Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein Filmherstellungsunternehmen ist regelmäßig nicht originärer, sondern derivativer Träger des Urheberrechts am Film und genießt deshalb nicht die Vergünstigung des § 67 (Abs. 1) Ziff. 5 Satz 2 bis 4 BewG.
Normenkette
BewG § 67/1/5, § 110/1/5
Tatbestand
Das Finanzamt hat bei der Feststellung des Einheitswertes des der Spielfilmherstellung gewidmeten Betriebsvermögens der Bfin. auf den 1. Januar 1948 in Höhe von 220.000 RM innerhalb des Rohvermögens die Herstellungskosten für Spielfilme nach dem Stande vom Stichtage mit 180.000 RM berücksichtigt. Dieser Feststellungsbescheid ist rechtskräftig geworden.
Auf Grund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung hat das Finanzamt, gestützt auf § 222 AO einen Berichtigungsbescheid auf den 1. Januar 1948 erlassen, in dem der Einheitswert des Betriebsvermögens nur auf 200.000 RM festgestellt wurde und die Filmherstellungskosten mit 260.000 RM angesetzt waren. Mit dem Einspruch gegen den Berichtigungsbescheid hat die Bfin. gebeten, die Beträge der Filmherstellungskosten vom Rohvermögen abzusetzen, weil es sich um Urheberrechte handle, die nach § 59 Ziff. 2 in Verbindung mit § 67 (Abs. 1) Ziff. 5 Satz 2 bis 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht zum Betriebsvermögen gehörten. Sie, die Bfin., habe die streitigen Filme hergestellt; ihr stünden die Filmurheberrechte zu. Diese Rechte seien nicht einem Dritten gegen die Verpflichtung zur einmaligen oder wiederholten Zahlung fester Beträge zur Ausnutzung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit überlassen gewesen. Einspruch und Berufung sind ohne Erfolg geblieben.
Das Finanzgericht hat die Frage, ob dem Filmhersteller das Filmurheberrecht an den Spielfilmen zustehe, dahingestellt sein lassen, weil in der Vermögensaufstellung der Bfin. mit den unstreitigen Herstellungskosten der Spielfilme nicht die Filmurheberrechte, sondern die "Werkstücke" der einzelnen Spielfilme, nämlich die Filmstreifen, bewertet worden seien. Alles, was für die Herstellung der Filmstreifen aufgewendet worden sei, mache den bewertungsfähigen Gegenstand des Streifens aus, dessen Herstellungskosten die Vergütungen an Drehbuchautoren, den Komponisten, die Schauspieler, den Spielleiter, den Kameramann usw. enthielten. Von diesen Leistungen und ihrem Produkt, dem fertigen Filmstreifen, sei das Urheberrecht zu unterscheiden. Das letztere sei mit einem ursprünglichen Geschäftswert zu vergleichen, für dessen Erwerb Aufwendungen nicht gemacht worden seien. Die Spielfilme seien daher als solche wie jedes andere Wirtschaftsgut bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zu berücksichtigen.
In der Rb. macht die Bfin. geltend, das Filmurheberrecht entstehe durch die Herstellung des Filmstreifens. Dieser stelle den Niederschlag der Betätigung derer dar, die bei der Herstellung des Films schöpferisch mitgewirkt hätten, und verkörpere das Filmurheberrecht des Herstellers. Er sei kein "Werkstück", vielmehr ein Werk im Sinne des § 67 (Abs. 1) Ziff. 5 BewG. Der wesentliche wirtschaftliche Wert eines Filmstreifens liege im Filmurheberrecht. Dieses sei nach § 59 Ziff. 2 in Verbindung mit § 67 (Abs. 1) Ziff. 5 Satz 2 bis 4 BewG nicht zum Betriebsvermögen zu rechnen. Der Antrag der Bfin. ist demnach zunächst darauf gerichtet gewesen, das Betriebsvermögen mit:
---------------------- 200.000 RM ------------------ ./. 260.000 RM mithin auf ------ ./. 60.000 RM anzusetzen.Erst später hat sie ihren Absetzungsantrag von 260.000 RM auf 250.000 RM ermäßigt.
Auf Antrag der Bfin. hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. -
Dem Antrage der Bfin. auf Herabsetzung des Einheitswertes ihres Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1948 stehen keine verfahrensmäßigen Bedenken entgegen.
Entscheidungsgründe
In der Sache selbst gilt folgendes:
Nach § 59 Ziff. 2 in Verbindung mit § 67 (Abs. 1) Ziff. 5 Satz 2 bis 4 BewG gehören zum Betriebsvermögen nicht Urheberrechte an Werken der bildenden Kunst oder solche Werke selbst, wenn sie im Eigentum des Urhebers selbst oder im Falle seines Todes im Eigentum seiner Witwe oder seiner Kinder stehen, es sei denn, daß die Urheberrechte einem Dritten gegen die Verpflichtung zur einmaligen oder wiederholten Zahlung fester Beträge zur Ausnutzung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit überlassen sind.
Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil III 187/51 U vom 25. Februar 1955 (BStBl 1955 III S. 96 ff., Slg. Bd. 60 S. 243) in übereinstimmung mit dem Reichsgericht und dem Bundesgerichtshof (vgl. Urteil des Reichsgerichts I 367/22 vom 14. März 1923, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 106 S. 362 ff.; Urteile des Bundesgerichtshofs I ZR 121/50 vom 15. Juni 1951 und I ZR 115/51 vom 12. Februar 1952, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 2 S. 331 ff. bzw. Bd. 5 S. 116 ff.) ausgesprochen, daß durch die Verfilmung eines Werkes im Regelfall ein neues Urheberrechtsgut entstehe, dem ein eigener Rechtsschutz zukomme, und daß gegenüber dem Wert des Filmurheberrechts derjenige des bloßen Filmstreifens nicht ins Gewicht falle. Er hat damals ausgeführt:
"Das wesentliche Wirtschaftsgut bei dem einem Filmhersteller gehörigen Spielfilm ist das immaterielle Gut der an dem Film erwachsenen Rechte einschließlich der angrenzenden Schutzrechte (vgl. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 1951, S. 94, 130 ff., 134), die .... ausdrücklich oder stillschweigend auf den Filmunternehmer übertragen worden sind."
Damit ist die grundsätzliche Auffassung des Finanzgerichts, es handle sich bei den streitigen Ansätzen um Aufwendungen nicht für Filmurheberrechte, sondern für bloße Filmstreifen, abgelehnt. Nach § 15 a des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907 (RGBl S. 7) in der Fassung der Gesetze vom 22. Mai 1910 (RGBl S. 793), vom 13. Dezember 1934 (RGBl II S. 1395) und vom 12. Mai 1940 (RGBl I S. 758) besteht ein Urheberrecht an Filmwerken, wenn sie wegen der Anordnung des Bühnenvorganges oder der Verbindung der dargestellten Begebenheiten als eine eigentümliche Schöpfung anzusehen sind. Das Urheberrecht erstreckt sich auch auf die bildliche Wiedergabe der dargestellten Handlung in geänderter Gestaltung. Der Urheber hat die ausschließliche Befugnis, das Werk öffentlich vorzuführen.
In der streitigen Einheitswertsache hat es sich um vier Spielfilme gehandelt. Von diesen war am Stichtag nur ein Film (Herstellungskosten = 250.000 RM) fertiggestellt. Demgemäß hat die Bfin. während des Verlaufs der Betriebsprüfung ihren Antrag auf Absetzung der vorgenannten 250.000 RM beschränkt (200.000 RM ./. 250.000 RM ./. 50.000 RM).
Wie weiterhin aus dem angeführten Urteil III 187/51 U hervorgeht, entsteht das Filmurheberrecht je bei den einzelnen am Film geistig-schöpferisch Mitwirkenden und geht von ihnen in der Regel auf das sich organisatorisch und finanziell betätigende Filmherstellungsunternehmen durch - ausdrückliche oder stillschweigende - übertragung über. Insofern kann das Filmherstellungsunternehmen nicht originärer, sondern lediglich derivativer Träger des Urheberrechts am Film sein. Auch im vorliegenden Falle sind die Urheberrechte der einzelnen in ihrem Zusammenwirken an dem Filmwerk mit einer schöpferischen geistigen Leistung Beteiligten als auf die Bfin. stillschweigend oder ausdrücklich übergegangen zu erachten. Somit mag der Bfin. am Stichtage das Filmurheberrecht an dem Filmwerk I zwar zugestanden haben; aber dieses Recht ist nicht originär bei ihr entstanden, von ihr vielmehr derivativ aus der Hand der einzelnen an der Gemeinschaftsschöpfung Beteiligten (zum Beispiel des Filmregisseurs und den gegebenenfalls des Kameramannes oder des Produktionsleiters, vgl. zum Beispiel Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 1951, S. 135; Berthold-Hartlieb, Filmrecht, 1957, S. 59, 60, 67 und 77) je gemäß deren schöpferischen Beitrag erworben worden (vgl. Abschnitt A, II 6 der Erläuterungen zu dem Ministerialentwurf des Urheberrechtsgesetzes, S. 27).
Wie sich hieraus ergibt, lassen sich die Sätze 2 ff. der Ziff. 5 von § 6 (Abs. 1) BewG in Verbindung mit § 59 Ziff. 2 BewG auf die Bfin. hinsichtlich der Aufwendungen für den Spielfilm I nicht anwenden; denn diese Vorschriften begünstigen nicht denjenigen, der Urheberrechte von den an der geistigen Schöpfung aktiv Beteiligten erworben hat, sondern lediglich den Urheber persönlich.
Es trifft zwar zu, daß der Entwurf des Bundesministers des Innern in § 98 dem Filmhersteller "in Anerkennung der organisatorischen und wirtschaftlichen Leistung", die mit der Herstellung eines Filmwerkes verbunden ist, ein eigenes Leistungsschutzrecht einräumt. Im zur Zeit geltenden Recht fehlt indessen eine Bestimmung, kraft derer dem Filmhersteller das originäre Gesamturheberrecht am Film zustünde. § 98 a. a. O. kann auf den hier streitigen Fall nicht angewandt werden. Lediglich das geltende Recht ist anzuwenden.
Aus den angeführten Gründen, mit denen, wie der Verlauf der mündlichen Verhandlung gezeigt hat, die Auffassung des Bundesministers der Finanzen übereinstimmt, scheidet die Anwendung der Sätze 2 bis 4 Ziff. 5 von § 67 (Abs. 1) BewG auf die Bfin. aus. Es kann dahingestellt bleiben, wer zuerst die Urheberrechte an der Gemeinschaftsschöpfung erworben hat: ob die Bfin. oder vor ihr die als ihre Komplementärin fungierende GmbH. Der Erwerb trägt in jedem Falle bei der Bfin. derivativen Charakter (vgl. auch Berthold-Hartlieb a. a. O. S. 73 unten; Sutermeister, Das Urheberrecht am Film, S. 43). Durch die vorgenannten Vorschriften ist nicht der derivative Träger von Urheberrechten, vielmehr nur der Urheber selbst oder im Falle seines Todes seine Witwe oder seine Kinder bewertungsrechtlich begünstigt.
Demgemäß braucht hier auch nicht zu der Frage Stellung genommen zu werden, ob eine gewerbliche Personengesellschaft oder eine juristische Person überhaupt originäre Urheberin von Geistesschöpfungen sein kann. Zwar treffen in dieser Beziehung die Ausführungen des Professors Spitaler über den gesetzgeberischen Grund des § 67 Abs. 1 Ziff. 5 Satz 2 bis 4 BewG an sich dahin zu, daß in den hier begünstigten Fällen eine Bewertung von Urheberrechten schwierig ist. Derartige Erwägungen haben zweifellos bei dem Gesetzgeber eine Rolle gespielt und auch dazu geführt, daß Urheberrechte nach § 26 der Ersten Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des Soforthilfegesetzes bei der Festsetzung von Soforthilfeabgabe überhaupt außer Ansatz zu lassen waren. Die Motive - Reichstags-Drucksache Nr. 797 (III. Wahlperiode) 1924/1925, S. 48 - weisen indessen unter B IV auch auf den persönlichen Gesichtspunkt bei der Besteuerung der Künstler usw. hin, der bei einem gewerblichen Unternehmen fortfallen würde.
Die Rb. der Bfin. ist nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409535 |
BStBl III 1960, 16 |
BFHE 1960, 36 |
BFHE 70, 36 |