Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 28.07.2004) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28. Juli 2004 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen einer einheitlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zur gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hinterzog der anderweitig verfolgte Geschäftsführer einer Im- und Export GmbH für die Jahre 2000 (Abgabe der Steuererklärungen am 12. November 2001) und 2001 (Abgabe der Steuererklärungen am 12. Dezember 2002) dadurch Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie Solidaritätszuschlag, daß er Betriebseinnahmen der GmbH in den für die Gesellschaft abgegebenen Steuererklärungen verschwieg. Der Angeklagte, der in hervorgehobener Stellung als Speditionskaufmann in diesem Unternehmen tätig war, hatte im Zusammenwirken mit dem Haupttäter Geschäftspartner der GmbH veranlaßt, fällige Zahlungen nicht auf das in Deutschland geführte Geschäftskonto, sondern auf im Ausland geführte Tarnkonten zu überweisen. Die so verschleierten Einnahmen gingen nicht in die Steuererklärungen der GmbH ein. Insgesamt verkürzte der Haupttäter dadurch Steuern in Höhe von rund 4,5 Mio. DM.
Das Landgericht hat einen Tatbeitrag des Angeklagten bei der Erstellung der Steuererklärungen ausdrücklich verneint; es hat eine tateinheitliche Beihilfe zur Steuerhinterziehung (Steuerjahr 2000) und zur gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung (Steuerjahr 2001) angenommen, da der Tatbeitrag des Angeklagten „sich in seiner sonstigen Tätigkeit für die GmbH, die als einheitliche Handlung zu werten” sei, erschöpft habe. Die Strafe hat das Landgericht dem nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370a Satz 1 AO entnommen.
2. Die Verurteilung wegen tateinheitlicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zur gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat nicht ausreichend bedacht, daß es für die Strafbarkeit des Angeklagten auf den Zeitpunkt der Begehung der Beihilfehandlung ankommt. Der für den Bestand des Schuldspruchs wesentliche Begehungszeitpunkt der Beihilfehandlung bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 1 und 2 sowie § 8 StGB nach dem Zeitpunkt der Teilnahmehandlung als solcher und nicht nach dem Begehungszeitpunkt der hier teilweise (Steuererklärungen für 2001 vom 12. Dezember 2002) zweifelsfrei nach Inkrafttreten des § 370a AO begangenen Haupttaten (vgl. BGHR StGB § 8 Teilnehmer 1 m.w.N.). Eine Ausrichtung an der Haupttat, die das Landgericht ersichtlich zugrunde gelegt hat, widerspricht dem Grundgedanken des § 8 StGB, dem Bestimmtheitsgebot sowie dem Rückwirkungsverbot (vgl. BGH aaO m.w.N.).
Auf die Beihilfehandlung des Angeklagten könnte § 370a AO – jenseits verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Norm (vgl. BGH NJW 2004, 2990; BGH, Urt. vom 28. Oktober 2004 – 5 StR 276/04; jeweils m.w.N.) – mithin nur dann Anwendung finden, wenn seine Handlungen erst nach dem 27. Dezember 2001 tatsächlich abgeschlossen und damit im Sinne von § 2 Abs. 2 StGB beendet waren. Eine Begehung der Beihilfehandlung nach Inkrafttreten der Vorschrift des § 370a AO (sei es i.d.F. des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes vom 19. Dezember 2001, BGBl I 3922, mit einer Geltungsdauer vom 28. Dezember 2001 bis 27. Juli 2002 oder i.d.F. des Fünften Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes vom 20. Februar 2002, BGBl I 2715, 2722, mit einer Geltung ab 28. Juli 2002) hat der Tatrichter indes gerade nicht festgestellt, so daß die Anwendung dieser im konkreten Fall gegenüber dem alten Recht (§ 370 Abs. 1 AO) nicht milderen, sondern schärferen Tatbestände bei früherer Begehung auch nicht nach § 2 Abs. 3 StGB in Betracht kommt. Vielmehr fehlen gerade nähere Feststellungen dazu, innerhalb welcher Zeiträume der Angeklagte auf die Geschäftspartner der GmbH zur Verlagerung der Zahlungsflüsse einwirkte. Insbesondere bleibt offen, ob der Angeklagte – wofür die vom Landgericht vorgenommene rechtliche Bewertung als eine Beihilfetat sprechen könnte – den abweichenden Zahlungsweg schon im Jahre 2000 vereinbarte und in der Folgezeit dieser Zahlungsweg ohne weitere Tätigkeit des Angeklagten selbständig durch die Geschäftspartner fortgeführt wurde oder ob der Angeklagte etwa jeweils zeitnah den abweichenden Zahlungsweg veranlaßte.
Der Senat hebt die Feststellungen insgesamt auf. Er kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe keine für eine partielle Durchentscheidung notwendigen, hinreichend präzisen Feststellungen entnehmen. Auch bei einem geständigen und steuerrechtlich verständigen Angeklagten (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 8) müssen die Urteilsgründe eine die revisionsrechtliche Sachprüfung ermöglichende Darstellung der einzelnen Tathandlungen im Gefüge ihrer jeweils steuerrechtlichen Bedeutung enthalten.
Der neue Tatrichter wird darüber hinaus zunächst zu prüfen haben, ob die bisherige Annahme des Landgerichts, es liege nur eine Beihilfetat vor, zutreffend ist. Selbst wenn der Angeklagte „bei der Erstellung der jeweiligen Steuererklärungen (nicht) mitgewirkt” hat, wird der neue Tatrichter zu erörtern haben, ob nicht schon im Hinblick auf eine – angesichts der bisherigen Feststellungen möglicherweise näherliegende – wenigstens psychische Beihilfe des Angeklagten von jeweils einer Beihilfehandlung zu den zwei Haupttaten auszugehen ist. Gelangt auch der neue Tatrichter zu der Feststellung, daß sich die Handlungen des Angeklagten ausschließlich in der Verlagerung der Zahlungsströme erschöpften, wird er sodann zu prüfen haben, ob sich die Handlungen des Angeklagten auch über den 27. Dezember 2001 hinaus erstreckten. Sodann wird er bei alledem die gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 370a AO vorgebrachten Erwägungen (vgl. BGH NJW 2004, 2990; BGH, Urt. vom 28. Oktober 2004 – 5 StR 276/04; jeweils m.w.N.) zu bedenken haben. Gegebenfalls kann der neue Tatrichter die Verfolgung auf zwei Fälle der Beihilfe zur (einfachen) Steuerhinterziehung nach § 154a Abs. 2 StPO beschränken.
Unterschriften
Harms, Häger, Basdorf, Gerhardt, Schaal
Fundstellen
Haufe-Index 2557077 |
NWB 2006, 1928 |
wistra 2005, 147 |
NStZ-RR 2005, 151 |
PStR 2005, 55 |
NJW-Spezial 2005, 233 |