Leitsatz (amtlich)
Veräußert ein Unternehmen die kundengebundenen Formen, die es angefertigt hat, an die Kunden und verpflichtet es sich dabei, bei den späteren Lieferungen der mit Hilfe der Formen hergestellten Erzeugnisse einen Preisabschlag von 5 v. H. zu gewähren, bis die Preisabschläge den Kaufpreis der Formen erreicht haben, so darf es für diese Verpflichtung im Jahr des Verkaufs der Formen keine Rückstellung bilden.
Normenkette
AktG § 131 Abs. 1 B IV; HGB § 38; EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, stellte Preß- und Spritzteile aus Kunststoff her. Dazu benötigte sie Spritzgußformen aus Stahl, die sie selbst anfertigte und an die Kunden verkaufte und übereignete. Die Kunden überließen sodann die Formen wieder der Klägerin zur Herstellung der Plastikteile. Dabei wurde vereinbart, daß bei den späteren Lieferungen die sogenannten Werkzeugkosten (die Kosten der Formen) mit 5 v. H. des Warenpreises verrechnet werden sollten. Das bedeutete, daß der Kunde für die Ware jeweils 5 v. H. weniger zu zahlen hatte, so lange, bis die Preisabschläge den Kaufpreis der Formen erreicht hatten. Die Formen durften nur zur Herstellung von Waren für den Besteller verwandt werden. Bestellte der Kunde nicht mehr bei der Klägerin, so hatte er einen Anspruch auf Herausgabe der Formen.
Die Klägerin setzte in ihren Bilanzen beim Verkauf einer jeden Form einen Betrag in Höhe des Kaufpreises als "Verbindlichkeit aus noch zu verrechnenden Werkzeugkosten" an. Bei Lieferung der Plastikteile nahm sie jeweils in Höhe von 5 v. H. des Rechnungspreises eine Gegenbuchung vor.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) ließ bei der Feststellung des Gewinns 1963 bis 1965 den Ansatz der erwähnten Verbindlichkeit nicht zu.
Die Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das FG hat ausgeführt, die Zusage, einen Preisabschlag von 5 v. H. auf die späteren Lieferungen zu gewähren, stelle nur eine obligatorische Verpflichtung für die Zukunft dar, aber keine Belastung des Vermögens am Bilanzstichtag. Sie mindere zwar den Rohgewinn der künftigen Lieferungen, stehe aber ertragsmäßig in keinem Zusammenhang mehr mit dem durch den Verkauf der Formen vereinnahmten Erlös.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Die Klägerin meint, die Herstellung und der Verkauf der Formen und die anschließenden Lieferungen der Plastikteile stellten einen zusammenhängenden Geschäftsvorgang dar. Daher sei bereits am Bilanzstichtag das Vermögen durch die Verpflichtung zur Erstattung der Kosten für die Formen belastet.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die angefochtenen Bescheide in der Weise zu ändern, daß die Rückstellungen aus noch zu verrechnenden Werkzeugkosten wie folgt anzusetzen seien:
31. Dezember 1963 17 624,96 DM
31. Dezember 1964 17 191,42 DM
31. Dezember 1965 81 695,78 DM.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Klägerin darf für ihre Verpflichtung, bei künftigen Lieferungen von Plastikteilen an ihre Kunden jeweils einen Preisabschlag von 5 v. H. des Warenpreises zu gewähren, keine Rückstellung bilden.
Der BFH hat sich in dem Urteil vom 8. Oktober 1970 IV R 125/69 (BFHE 100, 249, BStBl II 1971, 51) mit der Bilanzierung sogenannter kundengebundener Formen befaßt und entschieden: Stellt der Unternehmer zur Ausführung laufender Aufträge seiner Kunden hochwertige Stahlformen her, die jeweils nur zur Durchführung von Aufträgen eines bestimmten Kunden verwendet werden dürfen (kundengebundene Formen), und erhält er vom Kunden bei Beginn der Bestellungen eine die Herstellungskosten der Formen in etwa deckende Anzahlung, die in der Regel innerhalb eines längeren Zeitraumes mit einem bestimmten Hundertsatz auf die Rechnungsbeträge der laufenden Lieferungen angerechnet und, soweit dies nicht mehr möglich ist, nicht zurückgezahlt wird, so kann der Unternehmer die Formen als selbständige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens behandeln, davon dem Zeitraum der voraussichtlichen Anrechnung entsprechend Absetzungen für Abnutzung (AfA) vornehmen und unabhängig davon die Anzahlungen und die sich daraus ergebenden Verrechnungsverpflichtungen nach den allgemeinen Grundsätzen bilanzieren. Der Sachverhalt dieses Urteils unterscheidet sich vom Sachverhalt des Streitfalls in rechtlich erheblicher Weise. Im Streitfall blieb die Klägerin, die die Formen herstellte, nicht deren Eigentümerin, sondern veräußerte sie an die künftigen Besteller der mit Hilfe der Formen herzustellenden Plastikteile. Die Zahlungen, die die Besteller dafür leisteten, waren keine Anzahlungen auf die künftigen Lieferungen, sondern Zahlungen der Kaufpreise für die Formen.
Diese Unterschiede im Sachverhalt, auf die die Klägerin selbst hinweist, führen im Streitfall zu einer anderen bilanzrechtlichen Beurteilung als der des BFH-Urteils IV R 125/69. Da im Streitfall keine Anzahlungen vorlagen, bestand auch keine Möglichkeit, solche Anzahlungen zu passivieren. Die Herstellung und der Verkauf der Formen durch die Klägerin waren wie die Herstellung und der Verkauf anderer Erzeugnisse zu bilanzieren. Daneben stand die Verpflichtung der Klägerin, bei den künftigen Lieferungen an die Käufer der Formen einen Preisabschlag von 5 v. H. zu gewähren. Diese Verpflichtung ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt passivierungsfähig. Als Verbindlichkeit kann sie nicht ausgewiesen werden, da sie am Bilanzstichtag rechtlich noch nicht voll wirksam entstanden ist und ungewiß ist, ob und in welcher Höhe sie in Zukunft eintreten wird. Für ungewisse Verbindlichkeiten sind Rückstellungen zu bilden (§ 38 Abs. 1 HGB, § 131 Abs. 1 B IV AktG 1937, § 152 Abs. 7 Satz 1 AktG 1965, § 5 EStG). Voraussetzung ist, daß die Verbindlichkeit rechtlich schon entstanden oder wirtschaftlich im vergangenen Geschäftsjahr verursacht ist. Daran fehlt es im Streitfall. Die Verpflichtung, einen Preisabschlag zu gewähren, entstand rechtlich voll wirksam erst mit den künftigen Bestellungen der Käufer der Formen. Sie war auch wirtschaftlich noch nicht in dem Geschäftsjahr verursacht, in dem die Klägerin die Formen verkaufte. Die Lieferung der Formen und die folgenden Lieferungen der Plastikteile beruhten auf rechtlich getrennten Verträgen, die nach dem Grundsatz der Einzelbewertung auch bilanzrechtlich getrennt zu erfassen sind. Außerdem war die Gewährung des Preisabschlags wirtschaftlich so eng mit den künftigen Lieferungen verknüpft, daß sie als eine Belastung des Vermögens der Klägerin in den künftigen Jahren der Lieferungen anzusehen ist. Der rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhang des Preisabschlags mit den künftigen Lieferungen zeigt sich darin, daß nach den getroffenen Vereinbarungen die Klägerin an einen Kunden, der nichts mehr bestellte, auch nichts mehr zu zahlen hatte, ihm vielmehr nur die Formen zurückzugeben hatte.
Auch die Voraussetzungen einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 38 HGB, § 131 Abs. 1 B IV AktG 1937, § 152 Abs. 7 Satz 1 AktG 1965, § 5 EStG) sind, wie nicht näher begründet zu werden braucht, im Streitfall nicht erfüllt. Wenn die Klägerin meint, eine Rückstellung sei nicht nur für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, sondern allgemein für zu erwartende Belastungen zu bilden, so sprengt sie damit den Rahmen des Rückstellungsbegriffs.
Fundstellen
Haufe-Index 70346 |
BStBl II 1973, 305 |
BFHE 1973, 194 |