Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die nach § 33 a EStG 1955 anzusetzenden Beträge können bei der nach § 33 EStG 1955 erforderlichen Ermittlung des Teils der Aufwendungen, der die zumutbare Eigenbelastung übersteigt, den Aufwendungen nicht zugerechnet werden.
Normenkette
EStG §§ 33, 33a; EStDV § 64
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat für seine Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1955 Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung beantragt. Strittig ist die Auswirkung der "zumutbaren Eigenbelastung".
Das Finanzamt berücksichtigte die von dem Bf. für seine Mutter, seinen auswärts studierenden Sohn und eine Haushaltshilfe aufgewendeten 1.250 DM mit dem nach § 33 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1955 zulässigen Höchstbetrag von 883 DM. Die von dem Bf. außerdem geltend gemachten Krankheitskosten von 188,60 DM ließ es unberücksichtigt, weil dieser Betrag innerhalb der dem Bf. zumutbaren Eigenbelastung von 363 DM liege. Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg.
Mit seiner wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Rechtsbeschwerde wehrt sich der Bf. gegen die Nichtberücksichtigung der 188,60 DM. Er ist der Auffassung, daß bei der Prüfung der Zumutbarkeit auch die nach § 33 a EStG 1955 anzusetzenden Beträge von 883 DM mit einbezogen werden müßten, so daß für die Ermittlung der überbelastung nicht nur 188,60 DM sondern rund 1.072 DM, nämlich 188,60 DM und 883 DM, zu berücksichtigen seien. Nur diese Berechnung führe zu einem sinnvollen Ergebnis. Wenn der Steuerpflichtige nach Massgabe seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit den der zumutbaren Eigenbelastung entsprechenden Teil seiner außergewöhnlichen Belastung selbst tragen müsse, so könne seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nur einheitlich beurteilt werden. Man könne dabei die unter § 33 a EStG 1955 fallenden Aufwendungen, nur weil für sie eine vereinfachte Regelung geschaffen worden sei, nicht außer Betracht lassen. Bei der Sonderregelung des § 33 a EStG 1955 sei die zumutbare Eigenbelastung pauschal berücksichtigt worden, indem als außergewöhnliche Belastung nicht die der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechenden Bruttobeträge, sondern nur pauschal errechnete Nettobeträge als Höchstbeträge anerkannt worden seien. Würde man diese bei der Ermittlung der überbelastung außer Betracht lassen, so würde das zu einer doppelten Berücksichtigung der zumutbaren Eigenbelastung führen. Wäre wirklich beabsichtigt gewesen, die unter § 33 a EStG 1955 fallenden Aufwendungen auch für die Berechnung der überbelastung auszuschalten, dann wären für die nach § 33 EStG 1955 zu beurteilenden Fälle wesentlich geringere Eigenbelastungsquoten als früher geschaffen worden. Wie der Vergleich von § 64 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1955 mit § 51 EStDV 1953 zeige, sei jedoch die Regelung der Eigenbelastungsquoten zwar vereinfacht, aber nicht gemildert worden.
Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) beigetreten. Seine Stellungnahme lautet:
"Die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen bei der Einkommensteuer ist durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (Bundesgesetzbl. I S. 373) neu geregelt worden. Während bisher bei den außergewöhnlichen Belastungen die Einkommensteuer grundsätzlich in der Weise ermäßigt wurde, daß die um die zumutbare Eigenbelastung verminderten notwendigen und angemessenen Aufwendungen vom Einkommen abgezogen wurden, sieht das Gesetz vom 16. Dezember 1954 in der neu eingefügten Vorschrift des § 33 a EStG - außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen - vor, daß in bestimmten typischen Fällen wie bei zwangsläufigen Unterhaltsaufwendungen und Aufwendungen für die Beschäftigung einer Hausgehilfin die Aufwendungen bis zu einem Höchstbetrag ohne Anrechnung der zumutbaren Eigenbelastung berücksichtigt werden. Darüber hinaus unterscheidet sich § 33 a EStG von der allgemeinen Regelung in § 33 EStG dadurch, daß bei der Anwendung des § 33 a EStG die besonderen Tatbestandsmerkmale des § 33 EStG wie Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit nur zu prüfen sind, soweit sie im Tatbestand der Vorschrift enthalten sind. So ist beispielsweise, wenn die Voraussetzungen des § 33 a Abs. 3 EStG vorliegen, die Gewährung der Steuerermäßigung nicht davon abhängig, ob die Beschäftigung der Hausgehilfin im Einzelfall bei den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Steuerpflichtigen außergewöhnlich ist. Die Vorschrift des § 33 a normiert vielmehr unabhängig von der Vorschrift des § 33 EStG die Voraussetzungen, unter denen die in ihr bezeichneten Aufwendungen dem Grund und der Höhe nach als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Die in § 33 a EStG enthaltenen Tatbestände hat der Gesetzgeber bewußt aus der allgemeinen Regelung der Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen des § 33 EStG herausgenommen, nachdem sich herausgestellt hatte, daß ihre Anwendung in der Praxis insbesondere bei Unterhaltsaufwendungen zu erheblichen Schwierigkeiten und ungleichmäßigen Ergebnissen führte. Die Vorschriften der §§ 33 und 33 a EStG stellen demnach, was ihre Voraussetzungen und die Berechnung der Steuerermäßigung angeht, selbständige Vorschriften dar. Hieraus folgt, wie das Finanzamt und das Finanzgericht zutreffend festgestellt haben, daß bei der Berechnung des nach § 33 EStG in Verbindung mit § 64 EStDV vom Einkommen abzuziehenden Betrags die Aufwendungen, die zu einer Steuerermäßigung nach § 33 a EStG geführt haben, außer Betracht bleiben müssen.
Das ergibt sich auch aus der Vorschrift des § 33 a Abs. 5 EStG. Hiernach können Aufwendungen im Sinn des § 33 a Abs. 1, 2 und 3 EStG nicht zu einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG führen. Das bedeutet, daß die Steuerermäßigung nach § 33 EStG nicht an Stelle oder neben der Steuerermäßigung nach § 33 a EStG gewährt werden kann. Die vom Beschwerdeführer erstrebte Einbeziehung der nach § 33 a EStG zu berücksichtigenden Aufwendungen in die Berechnung der Steuerermäßigung nach § 33 EStG in Verbindung mit § 64 EStDV würde sich jedoch mittelbar als eine doppelte Steuerermäßigung auswirken. Die gleichen Aufwendungen würden einmal zu einer Steuerermäßigung nach § 33 a EStG und zum anderen zur Ausfüllung der zumutbaren Eigenbelastung, die auf die nach § 33 EStG zu berücksichtigenden Aufwendungen anzurechnen ist, führen. Es könnten dann, wie im vorliegenden Fall, nach § 33 EStG zu berücksichtigende Aufwendungen, die im Rahmen der zumutbaren Eigenbelastung liegen, vom Einkommen abgezogen werden. Ich bin der Auffassung, daß auch diese mittelbare doppelte Berücksichtigung unter § 33 a EStG fallender Aufwendungen durch die Vorschrift des § 33 a Abs. 5 EStG ausgeschlossen wird.
Im übrigen würde die Auffassung des Beschwerdeführers dazu führen, daß bei der Berechnung der Steuerermäßigung nach § 33 EStG zwischen Aufwendungen zu unterscheiden wäre, die ausschließlich zur Anrechnung auf die zumutbare Eigenbelastung geeignet wären (Aufwendungen nach § 33 a EStG), und solchen Aufwendungen, die darüber hinaus auch noch vom Einkommen abgezogen werden könnten (Aufwendungen nach § 33 EStG). Für eine derartige Unterscheidung bietet aber der Wortlaut des Gesetzes keinen Anhalt.
Eine andere Frage ist, ob es dem Gedanken der Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen nicht besser entsprechen würde, bei der Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung nach § 33 EStG in Verbindung mit § 64 EStDV nicht von dem Einkommen im Sinn des § 2 Abs. 2 EStG, sondern von dem Einkommen, vermindert um den nach § 33 a EStG 1955 in Betracht kommenden Freibetrag, auszugehen. Ob das nach dem geltenden Recht möglich ist, braucht jedoch im vorliegenden Falle nicht geprüft zu werden, da die zumutbare Eigenbelastung auch dann noch die nach § 33 EStG zu berücksichtigenden Aufwendungen übersteigt."
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Bei der Ermittlung des nach § 33 EStG 1955 in Verbindung mit § 64 EStDV 1955 als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähigen (die zumutbare Eigenbelastung übersteigenden) Betrages können nur die unter § 33 EStG 1955 fallenden Aufwendungen, nicht aber auch die nach § 33 a EStG 1955 anzuerkennenden Aufwendungen angesetzt werden. Die Ausführungen des Bundesministers der Finanzen sind zutreffend. Der erkennende Senat tritt ihnen bei.
Die Vorschriften der §§ 33 und 33 a EStG 1955 stehen selbständig nebeneinander. Die Voraussetzungen des § 33 a EStG 1955 sind anders als die des § 33 EStG. So braucht z. B. bei Aufwendungen für Hausgehilfinnen nicht geprüft zu werden, ob die Aufwendungen außergewöhnlich und zwangsläufig sind. Die zumutbare Eigenbelastung spielt für die unter § 33 a EStG 1955 fallenden Aufwendungen keine Rolle. Wenn für diese Aufwendungen jede Ermäßigung nach § 33 EStG 1955 verboten ist (vgl. § 33 a Abs. 5 EStG 1955), so schließt das auch die Berücksichtigung bei der Ermittlung der überbelastung im Sinne von § 33 EStG 1955 in Verbindung mit § 64 EStDV 1955 aus.
Die Annahme des Bf., daß die Regelung des § 33 a EStG 1955 die zumutbare Eigenbelastung pauschal berücksichtige, ist unbegründet. Abgesehen davon, daß eine solche pauschale Berücksichtigung praktisch nicht möglich wäre, ergibt sich die Unrichtigkeit der Annahme schon daraus, daß, wäre sie richtig, die zumutbare Eigenbelastung im Rahmen des § 33 a EStG 1955 nicht bloß einmal, sondern mehrmals abgesetzt worden wäre, nämlich so oft, als unter diese Vorschrift fallende Aufwendungen von einem Steuerpflichtigen geltend gemacht werden. Daß dies gewollt gewesen sei, wird auch der Bf. nicht annehmen. Tatsächlich war der Sinn und Zweck des § 33 a EStG 1955 auch ein anderer. Durch § 33 a EStG 1955 sollte, wie bereits aus den Ausführungen des Bundesministers der Finanzen hervorgeht, die Berücksichtigung bestimmter immer wiederkehrender Aufwendungen im Hinblick darauf, daß ihre einwandfreie Nachprüfung kaum möglich ist oder zu unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten führt, in einer typisierenden Weise geregelt werden. Nach welchen Gesichtspunkten die hiernach berücksichtigungsfähigen Höchstbeträge ermittelt wurden, kann für die hier zu entscheidende Frage dahingestellt bleiben. Jedenfalls zeigen die inzwischen - unabhängig von der unverändert gebliebenen Eigenbelastungsgrenze des § 33 EStG in Verbindung mit § 64 EStDV - erfolgten Heraufsetzungen der Höchstbeträge (vgl. § 33 a EStG 1957), daß die Eigenbelastungsgrenze für die Festsetzung der Höchstbeträge keine Rolle gespielt hat.
Ob die Eigenbelastungsquoten im Hinblick auf die Sonderregelung des § 33 a EStG 1955 hätten gemildert werden müssen, ist eine Zweckmäßigkeitsfrage. Jedenfalls können aus der Regelung der Eigenbelastung keinerlei Folgerungen für die Auslegung des § 33 a EStG 1955 gezogen werden.
Wie der Bundesminister der Finanzen zutreffend ausführt, läßt sich die Frage aufwerfen, ob es dem Gedanken der Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastung nicht besser entspräche, daß bei der Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung nicht vom Einkommen, sondern von dem um den Freibetrag nach § 33 a EStG 1955 verminderten Einkommen ausgegangen würde. Die Erwähnung der nach § 33 a EStG 1953 und § 32 b EStG 1955 gewährten Freibeträge in § 64 EStDV 1955 könnte dafür sprechen, hier auch den nach § 33 a EStG 1955 gewährten Freibetrag mit einzubeziehen. Für den Streitfall kann die Frage aber, wie schon der Bundesminister der Finanzen darlegt, dahingestellt bleiben, weil die von dem Bf. geltend gemachten Krankheitskosten von rund 189 DM auch bei der günstigeren Berechnungsweise unter der Eigenbelastungsgrenze liegen.
Das angefochtene Urteil hat demnach die Berücksichtigung der Krankheitskosten zu Recht abgelehnt. Trotzdem muß es aufgehoben werden. Es beruht auf § 26 EStG a. F. Dieser ist durch §§ 26 ff. EStG in der Fassung des Gesetzes zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (Bundesgesetzblatt 1957 I S. 848) ersetzt worden.
Die nicht spruchreife Sache ist an das Finanzamt zurückzuverweisen. Dieses hat unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze gemäß §§ 26 ff. EStG n. F. zu verfahren.
Fundstellen
Haufe-Index 409173 |
BStBl III 1958, 423 |
BFHE 1959, 389 |
BFHE 67, 389 |