Leitsatz (amtlich)
Die Berlinhilfekürzung ist nach dem tatsächlich an den Westberliner Unternehmer gezahlten Entgelt zu berechnen. Das Entgelt wird dabei auch durch diejenigen Mengenrabatte (Boni) beim Rabattverfahren im Tabakwarengroßhandel vermindert, deren Höhe vom gesamten Warenbezug des Steuerpflichtigen im Bundesgebiet und Berlin (West) während eines bestimmten Zeitraumes abhängig ist.
Normenkette
UStG 1951 § 5 Abs. 1 S. 1, § 11 S. 1; UStDB 1951 § 10; BHG § 3 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger) ist Tabakwarengroßhändler. Einen erheblichen Teil seiner Waren erwirbt er von Westberliner Herstellern und bezieht sie unmittelbar aus Berlin (West). Wegen dieser Einkaufsgeschäfte macht er von dem in § 3 Abs. 1 des Berlinhilfegesetzes (BHG) eingeräumten Recht der Umsatzsteuerkürzung Gebrauch. Nach dieser Vorschrift ist derjenige Unternehmer im Bundesgebiet, der von einem Westberliner Unternehmer Gegenstände erworben hat, berechtigt, die von ihm für einen Voranmeldungs- oder Veranlagungszeitraum geschuldete Umsatzsteuer um 4 v. H. des Betrages zu kürzen, den er im gleichen Zeitraum als Entgelt für diese Gegenstände gezahlt hat. Dabei müssen die Gegenstände in Berlin (West) hergestellt worden und aus Berlin (West) in das Bundesgebiet gelangt sein; außerdem sind diese Voraussetzungen buchmäßig nachzuweisen.
Streitig ist für die Veranlagungszeiträume 1960 bis 1962, welchen Betrag der Steuerpflichtige als Entgelt für die Westberliner Waren bezahlt hat, aus welcher Summe also die Umsatzsteuerkürzung zu berechnen ist.
Der Steuerpflichtige ging von den nur um die Skonti geminderten Bruttoeinkaufspreisen aus; das FA dagegen verminderte die Einkaufspreise weiter um die auf die Berlin-Einkäufe treffenden Anteile der sogenannten Mengenboni, die der Steuerpflichtige von der Zigarettenumsatzstelle GmbH in Hamburg (ZUV) im jeweiligen Veranlagungszeitraum ausbezahlt erhalten hatte. Mit diesem Mengenrabatt hat es nach den Feststellungen des FG folgende Bewandtnis: Nach den Geschäfts- und Lieferbedingungen der Zigarettenhersteller steht den Großabnehmern quartalweise nachträglich ein Mengenbonus zu, der nach der Höhe der Einkäufe des einzelnen Großabnehmers bei allen Zigarettenherstellern gestaffelt ist (Gesamtumsatzrabatt). Für die Berechnung und Ausschüttung dieses Bonus wurde die ZUV errichtet. Die Hersteller melden der ZUV jeweils nach Quartalsschluß ihre Umsätze mit den einzelnen Abnehmern und stellen ihr - zunächst vorschußweise - die erforderlichen Mittel zur Verfügung. Die ZUV zahlt die Boni unter Übersendung einer Abrechnung, in der die auf die verschiedenen namentlich genannten Hersteller entfallenden Umsätze einzeln aufgeführt sind, namens und im Auftrag dieser Hersteller an die Großabnehmer aus und rechnet endgültig mit den Herstellern ab. Dieses schon seit langem übliche Verfahren wurde im Jahre 1961 in Form eines Beschlusses des Bundeskartellamts im Bundesanzeiger (BAnz) Nr. 128 (S. 2) bekanntgemacht.
Der Steuerpflichtige erhielt in den Jahren 1960 bis 1962 für die Zigaretteneinkäufe in Berlin (West) Mengenboni von insgesamt ... DM. Das FA verminderte deshalb ... die Berlin-Kürzung gegenüber den Erklärungen des Steuerpflichtigen um insgesamt ... DM.
Die Berufung des Steuerpflichtigen gegen die Veranlagungen in Höhe dieses Betrages blieb erfolglos. Das FG hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen folgendes ausgeführt: ...
Gegen dieses Urteil hat der Steuerpflichtige Rechtsbeschwerde eingelegt. ...
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Das Rechtsmittel ... ist nicht begründet. Die rechtlichen Ausführungen des FG begegnen, soweit der Senat nicht nachstehend ausdrücklich davon abweicht, keinen Bedenken.
Nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des FG waren die von der ZUV an den Steuerpflichtigen in den Veranlagungszeiträumen 1960 bis 1962 gezahlten Boni Beträge, die namens und für Rechnung der Lieferanten des Steuerpflichtigen aus dem in den allgemeinen Lieferbedingungen ausgedrückten Motiv gezahlt wurden, den an die Lieferanten zu entrichtenden Kaufpreis für deren konkrete Lieferungen an den Steuerpflichtigen zu ermäßigen. Das für die Berechnung der Umsatzsteuer bei den Lieferanten maßgebliche Entgelt (§ 5 Abs. 1 Satz 1, § 11 Satz 1 UStG, § 10 UStDB) ist daher der um die Boni verringerte Rechnungsbetrag. Ohne rechtliche Bedeutung ist dabei, daß sich der genaue Betrag des Entgelts für die jeweilige Lieferung erst einige Zeit nach der Rechnungsstellung und Zahlung, nämlich erst mit der Übersendung der Quartalsabrechnung durch die ZUV, ergab. - Dieses gleiche Entgelt ist auch, soweit es unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 BHG für Lieferungen aus Berlin (West) gezahlt wurde, die Grundlage für die Berechnung der Umsatzsteuerkürzung zugunsten des Steuerpflichtigen.
Diese Rechtsauffassung ergibt sich unmittelbar aus den angeführten Vorschriften des UStG, der UStDB und des BHG. Die Meinung des Steuerpflichtigen, der Einfluß der Bonuszahlung auf das Entgelt sei steuerlich erst mit der Veröffentlichung einer die entgeltwirksame Bedeutung der Boni herausstellenden Verfügung der OFD Hannover vom 26. Oktober 1961 in der Deutschen Steuer-Zeitung, Ausgabe B, 1961 S. 437 am 2. Dezember 1961 wirksam geworden, ist irrig. Die Verfügung hat keine rechtsetzende Kraft; sie hat lediglich die Wirkung einer Verwaltungsanweisung, in der auf die Beachtung eines bestehenden Rechtszustandes hingewiesen ist. Wenn die Beklagte vor diesem Zeitpunkt die Umsatzsteuerkürzung unter Vernachlässigung der Bonuszahlung berechnet hat, so waren diese Veranlagungen fehlerhaft. An eine solche Rechtsauffassung ist die Verwaltung - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - für spätere Veranlagungen grundsätzlich nicht gebunden. Besondere Umstände, die nach dem Grundsatz von Treu und Glauben den Schutz des Vertrauens des Steuerpflichtigen auf die Richtigkeit der früheren Rechtsauffassung des FA rechtfertigen könnten, hat weder das FG festgestellt noch der Steuerpflichtige geltend gemacht. Der Steuerpflichtige kann daher nicht verlangen, daß die Umsatzsteuerkürzung so lange nach der früheren fehlerhaften Rechtsauffassung der Verwaltung berechnet wird, als ihm die Richtigstellung dieser Auffassung nicht bekannt war. ...
Schließlich kann das Revisionsvorbringen auch insoweit nicht durchgreifen, als es auf den Einfluß abstellt, den die Einkäufe im Bundesgebiet auf die Höhe des von den Westberliner Lieferanten zu gewährenden Bonus haben. Es ist zwar richtig, daß die Minderung des Entgelts für den Warenbezug aus Berlin durch Boni der ZUV um so höher und deshalb die Umsatzsteuerkürzung um so geringer wurde, je mehr Tabakwaren der Steuerpflichtige im Bundesgebiet gekauft hatte. Denn nach den Lieferungsbedingungen der Hersteller wuchs jeder von der ZUV zu zahlende Bonus mit der durch den Großhändler insgesamt von den Herstellern im Bundesgebiet und Berlin (West) bezogenen Warenmenge. Der Einfluß des Warenbezugs im Bundesgebiet auf die Höhe der Boni, die für die Westberliner Lieferungen gewährt wurden, ist aber nicht nur - entsprechend der vom FG vertretenen Meinung - deshalb unbeachtlich, weil "das Gesamtumsatz-Rabattverfahren eine isolierte Betrachtung der Berlinumsätze ausschließt". Die Einkäufe im Bundesgebiet spielen vielmehr für die Berechnung der für die Umsatzsteuerkürzung maßgeblichen Entgelte insbesondere aus dem Grunde keine Rolle, weil die Westberliner Hersteller selbst nach ihren Lieferungsbedingungen jedem ihrer Großkunden für jeden Einkauf einen Bonus zugebilligt haben, dessen gleitender Berechnungsindex dem jeweiligen Umfang des vierteljährlichen Warenbezugs dieses Kunden bei der gesamten deutschen Tabakwarenindustrie im Bundesgebiet und Berlin (West) in näher bestimmter Weise entsprach. Wenn also der Steuerpflichtige deshalb einen besonders hohen Berechnungsindex für den Mengenbonus auf Westberliner Tabakwaren erreichte, weil er sehr viele Waren in der Bundesrepublik einkaufte, so handelte es sich dabei gleichwohl um eine von den Westberliner Herstellern über die ZUV gewährte Entgeltrückvergütung, die in vollem Umfang den Kürzungsbetrag nach § 3 Abs. 1 BHG beeinflußt. Der Umstand, daß die Höhe des Entgelts von Handelsvorgängen beeinflußt war, die mit dem Warenerwerb in Berlin (West) keinen Zusammenhang hatten, ist für die Berechnung der Berlinhilfekürzung ohne Bedeutung. Denn nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 BHG ist bei der Kürzung von dem Entgelt auszugehen, das tatsächlich für die von einem Westberliner Unternehmer erworbenen Gegenstände gezahlt wurde. Auf die Kalkulationsgrundlagen oder die Motive für dieses Entgelt kommt es nicht an.
Die Revision war daher mit der Kostenfolge nach § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1969, 475 |
BFHE 1969, 477 |