Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarkeit des Anwaltsberufs mit einer Geschäftsführertätigkeit bei einer Handwerksinnung
Orientierungssatz
1. Die Zulassung zur Anwaltschaft ist gem BRAO § 7 Nr 8 zu versagen, weil der Bewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Anwaltsberuf unvereinbar ist, wenn dieser Geschäftsführer einer Handwerksinnung und damit Angestellter im öffentlichen Dienst ist.
2. Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vergleiche BVerfG, 1992-11-04, 1 BvR 79/85, NJW 1993, 317) und stützt sich auf die Wertung, die der Gesetzgeber in BRAO § 47 Abs 1 vorgenommen hat.
Nach dieser Vorschrift ist es einem Rechtsanwalt, der vorübergehend als Angestellter im öffentlichen Dienst tätig wird, grundsätzlich verwehrt, seinen Beruf als Rechtsanwalt auszuüben. Die Landesjustizverwaltung kann ihm jedoch die Berufsausübung gestatten, wenn die Interessen der Rechtspflege dadurch nicht gefährdet werden. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst nur dann mit dem Anwaltsberuf vereinbar ist, wenn die Interessen der Rechtspflege hierdurch nicht gefährdet werden.
3. Im Falle der gleichzeitigen Ausübung des Anwaltsberufs neben der Geschäftsführertätigkeit für eine Handwerksinnung liegt eine Gefährdung der Interessen der Rechtspflege keineswegs fern.
Die Handwerksinnung nimmt als Trägerin mittelbarer Staatsverwaltung teilweise hoheitliche Aufgaben war. Die Aufgaben der Innung sind in Handwerksordnung § 54 (juris: HwO) aufgeführt.
Verfahrensgang
Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte Berlin (Entscheidung vom 13.05.1992; Aktenzeichen I EGH 13/90) |
Gründe
I.
Der Antragsteller hat am 30. Juli 1987 die Zweite juristische Staatsprüfung bestanden. Er ist seit 1987 als Geschäftsführer der Innung des Kraftfahrzeughandwerks B. tätig.
Mit Schreiben vom 10. Mai 1990 hat der Antragsteller seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei den B. Amts- und Landgerichten sowie beim K. beantragt. Die Antragsgegnerin hat in ihrem im Zulassungsverfahren eingeholten Gutachten den Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO geltend gemacht. Nach ihrer Auffassung ist die Tätigkeit eines Geschäftsführers einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit der eines Anwalts unvereinbar.
Gegen das Gutachten hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Diesem Antrag hat der Ehrengerichtshof stattgegeben und festgestellt, daß der geltend gemachte Versagungsgrund nicht vorliegt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 3 u. 4 BRAO) und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Nach § 7 Nr. 8 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn der Bewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf eines Rechtsanwalts unvereinbar ist. Der Antragsteller ist Angestellter im öffentlichen Dienst. Die Handwerksinnung, als deren Geschäftsführer der Antragsteller tätig ist, ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 53 Handwerksordnung; § 1 Abs. 2 der Satzung der Innung des Kraftfahrzeughandwerks B.). Dauerangestellte des öffentlichen Dienstes sind zwar nicht schlechthin von der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen. Ihnen ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Zulassung zu versagen, wenn die gleichzeitige Ausübung des Anwaltsberufs neben der Tätigkeit im öffentlichen Dienst die Interessen der Rechtspflege gefährden würde (BGHZ 49, 295, 300; 100, 87, 90 m.w.N.). Dabei genügt nicht jede irgendwie denkbare Gefährdung der Interessen der Rechtspflege. Die Zulassung ist vielmehr nur dann zu verweigern, wenn die Möglichkeit, die gleichzeitige Ausübung des Anwaltsberufs neben der Tätigkeit im öffentlichen Dienst werde die Belange der Rechtspflege gefährden, nicht so fernliegt, daß sie ohne Bedenken außer acht gelassen werden kann (BGHZ 100, 87, 90 f m.w.N.). Ob eine derartige Gefahr gegeben ist, ist im Einzelfall aufgrund der Gestaltung des Angestelltenverhältnisses und der ausgeübten Tätigkeit zu prüfen.
Diese Rechtsprechung steht in Einklang mit der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 1992 (NJW 1993, 317). Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unvereinbarkeit einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst mit dem Anwaltsberuf keine unzulässige Beschränkung der Freiheit der Berufswahl (aaO S. 319). Die Rechtsprechung des Senats stützt sich auf die Wertung, die der Gesetzgeber in § 47 Abs. 1 BRAO vorgenommen hat. Nach dieser Vorschrift ist es einem Rechtsanwalt, der vorübergehend als Angestellter im öffentlichen Dienst tätig wird, grundsätzlich verwehrt, seinen Beruf als Rechtsanwalt auszuüben. Die Landesjustizverwaltung kann ihm jedoch die Berufsausübung gestatten, wenn die Interessen der Rechtspflege dadurch nicht gefährdet werden. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst nur dann mit dem Anwaltsberuf vereinbar ist, wenn die Interessen der Rechtspflege hierdurch nicht gefährdet werden (vgl. BGHZ 49, 295, 300).
2. Im vorliegenden Fall liegt eine Gefährdung der Interessen der Rechtspflege im Falle einer gleichzeitigen Ausübung des Anwaltsberufs neben der Geschäftsführertätigkeit keineswegs fern. Die Handwerksinnung nimmt als Trägerin mittelbarer Staatsverwaltung teilweise hoheitliche Aufgaben wahr (Siegert/Musielak, Das Recht des Handwerks 2. Aufl. § 54 Handwerksordnung Rdnr. 2; Fröhler, Das Recht der Handwerksinnung 1959 S. 10). Die Aufgaben der Innung sind in § 54 Handwerksordnung und wortgleich in § 3 der Satzung der Innung des Kraftfahrzeughandwerks B. aufgeführt.
a) Zu den Aufgaben der Innung gehört es unter anderem, entsprechend den Vorschriften der Handwerkskammer die Lehrlingsausbildung zu regeln und zu überwachen (§ 54 Abs. 1 Nr. 3 Handwerksordnung; § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Satzung). Diese Überwachungsbefugnis konkurriert mit dem gleichlaufenden Überwachungsrecht der Handwerkskammer (Fröhler aaO S. 106 f). Zu den Überwachungsaufgaben gehört auch die Überprüfung einer Ausbildungsstätte auf ihre persönliche und fachliche Eignung (vgl. §§ 23, 23 a Handwerksordnung). Daraus ergeben sich verschiedene Möglichkeiten von Pflichtenkollisionen, die eine Gefährdung der Interessen der Rechtspflege darstellen. Es ist nicht auszuschließen, daß der Antragsteller einen Betrieb nicht mehr unbefangen auf seine Ausbildungseignung überprüfen könnte, wenn er dessen Inhaber vorher als Anwalt beraten oder vertreten hätte. Ebensowenig könnte er umgekehrt den Inhaber eines Betriebes, mit dem er dienstlich bereits befaßt war, mit der notwendigen Unbefangenheit beraten oder vertreten. Aus diesem Grunde hat der Senat bereits in früherer Zeit entschieden, daß ein Angestellter einer Industrie- und Handelskammer, der in der Abteilung Berufsbildung eingesetzt ist, nicht als Rechtsanwalt zugelassen werden kann (BGHZ 68, 59).
b) Nach § 54 Abs. 1 Nr. 8 Handwerksordnung bzw. § 3 Abs. 1 Nr. 8 der Satzung hat die Innung über Angelegenheiten der in ihr vertretenen Handwerke den Behörden Gutachten und Auskünfte zu erstatten. Auch hier ist die Gefahr einer Pflichtenkollision nicht von der Hand zu weisen. Der Antragsteller könnte bei den von ihm für die Innung zu erstattenden Gutachten und Auskünften befangen sein, wenn er in der Angelegenheit eines Innungsangehörigen tätig werden müßte, den er vorher als Rechtsanwalt vertreten oder beraten hätte. Auch umgekehrt könnte der Antragsteller in einem Fall, in dem er in den Angelegenheiten eines Innungsmitglieds bereits dienstlich tätig geworden ist, nicht mehr als Rechtsanwalt die Vertretung eben dieses Mitglieds oder auch seines Gegners mit der notwendigen Sachlichkeit und Unbefangenheit übernehmen. Aus diesen Gründen hat der Senat auch die Tätigkeit als Geschäftsführer einer Industrie- und Handelskammer als mit dem Anwaltsberuf unvereinbar erachtet (BGHZ 36, 71; 49, 238). Es mag zwar sein, daß sich die von der Innung erstatteten Gutachten häufig mit allgemeinen Problemen des Berufsstandes befassen. Die Möglichkeit, daß auch Angelegenheiten eines Innungsmitglieds betroffen sind, ist jedoch nicht nur theoretischer Natur, selbst wenn in den letzten Jahren ein solcher Fall nicht vorgekommen sein sollte.
Fundstellen
BRAK-Mitt 1994, 43 (ST) |
NJW-RR 1994, 954-955 (ST) |