Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenverteilung nach Anerkenntnis des Insolvenzverwalters. Insolvenztabelle
Leitsatz (amtlich)
Zur Verteilung der Kosten in einem Verfahren auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle, wenn der Insolvenzverwalter den Anspruch nach Aufnahme des Rechtsstreits durch den Gläubiger anerkannt hat.
Normenkette
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, §§ 179, 180 Abs. 2; ZPO § 93
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des OLG München vom 7.10.2004 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.641,52 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Der Beklagte ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, eines Bauunternehmens. Der Kläger war für die Schuldnerin als Subunternehmer tätig. Mit der Klage begehrte er für Nachunternehmerleistungen an zwei Bauvorhaben restlichen Werklohn von insgesamt 36.409,28 EUR. Die Schuldnerin trat der Klage im schriftlichen Vorverfahren entgegen und berief sich u.a. auf unberechtigte Mehrforderungen, erhob Mängelansprüche, machte wegen eines in anderer Sache angeblich überzahlten Betrages Rückforderungsansprüche geltend und wandte Zurückbehaltungs- sowie Aufrechnungsrechte i.H.v. 40.500 EUR ein. Danach wurde der Rechtsstreit unterbrochen (§ 240 ZPO). Im Insolvenzverfahren meldete der Kläger die eingeklagte Forderung zur Tabelle an. Der Beklagte bestritt die Forderung vorläufig.
[2] Mit Schriftsatz vom 29.6.2004 hat der Kläger das Verfahren gegen den Beklagten aufgenommen und die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle beantragt. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 30.7.2004 einen Klageabweisungsantrag angekündigt. Er hat die nicht ordnungsgemäße Anmeldung der Forderung beanstandet und sich die Einwendungen der Schuldnerin wegen Schlechtleistung zu eigen gemacht. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Klageanspruch unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt. Das LG hat Anerkenntnisurteil erlassen und die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
[3] Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Eine Kostenüberbürdung auf den Beklagten gem. § 93 ZPO scheidet aus; dessen Kostenerstattungsanspruch stellt insgesamt eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar.
[4] Das Beschwerdegericht meint: Für das sofortige Anerkenntnis sei nicht allein auf das Verhalten des Insolvenzverwalters abzustellen. Das auf Feststellung gerichtete Verfahren nach § 80 Abs. 2 InsO bilde mit dem nach § 240 ZPO unterbrochenen Verfahren kostenrechtlich eine Einheit. Dann könne aber für die Kostenentscheidung nicht mehr von einem Anerkenntnis ausgegangen werden, wenn das Verfahren gegen die Schuldnerin bereits vor der Unterbrechung in eine Phase getreten sei, in der ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO nicht mehr in Betracht gekommen wäre. Dies sei hier der Fall, weil die Schuldnerin nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens in der Klageerwiderungsschrift die Abweisung der Klage beantragt habe. Eine entsprechende Anwendung des § 86 Abs. 2 InsO auf andere als die im Abs. 1 der Vorschrift genannten Passivprozesse mit der Folge, dass die Kostenforderung des Insolvenzgläubigers nur als Insolvenzforderung geltend gemacht werden könne, scheide mangels einer Regelungslücke aus. Auf die Frage, ob das Anerkenntnis des Beklagten für sich allein als sofortiges zu werten sei, komme es daher letztlich nicht an.
[5] 2. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
[6] a) Bislang hat der BGH nicht entschieden, ob der Insolvenzverwalter in den Fällen, in denen dem Schuldner ein sofortiges Anerkenntnis im Zeitpunkt der Unterbrechung des Rechtsstreits durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon versagt war, nach Aufnahme des Verfahrens gem. §§ 179, 180 Abs. 2 InsO noch ein Anerkenntnis mit den Rechtsfolgen aus § 93 ZPO abgeben kann. Der Senatsbeschluss vom 9.2.2006 (IX ZB 160/04, BGHReport 2006, 752 = MDR 2006, 1188 = ZIP 2006, 576) hat nur klargestellt, dass unter den Voraussetzungen des § 93 ZPO jedenfalls innerhalb der Instanz keine Aufteilung der Kosten danach stattfindet, ob sie vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Danach kann der Insolvenzverwalter nach Aufnahme des gegen den Schuldner gerichteten Prozesses erster Instanz die Wirkung des § 93 ZPO noch insgesamt herbeiführen.
[7] b) Damit ist noch nicht entschieden, ob ihm diese Möglichkeit auch dann eröffnet ist, wenn der Schuldner den Anspruch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr mit den Wirkungen des § 93 ZPO hätte anerkennen können, weil sein Anerkenntnis nicht mehr als sofortiges anzusehen gewesen wäre.
[8] aa) Ein solcher Fall ist hier gegeben, weil das Gericht das schriftliche Vorverfahren (§ 276 ZPO) angeordnet hatte und die Schuldnerin sich gegen die Klage verteidigt hat. Jedenfalls mit Einreichung der Klageerwiderungsschrift im schriftlichen Vorverfahren, mit der ein Antrag auf Klageabweisung angekündigt wird, verliert der Beklagte das Kostenprivileg des § 93 ZPO (vgl. OLG Bamberg v. 15.3.1995 - 2 WF 12/95, NJW-RR 1996, 392, 393; OLG Hamburg v. 2.11.2001 - 12 U 38/01, MDR 2002, 421 f.; OLG Nürnberg v. 22.5.2002 - 3 W 1144/02, MDR 2002, 1218 = NJW 2002, 2254 f.; OLG Schleswig v. 28.7.1997 - 4 W 4/97, MDR 1997, 971 = NJW-RR 1998, 285; Musielak/Wolst, ZPO 4. Aufl., § 93 Rz. 5; Saenger/Gierl, ZPO § 93 Rz. 27; Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. Rz. 4).
[9] bb) Nach zutreffender Auffassung wird der durch die Insolvenzeröffnung unterbrochene Prozess in der Lage aufgenommen, in der sich dieser befindet (vgl. Gerhardt, in Gottwald Insolvenzrechtshandbuch 3. Aufl., § 32 Rz. 26; Lüke, in Kübler/Prütting, InsO § 85 Rz. 57; MünchKomm/InsO/Ott, § 80 Rz. 84; Wittkowski, in Nerlich/Römermann, InsO § 85 Rz. 18, 22). Der Insolvenzverwalter muss deshalb die vorherige Prozessführung des Schuldners, einschließlich eventueller Anerkenntnisse, Verzichte, Geständnisse und Fristversäumnisse gegen sich gelten lassen, sofern er nicht im Einzelfall solche Rechtshandlungen gem. §§ 129 ff. InsO wegen objektiver Gläubigerbenachteiligung anfechten kann. Andererseits steht es dem Insolvenzverwalter frei, sämtliche dem Schuldner bei Eintritt der Unterbrechung noch zustehende Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen (vgl. Gerhardt, in Insolvenzrechtshandbuch a.a.O.; MünchKomm/InsO/Ott, a.a.O.). Daraus ergibt sich, dass der Insolvenzverwalter auch die prozessualen Wirkungen der Klageerwiderungsschrift gegen sich gelten lassen muss, es sei denn, in ihr läge eine anfechtbare Rechtshandlung. Dies ist hier nicht der Fall.
[10] 3. Hat der Beklagte danach die Kosten des Rechtsstreits insgesamt zu tragen, stellt sich die weitere vom Beschwerdegericht geprüfte Frage, ob der Kostenerstattungsanspruch des Klägers insgesamt als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) oder hinsichtlich der vor Verfahrenseröffnung bereits vollendeten Gebührentatbestände nur als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) zu behandeln ist. Der BGH hat sich ausdrücklich hierzu noch nicht geäußert (vgl. BGH, Beschl. v. 28.10.2004 - III ZR 297/03, BGHReport 2005, 271 = MDR 2005, 238 (LS) = NZI 2005, 33, 34; v. 9.2.2006 - IX ZB 160/04, BGHReport 2006, 752 = MDR 2006, 1188, a.a.O. S. 578).
[11] a) Die Beantwortung dieser Frage kann nicht in das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 ff. ZPO) verlagert werden. Die Organe dieses Verfahrens sind an die Kostengrundentscheidung gebunden. Werden einer Partei die gesamten Prozesskosten unterschiedslos auferlegt, ist eine Differenzierung in der nachfolgenden Verfahrensstufe grundsätzlich nicht mehr zulässig (vgl. OLG Hamm JurBüro 1990, 1482, 1483; MünchKomm/InsO/Schumacher, § 85 Rz. 19).
[12] b) Die vom Beschwerdegericht abgelehnte Aufteilung der Forderung aus dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch in eine Insolvenzforderung und eine Masseverbindlichkeit ist nicht unbestritten (zum Meinungsstand vgl. BGH, Beschl. v. 28.10.2004 - III ZR 297/03, BGHReport 2005, 271 = MDR 2005, 238 (LS), a.a.O. S. 34). Liegt - wie hier - kein sofortiges Anerkenntnis des Insolvenzverwalters vor, kann sie sich nicht aus § 86 Abs. 2 InsO, sondern nur aus allgemeinen Grundsätzen des Insolvenzrechts ergeben.
[13] aa) Nach der herkömmlichen, noch zur Konkursordnung entwickelten Auffassung ist die Kostentragungspflicht des Insolvenzverwalters vollumfänglich, also auch hinsichtlich der vor Unterbrechung (§ 240 ZPO) entstandenen Kosten, eine Masseverbindlichkeit (vgl. FK-InsO/App, 4. Aufl., § 85 Rz. 16, § 86 Rz. 15 f.; Hess, in Hess/Weis/Wienberg, InsO 2. Aufl., § 85 Rz. 56, 60; Roth, in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl., § 240 Rz. 21, 24; Karsten Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl., § 10 KO Anm. 8; § 11 KO Anm. 3; Smid, InsO 2. Aufl., § 85 Rz. 14). Dies wird damit begründet, dass der Insolvenzverwalter mit der Fortführung des Prozesses zur Hauptsache das einheitliche Kostenrisiko des Schuldners auf die Masse übernehme (vgl. Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl., § 10 Rz. 119). Es werden auch praktische Gesichtspunkte angeführt: Die Gerichts- und Anwaltsgebühren deckten, soweit es sich um Verfahrensgebühren handele, nicht einzelne, sondern eine Gesamtheit gleichartiger Tätigkeiten und Prozesshandlungen ab (vgl. OLG Hamm JurBüro 1990, 1482, 1483; s. auch MünchKomm/InsO/Schumacher, § 85 Rz. 19). Demgegenüber sieht eine andere Auffassung jedenfalls im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung einen Wertungswiderspruch zu der in § 105 InsO getroffenen Regelung. Diese Vorschrift verhindere bei teilbaren Leistungen eine insolvenzrechtlich unerwünschte und sachlich nicht gerechtfertigte Privilegierung des Gläubigers, der eine teilbare Leistung schulde, und eine entsprechende Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger (vgl. OLG Rostock, Urt. v. 5.11.2001 - 3 U 168/99, MDR 2002, 542 = ZIP 2001, 2145 f.; HK-InsO/Eickmann, 4. Aufl., § 85 Rz. 10; Hamburger Kommentar/Kuleisa, InsO § 85 Rz. 14; Lüke, in Kübler/Prütting a.a.O. § 85 Rz. 59; MünchKomm/InsO/Schumacher, § 85 Rz. 20; Uhlenbruck ZIP 2001, 1988, 1989).
[14] bb) Die Kritik an der undifferenzierten Behandlung des Kostenerstattungsanspruchs als Masseverbindlichkeit mag in den Fällen berechtigt sein, in denen das Insolvenzereignis den Rechtsstreit in einer höheren Instanz oder nach Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (vgl. LAG Hamm, Beschl. v. 14.3.2002 - 4 Sa 1366/97, ZIP 2002, 770, 771 f.) unterbricht. Hieraus kann der Beklagte jedoch nichts für sich herleiten. Denn im Streitfall ist die Unterbrechung des Verfahrens vor Abschluss der ersten Instanz und sogar noch vor der mündlichen Verhandlung eingetreten. Eine Auflösung des einheitlichen Kostenerstattungsanspruchs dahingehend, dass auch in diesem frühen Stadium des Verfahrens die Qualifizierung als Masseverbindlichkeit auf die Mehrkosten nach der Aufnahme des Verfahrens beschränkt wird, kommt im Blick auf die durch Verfahrensgebühren geprägten Gebührenordnungen nicht in Betracht (vgl. MünchKomm/InsO/Schumacher, § 85 Rz. 19). Dies folgt letztlich auch aus der Entscheidung des Senats für eine einheitliche Behandlung der Kosten bei sofortigem Anerkenntnis gem. § 93 ZPO (vgl. BGH, Beschl. v. 9.2.2006 - IX ZB 160/04, BGHReport 2006, 752 = MDR 2006, 1188, a.a.O. S. 578).
Fundstellen
Haufe-Index 1621052 |
BGHR 2007, 40 |
NJW-RR 2007, 397 |
EWiR 2007, 85 |
WM 2007, 91 |
WuB 2007, 311 |
ZIP 2006, 2132 |
AnwBl 2007, 76 |
InVo 2007, 145 |
MDR 2007, 428 |
NZI 2007, 10 |
NZI 2007, 104 |
NZI 2007, 33 |
ZInsO 2006, 1214 |
ZVI 2007, 75 |