die ebenfalls von dem Bestehen verwandtschaftlicher, schwägerschaftlicher oder sonstiger familienrechtlicher Beziehungen des Erwerbers zum Erblasser abhängig zu machen ist. Auch im Sinne dieser Vorschrift können daher als "Abkömmlinge" nur solche Personen in Betracht gezogen werden, die auch mit dem Erblasser verwandt oder verschwägert und ihm gegenüber gesetzlich erbberechtigt sind. Das trifft aber für die Adoptivkinder der Kinder des Erblassers nicht zu, da, wie bereits bemerkt, verwandtschaftliche Beziehungen zwischen dem Angenommenen und den Verwandten des Annehmenden nach § 1763 BGB nicht hergestellt werden. Der aus dem Gesamtinhalt des § 10 ErbStG deutlich werdende Sinnzusammenhang verbietet es deshalb, Adoptivkinder der ehelichen Kinder in die Steuerklasse II einzuordnen, auch wenn der Gesetzestext eine einschränkende Bestimmung dieser Art, wie sie vom Bf. für erforderlich gehalten wird, nicht enthält. (Im Ergebnis übereinstimmend Megow, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, 4. Auflage, Anm. IV zu § 10 in Verbindung mit Anm. XI 2 zu § 3; Model, Handbuch zum Testaments- und Erbschaftsteuerrecht, 1952, Anm. 9 zu § 9 ErbStG; Kipp, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, Anm. 31 zu § 9.)
Da entgegen der Auffassung des Bf. das in § 10 ErbStG einleitend hervorgehobene persönliche Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser nur als ein Verhältnis auf Grund familienrechtlicher Beziehungen zu verstehen ist, kann auch eine ausdehnende Auslegung der Vorschrift in Richtung einer Begünstigung des Erbschaftserwerbes auf Grund sittlicher oder persönlich-freundschaftlicher Beziehungen des Erblassers zum Erwerber nicht in Betracht gezogen werden.
Es muß deshalb dabei verbleiben, daß der Adoptivsohn eines ehelichen Kindes des Erblassers in die Steuerklasse V eingereiht wird. Dieses Ergebnis erscheint im übrigen auch im Hinblick darauf gerechtfertigt, daß die Abkömmlinge der an Kindes Statt angenommenen Personen ebenfalls nur dann an der Einreihung in die Steuerklasse II teilnehmen, wenn sich die Wirkung der Adoption auch auf sie erstreckt, mit anderen Worten, wenn auch sie durch die Adoption in ein Verwandtschaftsverhältnis zu dem Erblasser getreten sind. Das ist hinsichtlich der zur Zeit des Vertragsabschlusses bereits vorhandenen Abkömmlinge nur dann der Fall, wenn der Annehmende den Annahmevertrag auch mit ihnen schließt, hängt also letztlich vom Willen des Annehmenden ab. Es wäre deshalb unverständlich, wenn im vorliegenden Fall durch eine Adoption, die ohne Mitwirkung des Erblassers vollzogen worden ist und durch die verwandtschaftliche Beziehungen zu dem Erblasser niemals hergestellt worden sind, für den Angenommenen dennoch die Vorteile der Einreihung in die Steuerklasse II offenstehen sollten.
Abschließend sei darauf hingewiesen, daß der Begriff des Abkömmlings im Sinne der für die Steuerklassen II getroffenen Bestimmungen des § 10 Abs. 1 ErbStG ein dem Erbschaftsteuerrecht eigentümlicher Rechtsbegriff ist, zu dessen Auslegung der andersartige und weitergehende Begriff des Angehörigen im Sinne des § 10 StAnpG nicht herangezogen werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 411276 |
BStBl III 1964, 483 |
BFHE 1965, 22 |
BFHE 80, 22 |