Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb bei Verarbeitung von ,,Pachttrauben" zu Wein
Leitsatz (NV)
Ein Winzer ist land- und forstwirtschaftlich tätig, wenn er Trauben durch Bewirtschaftung nicht unbedeutender eigener Flächen erntet und sie zusammen mit anderen Trauben, die er als Entgelt für die Verpachtung von Weinbauflächen erwirbt, zu Wein verarbeitet.
Normenkette
EStG § 13 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine den Weinbau betreibende Ehegattengemeinschaft. Die Grundstücke des Weinguts - insgesamt 1,02 ha - gehörten zum Teil den Ehegatten gemeinsam und zum Teil der Ehefrau allein. Vom Grundbesitz waren 0,73 ha verpachtet; das Pachtentgelt bestand in der Lieferung von Trauben, die im Betrieb der Klägerin zu Wein verarbeitet wurden.
Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1976 erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) für das Jahr 1974 einen Gewerbesteuermeßbescheid gegen die von den Eheleuten als Mitunternehmer des Weinbaubetriebs gebildete Gemeinschaft. Dabei ging er davon aus, daß der Weinbaubetrieb ein Gewerbebetrieb sei, da durch den Bezug der als Naturalpacht gelieferten Weintrauben Fremderzeugnisse in einem steuerschädlichen Umfang zugekauft worden seien. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 567 veröffentlicht ist, gab der Klage statt. Es entschied, daß die Klägerin einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten habe und daß dem der Umstand nicht entgegenstehe, daß die Klägerin auch Wein veräußert habe, den sie aus den ihr als Naturalpacht überlassenen Weintrauben gewonnen habe.
Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin keinen Gewerbebetrieb, sondern einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten hat. Ein Gewerbebetrieb nach § 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) und § 1 der Gewerbesteuer - Durchführungsverordnung (GewStDV) liegt nicht vor, wenn die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft im Sinne des Einkommensteuerrechts anzusehen ist. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft auch die Einkünfte aus dem Betreiben von Weinbau. Unter Land- und Forstwirtschaft ist die Erzeugung pflanzlicher oder tierischer Produkte mit Hilfe von Naturkräften zu verstehen. Danach ist Weinbau die Herstellung von Trauben durch Bodenbewirtschaftung. Es ist aber allgemein anerkannt, daß zu ihm auch die Verarbeitung der Trauben zu Wein (Keltern, kellermäßige Behandlung) gehört (siehe z. B. Leingärtner / Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Rdnr. 57).
Veräußert der Steuerpflichtige in seinem Betrieb nicht nur selbstgewonnene landwirtschaftliche Produkte, sondern auch fremde Erzeugnisse, die er nachhaltig in einem nicht betrieblich notwendigen Umfang hinzugekauft hat, so liegen insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor (siehe z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Februar 1951 IV 250/50 U, BFHE 55, 171, BStBl III 1951, 65). Diese Grundsätze gelten auch für Weinbaubetriebe. Sie führen jedoch nicht dazu, daß im Streitfall die Tätigkeit der Klägerin als eine gewerbliche zu bewerten ist.
Fremde Produkte im genannten Sinne sind solche, die in einem fremden Betrieb im Wege des Erzeugungsprozesses durch Bodenbewirtschaftung gewonnen werden. Sie liegen nicht vor, wenn ein Winzer durch Bewirtschaftung nicht unbedeutender eigener Flächen Trauben erntet und diese zusammen mit solchen Trauben, die er als Entgelt für die Verpachtung von eigenen Weinanbauflächen erwirbt, zu Wein verarbeitet. Entscheidend dafür, daß in einem solchen Fall die gesamte Herstellung von Wein - also auch soweit ,,Pachttrauben" verwendet worden sind - eine landwirtschaftliche Tätigkeit i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellt, ist, daß der Winzer durch eine selbständige Bodenbewirtschaftung in nicht unbedeutendem Umfange Trauben erzeugt und damit landwirtschaftlich im eigentlichen Sinne tätig wird, daß weiter im Rahmen dieser Tätigkeit Grundbesitz zur Erzeugung von Trauben verpachtet wird (so daß also die Pachttrauben Betriebseinnahmen sind) und daß schließlich das Pachtentgelt in Trauben besteht, die im eigenen Betrieb zu Wein verarbeitet werden. Das Zusammenwirken dieser Tatumstände bewirkt, daß die Pachttrauben keine fremden Erzeugnisse sind und die Betätigung der Klägerin insgesamt als Weinbaubetrieb i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu beurteilen ist. Für diese Beurteilung spricht auch, daß die vorliegende vom FG festgestellte Sachverhaltsgestaltung wirtschaftlich weitgehend gleichwertig ist mit einem Anbau und einer Ernte der Weintrauben im Auftrag und für Rechnung der Grundeigentümer gegen ein Naturalentgelt in Form eines Teils der geernteten Trauben. Demgegenüber kann das FA nicht mit Erfolg einwenden, daß die Pachttrauben deshalb fremde Erzeugnisse sind, weil sie Eigentum des Pächters geworden seien und das Eigentum von ihm auf die Klägerin übertragen worden sei. Für die Beurteilung der Frage, ob fremde Erzeugnisse vorliegen, ist nicht die formalrechtliche Betrachtung maßgebend; vielmehr kommt es auf die wirtschaftliche Beurteilung der Gesamtumstände des Falles an. Schließlich stimmt dieses Ergebnis auch mit dem Wortsinn des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG insofern überein, als diese Vorschrift den Weinanbau als land- und forstwirtschaftlichen Betrieb normiert und damit die gesamte zur Herstellung von Wein erforderliche Tätigkeit - also auch das Mosten, Keltern und Lagern - als Teil einer land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit qualifiziert.
Nach diesen Grundsätzen ist die Tätigkeit der Klägerin als eine land- und forstwirtschaftliche i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG und nicht als Gewerbebetrieb anzusehen.
Diese Entscheidung steht auch nicht in Widerspruch zu dem zu § 24 des Umsatzsteuergesetzes 1967 (UStG 1967) ergangenen BFH-Urteil vom 21. Februar 1980 V R 113/73 (BFHE 131, 104, BStBl II 1980, 613), denn diesem Urteil lag ein in wesentlichen Punkten anderer Sachverhalt zugrunde. Es war in diesem Fall der gesamte Betrieb verpachtet worden, so daß der Steuerpflichtige selbst nicht unmittelbar Bodenbewirtschaftung betrieb; außerdem bestand das Pachtentgelt in der Lieferung von Wein und nicht in der Lieferung von Trauben. Der Steuerpflichtige hat also in dem vom V. Senat entschiedenen Fall in keiner Weise eine typisch land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt.
Fundstellen
Haufe-Index 61681 |
BFH/NV 1988, 85 |