Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersetzung einer Prüfungsanordnung
Leitsatz (NV)
1. Hat sich eine Streitsache bereits vor Klageerhebung erledigt, weil an die Stelle der angefochtenen Prüfungsanordnung eine andere Prüfungsanordnung getreten ist, die nicht Gegenstand des Verfahrens ist, so ist die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig.
2. Ist eine Klage von Anfang an unzulässig, so kann sich der Rechtsstreit nicht durch ein nachträgliches Ereignis in der Hauptsache erledigen.
Normenkette
AO 1977 § 193; FGO § 40 Abs. 2, § 138
Verfahrensgang
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau in den Jahren 1974 bis 1979 durch den An- und Verkauf von Grundstücken gewerbliche Einkünfte erzielt haben.
Durch zwei gesonderte Prüfungsanordnungen vom 11. Juni 1982, die an ,,Herrn H. B." und an ,,Frau E. B." gerichtet waren, ordnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zur Prüfung von ,,Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer 1974 bis 1979" sowie von ,,Vermögensteuer und Einheitswert des Betriebsvermögens 1. 1. 1974 bis 1. 1. 1980" die Durchführung einer steuerlichen Betriebsprüfung an. Durch eine dritte Prüfungsanordnung vom selben Tag an ,,Herrn und Frau H. B. für die Firma B.-GbR Grundstücks- und Kreditgeschäfte" wurde eine Betriebsprüfung bei den Eheleuten zur Prüfung von ,,Gewinnfeststellungen, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer 1974 bis 1979 und Einheitswert des Betriebsvermögens 1. 1. 1974 bis 1. 1. 1980" angeordnet. Die Prüfungsanordnungen waren auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützt. Hiergegen legten der Kläger und seine Ehefrau mit Schreiben vom 22. Juni 1982 Beschwerde ein mit dem Hinweis, daß sie keine gewerblichen, land- und forstwirtschaftlichen oder freiberuflichen Einkünfte erzielten. Eine Firma B.-GbR sei ihnen nicht bekannt.
Durch Beschwerdeentscheidung vom 12. Juli 1982 wies die Oberfinanzdirektion (OFD) die Beschwerde der ,,Eheleute H. und E. B." gegen die ,,Verfügung des Finanzamts vom 11. 6. 1982 wegen Anordnungen von Außenprüfungen" zurück. Die Beschwerde gegen die ,,gesonderten Prüfungsanordnungen" sei unbegründet. Die Prüfungsanordnungen würden auch auf § 193 Abs. 2 AO 1977 gestützt. Nach Aktenlage unterhielten der Kläger und seine Ehefrau einen gewerblichen Grundstückshandel und tätigten Kreditgeschäfte. Eine Überprüfung an Amts Stelle erscheine unzweckmäßig.
Gegen die Prüfungsanordnungen vom 11. Juni 1982 in Gestalt der Beschwerdeentscheidung vom 12. Juli 1982 haben der Kläger und seine Ehefrau am 12. August 1982 Klage erhoben. Das Verfahren des Klägers ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Mit zwei gesonderten Prüfungsanordnungen vom 4. August 1982 an ,,Herrn H. B." und ,,Frau E. B." ordnete das FA eine Betriebsprüfung wegen ,,Einkommensteuer 1974 bis 1979" und ,,Vermögensteuer 1. 1. 1974 bis 1. 1. 1980" bei dem Kläger und bei dessen Ehefrau mit dem Zusatz an, die Prüfungsanordnungen vom 11. Juni 1982, die weiterhin bestehenblieben, würden auch auf § 193 Abs. 2 AO 1977 gestützt.
Dagegen erhoben der Kläger und seine Ehefrau mit Schreiben vom 11. August 1982 Beschwerde mit der Begründung, mangels Aufbewahrungspflicht würden sich Schwierigkeiten beim Auffinden der Belege - z. B. der Zinsbescheinigungen - ergeben, so daß es zweckmäßig erscheine, die Eheleute B. beschafften die anzufordernden Belege und legten sie an Amts Stelle vor.
Mit einem an die ,,Eheleute H. und E. B." gerichteten Schreiben vom 31. August 1982 nahm die OFD die Beschwerdeentscheidung vom 12. Juli 1982 zurück. Die Entscheidung, die nur die Firma B.-GbR - Grundstücks- und Kreditgeschäfte - betreffe, sei nach dem Rubrum nicht an die Firma, sondern an die Eheleute B. gerichtet.
Durch drei gesonderte Beschwerdeentscheidungen vom selben Tag wies die OFD die Beschwerde des Klägers ,,vom 22. 6. und 11. 8. 1982" gegen die ,,Verfügungen des Finanzamts vom 11. 6. und 4. 8. 1982 wegen Anordnung einer Außenprüfung", die Beschwerde der Ehefrau des Klägers ,,vom 22. 6. und 11. 8. 1982" gegen die ,,Verfügungen des Finanzamts vom 11. 6. und 4. 8. 1982 wegen Anordnung einer Außenprüfung" sowie die Beschwerde des Klägers und seiner Ehefrau für die ,,Firma B.-GbR - Grundstücks- und Kreditgeschäfte -" vom ,,22. 6. 1982" gegen die ,,Verfügung des Finanzamts vom 11. 6. 1982 wegen Anordnung einer Außenprüfung" zurück.
Gegen die Prüfungsanordnung vom ,,4. 8. 1982" in Gestalt der Beschwerdeentscheidung vom 31. August 1982 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 30. September 1982 Klage erhoben. Dieses Verfahren ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Mit der Klage vom 12. August 1982 hat der Kläger zunächst die Feststellung der Nichtigkeit der Prüfungsanordnung vom 11. Juni 1982 und hilfsweise die Aufhebung dieser Prüfungsanordnung beantragt. Danach machte der Kläger geltend, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Da sich die Rücknahmeerklärung der OFD vom 31. August 1982 auf die Beschwerdeentscheidung als ganze beziehe, die Beschwerdeentscheidung aber auch die Beschwerde des Klägers zurückweise, sei auch die anhängige Klage betroffen.
Der Kläger beantragte in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG), die Erledigung der Hauptsache festzustellen und hilfsweise die Prüfungsanordnung vom 11. Juni 1982 aufzuheben.
Das FG wies die Klage ab.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt (sinngemäß), die Vorentscheidung aufzuheben und die Erledigung des Rechtsstreits festzustellen, hilfsweise die Prüfungsanordnung vom 11. Juni 1982 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet mit der Maßgabe, daß die Klage unzulässig ist.
1. Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Klägers zutrifft, mit der Zurücknahme der Beschwerdeentscheidung vom 12. Juli 1982 durch das Schreiben der OFD vom 31. August 1982 habe sich das Klageverfahren in der Hauptsache erledigt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. November 1968 IV B 43/68, BFHE 94, 182, BStBl II 1969, 113). Der Kläger konnte das mit seiner vor dem FG abgegebenen (einseitigen) Erledigungserklärung angestrebte Ziel nicht erreichen, da die Klage nicht zulässig erhoben worden ist (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1977 VII R 123/74, BFHE 122, 443, BStBl II 1977, 697; vom 30. April 1980 VII R 94/74, BFHE 130, 480, BStBl II 1980, 588).
2. Die Klage ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die Streitsache (Prüfungsanordnung vom 11. Juni 1982) hatte sich bereits vor der Klageerhebung am 12. August 1982 durch die Prüfungsanordnung vom 4. August 1982 erledigt (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1976 I R 154/74, BFHE 119, 219, BStBl II 1976, 785; Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 1978, § 72 Anm. 40). Diese Erledigung ist eingetreten, weil an die Stelle der angefochtenen Prüfungsanordnung vom 11. Juni 1982 die Prüfungsanordnung vom 4. August 1982 getreten ist (vgl. Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 196 AO 1977 Anm. 255 ,,Ersetzungsanordnung"), die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
3. Nach der Prüfungsanordnung vom 11. Juni 1982 sollte beim Kläger eine auf § 193 Abs. 1 AO 1977 gestützte Außenprüfung durchgeführt werden. Mit Verwaltungsakt vom 4. August 1982 ordnete das FA (erneut) eine Außenprüfung an; als Rechtsgrundlage wurde § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 genannt. Ferner wurde der Hinweis angebracht, daß damit die Prüfungsanordnung vom 11. Juni 1982 auch auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 gestützt werden sollte. Daraus folgt, daß das FA die Prüfungsanordnung vom 4. August 1982 alternativ auf § 193 Abs. 1 und § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 gestützt hat (vgl. Schick, a. a. O., § 193 AO 1977 Anm. 81). Die Prüfungsanordnung vom 11. Juni 1982 wurde durch die Anordnung vom 4. August 1982 ersetzt (vgl. auch BFH-Urteil vom 22. Mai 1979 VIII R 218/78, BFHE 128, 314, BStBl II 1979, 741).
4. Es kann dahinstehen, ob die Prüfungsanordnung vom 11. Juni 1982 im Wege einer nachträglichen Begründung auch auf die Rechtsgrundlage des § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 hätte gestützt werden können. Dies hat das FA nicht getan. Vielmehr hat das FA mit der Prüfungsanordnung vom 4. August 1982 eine neue Sachentscheidung getroffen. Dafür spricht sowohl die Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 10. Oktober 1961 VI C 123.59, BVerwGE 13, 99, 103) als auch das verwendete amtliche Formular für die Anordnung einer Außenprüfung (vgl. BVerwG-Urteil vom 11. Dezember 1963 V C 91.62, BVerwGE 17, 256, 258). Das FA hat auch eine inhaltliche Änderung vorgenommen; die Prüfungsanordnung vom 4. August 1982 bezieht sich anders als die Prüfungsanordnung vom 11. Juni 1982 nicht mehr auf die Gewerbesteuer, Umsatzsteuer und den Einheitswert des Betriebsvermögens.
Fundstellen
Haufe-Index 414382 |
BFH/NV 1987, 176 |