Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren. Beschwerde
Leitsatz (amtlich)
Die Ablehnung der Eigenverwaltung kann nicht im Wege der sofortigen Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Fehlens einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse angefochten werden.
Normenkette
InsO §§ 270, 34 Abs. 1, § 26 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 18.02.2005; Aktenzeichen 86 T 49/05) |
AG Berlin-Charlottenburg (Entscheidung vom 22.12.2004; Aktenzeichen 101 IN 2808/04) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 86. Zivilkammer des LG Berlin vom 18.2.2005 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Am 4.6.2004 beantragte der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen unter Anordnung der Eigenverwaltung sowie Restschuldbefreiung. Zur Begründung gab er an, zahlungsunfähig zu sein, wie sich aus einem Gutachten vom 31.8.2002 ergebe. Dieses Gutachten war anlässlich eines im Jahre 2001 von einer Gläubigerin gestellten, schließlich als unzulässig abgewiesenen Insolvenzantrags eingeholt worden. Eine Stundung der Verfahrenskosten beantragte der Schuldner ausdrücklich nicht. Er erklärte, nach Eröffnung des Verfahrens unter Anordnung der Eigenverwaltung werde seine Ehefrau einen Massekostenvorschuss leisten. Ein vom Insolvenzgericht eingeholtes Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass kein freies Vermögen vorhanden sei. Das Insolvenzgericht forderte den Schuldner vergeblich auf, den vom Gutachter für eine Eröffnung unter Bestellung eines Insolvenzverwalters als erforderlich bezeichneten Kostenvorschuss zu leisten. Zwischenzeitlich, am 14.9.2004, hatte eine Gläubigerin Insolvenzantrag gestellt und der Anordnung der Eigenverwaltung ausdrücklich widersprochen.
[2] Mit Beschluss vom 22.12.2004 hat das Insolvenzgericht die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, auf Erteilung der Restschuldbefreiung und auf Anordnung der Eigenverwaltung zurückgewiesen (DZWiR 2005, 168). Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Schuldner weiterhin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen unter Anordnung der Eigenverwaltung erreichen. Einen Antrag des Schuldners auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Verhinderung der Zwangsversteigerung eines Grundstücks hat der Senat wegen fehlender Erfolgsaussicht im Endergebnis zurückgewiesen (Beschl. v. 7.7.2005, NZI 2006, 34).
II.
[3] Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 7, 34 Abs. 1 Fall 2 InsO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.
[4] 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Der Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei zu Recht abgewiesen worden, weil eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse nicht vorhanden sei und der Schuldner trotz Aufforderung den Massekostenvorschuss nicht gezahlt habe. Mit dem Einwand, der Vorschuss sei zu hoch berechnet worden, weil er die beantragte Eigenverwaltung nicht berücksichtige, könne der Schuldner nicht gehört werden, weil die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Eigenverwaltung nicht angreifbar sei.
[5] 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
[6] a) Die Anordnung der Eigenverwaltung oder deren Ablehnung kann nicht mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht (§ 6 InsO). Die Eigenverwaltung kann in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordnet werden (§ 270 Abs. 1 InsO). Eine Anfechtung der Anordnung der Eigenverwaltung oder deren Ablehnung ist nicht vorgesehen.
[7] b) Die Entscheidung des Insolvenzgerichts, keine Eigenverwaltung anzuordnen, kann auch nicht im Wege der sofortigen Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (§ 34 Abs. 1 Fall 2 InsO) angefochten werden.
[8] aa) Gemäß § 34 Abs. 1 Fall 2 InsO steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu, wenn die Abweisung wegen Fehlens einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse erfolgt. Dieses Recht wurde ihm deswegen eingeräumt, weil die Abweisung eines Eröffnungsantrags mangels Masse in das Schuldnerverzeichnis des zuständigen Insolvenzgerichts eingetragen wird (§ 26 Abs. 2 InsO; vgl. BT-Drucks. 12/2443, 121). Zur Meidung dieser Rechtsfolge kann der Schuldner etwa das Fehlen eines zulässigen Antrags, das Nichtvorliegen eines Eröffnungsgrundes oder das Vorhandensein einer die Verfahrenskosten deckenden Masse einwenden.
[9] bb) Eine Überprüfung der Entscheidung des Insolvenzgerichts, den Antrag auf Eigenverwaltung abzuweisen, ist in diesem Zusammenhang nicht zulässig. Fasst das Insolvenzgericht mehrere Maßnahmen in einem einheitlichen Beschluss zusammen, die teils anfechtbar, teils unanfechtbar sind, erweitert dies die Rechtsschutzmöglichkeiten ggü. der einzelnen Maßnahme nicht (HK-InsO/Kirchhof, a.a.O. § 6 Rz. 5; Ganter in MünchKomm/InsO, § 6 Rz. 8; AG Köln v. 22.8.2005 - 71 IN 426/05, ZIP 2005, 1975; Prütting, NZI 2000, S. 145, 147). Die - unanfechtbare - Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung erfolgt gleichzeitig mit der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wird dadurch aber nicht Teil dieser Entscheidung (Graf-Schlicker, InsO § 270 Rz. 23; vgl. auch BVerfG v. 23.5.2006 - 1 BvR 2530/04, MDR 2007, 183 = ZIP 2006, 1355, 1357 zum Verhältnis Eröffnungsbeschluss - Bestellung des Insolvenzverwalters). Mit Beschluss vom heutigen Tage hat der BGH deshalb entschieden, dass die Ablehnung der Anordnung der Eigenverwaltung nicht im Wege der sofortigen Beschwerde gegen einen Eröffnungsbeschluss angefochten werden kann (IX ZB 10/05, z.V.b.). Für die sofortige Beschwerde gegen die Abweisung eines Insolvenzantrags wegen Fehlens einer die Verfahrenskosten deckenden Masse (§ 26 Abs. 1 Satz 1 InsO) kann nichts anderes gelten. Auch bei der Abweisung des Insolvenzantrags einerseits, der Abweisung des Antrags auf Eigenverwaltung andererseits handelt es sich um gesonderte Entscheidungen, die der äußeren Form nach in einem Beschluss zusammengefasst werden können.
[10] cc) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde (ebenso FK-InsO/Foltis, a.a.O. Rz. 15; Uhlenbruck, ZInsO 2003, 821, 822) folgt das Recht zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung der Eigenverwaltung nicht aus § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 34 InsO. § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO verweist auf die allgemeinen Vorschriften "für das Verfahren". § 34 InsO, der die Befugnis zur sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung über einen Eröffnungsantrag behandelt, wird von dieser Verweisung nicht erfasst. Vielmehr ist in den §§ 270 ff. InsO genau geregelt, gegen welche Maßnahmen die sofortige Beschwerde stattfindet. Es handelt sich um die Aufhebung der Eigenverwaltung auf Antrag eines Gläubigers (§ 272 Abs. 2 InsO) sowie um die vorzeitige Entlassung und die Vergütung des Sachwalters (§ 274 Abs. 1 i.V.m. §§ 59, 64 InsO). Auf eine sofortige Beschwerde nach § 34 Abs. 1 oder 2 InsO hin wird das Vorliegen oder Fehlen der Eröffnungsvoraussetzungen überprüft, nicht die Entscheidung nach § 270 InsO. Die Eigenverwaltung stellt keine eigene Verfahrensart dar, die selbständig beantragt und deren Ablehnung nach § 34 InsO angegriffen werden könnte (vgl. BGH, Beschl. v. 11.1.2007 - IX ZB 10/05, z.V.b.).
[11] c) Nach verbreiteter Ansicht in Rechtsprechung und Literatur soll der Schuldner im Rahmen einer sofortigen Beschwerde gegen die Abweisung eines Insolvenzantrags allerdings geltend machen können, der angeforderte, aber nicht gezahlte Vorschuss sei fehlerhaft berechnet worden (LG Traunstein NZI 2000, 439; HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl., § 34 Rz. 21; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl., § 34 Rz. 10, 16; Jaeger/Schilken, InsO § 34 Rz. 15; Schmahl in MünchKomm/InsO, § 34 Rz. 52; HambK-InsO/Schröder, § 34 Rz. 8; Lüke, ZIP 2001, 2189); denn die Vorschrift des § 13 InsO schütze auch das Recht des Schuldners auf eine geordnete Abwicklung seines Vermögens durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (HK-InsO/Kirchhof, a.a.O. Rz. 6). Ebenso könnte inzident eine Prüfung der Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung gem. § 270 Abs. 2 InsO erfolgen. Die Anordnung der Eigenverwaltung nebst Bestellung eines Sachwalters (§ 270 Abs. 3 InsO) verursacht regelmäßig weniger Kosten als die Bestellung eines Insolvenzverwalters, wirkt sich also auf die Höhe der Verfahrenskosten und damit auf den vom Insolvenzgericht anzufordernden Vorschuss (§ 26 Abs. 1 Satz 2 InsO) aus.
[12] Ist die Entscheidung über die Anordnung oder Ablehnung der Eigenverwaltung nach § 270 InsO jedoch einer Überprüfung durch das Beschwerdegericht entzogen, gilt gleiches auch für die Höhe des angeforderten Vorschusses, soweit diese von der Eigenverwaltung abhängt. Die Prüfung, ob das Insolvenzgericht zu Recht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Fehlens einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgelehnt hat, kann nicht dazu führen, dass das Beschwerdegericht einen geringeren Vorschuss anordnet, welcher eine Eigenverwaltung zwingend voraussetzt. Hält das Insolvenzgericht die Voraussetzungen des § 270 Abs. 2 InsO nicht für erfüllt und lehnt es deshalb ab, die Eigenverwaltung anzuordnen, kann nur die Gläubigerversammlung diese Entscheidung korrigieren (§ 271 InsO; vgl. BGH, Beschl. v. 11.1.2007 - IX ZB 10/05, z.V.b.). Führt die Ablehnung mittelbar zur Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse, bleibt es bei dieser Entscheidung. Dem Schuldner, der die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Restschuldbefreiung (§ 1 Satz 2 InsO) erreichen will, bleibt in einem solchen Fall die Möglichkeit, die Stundung der Verfahrenskosten zu beantragen (§ 4a InsO). Er kann nicht die Anordnung der Eigenverwaltung dadurch erzwingen, dass er einen Vorschuss beschafft (oder - wie im vorliegenden Fall - in Aussicht stellt), der nur zur Deckung der geringeren Kosten einer Eigenverwaltung ausreicht.
[13] d) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde verstößt der Ausschluss eines Rechtsmittels gegen die Ablehnung der Eigenverwaltung nicht gegen die aus Art. 19 Abs. 4 GG und dem Rechtstaatsprinzip herzuleitende Garantie effektiven Rechtsschutzes. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden (BVerfG v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886 = NJW 2003, 1924; BGH, Beschl. v. 16.10.2003 - IX ZB 599/02, BGHReport 2004, 128 = MDR 2004, 232 = WM 2003, 2390, 2392). Der Gesetzgeber hat die endgültige Entscheidung darüber, ob dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ausnahmsweise belassen werden soll, der Gläubigerversammlung übertragen, nicht dem Schuldner selbst oder dem Insolvenzgericht (vgl. BGH, Beschl. v. 11.1.2007 - IX ZB 10/05, z.V.b.). Der Ausschluss eines Instanzenzuges ist daher nur konsequent.
Fundstellen
Haufe-Index 1692615 |
NWB 2007, 777 |
BGHR 2007, 422 |
EBE/BGH 2007 |
NJW-RR 2007, 561 |
StuB 2007, 286 |
WM 2007, 513 |
WuB 2007, 313 |
ZIP 2007, 394 |
AnwBl 2007, 124 |
DZWir 2007, 332 |
MDR 2007, 739 |
NJ 2007, 170 |
NZI 2007, 238 |
NZI 2008, 5 |
ZVI 2007, 270 |