Leitsatz (amtlich)
Wer als Fotograf wirklichkeitsgetreue Luftbildaufnahmen herstellt, die von seinen Abnehmern in vielfältiger Weise (z. B. für Werbung, Planung, verschiedenartige Illustrationen und Archivzwecke) benutzt oder ausgewertet werden, übt in der Regel eine gewerbliche Tätigkeit aus.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) macht unter einer sachbezogenen Firmenbezeichnung Luftaufnahmen und Filmstreifen von Landschaften, Stadtansichten, Siedlungsgebieten, Straßen, Plätzen, einzelnen Gebäuden, Gebäudegruppen, Sportplätzen, Autobahn-Knotenpunkten, Brückenbauwerken und Industrieanlagen. Auftraggeber sind Werbe-, Verkehrs-, Bau-, Planungs- und Vermessungsämter von Städten und Gemeinden, Architekten, Fernsehanstalten und Zeitschriften, Verlage, Sparkassen, Industriebetriebe, Deichverbände und Bauvereine. Die Aufnahmen dienen Archiv- und Planungszwecken, der Öffentlichkeitsarbeit sowie der Werbung und erscheinen in Zeitungen, Büchern, Festschriften, Prospekten, Programmheften, Jahrbüchern und auf Postkarten.
Der Revisionsbeklagte (das FA) hat den Steuerpflichtigen mit seinen Gewinnen aus dieser Tätigkeit für das Jahr 1966 zur Gewerbesteuer herangezogen. Einspruch und Klage gegen den Gewerbesteuermeßbescheid 1966, mit denen sich der Steuerpflichtige gegen die Gewerbesteuerpflicht wandte, blieben ohne Erfolg. Das FG hat unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH IV 321/61 U vom 24. Januar 1963 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 76 S. 592 - BFH 76, 592 -, BStBl III 1963, 216) zur Begründung seiner Entscheidung u. a. ausgeführt: Der Steuerpflichtige habe im Streitjahr keine künstlerische Tätigkeit ausgeübt. Die vom Steuerpflichtigen vorgelegten Arbeiten wiesen zwar eine hervorragende technische Brillanz aus und verrieten einen hohen Grad der Beherrschung der Fototechnik und der Motivauswahl, wobei die Wirkung auf den Betrachter durch den nicht alltäglichen Blickwinkel aus der Vogelperspektive noch erhöht werde. Sie entbehrten jedoch ungeachtet dessen des typischen Wesensmerkmals der Werke der bildenden Kunst, der geistig eigenschöpferischen Gestaltung. Der Zweck der fotografischen Betätigung des Steuerpflichtigen sei nicht auf eine künstlerische Aussage gerichtet. Vielmehr sollten die Bilder eine getreue Wiedergabe der aufgenommenen Motive vermitteln. Bei dieser Zielrichtung stehe das Objekt als solches durchaus im Vordergrund. Darüber hinaus seien den Bildern weder gestaltende Ideen noch Züge des Originären oder Schöpferischen zu entnehmen. Auch aus der Zweckgebundenheit der dem Steuerpflichtigen erteilten Bildaufträge ergebe sich, daß nicht eine künstlerische Aussage, sondern die Kopie der Wirklichkeit verlangt worden sei. Wenn auch grundsätzlich der Verwendungszweck eine künstlerische Tätigkeit nicht zu einer gewerblichen mache, so sei im Streitfall aus dem Verwendungszweck der Aufnahmen weit mehr eine gewerbliche als eine künstlerische Tätigkeit anzunehmen. Den Auftraggebern sei es teils auf exakte, naturgetreue Wiedergaben für Archiv- und Planungszwecke angekommen, teils hätte für Werbezwecke die Schönheit bestimmter Motive der Außenwelt vermittelt werden sollen.
Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen könne auch nicht der eines Bildberichterstatters gleichgesetzt oder mit der eines Bildjournalisten verglichen werden.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Revision rügt der Steuerpflichtige unrichtige Auslegung der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Begriffe künstlerische Tätigkeit, Bildberichterstatter und Bildjournalist durch das FG.
Außerdem sei der Steuerpflichtige für die Jahre 1962 bis 1965 vom FA nicht zur Gewerbesteuer herangezogen worden, weil sich im Jahre 1966 ein Betriebsprüfer an Ort und Stelle davon überzeugt habe, daß der Steuerpflichtige als Bildberichterstatter bzw. Bildjournalist freiberuflich tätig gewesen sei. Man könne nicht für das gleiche Jahr das Gegenteil behaupten, da sich die Verhältnisse in keiner Weise geändert hätten. Das FG habe nicht nur ohne schlüssige Begründung auf ein Sachverständigengutachten verzichtet, obwohl dies für einen gleichgelagerten Fall im BFH-Urteil I R 25/67 vom 19. Juni 1968 (BFH 92, 336, BStBl II 1968, 543) vorgeschrieben worden sei, sondern habe auch das Urteil eines Sachverständigen der Finanzverwaltung - als solcher dürfe der Betriebsprüfer (und Steueroberinspektor) bezeichnet werden - nicht beachtet.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Der Gewerbesteuer unterliegen gemäß § 2 Abs. 1 GewStG nur Gewerbebetriebe, nicht jedoch die freiberufliche Tätigkeit im Sinne von § 18 EStG. Nach dieser Vorschrift gehören zu der freiberuflichen Tätigkeit u. a. die selbständig ausgeübte künstlerische Tätigkeit und die selbständige Berufstätigkeit der Journalisten, Bildberichterstatter und ähnlicher Berufe. Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, daß der Steuerpflichtige im Streitjahr keine derartige Tätigkeit ausgeübt hat.
1. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung die Tätigkeit eines Fotografen nur dann als künstlerische Tätigkeit angesehen, wenn dessen Bilder eigenschöpferische Leistungen darstellen (vgl. BFH-Urteile IV 321/61 U, a. a. O., und IV 100/62 vom 20. Dezember 1966, BFH 88, 245, BStBl III 1967, 371). Auch das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte - Urheberrechtsgesetz - vom 9. September 1965 (BGBl I 1965, 1273) unterscheidet zwischen Lichtbildwerken als Werken der Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 des Urheberrechtsgesetzes) und einfachen Lichtbildern (§ 72 des Urheberrechtsgesetzes) danach, ob eine persönliche geistige Schöpfung (§ 2 Abs. 2 des Urheberrechtsgesetzes) vorliegt oder nicht. Ein Lichtbild ist nur dann eine eigenschöpferische Leistung, wenn ihm eine Aussagekraft innewohnt, die über die Darstellung der Wirklichkeit hinausgeht.
Nach dem Inhalt des angegriffenen Urteils ist die Vorinstanz von dieser Auslegung des Rechtsbegriffs der künstlerischen Tätigkeit nicht abgewichen. Ob die Lichtbilder des Steuerpflichtigen die genannten, für das Vorliegen einer künstlerischen Leistung notwendigen Voraussetzungen erfüllen, ist eine Frage, die tatsächliche Verhältnisse betrifft (BFH-Urteile IV 43/64 vom 26. September 1968, BFH 94, 12, BStBl II 1969, 70, und I R 25/67, a. a. O., mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Ihre Beantwortung erfolgt nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des FG als Tatsacheninstanz (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) und ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht im Streitfall entzogen. Denn sie ist ohne Verstoß gegen Denkgesetze und die Lebenserfahrung und in verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Weise zustande gekommen.
Zu Unrecht rügt der Steuerpflichtige unter Hinweis auf das BFH-Urteil I R 25/67 (a. a. O.), das FG habe ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens, d. h. ohne sich die erforderliche besondere Sachkunde zu verschaffen, über die künstlerische Qualität der Lichtbilder des Steuerpflichtigen entschieden. In dieser Entscheidung hat der erkennende Senat jedoch ausdrücklich ausgeführt, daß es Fälle geben könne, in denen die als künstlerisch bezeichneten Arbeiten so weit von der an Kunstwerke zu stellenden Anforderungen entfernt sind, daß es keiner besonderen Sachkunde mehr bedürfe, um dies zu erkennen. Die Fotografie ist nur in begrenztem Umfange zu geistig eigenschöpferischer Gestaltung des Dargestellten geeignet. Sie setzt im allgemeinen nur eine Beherrschung gewisser technischer Mittel voraus. An die Prüfung, ob ein Fotograf eigenschöpferische Leistungen erbringt, sind strenge Anforderungen zu stellen (BFH-Urteil IV 100/62, a. a. O., mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Luftbildaufnahmen von Landschaften, Städten und Bauwerken enthalten jedoch regelmäßig nichts, was auf eine besondere Gestaltung um seiner selbst willen schließen ließe. Auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen, seine Bilder enthielten eine bestimmte Aussage durch Berücksichtigung von Besonderheiten, wie z. B. der Luftverhältnisse, der Jahreszeiten usw., bezieht sich nur auf die Fototechnik. Es vermittelt keine schlüssigen Anhaltspunkte dafür, daß der Steuerpflichtige über die Wiedergabe der Wirklichkeit hinaus eigenschöpferisch gestaltend tätig geworden ist. Schließlich ergibt sich für das Vorliegen künstlerischer Leistungen des Steuerpflichtigen auch kein Anhaltspunkt daraus, daß ein Betriebsprüfer den Steuerpflichtigen für die Jahre 1962 bis 1965 als freiberuflichen Bildjournalisten und Bildberichterstatter angesehen hatte. Diese Berufe können auch ohne den besonderen Aspekt künstlerischer Tätikeit ausgeübt werden.
2. Das FG hat den Steuerpflichtigen im Ergebnis zutreffend auch nicht als freiberuflichen (Bild-)Journalisten oder Bildberichterstatter angesehen. Die Herstellung und die entgeltliche Überlassung von Lichtbildern kann sowohl freiberufliche Berichterstattung als auch gewerbliche Tätigkeit darstellen. Der freiberufliche Bildberichterstatter ist nach Aufgabe und Tätigkeit Journalist, der an der Gestaltung des geistigen Inhalts von publizistischen Medien (Zeitungen, Zeitschriften, Film, Fernsehen) mitwirkt. Seine Tätigkeit erhält ihren journalistischen Charakter durch die auf individueller Beobachtung beruhende Erfassung des Bildmotivs und seines Nachrichtenwertes. Die Bilder müssen als aktuelle Nachrichten über Zustände oder Ereignisse politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher oder kultureller Art für sich selbst sprechen; sie brauchen jedoch im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung nicht mit erklärenden Texten versehen zu sein. Sinn und Zweck der Bilder muß darin bestehen, der Allgemeinheit über ein allgemein oder doch weite Kreise interessierendes Thema zu berichten (BFH-Urteile IV 223/63 U vom 17. Dezember 1964, BFH 81, 398, BStBl III 1965, 143, und IV 100/62, a. a. O., mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).
Erfolgt die Herstellung von Lichtbildern dagegen zu einem dem individuellen Interesse des Abnehmers dienenden (nicht auf dem Gebiet der aktuellen Berichterstattung liegenden) Zweck, übt der Fotograf eine gewerbliche Tätigkeit aus. Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Fotograf Gewerbetreibender, wenn seine Bilder in erster Linie Werbezwecken seines Auftraggebers dienen, selbst wenn sie in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht werden (BFH-Urteile IV 238/61 U vom 10. Dezember 1964, BFH 81, 315, BStBl III 1965, 114, und IV 100/62, a. a. O.). Neben der Erfüllung verschiedenster Werbezwecke - als häufig vorkommende Beispiele seien nur Fremdenverkehrsprospekte und Bilder der für Pressestellen von Industrieunternehmungen zur Industriewerbung genannt - können Luftbildaufnahmen auch in anderer Hinsicht dem individuellen Interesse des Abnehmers dienen, z. B. der Verkehrszählung und -überwachung, der Verwertung bei Vermessungs- und Planungsarbeiten, der Auswertung in Archiven, der Verwendung als Wandschmuck, als Ausstellungsstück oder als Postkarte und der Illustration von Kalendern, Festschriften, Katalogen, Programmheften und Büchern.. Bei Herstellung und Vertrieb der diesen Zwecken dienenden Lichtbilder wird der Fotograf gewerblich tätig, und zwar auch dann, wenn seine Bilder gelegentlich bei der aktuellen Berichterstattung in Massenmedien Verwendung finden.
Im Streitfall ging das FG zu Unrecht von dem auch von der Steuerverwaltung (vgl. Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen S 2161 - 10 - V B 1 vom 13. August 1965, Steuererlasse in Karteiform, § 18 EStG, Nr. 18) nicht mehr aufrechterhaltenen Grundsatz aus, daß ein Fotograf nur dann als Bildberichterstatter beurteilt werden könne, wenn er seine Bilder mit einem erläuternden Text versehe. Dies führt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Denn das FG hat unabhängig von seiner insoweit nicht zutreffenden Rechtsauffassung im Urteil ausgeführt, die Bilder des Steuerpflichtigen hätten nicht die aktuelle Unterrichtung des Publikums zur Aufgabe gehabt. Eine journalistische Zielsetzung sei den vom Steuerpflichtigen vorgelegten Bildern nicht zu entnehmen. Sie seien vorwiegend für eine zweckgebundene, werbende, gewerbliche oder technische Auswertung bestimmt, dienten aber nicht der laufenden Nachrichtenübermittlung und einem ständigen Informationsbedürfnis. Diese Feststellungen über den Zweck der Luftbildaufnahmen rechtfertigen die Schlußfolgerung, daß die Tätigkeit des Steuerpflichtigen sich nicht als selbständige Berufstätigkeit eines Bildberichterstatters oder (Bild-)Journalisten im Sinne des § 18 Abs. 1 EStG darstellt.
Die Tatsache, daß der Steuerpflichtige bei der Veranlagung der Jahre 1962 bis 1965 entsprechend dem Vorschlag des Betriebsprüfers im Betriebsprüfungsbericht vom 28. Juli 1966 als freiberuflicher Bildjournalist bzw. Bildberichterstatter angesehen worden ist, hinderte das FA nicht, den Steuerpflichtigen im Jahre 1967 zur Gewerbesteuer für das Jahr 1966 heranzuziehen. Die FÄ sind nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an unrichtige Rechtsauffassungen, von denen sie bei früheren Veranlagungen ausgegangen sind, grundsätzlich nicht gebunden. Bei den Veranlagungssteuern sind infolge des für sie geltenden Abschnittsprinzips die Grundlagen der Besteuerung bei jeder Veranlagung selbständig festzustellen und Sachverhalt sowie Rechtslage neu zu prüfen (BFH-Urteile IV 62/65 vom 8. Juni 1967, BFH 89, 219, BStBl III 1967, 618, und V 181/63 vom 15. Dezember 1966, BFH 87, 469, BStBl III 1967, 212).
Fundstellen
Haufe-Index 69383 |
BStBl II 1971, 267 |
BFHE 1971, 211 |