Leitsatz (amtlich)
Die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Luxusgegenstände" als steuerbegründendes Merkmal für die Vermögensteuer verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 67 Abs. 1 Nr. 10; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Tatbestand
Die Kläger haben 1964 eine Segelyacht für 86 250 DM erworben. Bei dieser Yacht handelt es sich um eine internationale Kreuzer-Renn-Yacht, die sportlichen Zwecken dient.
Das FA (Beklagter) behandelte die Yacht bei der Vermögensteuerveranlagung zum 1. Januar 1965 als Luxusgegenstand, der nach § 67 Abs. 2 Nr. 10 des BewG in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung (im folgenden: BewG) zum sonstigen Vermögen gehöre. Es setzte sie mit einem gemeinen Wert von 88 800 DM an. Auf den Einspruch ermäßigte das FA den gemeinen Wert der Yacht auf 80 000 DM.
Das FG hat die Klage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen. Seine Entscheidung ist in den EFG 1971, 115 abgedruckt.
Die Revision der Kläger rügt zunächst, das FG habe seiner Entscheidung Vorschriften des BewG 1965 zugrunde gelegt, obwohl dieses zum 1. Januar 1965 noch nicht anwendbar sei.
Außerdem rügt die Revision vorsorglich Verletzung des Art. 3 GG. Dies ergebe sich daraus, daß die FÄ in Anwendung der VStR Segelyachten jahrzehntelang als Sportgegenstände angesehen hätten, die nicht der Vermögensteuer unterlägen. Die Kläger seien bereit gewesen, den Beweis dafür anzutreten, daß nicht nur in Einzelfällen von der Verwaltung dieser Rechtsstandpunkt eingenommen worden sei. Da das FG weder auf dieses Beweisangebot eingegangen sei noch die dem Beweisangebot zugrunde liegende Behauptung als erwiesen unterstellt habe, sei ihr rechtliches Gehör verletzt.
Weiter rügt die Revision, das FG habe die Entscheidung, ob ein Luxusgegenstand gegeben sei, auf den Veräußerungspreis gestützt, ohne diesen festzustellen. Es habe aus eigener Sachkunde einen Wert von 80 000 DM angenommen. Die allgemeine Lebenserfahrung lehre aber, daß jeder Gebrauchsgegenstand, sobald er erstmals benutzt worden sei, erheblich an Wert verliere. Ferner meint die Revision, aus dem Urteil des FG ergebe sich, daß ein Steuerpflichtiger eine Yacht bis zu einem Wert von 35 000 DM bis 40 000 DM halten könne, ohne daß sie als Luxusgegenstand betrachtet werde. In diesem Zusammenhang müsse aber berücksichtigt werden, daß das Segelboot der Kläger von einem Ehepaar mit Kind benutzt werde, die zusammen veranlagt würden. Bei getrennter Veranlagung würde, selbst wenn man von dem vom FG angenommenen Wert ausginge, auf jeden Benutzer nur ein Wert von 27 000 DM entfallen. Mehrere Steuerpflichtige könnten aber nicht so behandelt werden, wie nur ein einziger. Schließlich rügt die Revision noch, das FG habe nicht berücksichtigt, daß in dem mit Urteil des BFH III R 96/67 vom 19. Dezember 1969 (BFH 98, 195, BStBl II 1970, 293) entschiedenen Fall, der den Zeitraum von 1957 bis 1960 betrat, eine Segelyacht mit einem Zeitwert von 35 000 DM bis 60 000 DM als Luxusgegenstand betrachtet worden sei. Inzwischen sei die Entwicklung weitergegangen und habe zu einer Verschiebung der Wertbegriffe geführt. Dies müsse bei einer Veranlagung zum 1. Januar 1965 berücksichtigt werden.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Vermögensteuer zum 1. Januar 1965 so festzusetzen, daß der Wert der Yacht außer Betracht bleibt.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
1. Der Senat stimmt den Klägern darin zu, daß der vom FG angewendete § 110 Abs. 1 Nr. 11 BewG 1965 am Veranlagungszeitpunkt 1965 noch nicht geltendes Recht war (vgl. Art. 9 Abs. 1 ÄndG-BewG 1965 vom 13. August 1965, BGBl I 1965, 851). Gleichwohl ist die Entscheidung des FG nicht unrichtig, und zwar deshalb, weil der am 1. Januar 1965 noch maßgebende § 67 Abs. 1 Nr. 10 BewG in seinem Wortlaut und damit in seinem sachlichen Inhalt mit § 110 Abs. 1 Nr. 11 BewG 1965 völlig übereinstimmt; denn er wurde durch das ÄndG-BewG 1965 nicht geändert, sondern hat lediglich durch die Neufassung eine andere Paragraphen-Nummer erhalten (vgl. Art. 1 ÄndG-BewG 1965, insbesondere Nr. 26, § 80 Abs. 2).
2. Die Vorentscheidung verletzt weder den Gleichheitssatz des Art. 3 GG noch das rechtliche Gehör der Kläger.
Der Senat hat sich schon in seinem Urteil III R 96/67 vom 18. Dezember 1969, a. a. O., das ebenfalls die Vermögensbesteuerung einer Segelyacht als Luxusgegenstand betraf, mit dem Einwand auseinandergesetzt, auf Grund allgemeiner Verwaltungsanweisungen seien Segelyachten, die Sportzwecken dienen, von der Vermögensteuer freigestellt worden. Er bleibt bei seiner Rechtsauffassung, Abschn. 67 VStR 1960 könne keinesfalls dahin verstanden werden, daß derartige Segelyachten schlechthin nicht als Luxusgegenstand behandelt werden sollten. Für den Veranlagungszeitraum 1965 trifft diese Auffassung um so mehr zu, als Abschn. 67 in der für diesen Veranlagungszeitraum maßgebenden Fassung der VStR 1963 dahin geändert worden ist, daß kleinere Segelboote nicht Luxusgegenstände seien, während Segelyachten in der Regel als Luxusgegenstand angesehen werden müßten. Damit kommt es auf das Beweisangebot der Kläger, ob in einigen oder mehreren Einzelfällen anders verfahren wurde, nicht an. Denn eine unrichtige rechtliche Unterordnung eines Sachverhalts in Einzelfällen und selbst in einer Reihe von Einzelfällen, die nicht nur dem Gesetz, sondern auch einer allgemeinen Verwaltungsanweisung zuwiderläuft, könnte keinesfalls in Anwendung des Gleichheitssatzes des Art. 3 GG die Bindung der Gerichte an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) außer Kraft setzen. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob das FG dadurch, daß es das Beweisangebot der Kläger nicht aufgegriffen hat, seine Sachaufklärungspflicht oder das rechtliche Gehör der Kläger verletzt haben könnte. Eine solche Verletzung könnte dann nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen, wenn es, wie im vorliegenden Fall, aus der revisionsrichterlichen Sicht auf die Behauptung der Kläger materiell-rechtlich unter keinem Gesichtspunkt ankommen kann (vgl. BFH-Entscheidung III 343/63 vom 20. Dezember 1967, BFH 90, 519, BStBl II 1968, 208). Der Senat kann deshalb zugunsten der Kläger unterstellen, daß in einer Reihe von Einzelfällen auch noch im Veranlagungszeitraum 1965 Segelyachten, die reinen Sportzwecken dienten, nicht als Luxusgegenstände behandelt worden sind.
3. Der Senat teilt die Bedenken des FG gegen die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Luxusgegenstände" als steuerbegründendes Merkmal nicht. Es ist allerdings richtig, daß nach den Grundsätzen des Rechtsstaatsprinzips eine Norm, die eine Steuerpflicht begründet, nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein muß, so daß die Steuerlast in gewissem Umfang für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar wird. Diese Grundsätze schließen aber die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe für die Abgrenzung des Regelungsbereichs belastender Normen nicht schlechthin aus. Das BVerfG hat vielmehr in einer Reihe von Entscheidungen anerkannt, daß gerade im Bereich des Wirtschafts- und Steuerrechts ohne unbestimmte Rechtsbegriffe nicht auszukommen sei (BVerfGE 13, 153, 160 f., mit weiteren Nachweisen).
Die Verwendung des Begriffs "Luxusgegenstände" in § 67 Abs. 1 Nr. 10 BewG bedeutet im Gegensatz zur Meinung des FG keine nur vage Begrenzung des Steuergegenstandes. Der Senat hat in Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung als Luxusgegenstände alle Wirtschaftsgüter betrachtet, deren Anschaffung und Haltung einen Aufwand darstellt, der die als normal empfundene Lebenshaltung auffallend oder unangemessen übersteigt (BFH-Entscheidung III R 96/67, a. a. O.). Durch das Erfordernis der "auffallenden" und "unangemessenen" Überschreitung der normalen Lebenshaltung ist nach Auffassung des Senats der indifferente Zwischenbereich zwischen Luxusgegenständen und Wirtschaftsgütern, deren Anschaffung und Haltung einer als normal empfundenen Lebenshaltung entsprechen, aus dem Begriff der Luxusgegenstände ausgeschieden. Damit sind aber die "Luxusgegenstände" nach Auffassung des Senats hinreichend genau abgegrenzt.
Ob die Anschaffung oder Haltung von Wirtschaftsgütern die als normal empfundene Lebenshaltung auffallend oder unangemessen überschreitet, ergibt sich aus dem Verhältnis des Wertes eines Wirtschaftsguts zu seinem Nutzen oder zu seiner Verwendungsmöglichkeit. Für diese Wertung hat der Senat mit Urteil III R 96/67 entschieden, daß auf die Anschauung abzustellen sei, die urteilsfähige und unvoreingenommene Bürger von einer Sache haben oder gewinnen, wenn sie mit ihr befaßt werden. Dagegen ist die Auffassung der Gesellschaftskreise, die üblicherweise Gegenstände der streitigen Art halten, unbeachtlich. Der Senat hat, wie das FG wohl auch erkannt hat, nie daran gedacht, daß die Auffassung urteilsfähiger und unvoreingenommener Bürger auf dem Wege einer demoskopischen Umfrage ermittelt werden müßte. Er hat vielmehr in einer Reihe von Entscheidungen herausgestellt, daß es sich bei dieser Anschauung um die gerichtsbekannte Auffassung breiter Bevölkerungskreise handelt, die einer besonderen Feststellung durch den Tatrichter nicht bedarf (zuletzt BFH-Entscheidung III R 3/69 vom 9. Dezember 1970, BFH 101, 266, 268, BStBl II 1971, 230). Damit entfallen die Bedenken des FG, der Begriff "Luxusgegenstände" könnte nicht hinreichend bestimmt sein, weil das "Durchschnittsurteil" von Staatsbürgern in Grenzfällen keine zuverlässige Entscheidung ermögliche. Denn die Wertentscheidung, die die Rechtsordnung trifft, hat der Richter zu verwirklichen und nicht der "Durchschnittsbürger"; der Richter hat jedoch dabei die ihm bekannte Auffassung unvoreingenommener und urteilsfähiger Staatsbürger zu beachten.
4. Der Senat stimmt den Klägern zwar darin zu, daß das FG in seiner Entscheidung keine unmittelbare Feststellung des Wertes ihrer Yacht getroffen hat. Es hat sich vielmehr darauf beschränkt, den Parteienvortrag wiederzugeben, ohne herauszustellen, was es auf diesem Parteienvortrag aus eigener Überzeugung für festgestellt hält. Trotzdem ist es nicht so, daß die tatsächlichen Feststellungen nicht ausreichen würden, um die daran geknüpften Rechtsfolgen zu rechtfertigen (vgl. BFH-Entscheidung II R 36/67 vom 5. März 1968, BFH 92, 416, BStBl II 1968, 610). Das FG hat nämlich als Ersatz ausdrücklicher Feststellungen auf den Inhalt einer Auskunft der Herstellerfirma der Yacht und auf den Inhalt der Streitakten verwiesen. Aus den Akten des FG ergibt sich, daß die Kläger für die Yacht im Jahre 1964 insgesamt 85 239,95 DM gezahlt haben. Aus dem Gutachten der Herstellerfirma ergibt sich weiter, daß diese für die Bewertung der Yacht eine Lebensdauer von 20 Jahren für angemessen hält. Damit erscheint der vom FG zum 1. Januar 1965 angenommene Wert von 80 000 DM nicht übersetzt. Bei dem Vorbringen der Kläger, die Yacht sei durch zwei Hochsee-Langfahrten in den ersten sieben Monaten der Benutzung erheblich entwertet, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das der Senat nicht berücksichtigen kann (§ 118 Abs. 2 FGO). Auch der weitere Hinweis der Kläger, daß die Entwertung durch die Nutzung in den ersten Monaten unverhältnismäßig größer sei, als durch die spätere Nutzung, kann nicht dazu führen, daß der vom FG angenommene Wert sich als unrichtig erweisen würde. Im übrigen kann der Senat nur prüfen, ob dieser Wert im Rahmen der Möglichkeiten liegt.
5. Der Senat ist in Übereinstimmung mit dem FG der Auffassung, daß eine Segelyacht mit einem Anschaffungswert von rund 85 000 DM und einem gemeinen Wert am Veranlagungszeitpunkt von 80 000 DM, die zur Freizeitgestaltung und zu Sportzwecken benutzt wird, unter Beachtung vorstehender Grundsätze ein Luxusgegenstand ist, der nach § 67 Abs. 1 Nr. 10 BewG dem sonstigen Vermögen angehört und damit der Vermögensteuer unterliegt. Dabei ist davon auszugehen, daß die Nutzung eines Wasserfahrzeuges von so beträchtlichem Wert für Sport- und Freizeitzwecke die als normal empfundene Lebenshaltung auffallend übersteigt. Entgegen der Meinung der Kläger kommt es damit nicht mehr darauf an, ob das Boot besonders kostspielig ausgestattet ist oder nicht.
Der Senat hält auch an seiner schon im Urteil III R 96/67 vertretenen Auffassung fest, daß Sport und Luxus keine sich ausschließenden Begriffe sind, wenngleich sie sich nur in Grenzbereichen decken. Die Veränderung der Wertbegriffe und des Lebensstandards in der Zeit von 1957 bis 1960, die der Entscheidung III R 96/67 zugrunde lag, bis 1965 ist nicht so sprunghaft gewesen, daß das Boot der Kläger aus diesem Grund nicht mehr als Luxusgegenstand betrachtet werden könnte. Der Senat hat über die von den Klägern herangezogenen Vergleichsfälle, der Haltung eines kostspieligen Rennpferdes oder eines kostspieligen Rennwagens nicht zu entscheiden. Doch kann es keinem Zweifel unterliegen, daß auch in diesen Fällen dieselben Maßstäbe angelegt werden müßten.
Der Auffassung, daß eine Segelyacht mit einem Zeitwert von 80 000 DM ein Luxusgegenstand ist, steht auch nicht der Einwand entgegen, daß mehrere kleinere Segelboote mit einem Einzelwert von angenommen 35 000 DM für sich allein gesehen keine Luxusgegenstände sein würden und damit nicht der Vermögensteuer unterlägen. Denn die Eigenschaft als Luxusgegenstand wird durch den Wert des einzelnen Wirtschaftsguts im Verhältnis zu seiner Nutzungs- oder Verwendungsmöglichkeit begründet. Bei der außergewerblichen Haltung mehrerer Segelboote im Werte von etwa 35 000 DM durch einen Eigentümer würde sich aber noch die Frage stellen, ob diese mehreren Boote nicht als wirtschaftliche Einheit zu betrachten wären mit der Folge, daß die Entscheidung, ob ein Luxusgegenstand vorliegt, unter Berücksichtigung dieser wirtschaftlichen Einheit getroffen werden müßte (vgl. BFH-Entscheidung III 165/61 U vom 29. November 1963, BFH 78, 144, BStBl III 1964, 58).
Schließlich steht der Vermögensbesteuerung der Yacht der Kläger nicht entgegen, daß die Veranlagungsgemeinschaft aus drei Personen besteht, die das Boot auch laufend gemeinsam benutzen. Für die Entscheidung der Frage, ob ein Luxusgegenstand gegeben ist, kommt es allein auf das Verhältnis des Wertes des betreffenden Wirtschaftsguts oder der betreffenden wirtschaftlichen Einheit zur Nutzungs- oder Verwendungsmöglichkeit an. Dagegen ist es ohne Bedeutung, aus wie vielen Personen die Veranlagungsgemeinschaft besteht, deren Vermögen für die Besteuerung zusammengerechnet wird.
Fundstellen
Haufe-Index 69694 |
BStBl II 1972, 26 |
BFHE 1972, 227 |