Leitsatz (amtlich)
Ist ein gewerbliches Unternehmen an einer nicht gewerblichen Grundstücksgemeinschaft (Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) beteiligt und sind für die im Zusammenhang mit einem Neubau der Grundstücksgemeinschaft aufgenommenen Schulden Zinsen zu bezahlen, so können diese bei dem beteiligten Unternehmen anteilig Dauerschuldzinsen sein.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1 Nr. 1, §§ 7, 8 Nr. 1; EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, betreibt einen Schuhwareneinzelhandel. Sie ist zu 8/18 an einer Grundstücksgemeinschaft (Nachbargrundstück) beteiligt. Die Gemeinschaft - eine nicht gewerbliche Gesellschaft bürgerlichen Rechts - errichtete in den Jahren 1963 bis 1966 auf dem Grundstück ein Gebäude. Zur Finanzierung nahm sie eine Hypothek auf. Grundstück und Gebäude dienten nicht dem Schuhwareneinzelhandel der Klägerin; die Räumlichkeiten waren vielmehr fremdvermietet.
Die Klägerin bilanzierte zum 31. Dezember 1963 und zum 31. Dezember 1964 nur den anteiligen Wert des Grund und Bodens, nicht dagegen die anteiligen Neubaukosten und Wiederaufbauschulden. Bei einer im Jahre 1966 durchgeführten Betriebsprüfung beließ es der Prüfer für das Streitjahr 1964 bei dieser Handhabung. Der Neubau und die hierauf entfallenden Schulden wurden jedoch in die Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember 1965 anteilig aufgenommen.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) stellte für die Grundstücksgemeinschaft für 1964 einheitlich und gesondert Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung fest, die es zu 8/18 der Klägerin zuteilte. Die anteiligen Einkünfte waren um einen Betrag von 16 948 DM (anteilige Zinsen für die Wiederaufbauschulden) gemindert. Das FA behandelte den so ermittelten Anteil der Einkünfte bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags 1964 als Gewerbeertrag der Klägerin und die anteilig abgesetzten Zinsen als Dauerschuldzinsen. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG hielt in seiner in EFG 1973, 391, veröffentlichten Entscheidung die Hinzurechnung der anteiligen Zinsen für ungerechtfertigt. Die Grundstücksgemeinschaft sei - obwohl nicht der Gewerbesteuer unterliegend - gewerbesteuerrechtlich ein von der Klägerin zu sonderndes Steuersubjekt. Es verstoße gegen den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer, bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Klägerin Zinsen der Grundstücksgemeinschaft zu berücksichtigen. Nur der Ertrag aus der Beteiligung sei Teil des Gewerbeertrags.
Das FA rügt mit der Revision eine Verletzung des § 8 Nr. 1 GewStG und beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie ist mit dem FG der Auffassung, die Zinsen seien bei der Grundstücksgemeinschaft angefallen und hätten mit ihrem Betrieb nichts zu tun. Sie halte eine Beteiligung an der Grundstücksgemeinschaft. Dauerschuldzinsen könnten nur angenommen werden, sofern sie für den Erwerb der Anteile Kredite aufgenommen hätte.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
1. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags ist von dem nach den Vorschriften des EStG zu ermittelnden Gewinn aus Gewerbebetrieb auszugehen (§ 7 GewStG). Dem Gewinn sind u. a. wieder hinzuzurechnen Zinsen für Schulden, die wirtschaftlich mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen (Dauerschuldzinsen, § 8 Nr. 1 GewStG).
Zutreffend hat das FG angenommen, daß die Erträge aus der Grundstücksgemeinschaft - soweit sie auf die Klägerin entfallen - Teil des Gewinns der Klägerin aus Gewerbebetrieb und damit Gewerbeertrag sind. Zu Unrecht hat das FG aber den Dauerschuldcharakter der abgesetzten anteiligen Hypothekenzinsen verneint.
a) Der Gewinn aus Gewerbebetrieb, der Ausgangsgröße für die Errechnung des Gewerbeertrags darstellt, ist seinerseits wieder nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu ermitteln (§ 5 EStG). Das FG ist unwidersprochen davon ausgegangen, daß die Grundstücksgemeinschaft, an der die Klägerin beteiligt ist, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Gesamthandsgemeinschaft) sei. Die handelsrechtliche Literatur äußert sich zu der Frage, wie der an einer Gesamthandsgemeinschaft beteiligte Kaufmann zu bilanzieren hat, nicht eindeutig. Adler-Düring-Schmaltz (Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., § 151 Anm. 91) halten bei Gesamthandsgemeinschaften (außer OHG und KG) und bei Bruchteilsgemeinschaften den Ausweis der betreffenden Vermögenswerte unter Beteiligungen für "vertretbar". Mellerowicz (Aktiengesetz, Großkommentar, § 151 Anm. 34) hält im Zweifel das kaufmännische Ermessen für ausschlaggebend und spricht sich für die Aktivierung von Anteilen an Gesamthandsgemeinschaften unter der Bilanzposition "Beteiligung" aus. Wie der bilanzierende Kaufmann handelsrechtlich vorzugehen hat oder vorgehen darf (Aktivierung der Beteiligung oder anteiliger Ansatz der Wirtschaftsgüter der Gesamthandsgemeinschaft, an der die Beteiligung besteht), kann hier offenbleiben. In jedem Fall berühren die Schuldzinsen, die ihn infolge der Aufnahme einer Schuld der Gesamthandsgemeinschaft anteilig treffen, seinen Gewinn aus Gerwerbebetrieb. Es ist gleichgültig, ob diese Gewinnminderung dadurch eintritt, daß der Anteil des Beteiligten am Gewinn der Gesamthandsgemeinschaft um den auf ihn entfallenden Teil der Schuldzinsen verringert ist, oder ob die Minderung des Gewinns darauf zurückzuführen ist, daß er die Wirtschaftsgüter der Gesamthandsgemeinschaft anteilig in seiner Bilanz ausweist und die Schuldzinsen unmittelbar seine Verlust-oder Gewinnrechnung berühren.
b) Ob die Schuldzinsen im Streitfall der Klägerin oder der Gesamthandsgemeinschaft zuzurechnen sind, entscheidet sich allein nach gewerbesteuerrechtlichen Erwägungen. Die Schuldzinsen könnten der Klägerin nur dann nicht zugerechnet werden, wenn sie Teil des Gewerbeertrags eines anderen Gewerbesteuerobjekts im Sinne des § 2 GewStG wären. Das FG hat die Rechtslage verkannt, wenn es die Klägerin und die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (Grundstücksgemeinschaft) als zwei "Steuersubjekte" oder "Betriebe" einander gegenübergestellt und die Schuldzinsen der Grundstücksgemeinschaft zugeordnet hat. Losgelöst von der gewerbesteuerrechtlichen Qualifikation gibt es weder ein Steuersubjekt noch einen Betrieb. Übt die Grundstücksgemeinschaft - wie das FG unwidersprochen festgestellt hat - keine gewerbliche Tätigkeit aus, so ist sie kein Gewerbesteuerobjekt im Sinne des § 2 GewStG. Sie hat dann aber auch keinen Gewinn aus Gewerbebetrieb und keinen Gewerbeertrag im Sinne des § 7 GewStG. Infolgedessen können auch Schuldzinsen bei dieser Gesamthandsgemeinschaft nicht wieder nach § 8 Nr. 1 GewStG hinzugerechnet werden. Anders wäre es im Falle einer Beteiligung an einem anderen gewerblichen Unternehmen, z. B. an einer Personengesellschaft, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG selbst als Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes anzusehen wäre.
2. Der Senat ist nicht in der Lage, zugunsten des FA durchzuerkennen. Das FA hat als Gewinnanteil und als hinzuzurechnende anteilige Dauerschuldzinsen die Beträge angesetzt, die der einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Grundstücksgemeinschaft zugrunde liegen. Die Klägerin bezog indes in vollem Umfang - auch hinsichtlich des Grundstücksanteils - Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG). Das FG wird im Rahmen der Anträge der Beteiligten (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) den Gewinnanteil der Klägerin aus dem Grundstück nach den Grundsätzen der §§ 5, 6 EStG neu ermitteln und im Anschluß daran die anteilig abgesetzten und hinzuzurechnenden Dauerschuldzinsen berücksichtigen. Dem steht die "einheitliche" Feststellung der Einkünfte für die Grundstücksgemeinschaft nicht entgegen. Der Gewerbeertrag ist zwar nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermitteln, jedoch ohne Bindung an die Einkommensteuerveranlagung und die ihr vorangehenden Feststellungen.
Fundstellen
Haufe-Index 71389 |
BStBl II 1975, 516 |
BFHE 1975, 271 |