Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftliche Einheit im Bewertungsrecht

 

Leitsatz (NV)

1. Zum Begriff der wirtschaftlichen Einheit (§ 70 Abs. 1 i.V.m. § 2 BewG).

2. Bei Wohngrundstücken setzt die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit u. a. voraus, daß jede wirtschaftliche Einheit für sich veräußert werden kann.

3. Das Wohnungseigentum stellt entsprechend der Fiktion in § 93 Abs. 1 Satz 1 BewG erst dann eine wirtschaftliche Einheit dar und gilt als Grundstück i. S. des § 70 Abs. 1 BewG, wenn es als solches gebildet ist, wofür es nicht ausreicht, daß die Teilungserklärung des Eigentümers beurkundet ist.

 

Normenkette

BewG §§ 2, 70 Abs. 1, § 93 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Im Jahr 1963 errichteten die Kl. auf ihrem Grundstück ein Einfamilienhaus. Nachdem das FA im Jahre 1978 erfahren hatte, daß auf dem Grundstück noch ein weiteres Gebäude vorhanden war, forderte es die Kl. auf, eine Grundstücksbeschreibung abzugeben. In der im August 1979 abgegebenen Grundstücksbeschreibung schilderten die Kl. das sog. Hintergebäude dahingehend, daß es zwei Garagen sowie eine Parterrewohnung, bestehend aus zwei Zimmern mit Kochnische und Bad und im Dachgeschoß eine Wohnung mit einem Zimmer, einer Kammer, Kochnische und Dusche beinhalte. Sie erklärten, die Räume seien seit 1970 vermietet. Das FA nahm zum 1. Januar 1974 eine Wert- und Artfortschreibung vor. Es stellte nunmehr die Grundstücksart Mietwohngrundstück und den Einheitswert auf . . . DM fest. Dieser Fortschreibungsbescheid vom 29. November 1979 wurde nicht angefochten.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 1980 beantragten die Kl., auf den 1. Januar 1975 eine Artfortschreibung vorzunehmen und die Grundstücksart Einfamilienhaus festzustellen. Das Grundstück habe nämlich nach der Verkehrsauffassung den Charakter eines Einfamilienhauses. Zwar befänden sich auf dem Grundstück zwei Gebäude, doch sei neben dem Einfamilienhaus nur ein zu ihm gehörendes weiteres Wirtschaftsgebäude vorhanden. Wegen einer Erkrankung der Klin. habe man zwei kleine Wohnungen für möglicherweise notwendig werdende Haus- und Pflegepersonen geschaffen. Vorab habe man durch Vermietung einen Teil der Baukosten finanzieren wollen.

Mit Bescheid vom 17. Februar 1981 lehnte das FA die Vornahme der Artfortschreibung ab, weil auf dem Grundstück drei Wohnungen vorhanden seien.

Gegen diesen Ablehnungsbescheid haben die Kl. Einspruch eingelegt. Auf Anfrage des FA hat der Bürgermeister am 30. April 1981 mitgeteilt, einem evtl. Teilungsantrag hinsichtlich des Grundstücks werde die Gemeinde ihr Einverständnis versagen. Aus einem Schreiben der Gemeinde an den Landrat vom gleichen Tage geht hervor, daß das sog. Hinterhaus nur als Lagerraum bzw. Garage genutzt werden darf und eine von den Kl. begehrte Nutzungsänderung am 18. Januar 1972 von der Bauaufsichtsbehörde abgelehnt worden ist. Den Kl. sei mit Verfügungen des Kreises vom 11. August und 6. Oktober 1972 die Nutzung als Wohnraum untersagt worden. In einem Schreiben vom 11. Juni 1981 untersagte der Bürgermeister der Gemeinde als Bauaufsichtsbehörde den Kl. erneut die Nutzung des Hintergebäudes zu Wohnzwecken und drohte Zwangsgeld an. Mit Schreiben vom 9. Juli 1981 teilte der Landrat dem FA mit, eine Realteilung des Grundstückes könne nicht genehmigt werden.

Die Kl. beantragten im Einspruchsverfahren, entweder nach den tatsächlichen Verhältnissen zum 1. Januar 1975 vom Vorhandensein zweier wirtschaftlicher Einheiten, nämlich eines Ein- und eines Zweifamilienhauses auszugehen oder entsprechend der Auffassung des Bürgermeisters die Artfortschreibung zum Einfamilienhaus für das ganze Grundstück vorzunehmen. Das FA hat den Einspruch zurückgewiesen, und zwar hinsichtlich beider Anträge.

Mit der Klage beantragen die Kl., den ablehnenden Verwaltungsakt vom 17. Februar 1981 sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, zwei Einheitswertbescheide zu erlassen, hilfsweise die Artfortschreibung zum Einfamilienhaus vorzunehmen. Das FG hat die Klage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgen die Kl. ihr Klagebegehren im Hauptantrag weiter. Sie rügen Verletzung von § 2 BewG und tragen in diesem Zusammenhang vor, man würde leicht einen Käufer für eines der beiden Objekte finden, wobei es Schwierigkeiten ,,bei der Beurkundung des Teileigentums" nicht gäbe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kl. ist unbegründet.

Nach § 70 Abs. 1 BewG bildet jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ein Grundstück im Sinne des Gesetzes. Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, bestimmt sich nach § 2 Abs. 1 Satz 3 BewG nach den Anschauungen des Verkehrs, wobei die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen ist (§ 2 Abs. 1 Satz 4 BewG). Ausschlaggebend sind damit sowohl objektive wie subjektive Merkmale. Stehen subjektive Merkmale, wie z. B. die Zweckbestimmung, im Widerspruch zu objektiven Merkmalen, wie zur örtlichen Gewohnheit, so sind die objektiven Merkmale entscheidend (BFH-Urteil vom 15. Juni 1983 III R 40/82, BFHE 139, 201, BStBl II 1983, 752).

Darüber hinaus setzt die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit bei Wohngrundstücken voraus, daß jede wirtschaftliche Einheit für sich veräußert werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 1983 III R 81/82, BFHE 138, 468, BStBl II 1983, 552 m.w.N.).

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß infolge öffentlich-rechtlicher Hindernisse eine Realteilung des Grundstücks und damit die Einzelveräußerung von Grundstücksteilen mit jeweils einem aufstehenden Gebäude nicht möglich war. Damit stand der Zweckbestimmung, die die Kl. den einzelnen Teilen ihres Grundstücks zugemessen haben, die wesentlich vom Bauordnungs- und Bauplanungsrecht bestimmte örtliche Gewohnheit (vgl. die Entscheidung in BFHE 138, 468, BStBl II 1983, 552) als objektives Merkmal entgegen. Die fehlende Einzelveräußerlichkeit von Grundstücksteilen kann auch nicht um deswillen unbeachtlich bleiben, weil ggf. die Möglichkeit der Begründung von Sondereigentum nach dem WEG bestünde. Denn das Wohnungseigentum bildet entsprechend der Fiktion in § 93 Abs. 1 Satz 1 BewG erst dann eine wirtschaftliche Einheit und gilt als Grundstück i. S. des § 70 Abs. 1 BewG, wenn es als solches gebildet ist, wofür es nicht einmal ausreichen würde, daß die Teilungserklärung des Eigentümers (§ 8 WEG) beurkundet ist (vgl. Senatsurteil vom 18. September 1985 II R 232/84, BFHE 144, 454, BStBl II 1985, 705).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414575

BFH/NV 1987, 566

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