Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine vorab entstandenen Werbungskosten des Eigentümers, wenn Nutzungswert einem anderen zuzurechnen ist
Leitsatz (NV)
1. Ein Steuerpflichtiger kann seine Aufwendungen auf ein Wohnobjekt mangels Einnahmeerzielungsabsicht solange nicht als vorab entstandene Werbungskosten abziehen, als der Nutzungswert der Wohnung einem anderen zuzurechnen ist (Anschluß an die ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsentscheidung vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628).
2. Ein nur für vorübergehende Zeit vorgesehener Krankenhausaufenthalt des Nutzungsberechtigten beendet nicht dessen Selbstnutzung der von ihm beibehaltenen Wohnung.
3. Auch dann, wenn die Aufwendungen des Eigentümers dazu dienen sollen, um das Wohnobjekt zur Deckung der zu erwartenden Pflegekosten vermieten zu können, handelt es sich nicht um die Erzielung eigener Einnahmen.
Normenkette
EStG 1983 § 9 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1-2, § 21a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger erwarb aufgrund notariellen Schenkungsvertrags im Jahr 1977 ein Einfamilienhaus von seiner Tante, die sich gleichzeitig an dem Grundbesitz ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht vorbehielt. Die Tante bewohnte das Haus allein. Am 23. Juni 1984 erlitt sie einen schweren Unfall und kam in das Krankenhaus. Vor einer geplanten Unterbringung in einem ärztlich geleiteten Sanatorium starb sie Ende August 1984.
Am 20. Juni 1984 beauftragte der Kläger einen Heizungsmonteur, die Heizungsanlage zu reparieren und zu modernisieren. Dieser stellte die Rechnungen für die Arbeiten am 30. Juli 1984 aus. Ab 1. Dezember haben die Kläger das Haus fremdvermietet.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1984 machten die Kläger die Erhaltungsaufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte dies auch im Einspruchsverfahren ab. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) beurteilte die Aufwendungen im Hinblick auf die konkret zu erwartende Eigennutzung als vorab entstandene Werbungskosten.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die auf die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) gestützt wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Klagabweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG-Urteil § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG verletzt; denn die vom Kläger aufgewandten Reparaturkosten sind nicht als sog. vorab entstandene Werbungskosten abziehbar.
Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bilden Werbungskosten grundsätzlich alle Aufwendungen, bei denen objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit Vermietung und Verpachtung besteht und die subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. Entscheidung vom 23. Januar 1990 IX R 17/85, BFHE 159, 491, BStBl II 1990, 465). Zwar können auch bereits vor dem Anfall von Einnahmen Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abgezogen werden, sofern ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (vgl. Senatsentscheidungen vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761, und vom 29. Juli 1986 IX R 206/84, BFHE 147, 176, BStBl II 1986, 747). Indessen fehlt nach ständiger Rechtsprechung die erforderliche Einnahmeerzielungsabsicht, wenn der Steuerpflichtige - wie hier - Aufwendungen auf ein Wohnobjekt macht, dessen Nutzungswert einem anderen zuzurechnen ist (Senatsurteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390 und vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628). Im vorliegenden Fall hatte die Tante des Klägers als Vorbehaltsnießbraucherin den Nutzungswert des von ihr bewohnten Einfamilienhauses zu versteuern (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Dezember 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627 und vom 6. August 1985 IX R 68/82, BFH/NV 1987, 232). An ihrer Selbstnutzung hat sich durch den - nur für vorübergehende Zeit vorgesehenen - Krankenhausaufenthalt (noch) nichts geändert, weil eine Eigennutzung i. S. des § 21 Abs. 2 EStG auch dann vorliegt, wenn eine hinreichend ausgestattete Wohnung zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung steht (vgl. Senatsurteile vom 7. April 1987 IX R 133-135/84, BFHE 150, 12, BStBl II 1987, 565 und vom 29. März 1988 IX R 224/84, BFH/NV 1989, 159). Dem vom Kläger begehrten Werbungskostenabzug steht mithin entgegen, daß die Reparaturen noch während der Zeit der Selbstnutzung des Hauses durch die Tante ausgeführt wurden (vgl. Senatsentscheidungen vom 21. 2. 1989, IX R 246/84, BFH/NV 1990, 25 und vom 4. Juli 1989 IX R 192/85, BFH/NV 1990, 229, m. w. N.).
Zudem dienten die Reparaturarbeiten nach dem eigenen Vortrag der Kläger im Klageverfahren dazu, das Haus zur Deckung der zu erwartenden Pflegekosten vermieten zu können. Auch in diesem Fall hätte - nur - die Tante als Nießbraucherin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt und nur sie wäre dazu berechtigt gewesen, die damit im Zusammenhang stehenden und von ihr geleisteten Aufwendungen als Werbungskosten abzuziehen (vgl. zuletzt Senatsentscheidung in BFH/NV 1990, 628 m. w. N.).
Der Senat läßt offen, ob die Aufwendungen auch deshalb nicht zu berücksichtigen wären, weil die Pauschalierung des Nutzungswerts gemäß § 21 a EStG den Abzug von Werbungskosten wegen während der Selbstnutzung vorgenommener Reparaturen ausschließt (vgl. Senatsentscheidung in BFH/NV 1990, 25).
Da das FG bei seiner Entscheidung von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen war, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war nach den vorstehenden Ausführungen abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 418306 |
BFH/NV 1992, 591 |