Entscheidungsstichwort (Thema)
Anteilige Steuerbefreiung und anteiliger Ausschluß des Vorsteuerabzugs für Gebäudeüberlassung bei Vermietung einer Kegelbahn
Leitsatz (amtlich)
Die entgeltliche Überlassung der von einer Gastwirtschaft betriebenen Kegelbahnanlage ist in die steuerfreie Vermietung von Grundstücken i.S. von § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 und in die steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen i.S. von § 4 Nr.12 Satz 2 UStG 1980 aufzuteilen (Bestätigung von Abschn.86 Abs.1 Satz 2 Nr.5 UStR 1988/1992).
Orientierungssatz
Ausführungen zum Umfang der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980, zu den Begriffen "Grundstücksvermietung" und "Betriebsvorrichtung" und zur Unabhängigkeit der Kegelbahnvermietung von den Bewirtungsleistungen bei Erlaß der Kegelbahngebühr wegen ausreichendem Verzehr (Anschluß an das BFH-Urteil vom 16.10.1980 V R 51/76, entgegen RFH-Urteil vom 24.9.1943 V 198/40; vgl. Rechtsprechung: BFH, FG Rheinland-Pfalz).
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nr. 12a, § 15 Abs. 1; BewG 1974 § 68 Abs. 2 Nr. 2; UStG 1980 § 15 Abs. 2, 4; UStR 1988 Abschn. 86 Abs. 1 S. 2 Nr. 5; UStR 1992 Abschn. 86 Abs. 1 S. 2 Nr. 5
Verfahrensgang
FG Münster (Entscheidung vom 20.02.1990; Aktenzeichen XV 1740/89 U) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in gepachteten Räumen eine Gaststätte, die sie im Streitjahr (1984) durch Errichtung eines Anbaus mit einer automatischen Kegelbahnanlage erweiterte. Es handelt sich hierbei um einen durchgehenden schlauchförmigen Raum, dessen Aufenthaltsteil mit einem Tisch für die Kegler versehen ist und der nicht durch Wandelemente oder dergleichen von dem die eigentliche Bahn umgebenden Gebäudeteil getrennt ist. Für die Benutzung der Kegelbahn ist ein Bahngeld von 9 DM pro Stunde zu entrichten. Die Klägerin verzichtet aber auf die Berechnung dieses Entgelts, wenn sie bei Beendigung einer Kegelveranstaltung mit den Verzehraufwendungen der Kegler zufrieden ist.
Abweichend von der Umsatzsteuererklärung, in der die Klägerin sämtliche im Zusammenhang mit der Nutzung der Kegelbahnanlage stehenden Umsätze als steuerpflichtig behandelt und sämtliche aus den Herstellungskosten der Anlage einschließlich der entsprechenden Gebäudeteile angefallenen Vorsteuerbeträge abgezogen hatte, teilte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuern aus den Herstellungskosten der Kegelbahnanlage gemäß § 15 Abs.4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) in einen abzugsfähigen und in einen nicht abzugsfähigen Teil auf. Er vertrat die Auffassung, lediglich die entgeltliche Überlassung der eigentlichen Kegelbahnanlage als Betriebsvorrichtung (§ 4 Nr.12 Satz 2 UStG 1980) sowie des dem Aufenthalt und der Bewirtung der Kegler dienenden Raumteils sei steuerpflichtig, die Überlassung des die Bahn umschließenden Gebäudeteils jedoch nicht (§ 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980). Folglich seien die Vorsteuern insoweit vom Abzug ausgeschlossen (§ 15 Abs.2 Satz 1 Nr.1 UStG 1980). Dies gelte auch, soweit die Klägerin auf das Kegelbahnentgelt --das Bahngeld-- wegen des guten Verzehrs der Kegler verzichtet habe (§ 15 Abs.2 Satz 1 Nr.3 UStG 1980).
Dementsprechend setzte das FA die Umsatzsteuer 1984 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Den auf § 164 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Antrag der Klägerin, den Bescheid zu ändern und den Abzug sämtlicher aus den Herstellungskosten der Kegelbahnanlage herrührenden Vorsteuern zuzulassen, lehnte es ab. Die hiergegen erhobene Sprungklage der Klägerin hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 546 wiedergegebenen Gründen statt.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 4 Nr.12 UStG.
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Ein Unternehmer, der im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen ausführt, kann als Vorsteuerbeträge die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellten Steuern für Lieferungen oder sonstige Leistungen abziehen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind (§ 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1980). Vom Vorsteuerabzug sind jedoch u.a. die Steuern für die Lieferungen ausgeschlossen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze i.S. des § 4 Nrn.7 ff. UStG (§ 15 Abs.2 Nr.1 i.V.m. Abs.3 Nr.1 UStG 1980) sowie für unentgeltliche Lieferungen und sonstige Leistungen verwendet, die steuerfrei wären, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt würden (§ 15 Abs.2 Nr.3 UStG 1980). Zu diesen vorsteuerabzugsschädlichen Umsätzen gehört auch die steuerfreie Grundstücksvermietung (§ 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980). Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist nach § 15 Abs.4 UStG 1980 der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist.
2. Das FG hat zu Unrecht eine steuerfreie Grundstücksvermietung verneint und die auf sie entfallenden Vorsteuerbeträge zum Abzug zugelassen.
a) Nach § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 ist u.a. die Vermietung von Grundstücken und von Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, steuerfrei. Diese Steuerbefreiung gilt nicht nur für die Vermietung von ganzen Grundstücken, sondern auch für die Vermietung von Grundstücksteilen. Hierzu gehören auch Gebäude und Gebäudeteile (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8.Oktober 1991 V R 95/89, BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209) sowie sonstige mit dem Grundstück fest verbundenen Sachen. Dabei ist der Begriff der Grundstücksvermietung bürgerlich-rechtlich zu bestimmen (vgl. Urteil in BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209). Vermietung bedeutet sonach die Gebrauchsüberlassung und Gebrauchserhaltung der vermieteten Sache (§§ 535, 536 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin überläßt die Kegelbahnanlage und die dazugehörenden Räumlichkeiten bestimmten Personengruppen stundenweise zur ausschließlichen Nutzung, im Grundsatz gegen Entgelt. Damit sind die Tatbestandsmerkmale des § 535 BGB erfüllt: Die Klägerin gewährt den Mietern den Gebrauch der Anlage gegen Entrichtung des Mietzinses.
b) Von der Steuerbefreiung des § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 ausdrücklich ausgenommen ist nach Satz 2 der Vorschrift u.a. die Vermietung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind. Wird eine Betriebsanlage, die aus Gebäude und Betriebsvorrichtungen besteht, gegen einen einheitlichen Mietzins vermietet, muß folglich für die Umsatzbesteuerung die Überlassung der Betriebsvorrichtungen von der Vermietung des Gebäudes in der Weise getrennt werden, daß nur die Überlassung der Betriebsvorrichtungen mit dem auf sie entfallenden Teil des Mietentgelts unter den Voraussetzungen des § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist. Dabei ist der Begriff der Betriebsvorrichtung i.S. von § 4 Nr.12 Satz 2 UStG im gleichen Sinne zu verstehen, wie in § 68 Abs.2 Nr.2 des Bewertungsgesetzes (BewG). Bei Vermietung einer Betriebsanlage, die aus Gebäude und Betriebsvorrichtungen besteht, kann sonach die Steuerpflicht nicht mit der von der Vorinstanz vertretenen Begründung bejaht werden, das Gebäude sei im Verhältnis zu den Betriebsvorrichtungen von nur untergeordneter Bedeutung und seine Vermietung teile als unselbständige Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung und damit deren Steuerpflichtigkeit. Der Senat folgt den entsprechenden Ausführungen des BFH-Urteils vom 16.Oktober 1980 V R 51/76 (BFHE 132, 119, BStBl II 1981, 228), auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.
c) Das die eigentliche Kegelanlage (Bahn, Kugelfangeinrichtung, Kugelrücklaufeinrichtung, automatische Kegelaufstelleinrichtung, automatische Anzeigeeinrichtungen, spezielle Beleuchtungsanlagen, Schallisolierungen usw.) als Betriebsvorrichtung umgebende Bauwerk ist hiernach bewertungsrechtlich als Gebäude anzusehen und damit dem Grundstück zuzurechnen. Infolge der einheitlichen Begriffsbestimmung in § 68 Abs.2 Nr.2 BewG einerseits und § 4 Nr.12 Satz 2 UStG 1980 andererseits kann für das Umsatzsteuerrecht nichts anderes gelten. Vermietet werden sonach gegen einheitliches Entgelt --umsatzsteuerpflichtig-- die Betriebsvorrichtungen und zugleich --umsatzsteuerfrei-- die dazugehörenden Räumlichkeiten (zutreffend FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.Juli 1986 3 K 8/86, EFG 1987, 92; Erlaß des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 16.Januar 1984, IV A 3 - S 7168 - 2/84, BStBl I 1984, 40; Abschn.86 Abs.1 Satz 2 Nr.5 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- 1988/1992; s. auch BFH-Urteil vom 28.Oktober 1992 X R 117/89, BFHE 170, 11, BStBl II 1993, 261). Soweit der Reichsfinanzhof (RFH) im Urteil vom 24.September 1943 V 198/40 (RFHE 54, 555, RStBl 1943, 827) für eine Kegelbahn eine andere Auffassung vertreten und ausschließlich die Vermietung einer Betriebsvorrichtung angenommen hat, ist dem nicht zu folgen. Dieses Verständnis wird der Auslegung des § 68 BewG und damit des § 4 Nr.12 Satz 2 UStG 1980 nicht gerecht. Der Senat schließt sich auch insoweit der Rechtsprechung des BFH im Urteil in BFHE 132, 119, BStBl II 1981, 228 an.
3. Die Ausführungen der Vorinstanz überzeugen demgegenüber nicht.
a) Das FG ist der Meinung, daß anders als bei einem Hallenschwimmbad (vgl. BFH-Urteil in BFHE 132, 119, BStBl II 1981, 228) oder bei einer Tennishalle (vgl. BFH-Urteil vom 14.Mai 1992 V R 68/88, BFHE 168, 198, BStBl II 1992, 758) bei einer Kegelbahn dem die Betriebsvorrichtungen "umhüllenden" Gebäudeteil so gut wie ausschließlich dienende Funktion zukäme. Dieser Raumteil sei für den Aufenthalt der Kegler nicht geeignet. Seine Zurverfügungstellung trete deshalb hinter die Vermietung der eigentlichen Kegelbahn zurück. Dem ist nicht zuzustimmen.
Die Vermietung eines Gebäudes setzt weder zivil- noch umsatzsteuerrechtlich voraus, daß die vermieteten Flächen und Räume zum Aufenthalt von Menschen bestimmt und geeignet sein müssen. § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 befreit die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Umsatzsteuer, gleich welchen Zwecken diese dienen und zu dienen bestimmt sind.
b) Der Vorinstanz kann auch nicht darin beigepflichtet werden, die Kegelbahnbenutzung sei, soweit die Klägerin diese den Keglern bei befriedigenden Verzehraufwendungen unentgeltlich gewährt hat, wirtschaftlich dem Verzehrumsatz zuzuordnen und nicht als selbständige Leistung zu beurteilen. Das FG verkennt, daß die Zurverfügungstellung der Kegelbahn kein bloßes Mittel zum Zweck (nämlich dem Verzehr) ist, sondern eine eigenständige Leistung darstellt, anläßlich derer die Inanspruchnahme der gastronomischen Leistungen erfolgt und erfolgen soll. Entspricht dieser Verzehr den Erwartungen der Klägerin oder werden diese sogar überboten, wird die Kegelbahngebühr den Keglern nachträglich erlassen. Kegelbahnvermietung und Bewirtungsleistungen sind sonach voneinander unabhängig. Der Sachverhalt läßt sich insoweit nicht mit den vom FG herangezogenen Beispielen der Hingabe von Werbeartikeln (vgl. BFH-Urteil vom 26.Juli 1988 X R 50/82, BFHE 154, 390, BStBl II 1988, 1015) oder der Bereithaltung eines Kundenparkplatzes durch eine Bank vergleichen: Der Umsatz, für den geworben wird, erfolgt nicht anläßlich der Hingabe der Werbeartikel und das Bankgeschäft wird nicht anläßlich des Parkens getätigt. Vielmehr verhält es sich gerade umgekehrt: Die Hingabe des Werbeartikels und die Gewährung der Parkmöglichkeit sind den jeweiligen wirtschaftlichen Betätigungen als Nebenleistungen zuzuordnen.
c) Für die Entscheidung des Senats ist schließlich ohne Bedeutung, ob die Klägerin sonstigen Gruppen und Gesellschaften, die nicht kegeln wollen, in ihrer Gaststätte ohne besondere Berechnung Nebenräume zur Verfügung stellt. Im Gegenteil erweist sich daran der Unterschied zu der grundsätzlich nur entgeltlichen Zurverfügungstellung der Kegelbahnanlage.
4. Die Klägerin verwendet sonach nur die eigentliche Kegelanlage zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze. Nur insoweit besteht der Vorsteuerabzug zu Recht. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da sie auf einer anderen Rechtsauffassung beruht.
Die Sache ist entscheidungsreif. Die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Vorsteuern sind nach Maßgabe des § 15 Abs.4 UStG 1980 aufzuteilen. Das FA ist davon ausgegangen, daß die Klägerin nicht nur hinsichtlich der Überlassung der Betriebsvorrichtung Kegelbahn, sondern auch hinsichtlich des dem Aufenthalt und der Bewirtung der Kegler dienenden Raumteiles eine steuerpflichtige Leistung erbringe und daß deshalb die Vorsteuern aus den Herstellungskosten des Gebäudes auch insoweit abziehbar seien. Es kann dahinstehen, ob dem zuzustimmen ist oder ob nicht auch die Vermietung des dem Aufenthalt und der Bewirtung der Spieler dienenden Raumteils als solche ebenso wie die Vermietung des die eigentliche Bahn umschließenden Gebäudeteils eine umsatzsteuerfreie Leistung i.S. des § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 darstellen kann. Dem Senat wäre es versagt, das FA zu einer verbösernden Änderung des Umsatzsteuerbescheids 1984 zu verpflichten. Da der Klägerin der begehrte Vorsteuerabzug nicht zusteht, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 64628 |
BFH/NV 1993, 71 |
BStBl II 1993, 808 |
BFHE 172, 178 |
BFHE 1994, 178 |
BB 1993, 2008 (L) |
DB 1993, 2268 (L) |
DStR 1993, 1588 (KT) |
DStZ 1993, 671 (KT) |
HFR 1994, 28 (LT) |
StE 1993, 515 (K) |