Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Umsatzsteuerzahlungen des Organträgers aufgrund von Umsätzen der Organgesellschaft
Leitsatz (NV)
Leistet der "Organträger" aufgrund der abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen Umsatzsteuerzahlungen unter Angabe der eigenen Steuernummer, so sind diese Zahlungen auch dann auf seine Umsatzsteuerschulden anzurechnen und ggf. ihm zu erstatten, wenn die vorangemeldete Umsatzsteuer auf Umsätzen der Organgesellschaft beruht und sich später herausstellt, daß eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft nicht bestanden hat.
Normenkette
AO 1977 § 37 Abs. 2, § 218 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine Vermietungsfirma als Einzelunternehmen. Daneben war er Alleingesellschafter einer Bau-GmbH. Nachdem im August 1991 seine damalige steuerliche Beraterin dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) mitgeteilt hatte, daß der Kläger im Rahmen der Ausstattung der GmbH mit beweglichem Anlagevermögen Wirtschaftsgüter angeschafft habe, die an die GmbH vermietet worden seien, gingen die Beteiligten in der Folgezeit vom Vorliegen eines umsatzsteuer lichen Organschaftsverhältnisses aus. Dementsprechend wurden in den Umsatzsteuervoranmeldungen die Umsätze der GmbH nicht unter deren eigener Steuernummer, sondern unter der Steuernummer des Klägers erfaßt und abgerechnet. Die Umsatzsteuerzahlungen erfolgten durch die GmbH oder durch den Kläger. Als Tilgungsbestimmung wurde jeweils vermerkt: die Steuernummer des Klägers und Umsatzsteuer für den jeweiligen Zeitraum. Die Tilgung der Umsatzsteuerzahllast erfolgte jeweils durch Einreichung eines Schecks, der auf Bankkonten der GmbH gezogen war. Die Sollstellungen und Buchung der Zahlungen erfolgten auf dem Umsatzsteuerkonto des Klägers unter dessen Steuernummer. Mit seinem Einzelunternehmen tätigte der Kläger nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) in dem streitigen Zeitraum keine Umsätze.
Nach einem Konkursantrag der GmbH vertrat der nunmehrige steuerliche Berater und Prozeßbevollmächtigte des Klägers im August 1993 die Ansicht, daß keine umsatz steuerliche Organschaft bestehe. Dieser Auffassung schloß sich das FA nach einer Umsatzsteuersonderprüfung an. Für die Kalenderjahre 1991 bis 1993 wurden nunmehr die Umsätze der GmbH und des Klägers den Ermittlungen des Umsatzsteuersonderprüfers entsprechend aufgeteilt und danach die Sollstellungen nachvollzogen. Die geleisteten Zahlungen wurden entsprechend der Aufteilung der Umsätze dem Kläger und der GmbH zugeordnet.
Der Einspruch und die Klage des Klägers gegen einen ihm erteilten Abrechnungsbescheid, mit denen er vortrug, die Umsatzsteuerzahlungen seien ihm zuzurechnen, weil er immer bestimmt habe, daß die Beträge zur Tilgung von eigenen Steuerschulden verwandt werden sollten, blieben ohne Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus:
Der Kläger sei hinsichtlich der gezahlten Umsatzsteuerbeträge nicht Erstattungsberechtigter i. S. von § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Formal habe zwar entsprechend der Tilgungsbestimmung eine Steuerschuld des Klägers als Organträger getilgt werden sollen. Es sei aber unstreitig, daß die Zahlungen zur Tilgung solcher Umsatzsteuer dienen sollten, die aus den Umsätzen der GmbH resultierten; denn der Kläger habe unter Geltung des damals angenommenen Organschaftsverhältnisses selbst keine umsatzsteuerpflichtigen Umsätze getätigt. Die jeweilige Angabe der Steuernummer des Klägers bei den Tilgungsbestimmungen habe diese Zahlungen lediglich einem bestimmten Konto zugeordnet. Sie beinhalte aber nicht die Zweckbestimmung, die hier durch die Angabe der Steuerart und des Zeitraums zum Ausdruck gebracht werde.
Soweit der Kläger irrtümlich davon ausgegangen sei, eine eigene Umsatzsteuerschuld zu tilgen, handele es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Zwar werde mit der Angabe der Steuernummer (hier: des Klägers) im Grundsatz hinreichend deutlich gemacht, wessen Steuerschuld getilgt werden solle. Dies gelte aber dann nicht, wenn die Zah lungen im Beziehungsgeflecht einer angenommenen umsatzsteuerlichen Organschaft vorrangig zur Tilgung einer bestimmten Steuerschuld gedacht seien und erst später offenbar werde, daß eine Organschaft tatsächlich nicht bestanden habe. Hier sei auch der Umstand zu berücksichtigen, daß die Scheckbelastungen auf zwei Bankkonten der GmbH erfolgt seien, wenn es auch in der Regel für die Bestimmung des Erstattungsberechtigten ohne Belang sei, mit welchen Mitteln die Steuerschulden gezahlt würden.
Das FG hat die Revision wegen Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) mit der Begründung zugelassen, daß im vorliegenden Ausnahmefall für die Bestimmung des Erstattungsberechtigten bei der Frage, wessen Steuerschuld getilgt werden solle, nicht vorrangig auf die benannte Person bzw. das benannte Unternehmen, sondern -- nach Art einer Tilgungsbestimmung für den, den es angehe -- auf die zu tilgende Steuerschuld abzustellen sei.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, er habe bei den streitbefangenen Umsatzsteuervorauszahlungen durch die Angabe seiner eigenen Steuernummer und seines Namens als Steuerschuldner die Absicht zur Tilgung eigener Steuerschulden eindeutig zum Ausdruck gebracht. Auch aus der Tatsache, daß er in dem Zeitraum vom 27. März 1992 bis 10. Februar 1993 nicht Alleingesellschafter der GmbH gewesen sei, folge, daß er nicht die Umsatzsteuer dieser Gesellschaft habe zahlen wollen. Die Feststellung, daß er selbst (als Einzelunternehmer) keine Umsätze getätigt habe, sei unzutreffend. Da er erkennbar nur auf eigene Rechnung bezahlt habe, sei er Erstattungsberechtigter i. S. des § 37 Abs. 2 AO 1977; dabei sei es unerheblich, mit welchen Mitteln gezahlt worden sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung, den Abrechnungsbescheid dahin abzuändern, daß unter Berücksichtigung von Umsatzsteuerzahlungen von ... DM und der für diese Veranlagungszeiträume 1991--1993 festgesetzten Umsatzsteuer ein Gesamtguthaben in Höhe von ... DM zu seinen Gunsten festgesetzt wird.
Da FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es meint, die streitigen Zahlungen seien der GmbH zuzurechnen. Zwar habe mit ihnen formal die Steuerschuld des Klägers als Organträger getilgt werden sollen. Tatsächlich habe aber der Wille des Zahlenden nur darauf gerichtet sein können, die Steuerschuld für die Umsätze der GmbH zu tilgen, da der Kläger selbst keine Umsätze getätigt habe. Diese Tilgungsabsicht werde dadurch bestätigt, daß die Scheckbelastungen auf den Bankkonten der GmbH erfolgt seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Die Steuerzahlungen, die der Kläger in der Annahme des Bestehens eines Organschaftsverhältnisses geleistet hat, sind zur Tilgung der ihm gegenüber als Organträger vermeintlich bestehenden Umsatzsteuerschulden erbracht worden. Sie sind auf die (geringeren) Umsatzsteuerschulden des Klägers für die Streitjahre 1991 bis 1993 anzurechnen, die sich nunmehr für ihn als Einzelunternehmer eines Verpachtungsbetriebes ergeben haben, wodurch sich in Höhe der Überzahlungen ein Erstattungsanspruch des Klägers ergibt.
1. a) Nach § 37 Abs. 2 AO 1977 ist erstattungsberechtigt (Erstattungsgläubiger) derjenige, auf dessen Rechnung die ohne rechtlichen Grund geleistete Zahlung bewirkt worden ist. Das ist nach der Rechtsprechung des BFH nicht derjenige, auf dessen Kosten die Zahlung erfolgt ist. Es kommt also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen -- möglicherweise nur vermeintliche -- Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte (vgl. das auch vom FG zur Darlegung der Divergenz angeführte Urteil des Senats vom 25. Juli 1989 VII R 118/87, BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41; ebenso Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 37 AO 1977 Tz. 19, jeweils m. w. N.). Den Finanzbehörden wird damit nicht zugemutet, im Einzelfall die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Steuerschuldner und einem zahlenden Dritten daraufhin zu überprüfen, wer von ihnen -- im Innenverhältnis -- auf die zu erstattenden Beträge materiell-rechtlich einen Anspruch hat. Die vorstehenden Rechtsgrundsätze gelten auch für den Fall, daß mehrere Personen als Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 AO 1977) die überzahlte Steuer schuldeten; auch hier ist Erstattungsberechtigter der Gesamtschuldner, für dessen Rechnung gezahlt worden ist (BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41, 42). Nach denselben Grundsätzen, nach denen der Erstattungsgläubiger bestimmt wird, ist schließlich auch die -- wie im Streitfall der Erstattung regelmäßig vorausgehende -- Frage zu entscheiden, bei welchem von mehreren in Betracht kommenden Schuldnern eine geleistete Zahlung auf die Steuerschuld anzurechnen ist (vgl. Senatsurteil vom 4. April 1995 VII R 82/94, BFHE 177, 224, BStBl II 1995, 492 -- dort zur Frage der Anrechnung nach § 276 Abs. 6 AO 1977 auf die aufgeteilte Steuerschuld --).
b) Für den Streitfall folgt aus den vorstehenden Rechtsgrundsätzen -- wie auch das FG nicht verkannt hat --, daß die in den Jahren 1991 bis 1993 vom Kläger geleisteten Umsatzsteuerzahlungen allein auf die Umsatzsteuerschulden des Klägers anzurechnen und -- soweit sie diese nach den nunmehr vorliegenden Umsatzsteuerveranlagungen übersteigen -- gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 dem Kläger zu erstatten sind.
Bei den streitigen Zahlungen handelt es sich um Umsatzsteuervorauszahlungen, die während des Zeitraums (1991 bis 1993) geleistet wurden, in dem die Beteiligten übereinstimmend davon ausgegangen sind, daß zwischen dem Kläger und der von ihm beherrschten GmbH eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft in dem Sinne bestand, daß die GmbH als steuerlich unselbständige Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Klägers (Organträger) eingegliedert war (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes -- UStG --). Das Vorliegen einer Organgesellschaft hat materiall-rechtlich zur Folge, daß die Umsätze der Organgesellschaft, der die Unternehmereigenschaft fehlt (§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 UStG), bei dem Organträger erfaßt werden, Innenumsätze -- hier: die Vermietungsleistungen des Klägers an die GmbH -- aber nicht steuerbar sind. Entsprechend dieser vermeintlichen Rechtslage ist die Umsatzsteuer des Klägers und der GmbH in dem Zeitraum 1991 bis 1993 abgewickelt worden:
Umsatzsteuervoranmeldungen wurden nur vom Kläger als Unternehmer unter dessen Steuernummer abgegeben, ihnen lagen aber die Umsätze der GmbH als umsatzsteuerrechtlich unselbständige Organgesellschaft zugrunde. Damit war nach den abgegebenen Voranmeldungen allein der Kläger Steuerschuldner, und zwar auch für die Umsatzsteuer, die auf den Umsätzen der GmbH beruhte. Auch die Tilgung der Umsatzsteuerschuld entsprach der vermeintlichen Rechtslage, die in den Umsatzsteuervoranmeldungen als Steuerfestsetzungen gemäß § 168 AO 1977 ihren formellen Ausdruck gefunden hatte. Denn der Kläger leistete die jeweils ihm gegenüber festgesetzten und zum Soll gestellten Umsatzsteuervorauszahlungen unter Angabe seiner Steuernummer und -- nach dem Vorbringen der Revision -- seines Namens als Steuerschuldner. Mit dieser Tilgungsbestimmung hat der Kläger dem FA gegenüber zweifelsfrei erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß er mit den Zahlungen seine eigenen (vermeintlichen) Steuerschulden begleichen wollte. Daß die vom Kläger eingereichten Schecks auf Bankkonten der GmbH gezogen waren, ist unerheblich, weil es -- wie oben ausgeführt -- für die Bestimmung des Erstattungsgläubigers nicht darauf ankommt, auf wessen Kosten und mit welchen Mitteln gezahlt worden ist. Da somit die Umsatzsteuervorauszahlungen auf Rechnung des Klägers als des hier allein in Betracht kommenden Steuerschuldners bewirkt worden sind, sind sie auf seine Umsatzsteuerschulden anzurechnen. Der Kläger ist damit hinsichtlich der Überzahlungen, die sich gegenüber den später ohne Berücksichtigung eines Organschaftsverhältnisses ihm gegenüber durchgeführten Umsatzsteuerveranlagungen 1991 bis 1993 ergeben, gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 erstattungsberechtigt.
c) Daß die gegenüber dem Kläger mit den Umsatzsteuervoranmeldungen festgesetzten und von ihm bewirkten Umsatzsteuervorauszahlungen -- wie das FG festgestellt, der Kläger indes bestritten hat -- in vollem Umfang auf Umsätzen der GmbH beruhten, steht der Zurechnung der Tilgungsleistungen als solche des Klägers nicht entgegen. Für den Kläger selbst war die Zuordnung der Umsätze zu seiner Einzelfirma oder zu der von ihm beherrschten GmbH unerheblich, weil er aufgrund des vermeintlichen Organschaftsverhältnisses auf jeden Fall die daraus resultierende Umsatzsteuer als Unternehmer zu schulden glaubte. Entsprechendes gilt für das FA, demgegenüber die Tilgungsbestimmung des Klägers (Organträger) als Zahlung auf die eigene Steuerschuld verständlich erscheinen mußte. Wenn die vereinfachte Bestimmung des Anrechnungs- bzw. Erstattungsberechtigten bei mehreren Beteiligten gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 danach, wessen Steuerschuld nach dem erkennbaren Willen des Zahlenden getilgt werden sollte, dem FA die Prüfung zivilrechtlicher Fragen nach dem Innenverhältnis der Beteiligten generell ersparen soll (vgl. oben 1. a und Tipke/Kruse, a. a. O., § 37 AO 1977 Tz. 19), so muß dies erst recht dann angenommen werden, wenn dem FA -- wie hier -- auch nach seiner Rechtsauffassung nur ein Steuerschuldner gegenübersteht und dieser erkennbar die gegen ihn festgesetzten Steuern tilgen will. Das FA hatte also im Zeitpunkt der Zahlungen keinen Anlaß, Überlegungen darüber anzustellen, ob und inwieweit die vom Kläger geschuldete Umsatzsteuer auf Umsätzen seiner Einzelfirma oder solchen der GmbH beruhte und nach welchen Grundsätzen bei einer etwaigen späteren Nichtanerkennung des Organschaftsverhältnisses eine Anrechnung der geleisteten Zahlungen auf die Umsatzsteuerschulden der beiden nunmehr selbständigen Unternehmen erfolgen müßte.
Soweit das FG als im Streitfall maßgebliche Tilgungsbestimmung allein auf die vom Kläger bei der Zahlung angegebene Steuerart und den genannten Besteuerungszeitraum abstellt, während mit der Angabe der (eigenen) Steuernummer des Klägers die Zahlungen lediglich einem bestimmten Konto zugeordnet werden sollen, verkennt es, daß die Bestimmung des Anrechnungs- bzw. Erstattungsberechtigten gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 personenbezogen und hier erst mit der Angabe der Steuernummer zum Ausdruck gebracht worden ist, auf wessen Rechnung die Zahlungen bewirkt werden sollten. Die vom FG angenommene "Tilgungsbestimmung für den, den es angeht", kann jedenfalls nicht zu einer Veränderung der Zweckbestimmung der Zahlungen führen, wenn der Steuerschuldner, dessen Steuerschuld getilgt werden soll, aus den sonstigen Angaben eindeutig erkennbar ist. Wie auch im Schrifttum ausgeführt wird, bedarf es keiner Ausnahmen von dem Grundsatz, daß erstattungsberechtigt ist, wessen Steuerschuld nach dem erkennbaren Willen des Zahlenden getilgt werden soll (Tipke/Kruse, a. a. O., § 37 AO 1977 Tz. 19 a). Der erkennende Senat hat bereits im Urteil vom 18. September 1990 VII R 99/89 (BFHE 162, 279, BStBl II 1991, 47, 48) entschieden, daß es sachlich gerechtfertigt ist, die Frage nach dem Erstattungsberechtigten gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 allein nach dem formalen Gesichtspunkt zu beurteilen, für wessen Rechnung der zu erstattende Betrag gezahlt worden ist; für eine Berücksichtigung von Vorschriften des materiellen Steuerrechts -- z. B. (im dortigen Urteilsfall:) darüber, in welcher Person, von zwei Gesamtschuldnern der zur Erstattung führende Steuerermäßigungstatbestand verwirklicht worden ist -- bleibt danach kein Raum. An dieser formalen Betrachtungsweise, die allein auf die Steuerschuld und den Schuldner abstellt, hält der Senat auch für die Beurteilung des Streitfalles fest. Daß die vom Kläger gezahlte Umsatzsteuer jedenfalls im wesentlichen auf Umsätzen der GmbH beruht, muß deshalb für die Bestimmung des Anrechnungs- bzw. Erstattungsberechtigten außer Betracht bleiben, zumal die GmbH auch nach dem Organschaftsverhältnis, von dessen Bestehen die Beteiligten zu den hier maßgeblichen Zeitpunkten der Steuerzahlung ausgegangen sind, als eigenständige Steuerschuldnerin und damit Erstattungsberechtigte nicht in Betracht kam.
2. Die Zuordnung der streitigen Umsatzsteuerzahlungen zugunsten des Klägers steht auch mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur umsatzsteuerrecht lichen Organschaft und organschaftsähn lichen Verhältnissen und deren Rückabwicklung bei fehlerhafter Behandlung eines derartigen Verhältnisses im Einklang.
Zwar hat der V. Senat des BFH entschieden, daß dem Organträger nicht nur die Umsätze, sondern auch die Umsatzsteuerzahlungen der Organgesellschaft "irgendwie" zugerechnet (angerechnet) werden müßten, weil es rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechen würde, dieselben Umsätze doppelt zu besteuern (Urteil vom 16. Dezember 1965 V 82/60 S, BFHE 85, 250, BStBl III 1966, 300, 301, zum organschaftsähnlichen Verhältnis). Daraus ist weiter hergeleitet worden, daß eine etwaige Erstattungsforderung dem Organträger selbst dann zusteht, wenn die Organgesellschaft Umsatzsteuer aufgrund eines an sie gerichteten Umsatzsteuerbescheides gezahlt hat, sofern die Berufung der Organgesellschaft auf den Wegfall der Steuerschuld nach einer Aufhebung der Steuerfestsetzungsbescheide gegen Treu und Glauben verstoßen würde (BFH-Urteil vom 17. September 1981 V R 35/79, nicht veröffentlicht, und Beschluß vom 31. August 1987 V B 53/87, BFH/NV 1988, 201). Ferner hat der V. Senat des BFH für den Fall der Organschaft entschieden, es sei mit den Grundsätzen der Folgerichtigkeit steuerlichen Verhaltens und des gegenseitigen Vertrauens zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen nicht vereinbar, wenn ein Organträger über die Tochtergesellschaft den Wegfall der Steuerschuld bei dieser erkämpfe, der automatischen Erhöhung der eigenen Steuerschuld über einen Änderungsbescheid aber widerspreche (Urteil vom 7. Juli 1966 V 20/64, BFHE 86, 541, BStBl III 1966, 613).
Die vorstehenden Entscheidungen des V. Senats, die für die Frage der Anrechnung und Erstattung von Steuerzahlungen, die -- umgekehrt als im Streitfall -- von der Organgesellschaft gezahlt worden sind, eine gewisse (Mit-)Berücksichtigung der materiellen Rechtslage einschließlich der Grundsätze von Treu und Glauben vorsehen, sind indes -- wie der Senat bereits mit seinem Urteil vom 17. Januar 1995 VII R 28/94 (BFH/NV 1995, 580, 581) hervorgehoben hat -- nicht im Verfahren über Abrechnungsbescheide gemäß § 218 Abs. 2 AO 1977 ergangen. Für das Abrechnungsverfahren gemäß § 218 Abs. 2 AO 1977, in dem im Streitfall zu befinden ist, hat der Senat dagegen stets auf die formelle und nicht auf die materielle Rechtslage abgestellt, und zwar auch in den Fällen von Organschaft und organschaftsähnlichen Verhältnissen, bei denen wegen zunächst fehlerhafter Handhabung eine doppelte Steuerzahlung bzw. eine doppelte Steuererstattung in Betracht kam (Urteile des Senats vom 30. Oktober 1984 VII R 70/81, BFHE 142, 207, BStBl II 1985, 114 und in BFH/NV 1995, 580). Danach muß die Frage der Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheids -- hier: die Frage der Anrechnung bzw. Erstattung von Umsatzsteuerzahlungen -- nach der formellen Bescheidlage beurteilt werden, wie sie sich aufgrund der vorliegenden Verwaltungsakte und deren Verwirklichung durch Leistungen der Beteiligten ergibt und nicht nach einem Ergebnis, das etwa aus Gründen privatrechtlicher Beziehungen oder materieller Gerechtigkeit erstrebenswert erscheint.
Der Senat hat demgemäß entschieden, daß eine -- entgegen der materiellen Rechtslage (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) -- gegen eine Organgesellschaft festgesetzte und von dieser gezahlte Umsatzsteuer allenfalls dann auf die Umsatzsteuerschuld des Organträgers angerechnet werden kann, nachdem die Umsatzsteuerfestsetzungen gegenüber der Organgesellschaft aufgehoben worden sind (BFH/NV 1995, 580). Im Urteil in BFHE 142, 207, BStBl II 1985, 114 hat der erkennende Senat für organschaftsähnlich verbundene Personengesellschaften entschieden, daß sich die herrschende Gesellschaft auf ihren Umsatzsteuer-(Vorsteuer-)Erstattungsanspruch, der sich nach den gesamten Umsätzen des Organkreises ergab, die bereits (materiell-rechtlich zu Unrecht) an die beherrschte Gesellschaft ausgezahlte Umsatzsteuer nicht anrechnen lassen muß, sondern das FA diese Umsatzsteuer nach Aufhebung des entsprechenden Steuerbescheids von der beherrschten Gesellschaft zurückzufordern hat. Die Steuerbescheide seien hier ihrem formellen Inhalt gemäß zu vollziehen, indem die Erstattung an das beherrschte Unternehmen zurückgefordert werde und die festgesetzte Umsatzsteuererstattung an die Klägerin (herrschendes Unternehmen) zu leisten sei. Die hier drohende Gefahr einer doppelten Steuererstattung, weil die Rückforderung gegen das in Liquidation befindliche beherrschte Unternehmen möglicherweise nicht realisierbar sein würde, hatte nach den dortigen Ausführungen des Senats auf den vollen Erstattungsanspruch des herrschenden Unternehmens, dem ein bestandskräftiger Steuerbescheid zugrunde lag, keinen Einfluß.
Entsprechend der vorstehenden Entscheidung mußte auch im Streitfall -- allerdings in umgekehrter Hinsicht -- die Rückabwicklung der zu Unrecht angenommenen Organschaft in der Weise erfolgen, daß die auf die Umsätze der GmbH entfallende Umsatzsteuer 1991 bis 1993 gegen diese festgesetzt wurde und demgemäß von der GmbH zu zahlen sein wird, während die Umsatzsteueransprüche gegenüber dem Kläger mangels Vorliegen eines Organschaftsverhältnisses entsprechend niedriger festzusetzen waren. Der sich daraus ergebende Anrechnungs- bzw. Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 AO 1977) hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlungen, die vom Kläger nach den Gesamtumsätzen der angenommenen Organschaft vorangemeldet und von ihm entsprechend dieser Steuerfestsetzungen (§ 168 AO 1977) auch an das FA gezahlt worden sind, scheitert aber nicht daran, daß diese Umsatzsteuer nunmehr von der GmbH geschuldet wird und deren Realisierung wegen des von der GmbH gestellten Konkursantrages zweifelhaft ist. Wie sich aus dem Senatsurteil in BFHE 142, 207, BStBl II 1985, 114 ergibt, kann die Gefahr einer doppelten Steuererstattung bzw. der Nichtrealisierung einer Steuerforderung beim wirklichen Steuerschuldner die Anrechnung bzw. Erstattung, die sich nach der formellen Bescheidlage und den geleisteten Zahlungen zugunsten eines anderen Beteiligten ergibt, nicht hindern.
3. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, war sie aufzuheben. Die Sache ist aber nicht spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Das FG hat -- von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend -- keine Feststellungen zur Höhe der vom Kläger geltend gemachten Anrechnungs- und Erstattungsbeträge getroffen. Der Senat kann die im Klage- und Revisionsantrag geltend gemachten Beträge auf der Grundlage des angefochtenen Abrechnungsbescheids nicht lückenlos nachvollziehen, zumal dieser auch Umbuchungen auf andere Steuerarten beinhaltet und die Höhe der nunmehr gegen den Kläger als Einzelunternehmer festgesetzten Umsatzsteuerschulden nicht zweifelsfrei angibt. Das FG wird die erforderlichen Feststellungen nachzuholen und auf der Grundlage der Rechtsausführungen des Senats zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 421948 |
BFH/NV 1997, 537 |