Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Verlustvortrag im Organkreis
Leitsatz (amtlich)
Bei einer Personengesellschaft geht die Möglichkeit zum Verlustabzug nach § 10a GewStG insoweit verloren, als der Fehlbetrag aus vorangegangenen Erhebungszeiträumen anteilig auf den ausgeschiedenen Gesellschafter entfällt. Dies gilt auch dann, wenn der ausgeschiedene Gesellschafter über eine Organgesellschaft (GmbH) mittelbar an der Personengesellschaft (KG) beteiligt bleibt.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2 S. 2, § 10a; KStG § 14 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
FG Münster (EFG 2000, 329; LEXinform-Nr. 0553137) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ―eine GmbH & Co. KG― betreibt ein Einzelhandelsunternehmen. Persönlich haftende Gesellschafterin war die V-GmbH (ohne Kapitalanteil), einer der Kommanditisten die D-AG mit einem Kommanditanteil von 95 v.H., die auch an der V-GmbH beteiligt war.
Zum 1. Januar 1991 veräußerte die D-AG sowohl ihren Gesellschaftsanteil an der Klägerin als auch ihren Geschäftsanteil an der V-GmbH an die S-GmbH. Die S-GmbH ist eine 100-%ige Tochter der D-AG und dieser organschaftlich untergeordnet.
Der Gewerbeertrag der Klägerin für das Streitjahr 1991 betrug 554 560 DM, die Fehlbeträge für die vorangegangenen Erhebungszeiträume zum 31. Dezember 1990 insgesamt 23 627 683 DM. Demgemäß beantragte die Klägerin, den Gewerbesteuermessbetrag für 1991 unter Berücksichtigung eines Gewerbeertrages von 0 DM festzusetzen und auf den 31. Dezember 1991 einen vortragsfähigen Gewerbeverlust von 23 073 123 DM festzustellen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) war demgegenüber der Ansicht, dass der vorgetragene Verlust insoweit unberücksichtigt bleiben müsse, als er auf die ausgeschiedene D-AG entfalle (noch verbleibender Anteil: 2 335 299 DM), und sich deshalb der Gewerbeertrag für 1991 nach Abzug des der D-AG zuzurechnenden Anteils (300 245 DM) nur noch um 254 315 DM mindere. Dementsprechend setzte das FA den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1991 mit 45 626 DM und den vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31. Dezember 1991 mit 2 080 984 DM fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2000, 329).
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 10a i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes ―GewStG―).
Sie beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und unter Abänderung des Gewerbesteuermessbetragsbescheides für 1991 vom 24. Juli 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. August 1998 den Gewerbesteuermessbetrag auf 32 416 DM herabzusetzen sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1991 vom 31. Juli 1997 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. August 1998 dahin abzuändern, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust mit 23 073 123 DM festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Klägerin kann von dem Gewerbeertrag des Erhebungszeitraums 1991 Fehlbeträge für frühere Erhebungszeiträume nach § 10a GewStG nur noch insoweit abziehen, als sie auf diejenigen Mitunternehmer entfallen, die sowohl an den Fehlbeträgen der früheren Erhebungszeiträume als auch an dem Gewerbeertrag des Streitjahres beteiligt waren. Das trifft weder auf die D-AG noch auf die S-GmbH zu. Dem steht nicht entgegen, dass die S-GmbH ihren Kommanditanteil von der D-AG und damit im Organkreis erworben hat.
1. Der Verlustabzug nach § 10a GewStG setzt neben der Unternehmensidentität auch Unternehmeridentität voraus. Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige, der den Verlustabzug in Anspruch nimmt, den Gewerbeverlust zuvor in eigener Person erlitten haben muss (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu u.a. Senatsbeschlüsse vom 31. Oktober 1996 VIII B 129/95, BFH/NV 1997, 528, m.w.N., und vom 31. August 1999 VIII B 74/99, BFHE 189, 525, BStBl II 1999, 794, m.w.N.). Ist der Steuerpflichtige eine Personengesellschaft, geht dieser die Möglichkeit zum Verlustabzug insoweit verloren, als der Fehlbetrag aus vorangegangenen Erhebungszeiträumen anteilig auf den ausgeschiedenen Mitunternehmer entfällt (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616). Dies gilt selbst dann, wenn der ausgeschiedene Gesellschafter über eine andere Personengesellschaft (Obergesellschaft) weiterhin an der Untergesellschaft mittelbar beteiligt bleibt (BFH-Urteil vom 26. Juni 1996 VIII R 41/95, BFHE 180, 455, BStBl II 1997, 179, 181, und BFH-Beschluss in BFHE 189, 525, BStBl II 1999, 794). Dies gilt entsprechend für eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft.
2. An diesem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn zwischen der Obergesellschaft und dem aus der Untergesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafter ein Organschaftsverhältnis bestand. Insbesondere rechtfertigt dieses Verhältnis keine Zurechnung des auf die Organgesellschaft übergegangenen Mitunternehmeranteils zum Organträger.
a) Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG gelten Kapitalgesellschaften, die derart in ein anderes inländisches gewerbliches Unternehmen eingegliedert sind, dass die Voraussetzungen des § 14 Nr. 1 und Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) erfüllt sind, als Betriebsstätten des anderen Unternehmens (sog. gewerbesteuerrechtliche Organschaft). Trotz dieser Fiktion bilden die eingegliederten Kapitalgesellschaften (die Organgesellschaften) und das andere Unternehmen (der Organträger) kein einheitliches Unternehmen. Sie bleiben vielmehr selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (sog. eingeschränkte Einheitstheorie; BFH-Urteil vom 28. Oktober 1999 I R 79/98, BFH/NV 2000, 745, m.w.N.). Die Organschaft führt jedoch dazu, dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaften für die Dauer der Organschaft dem Organträger zugerechnet wird. Deshalb ist der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag für die zum Organkreis gehörenden Gewerbebetriebe ―das sind die Gewerbebetriebe des Organträgers und der Organgesellschaften― allein gegenüber dem Organträger festzusetzen (BFH-Urteile vom 27. Juni 1990 I R 183/85, BFHE 161, 157, BStBl II 1990, 916; vom 24. Januar 1990 I R 133/86, BFH/NV 1990, 669, und ständige Rechtsprechung).
b) Um den für die Festsetzung des Steuermessbetrages nach dem Gewerbeertrag maßgebenden Gewerbeertrag des Organkreises zu ermitteln, sind die ―auf der ersten Stufe― getrennt ermittelten Gewerbeerträge des Organträgers und der Organgesellschaften auf einer zweiten Stufe zusammenzurechnen und die Summe um die sich etwa ergebenden steuerlichen Doppelbelastungen oder ungerechtfertigten steuerlichen Entlastungen zu korrigieren (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 25. Juli 1995 VIII R 54/93, BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794, unter II. 1. b aa der Gründe, m.w.N.; in BFH/NV 2000, 745, m.w.N.). Die Übertragung des Kommanditanteils vom Organträger auf die Organgesellschaft wirkt sich auf keiner der beiden Stufen aus (so im Ergebnis bereits BFH-Urteil vom 8. Januar 1963 I 237/61 U, BFHE 76, 513, BStBl III 1963, 188).
aa) Der Grundsatz, dass der Verlustabzug nach § 10a GewStG Unternehmens- und Unternehmeridentität voraussetzt, gilt auch für organschaftlich verbundene Unternehmen (BFH-Urteil vom 23. Januar 1992 XI R 47/89, BFHE 167, 158, BStBl II 1992, 630, unter II. 1. a der Gründe, m.w.N.). Das hat zur Folge, dass weder das Rechtsverhältnis der Klägerin zum Organträger D-AG noch das Rechtsverhältnis der Klägerin zur Organgesellschaft S-GmbH die Rechtsgrundlage für den Abzug des auf die D-AG entfallenden Anteils an den Fehlbeträgen der Klägerin aus den Erhebungszeiträumen vor 1991 sein kann. Das Rechtsverhältnis zur D-AG ist mit deren Ausscheiden aus der Klägerin beendet; die Betriebsstättenfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG führt auf der Grundlage der eingeschränkten Einheitstheorie nicht dazu, dass der ausscheidende Organträger über die eintretende Organgesellschaft weiterhin ―fiktiv― an der Klägerin beteiligt bleibt. Dementsprechend hat auch das Rechtsverhältnis der Klägerin zur S-GmbH nicht zur Folge, dass nunmehr diese hinsichtlich des auf die D-AG entfallenden Anteils an den früheren Fehlbeträgen an die Stelle der D-AG tritt.
Diese Beurteilung stimmt entgegen der Ansicht der Klägerin mit der neueren Rechtsprechung des BFH zum Verlustabzug nach § 10a GewStG im Organkreis überein. Insbesondere entspricht sie auch der Beurteilung des Verlustvortrags bei der Ermittlung der Gewerbesteuermessbeträge organschaftlich verbundener Gesellschaften bei vororganschaftlichen Verlusten dieser Gesellschaften. Sind diese Verluste bei der Organgesellschaft entstanden, können sie nach § 10a GewStG nur von einem eigenen positiven Gewerbeertrag abgezogen werden, also auf der ersten Stufe der Ertragsermittlung; beim Organträger wirkt sich der Verlustabzug erst dadurch aus, dass ihm der ―um die vororganschaftlichen Verluste gekürzte― Ertrag auf der zweiten Stufe der Ertragsermittlung zugerechnet wird (BFH-Urteil in BFHE 167, 168, BStBl II 1992, 630). Die Frage, ob auch der Organträger vororganschaftlich erzielte Verluste von einem positiven Gewerbeertrag der Organgesellschaft abziehen kann (ablehnend Abschn. 68 Abs. 5 Satz 6 der Gewerbesteuer-Richtlinien ―GewStR― 1998, und dazu Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, 9. Aufl., § 10a Anm. 109, sowie Patt/Stimpel, Finanz-Rundschau ―FR― 2000, 705; a.A. die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 14. Dezember 1999, BStBl I 1999, 1134; Prinz/Ommerborn, FR 1999, 993, FR 2000, 708), hat der BFH noch nicht entschieden.
bb) Was für die vororganschaftlichen Verluste gilt, gilt auch für andere außerorganschaftliche Verluste; sie sind nach der eingeschränkten Einheitstheorie auf der ersten Stufe der Ermittlung des Gewerbeertrags der Organgesellschaft zu erfassen (vgl. insbesondere BFH-Urteile in BFHE 161, 157, BStBl II 1990, 916, unter II. 5. der Gründe, und vom 27. Juni 1990 I R 158/87, BFH/NV 1991, 116, unter 4. der Gründe). Verluste einer Personengesellschaft, an der eine Organgesellschaft beteiligt ist, erreichen nicht einmal diese erste Ermittlungsphase; denn diese Verluste bleiben nicht nur außerhalb des Organschaftsverhältnisses (vgl. u.a. Senatsurteil in BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794, unter II. 1. b bb der Gründe, m.w.N.), sie wirken sich auch nur auf der Ebene der Personengesellschaft aus. Das gilt nicht nur dann, wenn Gesellschafter eine Organgesellschaft ist, sondern in gleicher Weise auch für einen an der Personengesellschaft beteiligten Organträger. Das Organschaftsverhältnis bietet deshalb keine Rechtsgrundlage für eine unmittelbare Zurechnung der Ergebnisse der Organgesellschaft aus einer solchen Beteiligung zum Organträger. Was aber für Verluste von Personengesellschaften während eines zwischen den Gesellschaftern bestehenden Organschaftsverhältnisses gilt, muss erst recht für vororganschaftliche Verluste der Personengesellschaft gelten, die auf einen ausgeschiedenen Gesellschafter (hier den Organträger) entfielen und nur noch mittelbar über den eintretenden Gesellschafter (hier die Organgesellschaft) fortwirken könnten.
cc) Mit dieser Beurteilung weicht der Senat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht von der Rechtsprechung des I. Senats des BFH ab. Dieser hat zwar ausgeführt (Urteile in BFHE 161, 157, BStBl II 1990, 916, unter 4. der Gründe, und in BFH/NV 1991, 116, unter 3. der Gründe):
"Als fingierte Betriebsstätte ist der Organgesellschaft die Fähigkeit genommen, selbst Gewerbetreibender i.S. des § 10a GewStG 1974 (1978) zu sein. Die an die Existenz der Betriebsstätte anknüpfenden Gewerbesteuerfolgen setzen nur beim Organträger ein. Es geht die Eigenschaft der Organgesellschaft, Gewerbetreibender i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewStG 1974 (1978) zu sein, auf den Organträger über. Nur er ist Gewerbetreibender i.S. des § 10a GewStG 1974 (1978)."
Die Ausführungen betreffen aber nur die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen auf der zweiten Stufe, auf der dem Organträger das "Betriebsstättenergebnis" der Organgesellschaft als eigenes zugerechnet wird, und sie betreffen nur die Zurechnung eines Verlustes, der von der Organgesellschaft selbst und während des Bestehens der Organschaft erzielt wird (innerorganschaftlicher Verlustausgleich). Dementsprechend weist der I. Senat in diesen Urteilen selbst darauf hin, dass vor- und außerorganschaftliche Verluste einer Organgesellschaft bei der Ermittlung des dem Organträger zuzurechnenden Gewerbeertrags abzusetzen seien (BFHE 161, 157, BStBl II 1990, 916, unter II. 5., sowie in BFH/NV 1991, 116, unter 4. der Gründe). Im Streitfall kann es, wie ausgeführt, zu einem solchen Verlustausgleich nicht kommen.
3. Das Urteil des FG entspricht diesen Grundsätzen. Danach war der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrages der Klägerin der der Beteiligung der S-GmbH entsprechende Anteil am Gewerbeertrag 1991 zugrunde zu legen. Die Höhe dieses Betrages ist nicht streitig. Der restliche, auf die übrigen Gesellschafter entfallende Anteil am Gewerbeertrag des Streitjahres war mit dem Verlustvortrag der Klägerin zum 31. Dezember 1990 zu verrechnen und der verbleibende Betrag gemäß § 10a Satz 2 GewStG zum 31. Dezember 1991 als noch vortragsfähiger Fehlbetrag gesondert festzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 507913 |
BFH/NV 2001, 387 |
BStBl II 2001, 114 |
BFHE 194, 217 |
BFHE 2002, 217 |
BB 2001, 290 |
DB 2001, 308 |
DStR 2001, 164 |
DStRE 2001, 191 |
DStZ 2001, 252 |
HFR 2001, 348 |
StE 2001, 86 |