Leitsatz (amtlich)
Der gewerbliche Gewinn aus der Veräußerung schlüsselfertiger Eigentumswohnungen ist regelmäßig erst im Zeltpunkt der Übergabe der bezugsfertigen Wohnungen realisiert und demgemäß beim Tod des Veräußerers vor diesem Zeitpunkt dessen Erben zuzurechnen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 15
Tatbestand
Die Klägerin zu 1 und alleinige Revisionsklägerin (Klägerin zu 1) ist die Witwe des Facharztes Dr. M, der zu einem vom Finanzgericht (FG) nicht festgestellten Zeitpunkt verstorben ist.
Gegenüber dem Einfamilienhaus des Dr. M war das unbebaute Grundstück K-Straße 12 in B gelegen. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 6. Juli 1965 erwarben Dr. M und der Architekt K, der Kläger zu 2 und Beteiligter des Revisionsverfahrens (Kläger zu 2) von dem Eigentümer des Grundstücks W je einen 5/12 Miteigentumsanteil zum Gesamtpreis vom 91 666 DM; zu 2/12 blieb W Miteigentümer. In dem Kaufvertrag heißt es, "die Käufer werden auf dem Grundstück Eigentumswohnungen errichten". Der Verkäufer W verpflichtete sich, in Anrechnung auf den Kaufpreis eine Dachgeschoßwohnung mit einem Verrechnungswert von 60 000 DM zu übernehmen; den Restkaufpreis von 31 666 DM zahlten Dr. M und der Kläger zu 2 an W.
Aufgrund eines im Sepember 1965 gestellten Bauantrags wurde am 1. März 1966 der Neubau eines Wohnhauses mit 6 Wohnungen und 5 PKW-Boxen genehmigt. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 17. März 1966 erklärten die Grundstückseigentümer Dr. M, der Kläger zu 2 und W gemäß § 8 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) eine Aufteilung des Grundstückseigentums in Miteigentumsanteile, verbunden mit Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung; gleichzeitig vereinbarten sie, daß der Veräußerer W das alleinige Sondereigentum an einer Dachgeschoßwohnung, Dr. M und der Kläger zu 2 das alleinige Sondereigentum an je einer Wohnung und Dr. M und der Kläger zu 2 das Sondereigentum an den drei verbliebenen Wohnungen zum Miteigentum zu je 1/2 erlangen sollen. Diese zuletzt genannten drei Eigentumswohnungen veräußerten Dr. M und der Kläger zu 2 noch im März und April 1966 an verschiedene Erwerber mit der Maßgabe, daß sie sich verpflichteten, als Bauherrn die jeweils bezeichnete Wohnung gemäß der Baubeschreibung zu einem bestimmten Festpreis zu erstellen. Auf den Kaufpreis waren 40 % sofort zu zahlen, der Rest in bestimmten Raten nach Baufortschritt.
In gleicher Weise veräußerte der Kläger zu 2 im Jahre 1966 die ihm zugeteilte Eigentumswohnung. Dr. M behielt die ihm von der Grundstücksgemeinschaft zugewiesene Eigentumswohnung zu Eigentum.
Alle Wohnungen wurden Ende 1966 bezugsfertig. Die Rohbauabnahme war am 19. Juli 1966, die Gebrauchsabnahme am 23. November 1966.
Über die dem Dr. M und dem Kläger zu 2 jeweils zugewiesenen Eigentumswohnungen bzw. Garagen rechnete die Grundstücksgemeinschaft zu Marktpreisen ab.
Der Kläger zu 2 war vor und nach dem Streitjahr bereits mehrfach allein oder mit anderen Personen in gleichartiger Weise tätig.
Die Einkünfte aus der Veräußerung der Eigentumswohnungen waren in der Einkommensteuererklärung 1966 des Dr. M und der Klägerin zu 1 als Gewinn aus Spekulationsgeschäft, in der Einkommensteuererklärung 1966 des Klägers zu 2 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausgewiesen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat im Anschluß an eine Betriebsprüfung die Auffassung, daß Dr. M und der Kläger zu 2 mit der Errichtung und Veräußerung der Eigentumswohnungen gemeinsam ein gewerbliches Unternehmen betrieben und daraus einen Gewinn erzielt hätten. Das FA erließ am 4. Mai 1970 einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1966. Darin stellte es einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 118 238 DM fest, den es zu 61 619 DM - unter Berücksichtigung eines Vorweggewinns von 5 000 DM wegen einer dem Kläger zu 2 verbliebenen Garage - dem Kläger zu 2 und zu 56 619 DM dem Dr. M zurechnete. Dabei ging das FA davon aus, daß die in das Privatvermögen des Dr. M und des Klägers zu 2 überführten Wohnungen und Garagen als Entnahme mit dem Teilwert anzusetzen seien, wobei jedoch der Teilwert gleich dem Marktwert sei.
Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 erhoben nach erfolglosem Einspruch Klage mit dem Antrag, die einheitliche Gewinnfeststellung aufzuheben.
Das FG wies die Klage ab.
Mit der Revision beantragt die Klägerin zu 1 sinngemäß, den Feststellungsbescheid 1966 aufzuheben, hilfsweise, den Feststellungsbescheid dahin zu ändern, daß die Einkünfte allen Mitgliedern der Erbengemeischaft Dr. M anteilig zugerechnet werden, hilfsweise, die Einkünfte mit insgesamt 105 715 DM anzusetzen und davon dem Kläger zu 2 61 889 DM und den Erben des Dr. M 43 826 DM zuzurechnen. Die Klägerin zu 1 rügt dem Sinne nach eine Verletzung des § 215 der Reichsabgabenordnung (AO), des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG sowie einen Verstoß gegen Denkgesetze.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG.
1. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Errichtung und Veräußerung der Eigentumswohnungen als gewerbliche Betätigung i. S. von § 15 (Abs. 1) Nr. 1 EStG und § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i. V. m. § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) zu beurteilen ist.
a) Das FG hat insoweit dem Sinne nach ausgeführt, Dr. M und der Kläger zu 2 hätten mit der Errichtung und Veräußerung von fünf fertigen Eigentumswohnungen und entsprechenden Garagen selbständig in Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Sie hätten sich verpflichtet, die Eigentumswohnungen schlüsselfertig zu Festpreisen zu erstellen; damit hätten sie das wirtschaftliche Risiko des Vorhabens (Verlustrisiko, Gewinnchance) übernommen. Die Veräußerung von fünf Eigentumswohnungen innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums sei auch dann eine nachhaltige Betätigung, wenn dazu kein besonderer Geschäftsbetrieb eingerichtet sei. Eine Veräußerungsabsicht habe für die dem Grundstücksveräußerer W in Zahlung gegebene Eigentumswohnung von Anfang an bestanden. Hinsichtlich weiterer vier Wohnungen sei eine etwaige Absicht, die Eigentumswohnungen ganz oder teilweise als Vermögensanlage zu errichten und nicht zu veräußern, spätestens durch den alsbaldigen Verkauf nach der Aufteilung des Grundstücks in Miteigentumsanteile, also im März und April 1966 aufgegeben worden. Dr. M und der Kläger hätten dadurch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen, daß sie die Eigentumswohnungen Dritten angeboten und sodann veräußert hätten; im Hinblick auf das starke Interesse an Grundstücken und Eigentumswohnungen im Raume B im Jahre 1966 setze die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht voraus, daß eine besondere Werbung für den Verkauf stattfinde. Der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung sei überschritten. Wer die Ausführung von zum Verkauf bestimmten Bauten auf eigenes Risiko übernehme, überschreite den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung. Es könne deshalb offenbleiben, ob eine gewerbliche Tätigkeit schon im Hinblick auf die sonstige Bautätigkeit des Klägers zu 2 zu bejahen wäre.
b) Diese Ausführungen des FG sind nicht zu beanstanden. Sie entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteile vom 15. Dezember 1971 I R 179/68, BFHE 104, 77, BStBl II 1972, 279; vom 15. Dezember 1971 I R 49/70, BFHE 104, 178, BStBl II 1972, 291; vom 17. Januar 1973 I R 191/72, BFHE 108, 190, BStBl II 1973, 260; vom 29. März 1973 I R 153/71, BFHE 109, 431, BStBl II 1973, 661; ferner Urteil vom 8. August 1979 I R 186/78, BFHE 129, 177, BStBl II 1980, 106; siehe auch Woerner, Betriebs-Berater 1973 S. 526 - BB 1973, 526 -).
c) Die Einwände der Revision greifen nicht durch.
aa) Entgegen der Annahme der Revision hat das FG die Überlassung einer Eigentumswohnung an den Grundstücksveräußerer W zu Recht als Veräußerungsvorgang gewürdigt. Dabei ist unerheblich, ob, wie die Revision meint, W nach der Aufteilung nach § 8 WEG im Hinblick auf sein bereits bestehendes Miteigentum am Grundstück zivilrechtlich das Sondereigentum an der Eigentumswohnung gemäß § 94 BGB unmittelbar erworben hat. Entscheidend ist allein, daß sich Dr. M und der Kläger zu 2 gegenüber W zur schlüsselfertigen Errichtung einer Eigentumswohnung auf eigene Rechnung verpflichtet hatten und damit bis zur Übergabe als wirtschaftliche Eigentümer der im Bau befindlichen Wohnung anzusehen waren und, daß für ihre Leistungen ein Festpreis (Verrechnungspreis) von 60 000 DM vereinbart war. Die einkommensteuerrechtliche Würdigung dieser Gestaltung muß ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach derjenigen entsprechen, die Platz greifen würde, wenn Dr. M und der Kläger zu 2 die Wohnung an einen Dritten für 60 000 DM veräußert und den Barerlös zur Zahlung des Grundstückskaufpreises an W verwendet hätten.
bb) Danach ist bei der Beurteilung der Frage, ob nach dem Umfang der Bau- und Veräußerungsmaßnahmen der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten ist, entgegen der Annahme der Revision von der Errichtung und Veräußerung nicht von drei, sondern mindestens von vier Eigentumswohnungen auszugehen. Der Senat kann offenlassen, ob, wie das FG meint, auch die Veräußerung der dem Kläger zu 2 zugewiesenen und von diesem alsbald weiterveräußerten Eigentumswohnung der Grundstücksgemeinschaft zuzurechnen ist und deshalb von der Veräußerung von fünf Eigentumswohnungen auszugehen ist. Denn auch wenn dies zu verneinen sein sollte, muß nach den Umständen des Streitfalls angenommen werden, daß Dr. M und der Kläger zu 2 nicht mehr im Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung handelten.
Der Umfang der Bau- und Veräußerungsmaßnahmen (Errichtung von sechs Eigentumswohnungen und Veräußerung von mindestens vier Eigentumswohnungen) entspricht dem, für den der BFH bereits auch in anderen Fällen eine gewerbliche Tätigkeit bejaht hat (siehe insbesondere BFHE 129, 177, BStBl II 1980, 106; ferner BFHE 104, 178, BStBl II 1972, 291).
Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine Vermögensverwaltung durch Fruchtziehung aus zu erhaltendem Substanzwert, eine gewerbliche Betätigung hingegen durch Ausnutzung substantieller Vermögenswerte mittels Umschichtung gekennzeichnet. Danach muß im Streitfall eine gewerbliche Betätigung bejaht werden, weil das Verhalten der Grundstücksgemeinschaft nicht durch eine Fruchtziehung aus (vorhandenen und zu erhaltenden) Substanzwerten geprägt ist. Sinn der Veräußerung war es gerade, den Bau und (mit Hilfe der aus der Veräußerung erzielten Gewinne) den Erwerb der jedem der beiden Gemeinschafter vorbehaltenen Wohnung ohne Einsatz größerer Eigenmittel zu ermöglichen. Zu diesem Zwecke haben sich Dr. M und der Kläger zu 2 sowohl dem Grundstücksveräußerer gegenüber als auch drei verschiedenen Erwerbern gegenüber zur Errichtung schlüsselfertiger Eigentumswohnungen zu einem bestimmten Festpreis verpflichtet und von allen Erwerbern entsprechende Gegenleistungen bei Vertragsabschluß bzw. nach Maßgabe des Baufortschritts erhalten. Hinzu kommt, daß der Kläger zu 2 im Rahmen der Grundstücksgemeinschaft in gleicher Weise tätig geworden ist, wie er vorher und nachher bereits mehrfach allein auf eigene Rechnung oder zusammen mit anderen auf gemeinsame Rechnung tätig war, und daß diese Tätigkeiten unstreitig als gewerblich zu beurteilen sind. Dieser Umstand kann bei der Qualifikation der Tätigkeit der Grundstücksgemeinschaft nicht außer Betracht bleiben, auch wenn Dr. M mit dem Kläger zu 2 nur hinsichtlich dieses Objektes zusammengearbeitet hat, und auch wenn er bis zum März 1966 noch die Absicht gehabt haben sollte, nicht eine, sondern drei Wohnungen zum Zwecke der Vermietung zu behalten und diese Absicht lediglich wegen seines schlechten Gesundheitszustandes aufgegeben hat.
2. Auch die Ermittlung der Höhe des von der Grundstücksgemeinschaft insgesamt erzielten Gewinnes ist auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen vom FG nicht zu beanstanden. Das FG hat ausgeführt, es könne offenbleiben, ob die für Dr. M und den Kläger zu 2 bestimmten Wohnungen entnommen worden seien. Der Ansatz der Marktpreise rechtfertige sich daraus, daß diese bei der Abrechnung des Objekts zwischen Dr. M und dem Kläger zu 2 zugrunde gelegt worden seien.
Der Senat versteht diese Ausführungen dahin, daß die Vorentscheidung die Vereinbarungen zwischen Dr. M und dem Kläger zu 2 i. S. eines Veräußerungsgeschäftes zwischen der Grundstücksgemeinschaft und dem jeweiligen Mitglied der Grundstücksgemeinschaft, der die in Frage stehende Wohnungseinheit erhalten hat, würdigt. Diese Würdigung erweist sich mindestens als möglich.
Die einkommensteuerrechtliche Folge ist, daß bei der Grundstücksgemeinschaft Gewinne entstanden sind in Höhe der Differenz zwischen dem vereinbarten Veräußerungspreis (Verrechnungspreis) und den Herstellungskosten (siehe insbesondere BFH-Urteil vom 28. Januar 1976 I R 84/74, BFHE 119, 234, BStBl II 1976, 744). Das Problem der Entnahmebewertung stellt sich damit nicht (siehe dazu auch Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 19. Aufl., § 6 EStG Anm. 1196).
3. Gleichwohl muß die Vorentscheidung aufgehoben werden, weil die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil die rechtliche Schlußfolgerung des FG nicht rechtfertigen, daß der auf die Tätigkeit des Dr. M entfallende Gewinnanteil, wie in dem angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid festgestellt, in der Person des Dr. M, nicht etwa in der Person seiner Erben entstanden ist. Das angefochtene Urteil enthält keine tatsächliche Feststellung, wann Dr. M verstorben ist. Diese Feststellung ist jedoch erforderlich, weil der Gewinn aus der Veräußerung der Eigentumswohnungen nach den Grundsätzen des Urteils des Senats vom 29. November 1973 IV R 181/71 (BFHE 111, 89, BStBl II 1974, 202) nicht bereits mit Abschluß der Veräußerungsverträge, sondern erst mit der Übergabe der Wohnungen und damit - im Hinblick auf die Vereinbarung einer schlüsselfertigen Erstellung - im Zweifel erst mit der Bezugsfertigkeit realisiert wurde und daß nach Aktenlage, insbesondere auch nach Lage der dem FG vorgelegten Akten, nicht ausgeschlossen ist und war, daß Dr. M vor diesem Zeitpunkt verstorben ist.
Sollte Dr. M vor dem Zeitpunkt, in dem die Grundstücksgemeinschaft den Gewinn aus der Veräußerung der Eigentumswohnungen realisiert hat, verstorben sein, so wird das FG entsprechend dem in der Revisionsinstanz gestellten Antrag der Klägerin zu 1 - nach Beiladung eventueller Miterben - den Gewinnfeststellungsbescheid dahin zu ändern haben, daß der für Dr. M festgestellte Gewinnanteil den Erben des Dr. M anteilig zugerechnet wird. Entgegen der Annahme des FA enthält der von der Klägerin in der Revisionsinstanz gestellte Antrag keine Erweiterung des Klageantrags, den Feststellungsbescheid ersatzlos aufzuheben, sondern eine hilfsweise Einschränkung dieses Antrags.
Fundstellen
Haufe-Index 73474 |
BStBl II 1980, 318 |
BFHE 1980, 34 |