Leitsatz (amtlich)
Wird die übliche Miete für die Bewertung eigengenutzter Einfamilienhäuser aus Mieten abgeleitet, die für vergleichbare Grundstücke erzielt werden, so ist die Vergleichsmiete zu erhöhen, falls in den Vergleichsfällen die Mieter die Kosten der Schönheitsreparaturen tragen.
Normenkette
BewG 1965 § 79 Abs. 1-2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eigentümer eines Einfamilienhauses, das sie am 1. Januar 1964 selbst bewohnten. Das für die Einheitsbewertung zunächst zuständige FA hat den Einheitswert für dieses Grundstück durch Hauptfeststellung zum 1. Januar 1964 aufgrund einer Wertermittlung im Ertragswertverfahren auf 72 300 DM festgestellt. Dabei ging es von einer Jahresrohmiete von 4 963 DM aus, die es wegen Grundsteuerbegünstigung um 12 v. H. und wegen Übernahme der Schönheitsreparaturen um 5 v. H. auf insgesamt 5 836 DM erhöhte.
Der inzwischen zuständig gewordene Beklagte und Revisionskläger (FA) wies den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück.
Das FG stellte auf die Klage den Einheitswert zum 1. Januar 1964 auf 68 900 DM fest. Es war der Auffassung, die für die Bewertung maßgebende Miete habe nicht um einen Zuschlag für Schönheitsreparaturen erhöht werden dürfen. Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Seine Entscheidung ist in den EFG 1973, 527, abgedruckt.
Mit der Revision trägt das FA vor, der Begriff der üblichen Miete müsse für eigengenutzte und für vermietete Grundstücke einheitlich sein. Bei eigengenutzten Grundstücken sei davon auszugehen, daß der Eigentümer, der als Vermieter an sich selbst zu betrachten sei, die Kosten der Schönheitsreparaturen trage. Die für eigengenutzte Grundstücke maßgebende übliche Miete müsse deshalb aus Vergleichsmieten abgeleitet werden, in denen der Vermieter die Kosten der Schönheitsreparaturen trage. Wenn solche nicht vorhanden seien, müßten vergleichbare Mieten, die auf der Grundlage der Kostenübernahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter zustande gekommen seien, pauschal um 5 v. H. erhöht werden.
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.
1. Der Einheitswert für das Einfamilienhaus der Kläger ist im Ertragswertverfahren zu ermitteln (§ 76 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Nr. 1 BewG 1965). Danach ergibt sich der Grundstückswert regelmäßig durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete (§ 78 Satz 2 BewG). Die für die Bewertung maßgebende Jahresrohmiete umfaßt nicht nur die auf Grund der vertraglichen Vereinbarung zu leistende Barmiete, sondern auch sonstige Leistungen des Mieters (§ 79 Abs. 1 Satz 2 BewG). Zu diesen sonstigen Leistungen gehört auch die Übernahme der Kosten für Schönheitsreparaturen. Denn nach § 536 BGB hat der Vermieter das Mietobjekt in einem zu dem vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Diese Verpflichtung umfaßt bei vermieteten Räumen auch die Durchführung der erforderlichen Schönheitsreparaturen. Die gesetzliche Regelung des Ertragswertverfahrens im BewG 1965, insbesondere die Bestimmung der Vervielfältiger, die auf die Jahresrohmiete anzuwenden sind, geht von dieser Rechtslage nach bürgerlichem Recht aus (vgl. Bundestagsdrucksache IV/1488 vom 1. Oktober 1963, 60 u. 65). Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 2. Juni 1971 III R 105/70 (BFHE 102, 563, BStBl II 1971, 675) im einzelnen begründet, daß deshalb bei vertraglicher Übernahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter von Wohnräumen die Barmiete um 5 v. H. erhöht werden muß, um diese Nebenleistung des Mieters angemessen zu berücksichtigen.
2. § 79 Abs. 2 BewG beschreibt zwei Gruppen von Fällen, in denen entweder mangels einer vereinbarten Jahresrohmiete oder an die Stelle einer vereinbarten Jahresrohmiete die übliche Miete als Bewertungsgrundlage tritt. Die übliche Miete ist in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung gezahlt wird (§ 79 Abs. 2 Satz 2 BewG). Das FG hat bei der Auslegung dieser Vorschrift das Schwergewicht auf das Wort "gezahlt" gelegt und daraus die Rechtsfolge hergeleitet, daß die übliche Miete, im Gegensatz zur Jahresrohmiete im Sinne des § 79 Abs. 1 BewG, nur auf Geldleistungen abstelle, so daß sonstige Leistungen des Mieters nicht einbezogen werden könnten. Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen.
Ziel der Auslegung ist es, den in einer Vorschrift zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers zu ermitteln, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in dem eine Vorschrift steht (BVerfG vom 15. Dezember 1959, 1 BvL 10/55, BVerfGE 10, 234 [244]). Für die Auslegung des § 79 Abs. 2 BewG sind zwei Umstände zu beachten: Die übliche Miete soll einerseits an die Stelle einer tatsächlich vereinbarten Miete im Sinn des § 79 Abs. 1 BewG treten, die auf Grund der Erfahrung aus anderen Vermietungsfällen als unangemessen anzusehen ist; sie soll aber andererseits auch Bewertungsgrundlage in Fällen sein, in denen eine vereinbarte Miete im Sinn des § 79 Abs. 1 BewG überhaupt nicht gegeben ist. Der Senat stimmt dem FA zu, daß der Begriff der üblichen Miete für diese beiden Fallgruppen nicht unterschiedlich bestimmt werden kann; denn dies würde dem Sinnzusammenhang widersprechen, in dem § 79 Abs. 2 BewG steht. Wenn die übliche Miete auch, und zwar in den Fällen des § 79 Abs. 2 Nr. 2 BewG, mit einer vereinbarten Jahresrohmiete verglichen werden muß, so erscheint es dem Senat zwingend, daß zwischen der Jahresrohmiete des Absatz 1 und der üblichen Miete des Absatz 2 des § 79 BewG begrifflich kein Unterschied bestehen kann. Daraus folgt, daß bei einer Bewertung auf der Grundlage einer Barmiete von Vergleichsgrundstücken, bei der es den Gepflogenheiten des Wohnmarkts entspricht, daß der Mieter noch Nebenleistungen, wie die Ausführung von Schönheitsreparaturen auf seine Kosten, übernimmt, die Barmiete um diese Nebenleistungen erhöht werden muß, um die dem Wortsinn des § 79 Abs. 2 BewG entsprechende übliche Miete bestimmen zu können. Bei eigengenutzten Wohnräumen ist davon auszugehen, daß der Eigentümer für die Einheitsbewertung als Vermieter an sich selbst zu betrachten ist, der, soweit ihm Mieterstellung zukommt, die Schönheitsreparaturen übernommen hat. Entgegen der Auffassung des FG bedarf es nicht des Nachweises, daß die Miete für vermietete Wohnräume, die den eigengenutzten Wohnräumen vergleichbar sind, um 5 v. H. höher wäre, wenn die Mieter die Schönheitsreparaturen nicht übernommen hätten. Denn die Erhöhung von Wohnraummieten infolge Übernahme der Schönheitsreparaturen durch die Mieter um 5 v. H. beruht, wie der Senat schon im Urteil III R 105/70 dargelegt hat, auf Erfahrungen, die aus dem Verhältnis von durchschnittlichen Wohnraummieten zu durchschnittlichen Kosten für Schönheitsreparaturen, umgerechnet auf ein Jahr, gewonnen wurden.
3. Nach vorstehenden Ausführungen können die vom FA aus Mietverhältnissen über vergleichbare Wohnräume gewonnenen und in einem Mietpreisspiegel zusammengefaßten Mieten nur dann um 5 v. H. erhöht werden, wenn in den Vergleichsfällen die Mieter die Schönheitsreparaturen übernommen haben. Wäre dies nicht der Fall, so wäre die Erhöhung der Vergleichsmiete wegen der Übernahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter, der im Entscheidungsfall mit dem Eigentümer identisch ist, nicht gerechtfertigt (vgl. BFH-Entscheidung vom 29. März 1974 III R 59/73, BFHE 112, 288, BStBl II 1974, 445). Das FG hat, von seinem Rechtsstandpunkt ausgehend zu Recht, hierzu keine Feststellungen getroffen. Die Sache ist deshalb nicht spruchreif. Sie wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 71053 |
BStBl II 1974, 766 |
BFHE 1975, 304 |