Leitsatz (amtlich)
Gehören die Nutzflächen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes beiden Ehegatten und wurde im Verfahren nach § 180 Abs.1 Nr.2 und Abs.3 AO 1977 die Frage der Allein- oder Mitunternehmerschaft noch nicht entschieden, so ist die Mitteilung nach § 141 Abs.2 AO 1977 rechtswirksam bekanntgegeben, wenn sie an denjenigen adressiert und bekanntgegeben wird, der (oder die) bei summarischer Prüfung prima facie als Unternehmer in Betracht kommt (oder in Betracht kommen).
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 1, § 141 Abs. 1-2, § 180 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 3
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Landwirtseheleute. In ihrem landwirtschaftlichen Betrieb werden Kartoffeln, Zuckerrüben und Getreide angebaut. Nach den unbestrittenen Feststellungen des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --FA--) bestehen an den landwirtschaftlich genutzten Flächen folgende Eigentumsverhältnisse:
Allein-Eigentum Ehemann 10.12.41 ha
Allein-Eigentum Ehefrau 9.46.80 ha
gemeinschaftliches Eigentum
der Eheleute zu je 1/2 8.35.31 ha
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27.94.52 ha.
Mit Verfügung vom 21.Mai 1981 forderte das FA die Kläger auf, ab 1.Juli 1981 Bücher zu führen, weil der Wirtschaftswert der von den Klägern selbst bewirtschafteten Flächen mehr als 40 000 DM betrage.
Mit der Beschwerde machten die Kläger dagegen geltend, der Betrieb werde allein von dem Kläger geführt. Die an beide Eheleute gerichtete Aufforderung sei aufzuheben, weil sie, die Kläger, landwirtschaftliche Flächen nicht gemeinsam in der Form einer Gesellschaft bewirtschafteten. Es liege keine Gesellschaft kraft stillschweigenden Verhaltens vor. Aus der Mitarbeit des Ehegatten könne keine Mitunternehmereigenschaft abgeleitet werden. Denn der Nichtunternehmerehegatte sei verpflichtet, im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft im Betrieb des Unternehmerehegatten tätig zu sein. Die Beschwerde wies die Oberfinanzdirektion (OFD) mit Entscheidung vom 11.Februar 1983 als unbegründet zurück. Bei einer zwischenzeitlich (1982) durchgeführten Betriebsprüfung hatte der Prüfer festgestellt, daß ausdrückliche Vereinbarungen über die Überlassung der im Eigentum der Klägerin befindlichen Grundstücke von den Klägern nicht getroffen worden seien. Jeder stelle seine Mitarbeit und die ihm allein und anteilsmäßig gehörenden Flächen zur gemeinschaftlichen Bewirtschaftung zur Verfügung. Durch dieses schlüssige Verhalten müsse von einer Mitunternehmerschaft ausgegangen werden. Die Einkünfte seien deshalb im Verhältnis der Eigentumsflächen (Kläger: 57,17 %, Klägerin: 48,83 %) einheitlich und gesondert festzustellen. Der Prüfer ermittelte die Gewinne für den Prüfungszeitraum 1977 bis 1979 nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FA folgte dieser Auffassung und erließ gemäß § 180 Abs.1 Nr.2 a der Abgabenordnung (AO 1977) einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellungsbescheide gegen die Kläger für die Veranlagungszeiträume 1977 bis 1980. Dagegen erhoben die Kläger Einsprüche, über die noch nicht entschieden ist.
Gegen die Beschwerdeentscheidung vom 11.Februar 1983 erhoben die Kläger Klage, mit der sie ihre Ausführungen in der Beschwerde im wesentlichen wiederholten.
Das FG gab der Klage statt.
Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Die Entscheidung des FG stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Mitunternehmerschaft von Ehegatten in der Land- und Forstwirtschaft (Urteile vom 10.Mai 1960 I 14/60 U, BFHE 71, 206, BStBl III 1960, 326; vom 27.Februar 1962 I 140/61 U, BFHE 74, 574, BStBl III 1962, 214; vom 7.Oktober 1982 IV R 186/79, BFHE 136, 537, BStBl II 1983, 73; vom 30.Juni 1983 IV R 206/80, BFHE 138, 561, BStBl II 1983, 636, und vom 25.April 1985 IV R 92/82, BFHE 143, 404, BStBl II 1985, 486).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen. Sie führen aus, Unternehmer sei, wer die Einkünfte erwirtschaftet habe, wer also Dispositionsbefugnis besitze und das Risiko trage (vgl. Herzig, Betriebs-Berater --BB-- 1986, 533 f.).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Wie der Senat im Urteil vom 23.Januar 1986 IV R 108/85 (BFHE 146, 332, BStBl II 1986, 539) entschieden hat, kann in den Fällen, in denen die land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen als die wesentlichen Grundlagen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes beiden Ehegatten gehören, im Verfahren nach § 141 Abs.2 AO 1977 nicht erstmalig und abschließend entschieden werden, ob zwischen den Ehegatten Mitunternehmerschaft besteht oder ob und welcher Ehegatte Alleinunternehmer ist. Für die Entscheidung dieser Frage ist ausschließlich das dafür geschaffene einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellungsverfahren nach § 180 Abs.1 Nr.2 a AO 1977 und in Fällen geringerer Bedeutung auch das Einkommensteuerveranlagungsverfahren vorgesehen.
In der Vergangenheit wurde bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben die Frage der Inhaber- oder Unternehmerschaft innerhalb der ehelichen Gemeinschaft zusammenveranlagter Ehegatten in sehr vielen Fällen sowohl von den Steuerpflichtigen selbst als auch vom FA vernachlässigt bzw. nicht ausdrücklich festgestellt, und zwar auch in den Fällen, in denen die Eigentumsverhältnisse und andere Umstände darauf hindeuten, daß der Ehemann nicht der Alleinunternehmer des Betriebes war. Überschritt ein solcher Betrieb eine der Buchführungsgrenzen nach § 141 Abs.1 AO 1977, so mußte das FA die Mitteilung nach § 141 Abs.2 AO 1977 erlassen, ohne daß entschieden war, wer der Unternehmer des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes war, und an wen daher der Verwaltungsakt zu adressieren war bzw. wem er bekanntzugeben war, um wirksam zu werden. Um diesem Zustand abzuhelfen, hat der Senat im Urteil in BFHE 146, 332, BStBl II 1986, 539 den Standpunkt vertreten, die Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht nach § 141 Abs.2 AO 1977 sei rechtswirksam, wenn sie demjenigen Ehegatten bekanntgegeben und an ihn adressiert wird, der gegenüber dem FA in den vorangegangenen gemeinsamen Steuererklärungen der Ehegatten --mit dem Einverständnis des anderen Ehegatten-- als Betriebsinhaber aufgetreten ist und die wirklichen Inhaber --das ist entweder der andere Ehegatte oder die beiden Ehegatten zusammen-- dem FA im zuständigen Verfahren (s. oben) weder bekanntgeworden noch von ihm festgestellt worden sind.
Im Streitfall führt diese Entscheidung deshalb zu keiner Lösung, weil nicht gesagt werden kann, einer der Kläger oder beide zusammen seien gegenüber dem FA stets als Unternehmer des Betriebs aufgetreten. Der spärliche Akteninhalt, auf den das FG Bezug nimmt, zeigt vielmehr, daß entsprechend der Verteilung des Grundeigentums auf beide Ehegatten sowohl die Klägerin (vgl. das Schreiben der Klägerin an das FA vom 19.Juni 1972, wonach sie eigene Grundstücke aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen entnommen hat) als auch der Kläger (vgl. einige Steuererklärungen) gegenüber dem FA als landwirtschaftlicher Unternehmer aufgetreten sind.
In solchen Zweifelsfällen hält der Senat die Mitteilung nach § 141 Abs.2 AO 1977 dann für rechtswirksam bekanntgegeben (§ 122 Abs.1 AO 1977), wenn sie an den oder die Ehegatten adressiert und entsprechend bekanntgegeben wurde, der oder die bei summarischer Prüfung prima facie als Unternehmer in Betracht kommen. Im Streitfall sind das beide Ehegatten als Mitunternehmer.
2. Wie der Senat zuletzt in den Urteilen vom 14.August 1986 IV R 248/84 und IV R 264/84 (BFHE 147, 438, 443, BStBl II 1987, 17, 20) ausgeführt hat, spricht für eine Mitunternehmerschaft zwischen Landwirtseheleuten, daß beide Eheleute in erheblichem Umfang durch eigene land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke und die originär dazugehörigen Nutzungsrechte hinsichtlich der Früchte des Grund und Bodens zum Betriebe beitragen und auch gemeinsam den landwirtschaftlichen Hof bewirtschaften, wobei die Art der beigetragenen Leistung sehr unterschiedlich sein kann. Falls keine besonderen Umstände dagegen sprechen, entspricht es dem Zusammenwirken der grundsätzlich gleichberechtigten Ehegatten, daß sie je zur Hälfte auch am Gewinn beteiligt sind.
Der nur für die Land- und Forstwirtschaft geltende Umstand, der dafür spricht, daß sich die Eheleute zu einer über die eheliche Lebensgemeinschaft hinausgehenden wirtschaftlichen Zweckgemeinschaft zusammengeschlossen haben, in der man zivilrechtlich ein Gesellschaftsverhältnis erblicken kann, liegt hier in der spezifischen Funktion des Grund und Bodens für die Land- und Forstwirtschaft, d.h. in der Funktion der landwirtschaftlichen Nutzflächen, deren Eigentum originär das Recht auf Ziehung und Aneignung ihrer natürlichen Früchte begründet, die als Ertrag die Grundlage einer jeden Land- und Forstwirtschaft darstellen und auf deren Produktion der land- und forstwirtschaftliche Betrieb beruht (vgl. §§ 99, 100, 953, 956 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Dadurch, daß die Früchte des Grund und Bodens die Grundlage der Land- und Forstwirtschaft darstellen und die Ziehung und Aneignung dieser Früchte als Nutzungsrecht originär mit dem Eigentum am Grund und Boden verbunden sind, spricht das Eigentum am land- und forstwirtschaftlich genutzten Grund und Boden prima facie für die Zurechnung der Ernte und damit des Gewinns oder Gewinnanteils, solange das Nutzungsrecht vom Eigentum nicht vertraglich abgespaltet ist.
In solchen Fällen kann die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses in der Regel nur durch den Nachweis widerlegt werden, daß der eine der beiden Ehepartner sein oben dargelegtes Nutzungsrecht an seinen eigenen, von den Eheleuten gemeinsam bewirtschafteten Grundstücken dem anderen Ehepartner durch einen entgeltlichen oder unentgeltlichen Vertrag, also durch einen Pachtvertrag, durch Einräumung eines dinglichen Nießbrauchsrechts oder durch einen sonstigen Nutzungsüberlassungsvertrag, der auch unter Fremden in der Land- und Forstwirtschaft möglich wäre, überlassen und damit auf seine Gewinnbeteiligung verzichtet hat.
Im Streitfall haben die Kläger unstreitig in erheblichem Umfang eigene land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen und die dazu gehörigen Nutzungsrechte in den Betrieb eingebracht und --im Ausmaß allerdings umstritten-- auch gemeinsam den landwirtschaftlichen Hof bewirtschaftet. Eine vertragliche Regelung, durch die die Klägerin die Nutzungsrechte an ihren Grundstücken dem Kläger unter Verzicht auf eine Gewinnbeteiligung übertragen hätte, wurde nicht festgestellt.
Danach konnte das FA bei der Mitteilung nach § 141 Abs.2 AO 1977 zumindest bei der hier ausreichenden summarischen Prüfung davon ausgehen, daß zwischen den Klägern 1981 eine Mitunternehmerschaft bestand und daher die Mitteilung an beide Ehegatten zu richten war.
Die Vorentscheidung, die von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen ist, war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1988, 238 |
BFHE 152, 13 |
BFHE 1988, 14 |
HFR 1988, 323 (LT1) |
WPg 1988, 296-296 |
StEL 1987, 15-18 (LT) |