Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufnahme eines Rechtsstreits über eine bestrittene Forderung durch Gläubiger der Forderung. Widersprechender tritt an die Stelle des Schuldners
Leitsatz (amtlich)
a) War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über eine Forderung anhängig, der vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger widersprochen wurde, und verfolgt der die Forderung Bestreitende seinen Widerspruch nicht, ist der Gläubiger der Forderung zur Aufnahme des Rechtsstreits auch dann befugt, wenn für die Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorlag (im Anschluss an BGH, Urt. v. 29.6.1998 - II ZR 353/97, NJW 1998, 3121).
b) Ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist ein Rechtsstreit i.S.v. § 180 Abs. 2 InsO, durch dessen Aufnahme die Feststellung der bestrittenen Forderung zu betreiben ist. Über einen Zwischenstreit über die Wirksamkeit der Aufnahme des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist entsprechend § 303 ZPO durch Beschluss zu entscheiden.
c) Gegner des die Feststellung seiner zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung betreibenden Gläubigers ist derjenige, der der Forderung im Insolvenzverfahren widersprochen hat. Er tritt an die Stelle des Schuldners in den aufgenommenen Rechtsstreit ein.
d) Der an die Stelle des Schuldners in den aufgenommenen Rechtsstreit eintretende Widersprechende ist an die bisherigen Ergebnisse des Rechtsstreits gebunden (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 28.9.2006 - IX ZB 312/04, NZI 2007, 104).
e) Die uneingeschränkte Aufnahme eines Rechtsstreits durch den Gläubiger einer zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung ist, wenn der Forderung mehrere Personen i.S.v. § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO widersprochen haben, nur wirksam, wenn der Rechtsstreit gegenüber allen Widersprechenden aufgenommen wird (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 14.5.1998 - IX ZR 256/96, NJW 1998, 2364).
Normenkette
ZPO §§ 240, 250, 303; InsO §§ 179-180
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 24.02.2009; Aktenzeichen 5 U 5552/07) |
LG München I (Entscheidung vom 12.06.2007; Aktenzeichen 10 O 13172/05) |
Tenor
Das Verfahren ist weiterhin unterbrochen.
Gründe
I.
Rz. 1
Die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wurde in zweiter Instanz zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 37.324,31 EUR nebst Zinsen an die Klägerin wegen nicht hinreichender Aufklärung über "regelwidrige Auffälligkeiten" im Zusammenhang mit einer Beteiligung der Klägerin an der C. G. mbH & Co. KG verurteilt. Das OLG ließ die Revision nicht zu. Dagegen legte die Beklagte Beschwerde ein. Das beim Senat anhängige Beschwerdeverfahren (III ZR 88/09) wurde gem. § 240 Satz 2 ZPO dadurch unterbrochen, dass das AG - Insolvenzgericht - M. der Beklagten durch Beschluss vom 5.8.2010 ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegte. Am 10.12.2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet.
Rz. 2
Mit Schriftsatz vom 11.2.2011 trat die H. AG auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit bei. Im Insolvenzverfahren widersprach sie als Gläubigerin der Beklagten der von der Klägerin zur Tabelle angemeldeten streitgegenständlichen Forderung. Ein weiterer Widerspruch wurde - allerdings nur i.H.v. 2.869,71 EUR - vom Insolvenzverwalter erhoben.
Rz. 3
Mit Schriftsatz vom 25.6.2012 hat die Klägerin das unterbrochene Verfahren ausdrücklich nur gegen die Streithelferin der Beklagten als widersprechende Gläubigerin gem. § 250 ZPO i.V.m. § 179 Abs. 1 und § 180 Abs. 2 InsO aufgenommen. Die Streithelferin der Beklagten hat mit Schriftsatz vom 29.8.2012 beantragt, die Aufnahme des Verfahrens durch die Klägerin durch Beschluss abzulehnen.
II.
Rz. 4
Der Antrag der Streithelferin der Beklagten, die Aufnahme des Verfahrens durch die Klägerin durch Beschluss abzulehnen, ist zulässig und begründet. Das Verfahren ist durch die Erklärung der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 25.6.2012 nicht wirksam aufgenommen worden und daher weiterhin unterbrochen.
Rz. 5
1. Der Antrag der Streithelferin der Beklagten ist zulässig. Sie und die Klägerin streiten über die Frage, ob das vor dem Senat anhängige, gem. § 240 ZPO unterbrochene Verfahren über die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des OLG vom 24.2.2009 mit dem Schriftsatz der Klägerin vom 25.6.2012 gegen die Streithelferin aufgenommen werden konnte und damit fortzusetzen ist. Es handelt sich somit um einen Zwischenstreit über die Wirksamkeit der von der Klägerin erklärten Aufnahme, über den im Beschwerdeverfahren entsprechend § 303 ZPO durch Beschluss zu entscheiden ist (zum Zwischenurteil über die Fortsetzung des Revisionsverfahrens vgl. BGH, Urt. v. 24.9.1982 - V ZR 188/79, WM 1982, 1170; zur Entscheidung durch Zwischenurteil bei Streit über die Wirksamkeit der Aufnahme gem. § 250 ZPO vgl. Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl., § 250 Rz. 2 m.w.N.; zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 303 ZPO im Beschwerdeverfahren vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 303 Rz. 2).
Rz. 6
2. Der Antrag der Streithelferin ist auch begründet. Das Verfahren ist mit der Erklärung der Klägerin vom 25.6.2012 nicht wirksam aufgenommen worden und daher weiterhin unterbrochen.
Rz. 7
a) Ist - wie hier - in einem Insolvenzverfahren eine Forderung vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, so bleibt es gem. § 179 Abs. 1 InsO dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so ist die Feststellung gem. § 180 Abs. 2 InsO durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben. Zwar obliegt es gem. § 179 Abs. 2 InsO dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen, wenn für eine Forderung - wie hier - ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt. Es ist aber auch der Gläubiger der Forderung zur Aufnahme befugt, wenn - wie bisher vorliegend - der Bestreitende seinen Widerspruch nicht verfolgt (vgl. zu § 146 KO: BGH, Urt. v. 29.6.1998 - II ZR 353/97, NJW 1998, 3121, 3122; zu §§ 179, 180 InsO: MünchKommInsO/Schumacher, 2. Aufl., § 179 Rz. 43 m.w.N.; Graf-Schlicker in Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl., § 179 Rz. 13; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 240 Rz. 13).
Rz. 8
b) Die Aufnahme des Rechtsstreits ist auch möglich, wenn der Rechtsstreit zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Revisionsinstanz anhängig war (BGH, Beschl. v. 29.4.2004 - IX ZR 265/03, BGHR InsO § 180 Abs. 2 - Aufnahme 1; Schumacher, a.a.O., § 180 Rz. 24; Graf-Schlicker, a.a.O., § 180 Rz. 11; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 180 Rz. 68). Dies gilt auch für den Fall einer in der Revisionsinstanz anhängigen Nichtzulassungsbeschwerde (vgl. zu § 116 FGO: BFH, Beschl. v. 18.12.2003 - II B 31/00, DStRE 2004, 362; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 180 Rz. 21; Depré in HK-InsO, 6. Aufl., § 180 Rz. 3).
Rz. 9
c) Die Aufnahme des vor dem Senat anhängigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist nicht schon deshalb unwirksam, weil die Klägerin als Beschwerdegegnerin das Verfahren nicht gegen die Beklagte und Beschwerdeführerin, sondern gegen die Streithelferin der Beklagten als widersprechende Insolvenzgläubigerin aufgenommen hat.
Rz. 10
aa) Aufnahmegegner ist der Bestreitende, wenn der Gläubiger die Feststellung betreibt. Der Bestreitende tritt an Stelle des Schuldners in den aufgenommenen Rechtsstreit ein (Schumacher, a.a.O., § 180 Rz. 21 f.; Graf-Schlicker, a.a.O., § 180 Rz. 8; Jaeger/Gerhardt, a.a.O., § 180 Rz. 75; Uhlenbruck/Sinz, a.a.O., § 180 Rz. 22).
Rz. 11
(1) Einer Aufnahme des Verfahrens gegen eine bisher nicht am Rechtsstreit beteiligte Partei - der frühere Streitbeitritt der Streithelferin bleibt insofern ohne Bedeutung, maßgeblich ist ihre Rolle als widersprechende Insolvenzgläubigerin - widerspricht entgegen der Auffassung der Streithelferin der Beklagten nicht den Vorschriften der Zivilprozessordnung und der Insolvenzordnung. Insbesondere werden das nach § 250 ZPO aufzunehmende "Verfahren" bzw. der nach § 180 Abs. 2 InsO aufzunehmende "Rechtsstreit" nicht durch die Verfahrensbeteiligten zum Zeitpunkt der Unterbrechung bestimmt und auf Dauer festgelegt mit der Folge, dass das Verfahren bzw. der Rechtsstreit auch nur zwischen diesen Beteiligten wieder aufgenommen werden kann. Auch ein gem. § 263 ZPO zulässiger Parteiwechsel führt nicht zur Beendigung des bisherigen Verfahrens und zu einem neuen Verfahren. Vielmehr tritt die neue Partei in den bisherigen Rechtsstreit ein. Die bisherigen Prozessergebnisse bleiben bestehen (BGH, Urt. v. 16.12.2005 - V ZR 230/04, NJW 2006, 1351, 1353 f.; Zöller/Greger, a.a.O., § 263 Rz. 25). Nichts anderes gilt für die Aufnahme eines gem. § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreits gem. § 180 Abs. 2 InsO gegen einen widersprechenden Insolvenzgläubiger. Auch hier wird das bisherige Verfahren fortgesetzt. An die Stelle des Schuldners tritt der widersprechende Insolvenzgläubiger.
Rz. 12
(2) Dem Eintritt des widersprechenden Insolvenzgläubigers in den Rechtsstreit steht im Falle des Revisions- bzw. Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens auch nicht entgegen, dass ein gewillkürter Parteiwechsel im Revisionsverfahren nicht zulässig ist (vgl. zu letzterem BGH, Urt. v. 24.9.1982 - V ZR 188/79, WM 1982, 1170; Beschl. v. 17.3.1997 - II ZB 3/96, NJW 1997, 1855; Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 559 Rz. 3). Die Regeln der Zivilprozessordnung betreffend den gewillkürten Parteiwechsel sind im Fall der Aufnahme des Rechtsstreits gem. § 180 Abs. 2 InsO nicht anwendbar (Zöller/Greger, a.a.O., § 240 Rz. 14). Vielmehr folgt aus der besonderen, durch die Bestimmungen der §§ 179 ff. InsO begründeten prozessualen Verflechtung von anhängigem Zivilprozess einerseits und Insolvenzverfahren andererseits, dass die Aufnahme eines Rechtsstreits gegen eine bisher nicht daran beteiligte Person auch dann zulässig ist, wenn ein gewillkürter Parteiwechsel unzulässig wäre. Nach § 180 Abs. 2 InsO ist die Feststellung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben. Die Feststellung kann aber vom Gläubiger der Forderung gem. § 179 Abs. 1 InsO nur gegen den Bestreitenden betrieben werden. Verfolgt der Bestreitende gem. §§ 179 Abs. 2, 180 Abs. 2 InsO seinen Widerspruch, so kann dies ebenfalls nur im Wege seines Eintritts in den anhängigen Rechtsstreit erfolgen. Die Anerkennung der Aufnahmemöglichkeit im Revisionsverfahren (s. oben b) bedeutet damit zwingend, dass nach Aufnahme der Bestreitende in den Rechtsstreit eintritt und zwar auch dann, wenn - wie zumeist - er zuvor an diesem Verfahren nicht beteiligt war.
Rz. 13
bb) Die Klägerin verfolgt entgegen der Auffassung der Streithelferin der Beklagten mit der Aufnahme des Beschwerdeverfahrens auch ein sinnvolles Rechtsschutzziel. Für den Fall der Revisionszulassung durch den Senat hat sie angekündigt, ihren Antrag auf Feststellung der Unbegründetheit des Widerspruchs zu ändern. Dieser Antrag dient der Beseitigung des Widerspruchs der Streithelferin der Beklagten gem. § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO. Nach Beseitigung des Widerspruchs gilt die Forderung der Klägerin gem. § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO als festgestellt. Die Eintragung der Forderung der Klägerin in die Tabelle wirkt in diesem Fall gem. § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.
Rz. 14
Sollte der Senat dagegen die Revision nicht zulassen und die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisen, würde das Berufungsurteil rechtskräftig. Auch dies ist aus Sicht der Klägerin ein sinnvolles Rechtsschutzziel. Ihr Interesse ist insgesamt auf eine rechtskräftige Titulierung ihrer Forderung gerichtet. Ob sie dieses Ziel im Wege der Beseitigung eines Gläubigerwiderspruchs oder des Eintritts der Rechtskraft eines von ihr bereits erstrittenen Urteils erreicht, ist aus ihrer Sicht nachrangig.
Rz. 15
cc) Gegen die Wirksamkeit der Aufnahme sprechen auch nicht Rechte der Streithelferin der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG und auf ein faires Verfahren, weil sie nach § 67 ZPO darauf verwiesen würde, den Rechtsstreit in der Lage anzunehmen, in der er sich zu der Zeit ihres Beitritts befand.
Rz. 16
(1) Der Beitritt der Streithelferin der Beklagten zu dem vorliegenden Rechtsstreit ist nicht der prozessuale Grund für die Aufnahme des Verfahrens gegen sie. Dementsprechend gilt im Hinblick auf ihre prozessualen Rechte auch nicht § 67 ZPO. Die Aufnahme des Verfahrens gegen sie erfolgt vielmehr unabhängig von ihrer bisherigen Beteiligung am Rechtsstreit allein in Anbetracht ihres Widerspruchs gegen die von der Klägerin zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung.
Rz. 17
(2) Zutreffend ist allerdings, dass der an Stelle des Schuldners in den aufgenommenen Rechtsstreit eintretende widersprechende Insolvenzgläubiger an die bisherigen Prozessergebnisse einschließlich der Fristversäumnisfolgen gebunden ist (BGH, Beschl. v. 28.9.2006 - IX ZB 312/04, NZI 2007, 104; Schumacher, a.a.O., § 180 Rz. 22; Jaeger/Gerhardt, a.a.O., § 180 Rz. 75; Uhlenbruck/Sinz, a.a.O., § 180 Rz. 22). Das gilt indes nicht nur für das Revisions- bzw. Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Auch erst- oder zweitinstanzlich kann das Verfahren bis zu seiner Unterbrechung bereits in ein Stadium gelangt sein, in dem nach Aufnahme gegen den widersprechenden Insolvenzgläubiger von letzterem gem. §§ 296, 530, 531 ZPO bestimmte Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden können.
Rz. 18
Die Bindung des widersprechenden Insolvenzgläubigers an die bisherigen Prozessergebnisse ist die notwendige Folge der gesetzgeberischen Entscheidung, aus Gründen der Prozessökonomie eine Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle gegen einen widersprechenden Insolvenzgläubiger nicht ausschließlich gem. § 180 Abs. 1 InsO im Wege eines neuen Rechtsstreits zu ermöglichen, sondern - bei Rechtshängigkeit der streitgegenständlichen Forderung - vorrangig durch Aufnahme eines gem. § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreits (vgl. hierzu Uhlenbruck/Sinz, a.a.O., Rz. 20). Könnte ein über die bestrittene Forderung anhängiger Rechtsstreit inhaltlich gleichsam neu begonnen werden, wäre der gesetzliche Vorrang der Aufnahme dieses Prozesses gegenüber einem neuen Rechtsstreit nicht gerechtfertigt. Auch darf dem Kläger und Gläubiger der zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung allein aus dem Umstand, dass über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, in dem über die Forderung anhängigen Rechtsstreit kein prozessualer Nachteil erwachsen. Andernfalls hätte es ein Schuldner, hinsichtlich dessen ein Insolvenzgrund gegeben ist, in der Hand, seine Position in einem bisher für ihn ungünstig verlaufenen Prozess durch eine "Flucht ins Insolvenzverfahren" und anschließende Aufnahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter (oder einen "befreundeten" Insolvenzgläubiger) erheblich zu verbessern und den Prozess - entgegen dem Grundgedanken von § 180 Abs. 2 InsO - gleichsam von Neuem beginnen zu lassen.
Rz. 19
Speziell für den vorliegenden Fall ist schließlich zu bedenken, dass es der Streithelferin der Beklagten freistand, den gegen sie aufgenommenen Rechtsstreit bereits durch einen früheren Streitbeitritt in ihrem Sinne zu beeinflussen. Gründe, die einem früheren Streitbeitritt entgegengestanden hätten, hat sie nicht vorgetragen.
Rz. 20
(3) Gegen die Wirksamkeit der Aufnahme spricht des Weiteren nicht, dass die Streithelferin der Beklagten in dem fortgesetzten Beschwerdeverfahren nur gegen ihre eigenen Interessen handeln könnte. Letzteres trifft nicht zu. Wird die Revision zugelassen, wird die Klägerin zwar in die Lage versetzt, ihr Feststellungsbegehren gem. §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 2 InsO zu verfolgen. In einem Revisionsverfahren oder - nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht - in einem neuen Berufungsverfahren kann jedoch ebenso die Streithelferin der Beklagten als widersprechende Insolvenzgläubigerin obsiegen und die auf Feststellung zur Insolvenztabelle gerichtete Klage abgewiesen werden. In diesem Fall hätte die Streithelferin der Beklagten ihren Widerspruch gegen die streitgegenständliche Forderung erfolgreich verfolgt.
Rz. 21
(4) In der Umstellung des Klagebegehrens der Klägerin auf Feststellung der geltend gemachten Forderung zur Insolvenztabelle liegt schließlich entgegen der Auffassung der Streithelferin der Beklagten auch keine Klageänderung mit der Folge, dass der Streithelferin der Beklagten möglicherweise schon deshalb - ggf. nach Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht - Gelegenheit zu geben wäre, zu dem neuen Streitgegenstand umfassend neu vorzutragen.
Rz. 22
Denn die Umstellung von einer Leistungsklage in eine Klage auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle beinhaltet keine Klageänderung i.S.v. § 263 ZPO. Sie ist vielmehr wegen einer "später eingetretenen Veränderung" gem. § 264 Nr. 3 ZPO zulässig (OLG Hamm ZIP 1993, 444; Graf-Schlicker, a.a.O., § 180 Rz. 10; Schumacher, a.a.O., § 180 Rz. 23; Zöller/Greger, a.a.O., § 264 Rz. 5) und lässt die Identität des geltend gemachten Anspruchs unberührt. Es handelt sich lediglich um eine verfahrensrechtliche Anpassung des Antrags an die insoweit maßgebenden Vorschriften der Insolvenzordnung, der die aus § 559 ZPO folgende Unzulässigkeit einer Klageänderung in der Revisionsinstanz nicht entgegen steht (so zur Konkursordnung und § 561 ZPO a.F.: BGH, Urt. v. 21.11.1953 - VI ZR 203/52, LM Nr. 4 zu § 146 KO; zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht nach Aufnahme gem. § 180 Abs. 2 InsO, wenn - wie vorliegend nicht - erstmals im Revisionsrechtszug insolvenzspezifische Einwendungen der Anmeldbarkeit oder der Rangfrage erhoben werden vgl. Jäger/Gerhardt, a.a.O., Rz. 69).
Rz. 23
dd) Die von der Klägerin erklärte Aufnahme des Verfahrens ist jedoch deshalb nicht wirksam, weil sie nur gegen die Streithelferin der Beklagten und nicht gegen alle der Feststellung zur Insolvenztabelle Widersprechenden erfolgt ist. Vorliegend hat neben der Streithelferin der Beklagten (als Gläubigerin der Beklagten im Insolvenzverfahren) ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Auszuges aus der Insolvenztabelle auch der Insolvenzverwalter die Forderung der Klägerin in Höhe eines Teilbetrages von 2.869,71 EUR bestritten.
Rz. 24
Haben mehrere Personen dem Anspruch im Prüfungstermin widersprochen, so ist der Rechtsstreit gegenüber allen aufzunehmen (so zur - mit § 180 Abs. 2 InsO inhaltsgleichen - Vorschrift des § 146 Abs. 3 KO a.F.: BGH, Urt. v. 13.3.1980 - II ZR 239/78, BGHZ 76, 206, 209 f und vom 9.7.1990 - II ZR 69/89, BGHZ 112, 95, 99; Beschl. v. 14.5.1998 - IX ZR 256/96, NJW 1998, 2364, 2365; zu § 179 InsO: Kießner in FK-InsO, 6. Aufl., § 179 Rz. 12). Für den Fall, dass - wie hier - schon ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig ist, folgt aus der Regelung des § 180 Abs. 2 InsO, die Zeit und Kosten sparen und den Rechtsstreit rasch zu Ende bringen will - wie schon zuvor aus § 146 Abs. 3 KO -, dass der Feststellungsstreit gegenüber allen Widersprechenden aufzunehmen ist (BGH, Urt. v. 13.3.1980, a.a.O.). Dies gilt auch für den Fall, dass der zur Tabelle angemeldeten Forderung - wie vorliegend - von einer oder mehreren Personen nur teilweise widersprochen worden ist, wenn das Verfahren - wie hier - uneingeschränkt aufgenommen wird (zur Zulässigkeit einer Teilaufnahme vgl. BGH, Beschl. v. 7.7.1994 - V ZR 270/93, NJW-RR 1994, 1213; Gehrlein in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 240 Rz. 24; Musielak/Stadler, a.a.O., § 240 Rz. 9).
Rz. 25
Soweit dagegen in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten wird, es sei keine Notwendigkeit erkennbar, den Gläubiger zu zwingen, den Prozess gegen alle Widersprechenden gemeinsam aufzunehmen (Jaeger/Gerhardt, a.a.O., § 180 Rz. 64; Schumacher, a.a.O., § 179 Rz. 18; Uhlenbruck/Sinz, a.a.O., § 179 Rz. 14), vermag dies nicht zu überzeugen. Sollte ein Teil der Bestreitenden für eine außergerichtliche Einigung offen sein, hindert eine Aufnahme des Rechtsstreits auch gegen sie eine solche Einigung nicht. Im Übrigen folgt aus der Notwendigkeit, seitens des aufnehmenden Gläubigers den Feststellungsstreit gegenüber allen Widersprechenden aufzunehmen, nicht, dass im umgekehrten Fall auch alle Widersprechenden gemeinsam den Prozess aufnehmen müssten mit der Folge, dass die Passivität eines einzelnen zu einer Rechtsschutzsperre für die übrigen führen würde (so Jaeger/Gerhardt, a.a.O.; Schumacher, a.a.O.; Uhlenbruck/Sinz, a.a.O.). Die Aufnahme gegenüber allen Widersprechenden i.S.v. § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO ist deshalb geboten, weil - anders als im Fall des Bestreitens der Forderung durch den Schuldner nach § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO - der Widerspruch die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle hindert; die vom Gläubiger begehrte Feststellung setzt damit voraus, dass vorher sämtliche Widersprüche, die ihr entgegenstehen, beseitigt sind (so zu § 146 Abs. 3 KO: BGH, Beschl. v. 14.5.1998, a.a.O.). Dagegen hat die Aufnahme des Rechtsstreits durch einen Widersprechenden das Ziel, mittels des Antrags, den Widerspruch für begründet zu erklären (vgl. hierzu Graf-Schlicker, a.a.O., § 179 Rz. 12), die Feststellungswirkung des § 178 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 InsO zu verhindern. Hierzu genügt die erfolgreiche Verfolgung des Widerspruchs durch einen Widersprechenden im Wege der Aufnahme eines anhängigen Rechtsstreits gem. § 180 Abs. 2 InsO.
Rz. 26
3. Angesichts der seitens der Klägerin nicht wirksam erfolgten Aufnahme des Verfahrens war auf den entsprechend auszulegenden Antrag der Streithelferin der Beklagten festzustellen, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 3499557 |
BGHZ 2013, 233 |
DB 2012, 8 |