Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Erlaß von Kirchensteuern bei Exkommunikation aus der katholischen Kirche
Leitsatz (NV)
1. Einwendungen gegen die Kirchensteuerpflicht sind Rechtsgründe, die im Steuerfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden müssen und über die nur dort zu entscheiden ist. Der Billigkeitserlaß ist insoweit gegenüber dem Steuerfestsetzungsverfahren subsidiär.
2. Ein Billigkeitserlaß ist grundsätzlich nicht dafür vorgesehen, um die Folgen der schuldhaften Versäumnis eines Rechtsbehelfs auszugleichen.
Normenkette
KiStG NW § 8 Abs. 1; AO 1977 § 227
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 1990 bis 1992 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Beide Kläger sind Mitglieder der römisch-katholischen (rk) Kirche. Der Kläger lebt in zweiter Ehe. Mit seiner ersten Ehefrau wurde er katholisch getraut. Die Ehe wurde 1966 geschieden. Die Kläger heirateten anschließend. Sie wurden für die Veranlagungszeiträume ab 1967 auch zur rk Kirchensteuer veranlagt. Alle Bescheide für die Veranlagungszeiträume bis 1990 einschließlich sind bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 1. Februar 1993 beantragten die Kläger den Erlaß ihrer ab 1967 gezahlten rk Kirchensteuer mit der Begründung, sie seien von der rk Kirche exkommuniziert worden und deshalb sei die Erhebung von rk Kirchensteuer unberechtigt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte wies die Kläger in verschiedenen Schreiben auf seine ablehnende Rechtsauffassung hin. Die Kläger erhoben gegen jedes der Schreiben Gegenvorstellungen, die zum Erlaß einer "Einspruchs"-Entscheidung am 18. Oktober 1993 führten.
Die Kläger erhoben Klage, die sie später auf den Erlaß der rk Kirchensteuer 1990 bis 1992 reduzierten. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurde die rk Kirchensteuer 1990 durch Bescheid vom 14. Juni 1993 in Höhe von ... DM und die rk Kirchensteuer 1991 durch Bescheid vom 21. April 1994 in Höhe von ... DM festgesetzt. Die rk Kirchensteuer 1992 war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG noch nicht festgesetzt. Die Kläger schätzten die Höhe der Kirchensteuer 1992 auf ... DM.
Das FG wies die Klage der Kläger ab.
Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger sinngemäß die Verletzung des § 227 der Abgabenordnung (AO 1977).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Nach § 8 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes Nordrhein-Westfalen (KiStG NW) finden die Vorschriften der AO 1977 auf den Erlaß von rk Kirchensteuern entsprechende Anwendung. Einschlägig ist § 227 AO 1977. Zuständig für einen Erlaß sind allerdings die Kirchen. Gegen die Ablehnung eines Erlasses ist gemäß § 8 Abs. 1 KiStG NW i. V. m. § 349 AO 1977 in der 1993 geltenden Fassung die Beschwerde und nicht der Einspruch gegeben.
2. Ein Erlaß von rk Kirchensteuern setzt nach § 227 AO 1977 voraus, daß die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre bzw. war. Die Kläger haben keine sachlichen oder persönlichen Billigkeitsgründe geltend gemacht, die einen Erlaß i. S. des § 227 AO 1977 rechtfertigen könnten. Sie wenden sich gegen die Annahme ihrer rk Kirchensteuerpflicht. Diese Einwendung richtet sich in erster Linie gegen die Auslegung und die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 2 KiStG NW. Dies sind Rechtsgründe, die im Steuerfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden müssen und über die nur dort zu entscheiden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 10. Juni 1975 VIII R 50/72, BFHE 116, 103, BStBl II 1975, 789). Der Billigkeitserlaß ist insoweit gegenüber dem Steuerfestsetzungsverfahren subsidiär. Die Kläger befinden sich zumindest insoweit im falschen Verfahren, als sie den Erlaß der noch nicht bestandskräftig festgesetzten rk Kirchensteuern 1991 und 1992 im Erlaßverfahren nach § 227 AO 1977 begehren.
3. Zwar schließt die Unanfechtbarkeit der Festsetzung rk Kirchensteuer 1990 noch nicht grundsätzlich einen Billigkeitserlaß aus. Für einen solchen Erlaß ist jedoch kein Raum, wenn -- wie im Streitfall -- die Kläger nur Rechtsgründe geltend machen, über die schon im Steuerfestsetzungsverfahren entschieden wurde und die -- wären sie anders entschieden worden -- die Unbilligkeit der Steuereinziehung behoben hätten. Die Kläger müssen sich insoweit daran festhalten lassen, daß sie Einwendungen gegen die Festsetzung der rk Kirchensteuer 1990 nicht geltend machten. Der Billigkeitserlaß ist grundsätzlich nicht dafür vorgesehen, um die Folgen der schuldhaften Versäumnis eines Rechtsbehelfs auszugleichen (vgl. BFH-Urteil vom 11. August 1987 VII R 121/84, BFHE 150, 502, BStBl II 1988, 512).
4. Bei dieser Rechtslage ist die Vorentscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dies genügt, um die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 420937 |
BFH/NV 1996, 436 |