Leitsatz (amtlich)
1. Die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung setzt nicht das Eigentum oder ein dingliches Recht des Verpächters an der verpachteten Sache voraus. Es genügt, wenn der Verpächter obligatorisch gegenüber dem Eigentümer der Sache zur Verpachtung berechtigt ist.
2. Eine solche obligatorische Berechtigung ist nach den Umständen des Einzelfalles dann anzunehmen, wenn im Rahmen der Übertragung eines Hofes gegen Altenteil der bisherige Hofeigentümer sich eine bestimmte Beteiligung an den Pachteinnahmen aus der künftigen Verpachtung eines mitüberlassenen Flurstücks vorbehält, alsbald eine entsprechende Verpachtung gemeinsam durch ihn und den Hofübernehmer erfolgt und jeder der Verpächter den ihm zustehenden Pachtzinsanteil unmittelbar vom Pächter vereinnahmt.
2. Eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung kann wegen untergeordneter Bedeutung der Sache im Sinne von § 215 Abs. 4 letzter Satz AO unterbleiben, wenn die Beteiligung sich in einem kurzfristigen und leicht überschaubaren einheitlichen Vorgang erschöpft.
Normenkette
EStG § 21; AO § 215 Abs. 4 letzter Satz
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) im Streitjahr vereinnahmte 12 000 DM privat von ihrem Sohn erhalten oder im Rahmen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG aus einer gemeinsam mit ihrem Sohn vorgenommenen Verpachtung von Grundbesitz zur Sandausbeute als ihren Anteil bezogen hat.
Die Steuerpflichtige überließ durch notariellen Vertrag vom 1. April 1964 ihren Bauernhof von 13,4 ha gegen Altenteil ihrem Sohn. An einem mitüberlassenen Flurstück, in dem sich zum Straßenbau geeigneter, abbaufähiger Sand befand, erhielt die Klägerin ein "schuldrechtliches Nießbrauchsrecht" mit der Maßgabe eingeräumt, daß, "sollte der in dem vorbezeichneten Grundstück vorhandene Auffüllsand verkauft werden, sie von den Einnahmen 30 v. H. erhält, während der Sohn 70 v. H. bekommt".
Am 6. August 1964 schlossen die Steuerpflichtige und ihr Sohn mit der A-GmbH (GmbH) eine als "Kaufvertrag" bezeichnete Vereinbarung, welche in § 1 die Bestimmung des Hofübergabevertrages hinsichtlich des erwähnten obligatorischen Nutzungsrechts der Steuerpflichtigen wiedergab und außerdem folgenden Inhalt hatte: Die Steuerpflichtige und ihr Sohn verkaufen der GmbH den Sand des Flurstücks zu einem Festpreis von 72 000 DM, der von der GmbH an die Verkäufer - entsprechend ihrem Anteilsverhältnis an den Einnahmen von 30:70 - zu zahlen ist (§ 2 des Vertrages). Die GmbH verpflichtete sich zum kurzfristigen und laufenden Abbau des Sandes in eigener Regie (§ 3). Sie verpflichtete sich ferner zum Zusammenschieben des auf dem Flurstück befindlichen Holzaufwuchses zu einem Wall sowie zum Abräumen des Mutterbodens und - nach Entsandung - zu dessen ebenflächiger Wiederaufbringung in gleicher Stärke unter Auflockerung etwaiger Fahrspuren und Beseitigung etwa eingebrachter Befestigungsmittel (§ 6).
Das aufgrund dieses Vertrages von der GmbH unmittelbar an die Klägerin gezahlte Entgelt von (30 v. H. von 40 000 DM =) 12 000 DM rechnete das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) der Steuerpflichtigen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen folgendes aus:
Der von der Klägerin und ihrem Sohne mit der GmbH geschlossene Vertrag vom 6. August 1964 stelle, wie die Klägerin nicht mehr bestreite, eine pachtweise Überlassung von Grundbesitz zur Ausbeutung von Sand dar. Die GmbH habe - außer dem Abbau - noch weitere erhebliche Arbeiten zur Gewinnung des Sandes erbringen müssen. Diese Leistungen, u. a. die Entfernung des Holzaufwuchses durch Zusammenschieben, die Abräumung des Mutterbodens und seine ebenflächige Wiederaufbringung in gleicher Stärke, ließen die Annahme einer Lieferung und Übergabe von Sand als Kaufsache im Rahmen eines Sandverkaufes nicht zu.
Eine unmittelbare Zurechnung des von der GmbH an die Klägerin gezahlten Betrages von 12 000 DM an die Steuerpflichtige sei gerechtfertigt, weil sie ebenso wie ihr Sohn als Verpächterin aufgetreten sei und selbst unmittelbare Zahlungsansprüche gegen die GmbH erworben habe. Die Tatsache, daß die Klägerin weder Eigentümerin noch Nießbrauchsberechtigte des Pachtgegenstandes gewesen wäre, stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Die Formulierung ihres Rechtes am ausgebeuteten Flurstück als "schuldrechtliches Nießbrauchsrecht" im Hofübergabevertrag vom 1. April 1964 lasse darauf schließen, daß sich die Steuerpflichtige jedenfalls obligatorisch die unmittelbare wirtschaftliche Nutzung des abbaufähigen Sandes zu einem bestimmten Teil vorbehalten und auf unmittelbare Ansprüche gegen einen Pächter Wert gelegt habe. Dies bestätige der Inhalt des mit der GmbH abgeschlossenen Pachtvertrages. Die Annahme von Zuwendungen des Sohnes oder Gegenleistungen im Rahmen der Hofübertragung scheide deshalb nach den Gegebenheiten des Falles aus.
Die Vorinstanz ließ dahingestellt, ob die Steuerpflichtige und ihr Sohn an den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemeinsam beteiligt gewesen seien. Denn bei Bejahung, so führte sie aus, könne eine einheitliche und gesonderte Feststellung gemäß § 215 Abs. 4 letzter Satz AO wegen geringer Bedeutung des Falles unterbleiben. Die Gemeinschaft habe nur kurze Zeit bestanden, und die Aufteilung des Gewinnes habe keine Schwierigkeiten bereitet. Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen sei zu verneinen, da der gleiche Sachbearbeiter des FA für die Klägerin und ihren Sohn auch hinsichtlich einer einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zuständig gewesen sei.
Die Revision der Steuerpflichtigen, die Aufhebung der Vorentscheidung und Herabsetzung der Einkommensteuer auf 660 DM begehrt, rügt Verletzung materiellen Rechtes. Die Vorentscheidung habe, so führt sie aus, die Pachteinnahmen ihr zu Unrecht zugerechnet. Der Sohn habe durch den Übergabevertrag vom 1. April 1964 den Hof mit allein seinen Bestandteilen und dem Recht, die Nutzungen zu ziehen, erhalten. Deshalb seien die Einnahmen voll dem Sohn zuzurechnen. Dafür spreche auch, daß nach dem Urteil des BFH VI 124/65 vom 6. Juli 1966 (BFH 86, 578, BStBl III 1966, 584) ein Nießbrauchsberechtigter nur dann als originärer Bezieher von Einkünften anzusehen sei, wenn er die Nutzungen tatsächlich ziehe, das Grundstück in Besitz nehme und es verwalte. Gerade das sei jedoch nicht der Fall gewesen. Als obligatorische Nießbrauchsberechtigte, die sich lediglich bestimmte, innerhalb eines kurzen Zeitraums angefallene Einnahmen vorbehalten habe, sei ihr ein Nießbrauch mit Bestiz- und Verwaltungsbefugnis eben nicht eingeräumt worden. Diese Rechte habe sie dem Sohn übertragen gehabt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Die Vorinstanz hat der Klägerin mit Recht die unmittelbar an sie von der GmbH geleisteten Zahlungen von 12 000 DM als Pachtzinsen im Rahmen eigener Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG zugerechnet. Der rechtliche Ausgangspunkt der Vorentscheidung, daß die Erzielung eigener Pachteinkünfte nicht das Eigentum oder ein dingliches Recht des Verpächters an der dem Pächter verpachteten Sache voraussetzt, ist nicht zu beanstanden. Es genügt, wenn ein obligatorisches Nutzungsverhältnis zum Eigentümer besteht, aufgrund dessen der Nutzungsberechtigte die zu nutzende Sache pachtweise einem Dritten überläßt. Wenn die Vorinstanz unter Würdigung der Gesamtumstände des Falles ein solches schuldrechtliches Nutzungsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Sohn bejaht hat, so ist darin ein Rechtsfehler nicht zu finden. Die Klausel des Hofüberlassungsvertrages, nach welcher die Klägerin an dem mitüberlassenen Flurstück ein obligatorisches Nießbrauchsrecht mit der Maßgabe erhielt, daß sie 30 v. H. der Einnahmen aus etwaigem Sandverkauf erhalten sollte, rechtfertigt die Annahme, daß ein entsprechendes obligatorisches Recht der Klägerin bestand, an den Einnahmen aus einer eventuellen Sandausbeute beteiligt zu werden. Rechtliche Bedenken ergeben sich nicht daraus, daß dieses Recht auf den möglichen Fall eines Sandverkaufes abgestellt und auf einen Teil der zivilen Früchte in Form von Nettoeinnahmen beschränkt war. Denn die im bürgerlichen Schuldrecht herrschende Vertragsfreiheit läßt eine solche Ausgestaltung der obligatorischen Nutzungsberechtigung ohne weiteres zu. Da die Klägerin im Rahmen der Hofüberlassung an den Sohn dieses ihr aufgrund ihres bisherigen Eigentums am Hofe zustehende Recht mit dem vertraglich festgelegten Inhalt gewissermaßen zurückbehielt, sieht der Senat in diesem Vorgang bei wirtschaftlicher Betrachtung - entgegen der Ansicht der Klägerin - insoweit keine Übertragung der Verpachtungsquelle auf den Sohn mit einer folgenden Unterhaltszuwendung des Sohnes an die Klägerin, sondern nimmt an, daß die Klägerin Inhaberin einer insoweit für sie schon bisher bestehenden originären Einkunftsquelle blieb (Anwendung der Grundsätze der BFH-Urteile VI R 299/67 vom 8. August 1969, BFH 96, 473, BStBl II 1969, 683; VI R 333/67 vom 12. September 1969, BFH 96, 523, BStBl II 1969, 706, bei vorbehaltenem dinglichen Nießbrauchsrecht), deren Fließen allerdings von einer Entscheidung des Sohnes zur Ausbeutung des Sandes abhing. Der Senat braucht jedoch die Frage, ob die Stellung der Klägerin als unmittelbare Einkünftebezieherin hinsichtlich der Einnahmen aus dem Pachtvertrag mit der GmbH allein schon aus dem Übergabevertrag hergeleitet werden kann, nicht abschließend zu entscheidne. Denn im Streitfall ist die Klägerin vertraglich an dem Sandausbeutevertrag zwischen ihrem Sohn und der GmbH beteiligt worden, und zwar als Verpächterin. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß die Vorinstanz der Klägerin die ihr unmittelbar von der GmbH zugeflossenen 12 000 DM, die sich im Rahmen der Vereinbarungen zwischen Mutter und Sohn hielten, als eigene Pachteinnahmen zugerechnet hat.
Die rechtliche Beurteilung des Ausbeutevertrages als Verpachtung von Grundbesitz zur Sandgewinnung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile VI R 197/67 vom 12. Dezember 1969, BFH 97, 542, BStBl II 1970, 210; VI 161/65 vom 2. März 1966, BFH 86, 128, BStBl III 1966, 364, und die in diesen Entscheidungen angeführte Rechtsprechung) und wird von der Klägerin nicht angegriffen. Insbesondere trifft die Ansicht der Vorinstanz zu, daß im Hinblick auf die erheblichen Selbstleistungen der GmbH bei Gewinnung des Sandes - u. a. Abräumung und nach Entsandung ebenmäßige Wiederaufbringung des Mutterbodens in gleicher Stärke auf das Flurstück - nach dem Ausbeutevertrag und seiner Durchführung das Normalbild einer Verpachtung mit entsprechend vereinbarter und vollzogener Fruchtziehung durch den Pächter entscheidend im Vordergrund gestanden hat und daß hinsichtlich der Eigenleistungen der GmbH wegen ihres erheblichen wirtschaftlichen Gewichtes insoweit nicht mehr von Nebenleistungen eines Käufers etwa bei Abholung der verkauften Ware gesprochen werden kann. Die Zugrundelegung einer bestimmten Abbaumenge unter Vereinbarung eines Festpreises rechtfertigt keine andere Beurteilung, wie das FG mit Recht angenommen hat, weil sie im Streitfall als Grenze einer vereinbarten Fruchtziehung aufzufassen ist.
Umstände, die von Amts wegen zu einer Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung innerhalb des Klagebegehrens (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) führen könnten, sind nicht zu ersehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine gemeinschaftliche Beteiligung der Steuerpflichtigen und ihres Sohnes an den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bestanden hat. Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, konnte - wie das FG, von der Revision unbeanstandet, angenommen hat - eine einheitliche und gesonderte Feststellung wegen untergeordneter Bedeutung der Sache im Sinne von § 215 Abs. 4 letzter Satz AO unterbleiben, weil die Beteiligung sich in einem kurzfristigen und leicht überschaubaren einheitlichen Vorgang erschöpft hat und insbesondere die Einnahmeaufteilung nach einem einfachen Verteilungsschlüssel ohne Schwierigkeiten möglich war (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. bis 4. Aufl., Rdnr. 7 zu § 215 AO, Lieferung 12, Dezember 1969). Die Auffassung, daß in diesem Sinne der Gesetzgeber u. a. dem Umstand der kurzfristigen Abwicklung eines Beteiligungsverhältnisses besondere Bedeutung beigemessen hat, findet eine Stütze in der in diesem Sachzusammenhang getroffenen Vorschrift des § 215 Abs. 5 AO, nach welcher bei bestimmten Arbeitsgemeinschaften, deren Zweck voraussichtlich innerhalb von drei Jahren erreicht wird, die Durchführung eines Feststellungsverfahrens entfällt.
Fundstellen
Haufe-Index 413023 |
BStBl II 1972, 215 |
BFHE 1972, 67 |