Leitsatz (amtlich)
Unterläßt eine GmbH trotz eigenen Kapitalbedarfs die Einforderung des noch ausstehenden Teiles der Stammeinlage ihrer Gesellschafter, so liegt darin in der Regel auch dann keine verdeckte Gewinnausschüttung, wenn sie für hereingenommene Fremdmittel Zinsen aufwendet.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob eine GmbH ihren Gesellschaftern dadurch verdeckt Gewinne ausschüttet, daß sie trotz eigenen Kapitalbedarfs ohne Berechnung von Zinsen die noch ausstehenden Leistungen ihrer Gesellschafter auf deren Stammeinlagen nicht einfordert.
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) ist eine GmbH mit mehr als 250 Gesellschaftern. Nach ihrer Satzung sind von jedem Gesellschafter 25 v. H. des übernommenen Stammkapitalanteils sofort einzuzahlen. Die Einzahlung des Restbetrags unterliegt der Beschlußfassung der Gesellschafterversammlung. Entsprechende Beschlüsse sind während der Streitjahre 1956 bis 1958 von der Gesellschafterversammlung nicht gefaßt worden. Die erwirtschafteten Gewinne werden nach der Satzung mit 5 v. H., nach abweichenden Beschlüssen der Gesellschafterversammlung mit 6 v. H. des eingezahlten Stammkapitals ausgeschüttet und auf das noch nicht eingezahlte Stammkapital verrechnet. Der restliche Gewinn ist nach der Satzung den Reserven zuzuführen.
Der Revisionskläger (das FA) sah in der Zinsfreistellung der Forderungen der Steuerpflichtigen gegenüber ihren Gesellschaftern auf Einzahlung des noch ausstehenden Stammkapitals bei Aufnahme von Fremdmitteln und erheblichen Zinsaufwendungen eine verdeckte Gewinnausschüttung. Die Schuldner hätten als Gesellschafter der Steuerpflichtigen auf die Einforderung des noch ausstehenden Stammkapitals entscheidenden Einfluß nehmen können. Sie hätten mit den nicht eingezahlten Geldern gearbeitet oder mangels entsprechender eigener Mittel Schuldzinsen erspart. Als Wert dieses Vorteils seien die von der Steuerpflichtigen gezahlten Schuldzinsen anzusehen, die sie bei Einforderung des ausstehenden Stammkapitals erspart haben würde, rechnerisch ermittelt mit 7 v. H. der bei voller Einzahlung des Stammkapitals ersparten Fremdzinsen. Das FA erließ deshalb am 2. August 1961 gemäß § 67 Abs. 1 der Zweiten EStDV Saar gegen die Steuerpflichtige einen Kapitalertragsteuer-Haftungsbescheid, mit dem es sie für die weder angemeldete noch abgeführte Kapitalertragsteuer auf ersparte Zinsen der Jahre 1956 bis 1958 in Anspruch nahm.
Die Sprungberufung der Steuerpflichtigen führte zur Aufhebung des Haftungsbescheids. Das FG führte aus:
Verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne des § 6 Abs. 2 KStG Saar und des § 19 Abs. 1 der Zweiten KStDV Saar seien Entgelte, geldwerte Sachen oder Leistungen, die einem Gesellschafter aufgrund des besonderen gesellschaftsrechtlichen Verhältnisses neben den in § 27 Abs. 1 Nr. 1 EStG Saar bezeichneten Einkünften gewährt worden seien, die das Geschäftsergebnis der Gesellschaft in dem betroffenen Wirtschaftsjahr gemindert hätten und die der Gesellschaft fremd gegenüberstehenden Personen nicht zugewendet worden wären. Diese Begriffsbestimmung der verdeckten Gewinnausschüttung sei im vorliegenden Streitfall nicht erfüllt. Eine Pflicht zur Einforderung des über den für die Anmeldung der GmbH zum Handelsregister erforderlichen Mindesteinzahlungsbetrag von 25 v. H. hinaus ausstehenden Stammkapitals bestehe nicht; vielmehr können die Einforderung nach § 46 Nr. 2 GmbHG einem Beschluß der Gesellschafterversammlung vorbehalten werden.
Der vom FA angezogenen Auffassung von Mittelbach (Rundschau für GmbH 1960 S. 10) können nicht beigetreten werden. Dieser Auffassung zufolge sei der Verzicht der Gesellschaft auf die Einforderung trotz eigenen Kapitalbedarfs, sichtbar gemacht durch die Aufnahme verzinslicher Fremdkredite, nur auf Gründe in der Person ihrer Gesellschafter zurückzuführen; die Gesellschaft habe einen Rohgewinn erzielt, der nur deshalb nicht Reinertrag geworden sei, weil sie anstelle des nicht eingeforderten Stammkapitals Fremdkapital habe einsetzen und verzinsen müssen; sie habe somit in Höhe ihrer Zinsaufwendungen im Interesse der Gesellschafter Rohgewinn verwendet und damit ihren Gesellschaftern eine verdeckte Gewinnausschüttung gewährt. Dieser Auffassung gegenüber sei zunächst festzuhalten, daß die Gesellschafter nach § 29 Abs. 1 GmbHG Anspruch auf den bilanzmäßig ausgewiesenen Reingewinn hätten, daß es aber nur schwer verständlich sei, wie die Gesellschaft im Interesse ihrer Gesellschafter über den Rohgewinn verfügen und ihnen dadurch eine verdeckte Gewinnausschüttung gewähren könne. Denn da der Bilanzgewinn den Gesellschaftern gehöre, könne ein von der Gesellschaft betriebener Zinsaufwand nur dann eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen, wenn er den Gesellschaftern selbst zugute komme. Gerade das aber sei bei Zinszahlungen an dritte Personen (Fremdgläubiger) nicht der Fall. Aber auch die Auffassung, daß die Gesellschafter infolge der Nichteinforderung des noch ausstehenden Stammkapitals entsprechende Mittel selbst wirtschaftlich nutzen könnten, daß die Gesellschaft hier sozusagen ihr eigenes Kapital ihren Gesellschaftern zur Nutzung überlasse, begründe in Höhe geschäftsüblicher Zinsen keine verdeckte Gewinnausschüttung. Denn diese Auffassung verkenne den Unterschied zwischen einer gewöhnlichen Forderung und der Forderung auf die Einzahlung einer noch ausstehenden Stammeinlage. Im Gegensatz zur erstgenannten Forderung liege in Ansehung der zweitgenannten kein echter Leistungsrückstand vor; vielmehr werde ein solcher erst durch die Einforderung begründet.
Hiergegen richtet sich die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde des FA. Es ist der Ansicht, daß das Stammkapital der Gesellschaft bereits vor Einforderung der noch ausstehenden Leistungen auf die Stammeinlage eine echte Forderung der Gesellschaft gegen die Gesellschafter begründe. Das mache auch der Bilanzausweis dieses Postens deutlich. Deshalb überlasse die Gesellschaft bei noch ausstehendem Stammkapital ihren Gesellschaftern zinslos Teile ihres Vermögens. Diese Überlassung stelle im Fall der Aufnahme verzinslicher Fremdmittel in Höhe der Zinsaufwendungen der Gesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung dar.
Dritten gegenüber würde die Gesellschaft nicht derart verfahren, daß sie - wie hier die Steuerpflichtige im Interesse ihrer Gesellschafter - bei eigenem Kapitalbedarf auf die Einforderung verzichte und durch eigene Zinsaufwendungen ihren Schuldnern Aufwendungen erspare. Darum laufe gerade in diesem Fall die Zahlung von Fremdzinsen den Interessen der Gesellschafter nicht entgegen und komme sie ihnen - im Sinne der Ausführungen des FG - unmittelbar zugute.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Anmeldung einer GmbH zum Handelsregister setzt voraus, daß die auf das Stammkapital übernommenen Einlagen durch die Gesellschafter zu einem Viertel (mindestens mit 250 DM) erbracht worden sind und der Gesellschaft zur freien Verfügung stehen (§§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 GmbHG). Da das Stammkapital der Gesellschaft auf der Passivseite der Bilanz in voller Höhe ausgewiesen wird und da sich der Nennbetrag des Geschäftsanteils eines jeden Gesellschafters nach dem Betrag der übernommenen Einlage auf das Stammkapital und nicht nach dem Betrag des erbrachten Teils (in der Regel eines Viertels) der Einlage richtet, müssen die noch ausstehenden Beträge auf die von den Gesellschaftern übernommenen Einlagen notwendig auf der Aktivseite als Forderungen gegenüber den Gesellschaftern ausgewiesen werden (§§ 14, 42 Nr. 1 GmbHG). Die Einforderung der übernommenen Stammeinlage - sei es von vornherein in voller Höhe, sei es des noch ausstehenden Restbetrags nach ursprünglicher Begrenzung auf den Mindesteinzahlungsbetrag des § 7 Abs. 2 GmbHG - erfolgt in erster Linie nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags, kann aber nach § 46 Nr. 2 GmbHG auch der Beschlußfassung der Gesellschafterversammlung überwiesen werden. Vor der Einforderung, die die Fälligkeit der Zahlung auf die übernommene Stammeinlage begründet, besteht eine Verpflichtung des Gesellschafters zur Zahlung nicht; deshalb setzt auch die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen (§ 20 GmbHG) erst mit der Versäumung des für die Einzahlung bestimmten Zeitpunkts ein.
Aus dieser handelsrechtlichen Regelung des Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Gesellschafter im Hinblick auf den noch ausstehenden Teil der Stammeinlage folgt, daß die in der Bilanz ausgewiesene Forderung der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter auf Leistung des noch ausstehenden Teils der Stammeinlage vor ihrer Einforderung nicht als fällige und deshalb verzinsliche Forderung der Gesellschaft und damit auch nicht als ein solcher Teil ihres Betriebsvermögens angesehen werden kann, den die Gesellschaft - repräsentiert durch ihre Gesellschafter - durch die Unterlassung der Beschlußfassung über die Einforderung ihren Gesellschaftern zur Verfügung stellen könnte. Das noch nicht eingeforderte Stammkapital steht der Gesellschaft bzw. ihrer Geschäftsführung noch nicht in einer Weise zur Verfügung, die ein Arbeiten mit ihm, in welcher Form auch immer, ermöglichen würde. Dem entspricht es, wenn auf der anderen Seite dem Gesellschafter ein Recht zur Leistung des noch nicht eingeforderten Teils seiner Stammeinlage nicht zugestanden wird (vgl. Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Anm. 26 zu § 7).
2. Den Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung hat der erkennende Senat zuletzt im Urteil I 82/64 vom 13. September 1967 (BFH 90, 134, BStBl III 1967, 791) definiert. Danach liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn eine Gesellschaft ihren Gesellschaftern oder diesen nahestehenden Personen Vorteile gewährt, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer dritten Personen nicht gewähren würde.
Betrachtet man die Tatsache, daß eine GmbH trotz eigenen Finanzbedarfs die auf die Stammeinlagen ihrer Gesellschafter noch ausstehenden Beträge nicht einfordert, sondern mit Fremdmitteln arbeitet, für die sie Zinsen bezahlt, unter diesem Gesichtspunkt, so fällt auf, daß das noch nicht eingeforderte Stammkapital der Gesellschaft bzw. ihrer Geschäftsführung noch nicht in einer Weise zur Verfügung steht, die Maßnahmen denkbar erscheinen lassen könnte, die als verdeckte Gewinnausschüttungen beurteilt werden könnten oder müßten. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn man sagen müßte, daß die Gesellschaft in diesem Fall - etwa in wirtschaftlicher Betrachtungsweise - zur Einforderung des noch ausstehenden Stammkapitals verpflichtet sei. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn das Stammkapital einer GmbH erfüllt als Nennziffer (auf der Passivseite der Bilanz) seine Funktion unbeschadet der Tatsache, ob ihm (auf der Aktivseite der Bilanz) ausschließlich wertige Wirtschaftsgüter - Sachen oder Rechte - oder neben solchen auch noch Haftungszusagen und -verbindlichkeiten der Gesellschafter (als Forderungen der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern bilanziert) gegenüberstehen. Das Stammkapital ist der Betrag, den die Gesellschafter (mindestens) einzulegen sich verpflichten. Es ist mit dem wirtschaftlich im Betrieb der Gesellschaft arbeitenden Kapital nicht identisch.
Die GmbH verzichtet somit nicht auf die Einforderung, weil ein Verzicht einen Anspruch voraussetzt, der hier jedoch erst mit dem Beschluß der Gesellschafterversammlung auf Einforderung entsteht (abgesehen von der Vorschrift des § 19 Abs. 2 GmbHG, die einen solchen Verzicht, außer im Fall der Kapitalherabsetzung, verbietet); die Gesellschaft unterläßt die Einforderung. Würde sie ihr nominelles Stammkapital um den Betrag der noch nicht eingezahlten Stammeinlagen herabsetzen, würden die Forderungen gegenüber ihren Gesellschaftern aus der Bilanz verschwinden, ohne daß die Gesellschaft wirtschaftlich über weniger arbeitendes Kapital verfügte als vorher; auch ihr laufendes Geschäftsergebnis bliebe von dieser Maßnahme unberührt.
Dagegen wäre eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen, wenn die Gesellschaft die erforderlichen Mittel von einem oder mehreren ihrer Gesellschafter zu überhöhten Zinsen aufnähme (vgl. dazu auch v. Wallis, Rundschau für GmbH 1958 S. 5; Socher, Rundschau für GmbH 1960 S. 69; Boesebeck, Rundschau für GmbH 1960 S. 91).
Die Gründe, die die Unterlassung der Einforderung (als des Einforderungsbeschlusses der Gesellschaft) im Einzelfall bestimmen, sind mannigfaltiger Natur und für die Beurteilung der hier zur Entscheidung gestellten Frage ohne Bedeutung. Soweit das FA in Fällen wie dem vorliegenden eine wirtschaftliche Verpflichtung zu einer entsprechenden Beschlußfassung über die Einforderung für gegeben hält und in der Unterlassung eine Vorteilszuwendung sieht, die die Gesellschaft fremden, ihr nicht gesellschaftsrechtlich verbundenen Personen nicht gewähren würde, kann ihm schließlich auch deshalb nicht gefolgt werden, weil den Gesellschaftern vergleichbare Dritte in Ansehung der hier betroffenen noch ausstehenden Stammeinlagen nicht denkbar sind. Das Institut der verdeckten Gewinnausschüttung ist deshalb auf den Streitfall nicht anwendbar.
Fundstellen
Haufe-Index 68324 |
BStBl II 1969, 11 |
BFHE 1968, 414 |