Entscheidungsstichwort (Thema)
Wesentlichkeit der Beteiligung an einer GmbH
Leitsatz (NV)
Die Beteiligung an einer GmbH mit 25 % der Geschäftsanteile ist auch dann keine wesentliche Beteiligung im Sinne des §17 Abs. 1 EStG, wenn der Gesellschafter als Geschäftsführer erheblichen Einfluß auf die GmbH hat und nach den Satzungsbestimmungen von den Mitgesellschaftern nicht überstimmt werden kann.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1; GmbHG §§ 5, 14
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 1990 als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war an einer Firmengruppe beteiligt. Vom Stammkapital der A-GmbH (GmbH) und vom Stammkapital der B- GmbH hielt sie jeweils einen Anteil von nominell 25 %. Mit dem gleichen Anteil war sie Kommanditistin der C-GmbH & Co. KG und Gesellschafterin bürgerlichen Rechts der D-GbR. An den Firmen waren weitere Personen jeweils zu gleichen Verhältnissen beteiligt. Einer der Mitbeteiligten garantierte der Klägerin für den Zeitraum 1987 bis 1998 einen Mindestgewinn der Firmengruppe von 90 000 DM jährlich. Sollte dieser Mindestgewinn nicht erreicht werden, war der Mitbeteiligte verpflichtet, den Differenzbetrag an die Klägerin zu zahlen. Als garantierter Gewinn war der steuerliche Bilanzgewinn der Firmengruppe zu verstehen. Gleichzeitig mit dem Erwerb der Geschäftsanteile der GmbH durch die Klägerin wurden im Mai 1986 in die Satzung folgende Bestimmungen aufgenommen:
-- Die Geschäftsführer bedürfen im Innenverhältnis der vorausgehenden Zustimmung der Gesellschafterversammlung in allen Angelegenheiten, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen. Dies gilt insbesondere für Maßnahmen, welche die dem Geschäftsführer nach den Bestimmungen seines Anstellungsvertrages eingeräumten Befugnisse überschreiten.
-- Für die Gewinnverwendung gilt die Regelung des §29 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG).
-- Gesellschafterbeschlüsse bedürfen stets einer Mehrheit von 81 % aller vorhandenen Stimmen.
-- Die Klägerin oder deren Rechtsnachfolger sind berechtigt, durch einseitige Erklärung einen weiteren Geschäftsführer zu benennen. Der Benannte erlangt die Stellung eines Geschäftsführers unmittelbar durch die Benennung, ohne daß es hierzu einer weiteren Beschlußfassung durch die Gesellschafterversammlung bedarf.
Als Geschäftsführer wurde ein Mitbeteiligter angestellt. Nach dem Anstellungsvertrag vertrat er die GmbH nach Maßgabe der Vorschriften des Gesellschaftsvertrags, der Gesellschaft und den Bestimmungen der Gesellschafter und war an Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden. Im Mai 1987 wurde die Klägerin als weitere Geschäftsführerin bestellt. Die beiden Geschäftsführer waren nur gemeinsam zur Vertretung berechtigt.
Zur Abdeckung drohender Verluste der GmbH beschlossen die Anteilseigner am 25. Januar 1990 Nachschüsse. Die Klägerin leistete ihren Beitrag, indem sie der GmbH ein Darlehen erließ. Dieses Darlehen hatten die Kinder der Klägerin der GmbH gewährt und zum Zwecke des Erlasses am 25. Januar 1990 an die Klägerin abgetreten.
Mit Vertrag vom 29. Januar 1990 veräußerte die Klägerin die Anteile an der Firmengruppe einschließlich der GmbH und erklärte hieraus einen Verlust aus gewerblichen Einkünften. Die GmbH-Beteiligung von 25 % sei eine wesentliche Beteiligung i. S. des §17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewesen, denn sie habe als Gesellschafterin und als Geschäftsführerin einen erheblichen Einfluß auf die GmbH ausgeübt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erkannte den Verlust mit der Begründung nicht an, die nominelle Beteiligung mit 25 % am Stammkapital der GmbH sei nicht wesentlich gewesen. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 745).
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerfestsetzung 1990 dahingehend abzuändern, daß ein Veräußerungsverlust in Höhe von ... DM angesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht eine wesentliche Beteiligung nach §17 Abs. 1 EStG verneint.
1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und die innerhalb eines Veranlagungszeitraums veräußerten Anteile 1 % des Kapitals der Gesellschaft übersteigen (§17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung -- EStG --). Die wesentliche Beteiligung besteht bei einer GmbH darin, daß dem Steuerpflichtigen Anteile an einer GmbH oder ähnliche Beteiligungen oder Anwartschaften auf solche Beteiligungen in Höhe von mehr als einem Viertel zuzurechnen sind (§17 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG; jetzt Satz 3 und 4). Im Streitfall kommt nur eine Beteiligung der Klägerin durch Anteile an der GmbH in Betracht.
Anteile an einer GmbH sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Geschäftsanteile i. S. der §§5 und 14 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -- GmbHG -- (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juni 1978 I R 90/76, BFHE 125, 444, BStBl II 1978, 590; vom 19. Mai 1992 VIII R 16/88, BFHE 168, 170, BStBl II 1992, 902, m. w. N.; vom 10. November 1992 VIII R 40/89, BFHE 173, 17, BStBl II 1994, 222; vom 16. Mai 1995 VIII R 33/94, BFHE 178, 197, BStBl II 1995, 870). Nach §14 GmbHG bestimmt sich der Geschäftsanteil eines Gesellschafters nach dem Betrag der übernommenen Stammeinlage. Aus der Anbindung des §17 Abs. 1 EStG an diese zivilrechtliche Regelung folgt, daß sich steuerrechtlich die Höhe des Anteils an einer GmbH ebenfalls aus der übernommenen Stammeinlage errechnet. Nur Änderungen, die das Stammkapital betreffen, können somit die Höhe eines GmbH-Anteils beeinflussen. Aus diesem Grund hat der BFH entschieden, daß kapitalersetzende Darlehen oder typisch stille Beteiligungen die Höhe eines GmbH-Anteils nicht verändern können (BFH-Urteile in BFHE 168, 170, BStBl II 1992, 902; vom 28. Mai 1997 VIII R 25/96, BStBl II 1997, 724, und vom 29. Juli 1997 VIII R 80/94, BStBl II 1997, 727).
2. Die Einflußmöglichkeiten eines Gesellschafters auf eine Kapitalgesellschaft rechtfertigen es nicht, die Frage, ob eine wesentliche Beteiligung vorliegt, abweichend von den Anteilen am Stammkapital zu beurteilen. Stimmrechte oder auf sonstigen Gründen beruhende Machtpositionen können nicht die Beteiligungsquote eines einflußlosen oder einflußschwachen Beteiligten mindern und korrespondierend die Quote eines einflußstarken Gesellschafters erhöhen.
a) Der BFH hat schon bisher den Begriff der mittelbaren Beteiligung als Teil der wesentlichen Beteiligung i. S. des §17 Abs. 1 Satz 3 EStG als eine rein kapitalmäßige Beteiligung verstanden, d. h. unabhängig davon, ob und in welchem Maße der Anteilseigner die Kapitalgesellschaft, die die Beteiligung vermittelt, wirtschaftlich beherrscht (BFH-Urteile in BFHE 125, 444, BStBl II 1978, 590; vom 12. Juni 1980 IV R 128/77, BFHE 131, 49, BStBl II 1980, 646). Dementsprechend hat der BFH eine (unmittelbare) wesentliche Beteiligung auch dann angenommen, wenn der Veräußerer nur sehr kurzfristig zu mehr als einem Viertel an der Kapitalgesellschaft beteiligt war und deshalb in aller Regel keinen Einfluß auf die Gesellschaft ausüben konnte (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 5. Oktober 1976 VIII R 38/72, BFHE 120, 471, BStBl II 1977, 198; in BFHE 178, 197, BStBl II 1995, 870). Diese Rechtsprechung ist verfassungsgemäß (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 20. November 1984 1 BvR 727/82, Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst 1985, 30).
Es kann nichts anderes gelten, wenn die Einflußmöglichkeiten, die dem Gesellschafter nach dem GmbHG zustehen, aufgrund der Satzung eingeschränkt oder erweitert sind. Die von der bisherigen Rechtsprechung angeführten Gründe für die Maßgeblichkeit der Beteiligung am Stammkapital gelten auch in diesen Fällen (ebenso: Blümich/Ebling, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., §17 EStG Rz. 84; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., §17 EStG Rz. 130; Hörger in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., §17 EStG Rz. 14; L. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., §17 Rz. 39).
b) Der Wortlaut des §17 Abs. 1 EStG legt es nahe, den Begriff der wesentlichen Beteiligung allein kapitalmäßig zu bestimmen.
Die Vorschrift spricht in Satz 3 (Satz 4 des §17 Abs. 1 EStG n. F.) ausdrücklich von der Beteiligung " ... an der Gesellschaft" und in Satz 1 von der Beteiligung "am Kapital". Kapital ist nach den gesetzlichen Vorschriften des GmbHG und des Aktiengesetzes -- AktG -- (§5 Abs. 1 GmbHG; §§6 ff. AktG) das Stamm- bzw. Grundkapital der Gesellschaft, das mit einem festen Betrag in der Satzung auszuweisen ist. Es bezeichnet das durch die Einlagen der Gesellschafter aufzubringende Gesellschaftsvermögen. Der "Anteil an einer Kapitalgesellschaft" verkörpert deshalb den betragsmäßig bestimmten (festen) Anteil am Stammkapital der Gesellschaft (so bereits Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, Bd. II, §30 Anm. 35; ebenso die ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteile in BFHE 125, 444, BStBl II 1978, 590; BFHE 131, 49, BStBl II 1980, 646; BFHE 168, 170, BStBl II 1992, 902; BFHE 178, 197, BStBl II 1995, 870). Der Gesetzgeber hat sich durch diese Rechtsprechung nicht zu einer Änderung des §17 Abs. 1 Satz 3 EStG (§17 Abs. 1 Satz 4 EStG n. F.) veranlaßt gesehen, obwohl §17 EStG hinsichtlich anderer Tatbestandsmerkmale in der Vergangenheit wiederholt geändert wurde.
c) Für dieses Gesetzesverständnis spricht auch der Zweck des §17 Abs. 1 EStG. Die Norm soll den aufgrund der Veräußerung des Geschäftsanteils eintretenden Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit erfassen (Senatsurteil in BFHE 178, 197, 202, BStBl II 1995, 870, m. w. N.). Es kommt insoweit entscheidend auf die Ansprüche des Gesellschafters auf Beteiligung an der Substanz an (Urteil in BFHE 178, 197, 202, BStBl II 1995, 870, m. w. N.). Der Zuwachs an Leistungsfähigkeit ist jedoch unabhängig davon besteuerungswürdig, ob er auf der Einflußnahme des Anteilseigners auf die Geschäfte der Kapitalgesellschaft beruht. Es genügt, wenn das Vermögen der Kapitalgesellschaft und damit auch die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in dem Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung des Geschäftsanteils verändert worden ist.
3. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht eine unwesentliche Beteiligung der Klägerin angenommen. Der große faktische Einfluß als Geschäftsführerin kann die aus dem Geschäftsanteil zu berechnende unwesentliche Beteiligung von einem Viertel nicht erhöhen. Dies gilt ebenso für die Vereinbarung in der Satzung, daß alle Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit mindestens 81 % der Stimmen zu treffen sind. Zwar kann die Klägerin hierdurch von den anderen Mitbeteiligten grundsätzlich in keiner Angelegenheit überstimmt werden. Auf die sich daraus ergebende rechtlich abgesicherte Machtposition kommt es aber nicht an.
Unerheblich ist die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Vermögensrechte (Gewinnverteilung und Recht am Liquidationserlös) betreffenden Satzungsregelungen einer GmbH die Beteiligungsquote beeinflussen können. Im Streitfall liegen keine vom GmbHG abweichenden Satzungsbestimmungen vor. Auf die Gewinngarantie durch einen Mitbeteiligten kommt es nicht an, denn sie berührt nur das persönliche Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten, nicht aber die Rechte an der GmbH. Zudem betrifft die Gewinngarantie nicht den GmbH-Gewinn, sondern den Gewinn der aus vier verschiedenen Firmen bestehenden Firmengruppe, an der die Klägerin beteiligt war.
Fundstellen
Haufe-Index 66969 |
BFH/NV 1998, 694 |
DStZ 1998, 587 |
HFR 1998, 458 |