Leitsatz (amtlich)
Die finanzielle Eingliederung einer Kapitalgesellschaft in das Unternehmen einer Personengesellschaft ist auch unter der Voraussetzung denkbar, daß die Anteile an der Kapitalgesellschaft nicht der Personengesellschaft, d. h. der Gesamthandsgemeinschaft der Gesellschafter, sondern einzelnen oder mehreren Gesellschaftern dieser Personengesellschaft gehören.
Normenkette
EStG § 5
Tatbestand
Die beiden Kommanditisten der Klägerin und Revisionsklägerin - einer KG - waren bis zum 23. Dezember 1963 mit Geschäftsanteilen von je 10 000 DM zusammen alleinige Gesellschafter der "Wohnungsbau- und Grundstücksverwaltungs-GmbH X" (GmbH). Am 23. Dezember 1963 ist beschlossen worden, das Stammkapital der GmbH auf 250 000 DM zu erhöhen; den entsprechenden Geschäftsanteil im Betrage von 230 000 DM hat die Klägerin übernommen. Am gleichen Tage haben die Klägerin und die GmbH mit Wirkung ab 1. Januar 1963 einen Ergebnisabführungsvertrag vereinbart. Die Abmachung sollte bis zum 31. Dezember 1967 unkündbar und danach jeweils bis Jahresende mit sechsmonatiger Kündigungsfrist aufhebbar sein.
Der Zweck der GmbH bestand im Bauen und Betreuen von Wohnungen sowie im Erwerb und in der Verwaltung der dafür erforderlichen Grundstücke. Zur Erfüllung des Gesellschaftszweckes hat die GmbH in erheblichem Umfang Kredite von der KG erhalten. Bis zum 1. Januar 1963 hatte die GmbH 43 Wohnungen erstellt; an Arbeitnehmer der Klägerin waren 39 und drei weitere Wohnungen an Arbeitnehmer von Zulieferern vermietet. Zu Ende des Jahres 1963 waren 55 Wohnungen, davon 47 an Arbeitnehmer der Klägerin und weitere fünf an Arbeitnehmer von Zulieferbetrieben vermietet. Das FG hat festgestellt, der Geschäftsführer der GmbH habe sich vor Abschluß von Mietverträgen mit der Geschäftsführung der KG in Verbindung setzen müssen; der GmbH sei es nicht erlaubt gewesen, selbständig Wohnungen zu vermieten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte es aus Anlaß der einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns für 1963 ab, den aufgrund des Ergebnisabführungsvertrags zu übernehmenden Verlust als betrieblichen Aufwand anzuerkennen. Das FA vertrat die Ansicht, es fehle an der organisatorischen und wirtschaftlichen Eingliederung der GmbH in die KG.
Das - unmittelbar mit der Klage angerufene - FG hat die Klage abgewiesen; von den Voraussetzungen für das Bestehen eines Organverhältnisses fehle es an der finanziellen und organisatorischen Eingliederung. Auch die Mindestlaufzeit des Ergebnisabführungsvertrags von fünf Jahren sei nicht gegeben.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr bisheriges Begehren weiter und rügt die Verletzung der §§ 5 und 6 EStG.
Das FA hält die Revision für unbegründet. Beide Beteiligte sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Auf die Revision wird das angefochtene Urteil aufgehoben; die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Das FG hat die Klage mit Recht nicht deshalb abgewiesen, weil ein auf Organschaft beruhender Ergebnisabführungsvertrag im Verhältnis zwischen einem Personenunternehmen als Organträger und einer Kapitalgesellschaft als Organ bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht berücksichtigt wird (Urteil des BFH I 280/63 vom 17. November 1966, BFH 87, 253, BStBl III 1967, 118). Nach den im Einvernehmen mit dem BdF ergangenen gemeinsamen Ländererlassen über die Behandlung der Ergebnisabführungsverträge mit Personenunternehmen (BStBl II 1967, 169) war in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Ergebnisabführungsvertrags am 1. Januar 1967 im übrigen bestanden hatten, dieses Urteil auf die Ergebnisse der Wirtschaftsjahre des Organs, die vor dem 1. Januar 1969 endeten, nicht anzuwenden. An diese Verwaltungsanordnung ist das FA aufgrund § 131 Abs. 2 AO gebunden; die Anordnung ist in diesem Umfange auch von den Gerichten zu beachten (BFH-Urteil I 252/64 vom 17. Dezember 1969, BFH 98, 152 [158], BStBl II 1970, 257). Die in der Entscheidung des BFH IV R 171/66 vom 3. Juli 1969 (BFH 96, 112, BStBl II 1969, 555) zur Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrages vertretene Rechtsauffassung, daß auch ein Einzelunternehmer oder eine Personengesellschaft Organträger sein könne, gilt aus den dort dargelegten Gründen für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht.
II.
Der Senat kann sich den Erwägungen des FG über das Fehlen der finanziellen Eingliederung nicht anschließen.
1. Das FG hat seine Entscheidung in erster Linie darauf gestützt, daß es an der organisatorischen und deshalb auch an der finanziellen Eingliederung fehle. Ob eine wirtschaftliche Eingliederung vorliege, hat das FG offengelassen.
Die finanzielle Eingliederung hat das FG mit der Begründung verneint, die Kommanditisten hätten die Anteile an der GmbH in ihrem Privatvermögen gehalten. Notwendiges Betriebsvermögen seien die Anteile nicht; dies wäre nur dann der Fall, wenn die GmbH organisatorisch und wirtschaftlich in die KG eingegliedert wäre. Allein der Mangel der organisatorischen Eingliederung (bis zum 23. Dezember 1963) führe -- da die GmbH-Anteile auch nicht gewillkürtes Betriebsvermögen der Klägerin gewesen seien -- gleichzeitig dazu, daß es im vorliegenden Falle auch an der finanziellen Eingliederung fehle.
Die organisatorische Eingliederung sei nicht gegeben, weil die KG nur tatsächlich, nicht auch rechtlich die Möglichkeit gehabt habe, der GmbH die Ausführung ihres Willens abzufordern. Da rechtlich nicht sichergestellt gewesen sei, daß die GmbH den Willen der KG habe ausführen müssen, könne ein Organverhältnis bis zum 23. Dezember 1963 nicht bestanden haben.
Die Klägerin habe in tatsächlicher Hinsicht dafür gesorgt, daß sie ihren Willen bei der Organgesellschaft habe durchsetzen können. Der geschäftsführungsbefugte Komplementär der KG habe dem Geschäftsführer der GmbH Weisungen erteilen können, weil dieser Angestellter der KG gewesen sei und als solcher die ihm erteilten Weisungen habe ausführen müssen, "wenn er sich nicht der Verletzung seiner Dienstpflichten als Angestellter schuldig machen wollte". Die Befugnisse als Geschäftsführer der GmbH habe er aber nicht aus seinem Angestelltenverhältnis zur KG, sondern aus der Berufung durch Beschluß der GmbH-Gesellschafter abgeleitet. Die von der Geschäftsführung der KG ausgeschlossenen Kommanditisten hätten als GmbH-Gesellschafter den Geschäftsführer aus eigenem Recht jederzeit abberufen können. Dadurch hätte für sie die Möglichkeit bestanden, zu verhindern, daß die GmbH den Willen der Geschäftsführung der KG verwirklichen mußte. Diese Lage habe sich erst geändert, als die KG Geschäftsanteile an der GmbH im Betrage von 230 000 DM erworben habe.
2. Voraussetzung für die Anerkennung eines Organverhältnisses ist, daß eine Kapitalgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist. Im Mangel der organisatorischen Eingliederung sieht das FG die Ursache für das Fehlen einer finanziellen Eingliederung.
a) Die organisatorische Eingliederung kann nicht aus den Gründen des FG verneint werden. Das FG geht mit Recht davon aus, daß die organisatorische Eingliederung sicherstellen soll, daß in der Organgesellschaft der Wille des Organträgers durchgeführt wird. Das FG meint jedoch, es sei rechtlich nicht sichergestellt gewesen, daß die GmbH dem Willen der KG habe folgen müssen.
Damit verkennt das FG zunächst einmal, daß der Angestellte der KG nur kraft Gesellschafterbeschluß der beiden Kommanditisten in ihrer Eigenschaft als GmbH-Gesellschafter Geschäftsführer dieser GmbH geworden ist. Dies spricht dafür, daß der Wille der beiden Kommanditisten darauf gerichtet war, die GmbH in organisatorischer Abhängigkeit von der KG zu halten, deren Angestellter der zum Geschäftsführer Gewählte blieb. Für die organisatorische Eingliederung in die KG spricht auch -- was das FG festgestellt hat --, daß die GmbH keine eigenen Geschäftsräume und Betriebseinrichtungen hatte, daß ihre Aufgaben von den Angestellten der KG erledigt wurden und daß besondere Kosten für die Benutzung der Räume der KG, für Schreibarbeiten und Materialgestellung nicht berechnet wurden. Im Sinne einer organisatorischen Eingliederung ist es auch zu verstehen, daß der Geschäftsführer der GmbH gehalten war, sich vor Abschluß von Mietverträgen mit der Geschäftsführung der Klägerin in Verbindung zu setzen, daß er nicht selbständig Wohnungen vermieten durfte. Diese Bindung an die KG kann nicht, wie es das FG getan hat, damit erklärt werden, daß der Geschäftsführer der GmbH als Angestellter der KG den Weisungen des Gesellschafter-Geschäftsführers der KG habe Folge leisten müssen. Die Geschäftsführer der GmbH sind in erster Linie von den Gesellschaftern der GmbH abhängig, haben jedoch in Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes anzuwenden (§ 43 GmbHG; vgl. noch §§ 37, 41, 45, 64 GmbHG). Der Umstand, daß die beiden Kommanditisten in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der GmbH den Geschäftsführer jederzeit abberufen konnten (§ 38 GmbHG), wäre nur dann erheblich, wenn nicht aufgrund des im übrigen festgestellten Sachverhalts davon auszugehen wäre, daß die beiden Kommanditisten in ihrer Eigenschaft als alleinige Gesellschafter der GmbH ihre Rechtsmacht im Sinne einer organisatorischen Eingliederung der GmbH in die KG ausgeübt hätten.
b) Für das Merkmal der finanziellen Eingliederung ist in der bisherigen Rechtsprechung zum KStG und zum GewStG Unmittelbarkeit der Beteiligung gefordert worden (BFH-Urteil I 44/64 vom 26. April 1966, BFH 86, 88, BStBl III 1966, 376). Abweichend hiervon hat der IV. Senat des BFH im Urteil IV R 171/66 (a. a. O.) in einer Gewerbesteuer-Meßbetragssache im Falle einer KG als Organträger ausgesprochen, es sei nicht erforderlich, daß die Anteile an der Organgesellschaft zum Gesamthandsvermögen der KG gehörten; für die finanzielle Eingliederung der Kapitalgesellschaft in das Unternehmen der Personengesellschaft genüge in der Regel die Zugehörigkeit der Anteile -- die zivilrechtlich den beiden persönlich haftenden Gesellschaftern der KG gehörten -- zum steuerlichen Betriebsvermögen der Personengesellschaft jedenfalls dann, wenn die die Kapitalgesellschaft beherrschenden Gesellschafter auch einen besonderen Einfluß auf die Willensbildung der Personengesellschaft ausüben könnten.
c) Für den Streitfall kann offenbleiben, ob sich der Senat der Auffassung anschließen könnte, daß die steuerrechtliche Zuordnung der den Gesellschaftern der Personengesellschaften gehörenden Anteile an der Kapitalgesellschaft zum Betriebsvermögen der Personengesellschaft ein taugliches Kriterium für die finanzielle Eingliederung ist. Es könnte eingewandt werden, daß die mit den Worten "finanzielle Eingliederung" umschriebene Beherrschungsmacht nur durch das bürgerliche Recht, insbesondere das Gesellschaftsrecht, und nicht durch das Steuerrecht vermittelt werde; die steuerrechtliche Qualifikation als Betriebsvermögen der Gesellschaft, die vornehmlich für die steuerrechtliche Gewinnermittlung erheblich ist, vermittele nicht die für eine finanzielle Eingliederung erforderliche Herrschafts macht. Diese Frage bedarf indessen nicht der Vertiefung. Auch braucht die Ansicht des FG nicht überprüft zu werden, die den beiden Kommanditisten gehörigen GmbH-Anteile seien weder notwendiges noch gewillkürtes Betriebsvermögen der KG (vgl. hierzu das Urteil des BFH I R 230/70 vom 5. Juli 1972, BFHE 107, 108, BStBl II 1972, 928) gewesen. Den durch das Urteil IV R 171/66 (a. a. O.) entschiedenen Fall, in dem die Gesellschafter, die zusammen sämtliche Anteile an der Organgesellschaft hielten, auch als persönlich haftende Gesellschafter und Geschäftsführer der Kommanditgesellschaft deren Willensbildung maßgeblich beeinflußt haben, hätte der Senat in gleichem Sinne entschieden.
d) Die finanzielle Eingliederung der Kapitalgesellschaft in das Unternehmen einer Personengesellschaft (vgl. hierzu oben I) ist auch unter der Voraussetzung denkbar, daß die Anteile an der Kapitalgesellschaft nicht der Personengesellschaft, d. h. der Gesamthandsgemeinschaft der Gesellschafter, sondern einzelnen Gesellschaftern dieser Personengesellschaft gehören. Es ist möglich, daß die Gesellschafter der Personengesellschaft ihre Machtstellung, die sie kraft ihres hundertprozentigen Anteilsbesitzes an der Kapitalgesellschaft über die se ausüben können, in einer Weise in den Dienst der Personengesellschaft stellen, daß die Kapitalgesellschaft nur den Zwecken des von der Personengesellschaft betriebenen Unternehmens dient. Eine der durch unmittelbare Beteiligung der Personengesellschaft an der Kapitalgesellschaft vermittelten finanziellen Eingliederung vergleichbare Lage besteht dann, wenn die Gesellschafter, denen die Anteile an der Kapitalgesellschaft gehören, ihre Stellung als Gesellschafter der Kapitalgesellschaft im Interesse der Personengesellschaft ausüben und ihre Herrschaftsmacht als Gesellschafter der Kapitalgesellschaft der Personengesellschaft in der Weise gleichsam zur Verfügung stellen, daß diese den Einfluß auf das Unternehmen der Kapitalgesellschaft nehmen kann, den sonst nur die Gesellschafter ausüben können.
3. Da das FG die finanzielle Eingliederung zu Unrecht mit der Erwägung verneint hat, es fehle an einer organisatorischen Eingliederung, muß die angefochtene Entscheidung aufgehoben werden. Da die Sache nicht spruchreif ist, muß sie zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden. Aus diesem Anlaß wird das FG prüfen, ob Tatsachen vorliegen, die im Sinne der Ausführungen unter II 2d auf eine finanzielle Eingliederung schließen lassen. Ferner wird das FG die von seinem Standpunkt aus mit Recht unterlassene Prüfung nachholen, ob die GmbH in das Unternehmen der KG wirtschaftlich eingegliedert war. Sollten diese Voraussetzungen während des ganzen Veranlagungszeitraums 1963 erfüllt gewesen sein, wäre die Verlustübernahme aufgrund des Ergebnisabführungsvertrages vom 23. Dezember 1963 als betrieblicher Aufwand anzuerkennen (Urteile des BFH I 9/63 U vom 16. März 1965, BFH 82, 383, BStBl III 1965, 386; I R 110/68 vom 18. Juni 1969, BFH 96, 54, BStBl II 1969, 569).
Fundstellen
Haufe-Index 70368 |
BStBl II 1973, 383 |
BFHE 1973, 154 |