Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der angemessenen Gehälter bei Gesellschafter- Geschäftsführern von Kapitalgesellschaften. 2. Die Angemessenheit muß im einzelnen Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geschätzt werden. Eine rechnerische Ermittlung nach bestimmten Formeln ist nicht möglich.
überschreiten die von der Gesellschaft angesetzten Gehälter nicht wesentlich den vom Finanzamt als angemessen geschätzten Betrag, so ist der Ansatz der Gesellschaft maßgebend.
Normenkette
KStG § 6 S. 2; EStG § 4 Abs. 4; AO § 217
Tatbestand
Streitig ist, ob die Gehälter, die die Beschwerdeführerin (Bfin.) an ihre vier Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlt hat, teilweise verdeckte Gewinnausschüttungen sind.
Die Bfin. wurde Mitte 1950 errichtet. Das Stammkapital von 20 000 DM ist wie folgt verteilt:
A 5 000 DM B 4 500 DM C 2 500 DM D 8 000 DM.A. starb am 21. Oktober 1953; sein Anteil ging auf seine Witwe über. Die vier Gesellschafter (ohne Frau A.) waren auch Geschäftsführer. Sie bezogen im Jahre 1953 einschließlich einer Weihnachtszuwendung von 12 500 DM insgesamt Gehälter von 162 500 DM, und zwar
A 42 250 DM B 43 125 DM C 34 125 DM D 52 000 DM.Der Gewinn der Bfin. betrug im Jahre 1953 11 811 DM. Dabei war eine Sonderabschreibung nach § 7a des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit 63 896 DM gewinnmindernd abgesetzt. Die Zurechnungen nach §§ 11 Ziff. 5 und 12 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) betrugen 39 598 DM. Das Finanzamt erhöhte den Gewinn um einen Betrag von 26 000 DM, den es als verdeckte Gewinnausschüttung (überhöhtes Gehalt) ansah. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus: Welche Bezüge von Gesellschafter- Geschäftsführern angemessen seien, müsse im einzelnen Fall festgestellt werden. In dem auf Antrag des Finanzamts für 1952 erstatteten Gutachten der örtlich zuständigen Industrie- und Handelskammer vom 14. Mai 1954 seien die Bezüge der Geschäftsführer zwar als angemessen bezeichnet worden. Dieses Gutachten lasse aber keine Schlüsse auf die Angemessenheit zu, da keine Vergleichsbetriebe vorhanden seien. Die Bfin. beschäftige auch keine fremden Geschäftsführer, so daß auch diese Vergleichsmöglichkeit entfalle. Die Höhe der angemessenen Vergütungen müsse frei geschätzt werden. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 107/54 U vom 6. Dezember 1955 (Slg. Bd. 62 S. 79, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S.30) dürfe dabei nicht rein rechnerisch verfahren werden. Bei der Schätzung müsse auf Erfahrungssätze zurückgegriffen werden. Als brauchbares Hilfsmittel der Schätzung hätten sich die von Spitaler (Rundschau für Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1954 S. 49) entwickelten beiden Berechnungsmethoden bewährt, die offenbar auf einer Analyse zahlreicher Geschäftsführervergütungen beruhten. Nach Methode I betrügen die angemessenen Vergütungen das 18 bis 25-fache der Quadratwurzel aus dem Sollumsatz (ca. 2,3 Mio DM) zuzüglich für 1953 eines Teuerungszuschlages von 20 v. H.; nach Methode II seien sie aus einer Umsatztabelle abzulesen. Seien wie hier vier Geschäftsführer vorhanden, so würden für jeden nur 62 v. H. des ermittelten Betrages angesetzt. Nach Methode I würde das angemessene Gehalt hier für einen Geschäftsführer höchstens 45 450 DM sein. Bei vier Geschäftsführern betrage es (bei 62 v. H.) demnach je 28.179 DM, insgesamt also 112.716 DM. Nach Methode II würde das angemessene Höchstgehalt für einen Geschäftsführer 33 264 DM betragen. Bei vier Geschäftsführern betrage es (bei 62 v. H.), demnach je 20.623 DM, Bfin. also 82.492 DM. Das Finanzgericht lege der Beurteilung die der Bfin. günstigere Methode I zugrunde. Wegen der besonderen technischen Fähigkeiten der Gesellschafter mache es einen Zuschlag von 11 284 DM; ferner ziehe es die Weihnachtszuwendungen in die Berechnung der angemessenen Bezüge nicht ein. Von den gesamten Bezügen der Gesellschafter von 162 500 DM würden demnach (112 716 + 11 284 + 12 500 =) 136 500 DM als angemessen erkannt, das heißt der gleiche Betrag, auf den das Finanzamt nach Methode II gekommen sei. Der überschießende Betrag von 26 000 DM sei eine verdeckte Gewinnausschüttung. Auf die Gewinne komme es bei den von Spitaler entwickelten Formeln nicht an.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) trägt die Bfin. im wesentlichen vor: Bei ihr spiele das Stammkapital eine untergeordnete Rolle; entscheidend sei das Können ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer. Das Unternehmen habe einen starken Aufschwung genommen. Der Umsatz habe betragen:
1951 625 000 DM 1952 1 552 000 DM 1953 2 213 000 DM 1954 3 269 000 DM 1955 3.384.000 DM.Die Summe der Geschäftsführer-Gehälter sei 1953 nicht wesentlich höher gewesen als 1952 (157 000 DM). Für 1952 habe das Finanzamt auf Grund des Gutachtens der Industrie- und Handelskammer die Vergütungen für angemessen gehalten und der rechtskräftigen Veranlagung zugrunde gelegt. Das Finanzgericht habe über dieses Gutachten auch für 1953 nicht mit der Begründung hinweggehen dürfen, daß keine Vergleichsbetriebe vorhanden seien. Denn das sei auch 1952 bekannt gewesen. Für die Bemessung der Geschäftsführer-Gehälter müsse in erster Linie das Ermessen der Firma maßgebend sein; nur wenn die Grenzen des Ermessens eindeutig überschritten seien, könnten die Finanzbehörden schätzen. Das Finanzgericht habe keine Ermittlungen über die Aufgaben, den Wert der Leistungen und die früheren Einkünfte der Geschäftsführer angestellt. Die Geschäftsführer seien Gießereifachleute, die über ein besonderes technisches Können verfügten. Im übrigen sei es unrichtig, daß die von Spitaler gegebenen Formeln auf der Analyse zahlreicher Geschäftsführer-Gehälter beruhten. Die Formeln (sog. "Seifenformel") seien nur ein Notbehelf und auf einen bestimmten Geschäftszweig zugeschnitten gewesen; sie seien für andere Geschäftszweige nicht brauchbar. Daß die vom Finanzgericht vorgenommene Schematisierung nicht richtig sein könne, ergebe sich schon daraus, daß das Finanzamt die Methode II angewendet und dazu einen erheblichen Zuschlag gemacht habe. Dabei sei es zu einem wesentlich günstigeren Ergebnis als das Finanzgericht gekommen, während das Finanzgericht nach Methode I ein günstigeres Ergebnis als das Finanzamt berechnet und einen Zuschlag zur Anpassung an das Ergebnis des Finanzamts gemacht habe. Die besonderen Verhältnisse bei ihrem Betrieb, insbesondere auch ihre Gewinne, habe das Finanzgericht zu Unrecht unberücksichtigt gelassen. Das nach Abzug der Geschäftsführer-Gehälter von der Bfin. versteuerte Einkommen habe 1952 und 1953 ein Mehrfaches des Stammkapitals betragen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Zutreffend ist das Finanzgericht unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 107/54 U davon ausgegangen, daß die Angemessenheit der Bezüge von Gesellschafter- Geschäftsführern einer Kapitalgesellschaft nicht nach einer allgemeinen Formel rechnerisch bestimmt werden kann. Die Angemessenheit ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Betriebs sowie der Person und der Leistungen der Gesellschafter- Geschäftsführer im einzelnen Fall zu ermitteln. Es handelt sich um eine Schätzung, die grundsätzlich den Tatsacheninstanzen obliegt. Der Bundesfinanzhof kann diese Schätzung nur darauf prüfen, ob der Rechtsbegriff Schätzung richtig angewendet worden ist und ob alle für die Schätzung wesentlichen Tatsachen in die Würdigung einbezogen worden sind. Mit der Schätzung ist der Betrag zu ermitteln, den die Kapitalgesellschaft einem Nichtgesellschafter-Geschäftsführer bei gleicher Leistung vermutlich als Gehalt zugebilligt hätte. Einen Anhalt für die Schätzung können innerbetriebliche Tatsachen bieten; z. B., ob die Bezüge der Gesellschafter-Geschäftsführer zu den Gehältern von Nichtgesellschafter-Geschäftsführern oder anderen leitenden Angestellten des Betriebs in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es kann auch geprüft werden, ob die Bemessung der Bezüge offensichtlich der Gewinnabsaugung dient. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Bezüge je nach dem Gewinn der Gesellschaft bemessen werden oder bei mehreren Gesellschafter-Geschäftsführern nicht nur nach den Leistungen, sondern auch nach der Kapitalbeteiligung abgestuft werden oder so hoch sind, daß nach Abzug der Geschäftsführerbezüge eine angemessene Rendite für die Kapitalgesellschaft auf die Dauer nicht übrig bleibt. Es können auch außerbetriebliche Gesichtspunkte herangezogen werden. Vor allem kommt insoweit in Betracht, welche Vergütungen gleichartige Betriebe ihren leitenden Angestellten für entsprechende Leistungen gewähren. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die Verhältnisse mehrerer Betriebe und die Leistungen der leitenden Angestellten in diesen Betrieben nicht ohne weiteres vergleichbar sind. Bei der Schwierigkeit der Schätzung kann es sich empfehlen, in Zweifelsfällen eine gutachtliche äußerung der zuständigen Industrie- und Handelskammer einzuholen. Eine solche Auskunft bindet die Steuergerichte nicht. Sie müssen aber im Urteil zu dem Gutachten Stellung nehmen. Auch die Betriebsprüfungsstellen der Oberfinanzdirektionen werden in manchen Fällen auf Grund ihrer Erfahrungen sachdienliche Auskünfte geben können. Die Verhältnisse der Vergleichsbetriebe dürfen sie ohne deren Zustimmung wegen des Steuergeheimnisses (§ 22 der Reichsabgabenordnung - AO -) allerdings nicht offenbaren.
Grundsätzlich ist zu beachten, daß auch der Kaufmann schätzen muß, welche Bezüge bei leitenden Angestellten angemessen sind. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zum Beispiel I 111/54 U vom 31. Januar 1956, Slg. Bd. 62 S. 230, BStBl 1956 III S. 86) kommt der Auffassung des Kaufmanns, der die Verhältnisse seines Betriebs am besten kennt, für diese Schätzung wie für jede andere besondere Bedeutung zu. Jeder Schätzung haftet von Natur aus Unsicherheit an. Die Grenzen des Schätzungsrahmens sind flüssig. Die Finanzbehörden werden deshalb der Schätzung des Kaufmanns grundsätzlich folgen können, wenn ihr Schätzungsergebnis nicht wesentlich von dem des Kaufmanns abweicht. Ob die Abweichung wesentlich ist, kann nur im einzelnen Fall unter Berücksichtigung aller Umstände bestimmt werden.
Das Finanzgericht glaubt, mangels besserer Schätzungsmaßstäbe den von Spitaler a. a. O. angeführten beiden Berechnungsmethoden besondere Bedeutung beimessen zu müssen. Dabei hat es nicht ausreichend gewürdigt, daß Spitaler selbst seine Ausführungen nur als "Methoden zur Vermittlung von Vorstellungen angemessener Bezüge" verstanden wissen will und vor Schematisierung warnt. Im Schrifttum sind gewichtige Bedenken gegen die Verallgemeinerung der Spitaler'schen Formeln erhoben worden (vgl. Glade, "Der Betrieb" 1956 S. 924 mit weiteren Angaben). Mit Recht weist die Rb. auch darauf hin, daß die beiden Methoden nicht, wie das Finanzgericht annimmt, auf einer Analyse zahlreicher Geschäftsführer-Gehälter beruhen. Spitaler selbst hat ausgeführt, daß er die Formel I aus dem betriebswirtschaftlichen Schrifttum und die Tabelle der Methode II aus der Preisanordnung vom 13. April 1940 betreffend die Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund der Selbstkosten bei Leistungen für öffentliche Auftraggeber der Seifenindustrie entnommen habe. Die Formeln können in einzelnen Fällen mit als Anhaltspunkt bei einer Schätzung verwertet werden. Sie dürfen aber nicht mehr oder weniger schematisch angewendet werden und können vor allem die Tatsacheninstanzen nicht davon befreien, den besonderen Verhältnissen der einzelnen Fälle nachzugehen.
Die Vorentscheidung entspricht diesen Rechtsgrundsätzen nicht. Sie hat die Schätzung zu einseitig auf die von Spitaler gegebenen Formeln gestützt und die anderen für die Schätzung bedeutsamen Tatsachen nicht ausreichend gewürdigt. Unbestritten spielt bei der Bfin. das Kapital keine ausschlaggebende Rolle; das technische Können und die Erfahrungen ihrer vier Gesellschafter- Geschäftsführer sind das wesentliche Aktivum des Betriebs. Der Bfin. ist trotz der Bezüge der Gesellschafter-Geschäftsführer eine im Verhältnis zum investierten Kapital angemessene Rendite geblieben. Die Industrie- und Handelskammer hat sich für 1952 für die Angemessenheit ausgesprochen, wobei auch sie mangels Vergleichsbetrieben nur frei schätzen konnte. Der Umstand, daß die Kammer keine Vergleichsbetriebe benennen konnte, macht ihr Gutachten nicht ohne weiteres wertlos. Die Verhältnisse lagen 1953 nicht entscheidend anders als 1952. Die Schätzung des Finanzgerichts weicht vor allem aber im Ergebnis nicht so wesentlich von dem Ansatz der Bfin. ab, daß deswegen der Ansatz der Bfin. als offensichtlich unrichtig oder willkürlich bezeichnet werden könnte. Die geringe Erhöhung der Bezüge der Gesellschafter-Geschäftsführer um 5000 DM im Jahre 1953 kann in der allgemeinen Lohnentwicklung und in der kräftigen Umsatzsteigerung der Bfin. eine wirtschaftlich ausreichende Erklärung finden. Das Finanzgericht hält die Bezüge der vier Gesellschafter-Geschäftsführer für insgesamt um 26 000 DM zu hoch. Das ergibt für jeden Gesellschafter 6500 DM. Dieser Betrag fällt bei der Größe des Betriebs, dem Umsatz und der Höhe der Bezüge im Rahmen der Gesamtschätzung nicht entscheidend ins Gewicht. Wenn auch die Bezüge der vier Gesellschafter- Geschäftsführer recht erheblich sind, so ist nach allem doch nicht festzustellen, daß die obere Grenze der Angemessenheit überschritten ist. Die Vorentscheidung wird wegen unrichtiger Anwendung von § 4 Abs. 4 EStG in Verbindung mit § 6 KStG und § 217 AO aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, damit es die Körperschaftsteuer 1953 unter Beachtung der vorstehenden Rechtsgrundsätze anderweitig festsetzt.
Fundstellen
Haufe-Index 409026 |
BStBl III 1958, 229 |
BFHE 1958, 596 |
BFHE 66, 596 |
BB 1958, 618 |
DB 1958, 532 |