Leitsatz (amtlich)
Bei Verhandlungen über den Kauf eines Unternehmens oder von GmbH-Geschäftsanteilen trifft den Verkäufer im Hinblick auf die wirtschaftliche Tragweite des Geschäfts und die regelmäßig erschwerte Bewertung des Kaufobjekts durch den Kaufinteressenten diesem gegenüber eine gesteigerte Aufklärungs- und Sorgfaltspflicht.
Normenkette
BGB § 276
Verfahrensgang
Thüringer OLG |
LG Mühlhausen |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenates des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 12. Januar 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 8. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Kauf von Geschäftsanteilen der BKD B., R. und S. GmbH (im folgenden: BKD GmbH oder GmbH) geltend.
Gesellschafter der GmbH waren zunächst die beiden Beklagten und der Zeuge K.. Am 8. September 1993 schied der Beklagte zu 2, der Bruder des Beklagten zu 1, aus der Gesellschaft aus, nachdem er seine Geschäftsanteile an den Mitgesellschafter K. verkauft und übertragen hatte; er blieb jedoch der GmbH – wie bisher – als Steuerberater verbunden und arbeitete, insbesondere durch die Erledigung sämtlicher Buchführungsarbeiten, mit seinem Bruder und der GmbH weiterhin eng zusammen. Sein Büro befand sich auf dem Betriebsgelände der BKD GmbH. Die Geschäftsführung teilten die beiden verbliebenen Gesellschafter dergestalt unter sich auf, daß der Beklagte zu 1 als „Hauptgeschäftsführer” für den kaufmännischen Bereich und der Zeuge K. für den technischen Bereich zuständig sein sollte. Die wirtschaftliche Situation der BKD GmbH war bereits spätestens seit dem Sommer 1993 angespannt.
Am 9. November 1993 fand zwischen dem Beklagten zu 1, dem Zeugen K. und dem Kläger eine Besprechung statt, bei der die Übernahme sämtlicher Geschäftsanteile des Beklagten zu 1 mit einem Nennbetrag von insgesamt 12.300 DM sowie von zwei Geschäftsanteilen des Zeugen K. in Höhe von insgesamt 7.800 DM durch den Kläger vereinbart wurde; die von K. gehaltenen restlichen Geschäftsanteile im Nennbetrag von 30.000 DM sollten weiterhin bei diesem verbleiben. Außerdem vereinbarten die Beteiligten, daß der Kläger der Gesellschaft eine „Liquiditätshilfe” in Höhe von 100.000 DM als Darlehen gewähren sollte, die zur Bezahlung der anstehenden Löhne bestimmt war. Der Betrag wurde am 11. November 1993 vom Kläger überwiesen und am folgenden Tag der GmbH gutgeschrieben.
Entsprechend der Vereinbarung vom 9. November 1993 erwarb der Kläger durch notariellen Vertrag vom 22. November 1993 die Geschäftsanteile des Beklagten zu 1 zum Nennwert von 12.300 DM sowie zwei Anteile des Zeugen K. – ebenfalls zum Nennwert – für 7.800 DM.
In der Folgezeit gaben der Kläger und der Mitgesellschafter K. gegenüber einer Gläubigerin der BKD GmbH, der Firma I. GmbH, die For-derungen aus Warenlieferungen geltend gemacht und mit Vollstreckungsmaßnahmen gedroht hatte, eine Garantieerklärung über 88.222,63 DM ab; hierauf hat der Kläger insgesamt 50.000 DM an die I. GmbH gezahlt.
Nachdem am 10. Juni 1994 das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der BKD GmbH eröffnet worden war, erklärte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 14. Juni 1994 die Anfechtung des notariellen Vertrages vom 22. November 1993 wegen arglistiger Täuschung über die wirtschaftlichen Verhältnisse der BKD GmbH durch den Beklagten zu 1. Mit weiterem Schreiben vom 18. Juli 1994 forderte der Kläger den Beklagten zu 1 auf, einer Rückübertragung der Geschäftsanteile der BKD GmbH zuzustimmen. Dies lehnte der Beklagte zu 1 mit Schreiben seines Anwalts vom 21. Juli 1994 ab.
Der Kläger macht im Zusammenhang mit der Zahlung der Liquiditätshilfe für die BKD GmbH und seiner Garantieerklärung gegenüber der I. GmbH gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 195.775,21 DM sowie einen Feststellungsanspruch hinsichtlich des weiteren Schadens geltend. Er behauptet, die Beklagten hätten ihn bei den Vertragsverhandlungen über die finanzielle Lage der BKD GmbH getäuscht, weil sie ihn über die wahre Situation nicht pflichtgemäß aufgeklärt, vielmehr die Lage der Gesellschaft positiv dargestellt hätten.
Die Beklagten haben das Vorbringen des Klägers, insbesondere eine Täuschung über die wahre wirtschaftliche Lage der GmbH und eine Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bereits im November 1993, bestritten. Der Beklagte zu 2 hat außerdem Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche eingewandt.
Das Landgericht hat der Klage gegen den Beklagten zu 1 unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers überwiegend stattgegeben, gegen den Beklagten zu 2 hat es sie abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten zu 1 hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen bezifferten Schadensersatzanspruch und den Feststellungsanspruch in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat, soweit für das weitere Verfahren noch von Interesse, im wesentlichen ausgeführt:
Zwar sei ein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß nicht grundsätzlich ausgeschlossen, da die Beklagten dem Kläger gegenüber keine mehrjährigen Umsatz- und Ertragsangaben gemacht hätten und deshalb eine vorrangige Sachmängelhaftung nach den §§ 459 ff BGB nicht in Betracht komme. Ein solcher Schadensersatzanspruch scheitere jedoch – ebenso wie eventuelle deliktische Ansprüche – am fehlenden Verschulden der Beklagten. Die Beklagten – der Beklagte zu 1 als Verkäufer, der Beklagte zu 2 aufgrund seiner engen Verflechtungen mit der Gesellschaft und dem Beklagten zu 1 – seien allerdings verpflichtet gewesen, den Kläger über alle für ihn wesentlichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß aufzuklären; dies gelte insbesondere für solche Umstände, die geeignet gewesen seien, den Vertragszweck – Beteiligung des Klägers an einer lebensfähigen Gesellschaft – zu vereiteln, wie etwa eine desolate wirtschaftliche Lage oder Konkursreife der Gesellschaft.
Die vom Kläger behauptete desolate wirtschaftliche Situation der Gesellschaft bis hin zur Konkursreife sei jedoch nicht bewiesen. Nach den Aussagen der Zeugen J. und O. sei es allerdings im Zeitraum Juli bis Oktober 1993 zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verschiedener Gläubiger, u.a. der Berufsgenossenschaft und der Zusatzversorgungskasse, zu Rückholversuchen von Leasingfirmen, Rückbuchungen von Lastschriften und Rückholung von unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren gekommen; die Sperrung der Telefonleitung und der Stromleitung sei zwar angedroht worden, es sei aber nicht feststellbar, ob sie auch durchgeführt worden sei. Ebenso unerheblich sei auch die Tatsache, daß der Beklagte zu 1 im Oktober 1993 eine persönliche Bürgschaft wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge übernommen habe. Alle diese Umstände ließen weder für sich genommen noch im Zusammenhang mit anderen Indizien den zwingenden Schluß auf eine dauernde Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zu.
II. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung in dem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Nur im Ergebnis, nicht in der Begründung trifft der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsurteils zu. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß eine – gegenüber der Haftung für Verhandlungsverschulden vorrangige – Sachmängelhaftung gemäß §§ 459 ff BGB hier nicht etwa erst wegen Fehlens einer langjährigen Umsatz- und Ertragsangabe ausscheidet, sondern bereits deshalb, weil ein Unternehmenskauf überhaupt nicht vorliegt. Ein zur Anwendung der §§ 459 ff BGB führender Unternehmenskauf ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur gegeben, wenn der Käufer sämtliche oder nahezu sämtliche Anteile an einem Unternehmen erwirbt (so z.B. BGHZ 65, 246, 251 f und BGHZ 138, 195, 204 m.w.Nachw.). Der Kläger hat jedoch mit dem notariellen Vertrag vom 22. November 1993 von dem Beklagten zu 1 und dem Zeugen K. unstreitig lediglich Geschäftsanteile im Gesamt-Nennbetrag von 20.100 DM (rund 40 % des Stammkapitals) übernommen, während die restlichen Anteile in Höhe von 30.000 DM bei dem Zeugen K. verblieben sind. Gegen eine Haftung der Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen bestehen daher keine grundsätzlichen Bedenken.
2. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß der Beklagte zu 1 als Verkäufer der Anteile und der Beklagte zu 2 aufgrund seiner maßgeblichen Beteiligung an den Vertragsverhandlungen, seiner engen Beziehung zum Beklagten zu 1 und der BKD GmbH sowie seiner Sachkunde als langjähriger Steuerberater der Gesellschaft als sogenannter Sachwalter unter dem Gesichtspunkt der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens dem Kläger gegenüber haften. Das wird von der Revisionserwiderung nicht angegriffen und läßt Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29. Januar 1992 – VIII ZR 80/91, WM 1992, 699 unter I 4).
3. Nicht gefolgt werden kann dagegen der Auffassung des Berufungsgerichts, eine Haftung der Beklagten scheitere am fehlenden Verschulden.
a) Es kann dahinstehen, ob der Beklagte zu 1, der sich das mitwirkende Verhalten seines Bruders auch insoweit zurechnen lassen muß (vgl. dazu BGH, Urteile vom 1. Juni 1989 – III ZR 261/87, WM 1989, 1364 unter II 2 = BGHR BGB § 123 Abs. 2 Dritter 1; vom 8. Dezember 1989 – V ZR 259/87, WM 1990, 479 unter II = BGHR aaO Dritter 2; vom 9. April 1992 – IX ZR 145/91, WM 1992, 1016 unter I 1= BGHR aaO Dritter 4 und vom 20. November 1995 – II ZR 209/94, WM 1996, 201 unter 3 = BGHR aaO Dritter 5), den Kläger bei den Vertragsverhandlungen durch Übergabe einer falschen betriebswirtschaftlichen Auswertung zum 30. September 1993 und durch die angeblichen Manipulationen im Zusammenhang mit dem Verkauf des Betriebsteils „Baustoffcenter” arglistig getäuscht hat und der Kläger deshalb den notariellen Vertrag vom 22. November 1993 wirksam gemäß § 123 BGB angefochten hat. Der Kläger kann jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes für Verschulden bei Vertragsverhandlungen nicht nur die Rückabwicklung des notariellen Vertrages, sondern auch Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen, die ihm im ursächlichen Zusammenhang mit dem Erwerb der Geschäftsanteile an der BKD GmbH entstanden sind; denn der Beklagte zu 1 hat ihn bei den Verhandlungen pflichtwidrig nicht über wesentliche Umstände aufgeklärt, die für seine Kaufentscheidung von Bedeutung waren.
b) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, von der auch das Berufungsgericht ausgeht, besteht selbst bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluß von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1995 – VIII ZR 192/94, NJW-RR 1996, 429 unter II 2 m.w.Nachw.; vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 1987 – V ZR 170/86, NJW RR 1988, 394 unter 2).
Beim Kauf eines Unternehmens oder von GmbH-Geschäftsanteilen ist im Hinblick auf den für den Kaufpreis im Regelfall erheblichen Ertragswert insbesondere zu berücksichtigen, daß der Kaufinteressent – für den Verkäufer erkennbar – sich ein einigermaßen zutreffendes Bild von den wertbildenden Faktoren in erster Linie nur an Hand der Bilanzen, der laufenden betriebswirtschaftlichen Auswertungen, sonstiger Buchführungsunterlagen und ergänzender Auskünfte des Inhabers oder Geschäftsführers machen kann. Diese Erschwerung der Bewertung des Kaufobjekts durch einen außenstehenden Interessenten, die auch durch dessen möglicherweise vorhandene Sachkunde nicht ausgeglichen wird, und seine besondere Abhängigkeit von der Vollständigkeit und Richtigkeit der ihm erteilten Informationen vor allem zur Umsatz- und Ertragslage des Unternehmens sowie die regelmäßig weitreichenden wirtschaftlichen Folgen der Kaufentscheidung rechtfertigen es, dem Verkäufer eine gesteigerte Aufklärungspflicht aufzuerlegen und an die hierbei anzuwendende Sorgfalt einen strengen Maßstab anzulegen. Geht es um die Beteiligung des Erwerbers an einem lebensfähigen Unternehmen, dann erstreckt sich die Aufklärungspflicht des Verkäufers namentlich auch auf alle Umstände, welche die Überlebensfähigkeit ernsthaft gefährden, insbesondere also drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.
c) Gemessen an diesen Grundsätzen und auf der Grundlage des festgestellten und unstreitigen Sachverhalts kann der Auffassung des Berufungsgerichts, dem Beklagten zu 1 sei nicht einmal fahrlässiges Verhalten anzulasten, nicht gefolgt werden.
aa) Zu Recht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht die desolate wirtschaftliche Situation der Gesellschaft „bis hin zur Konkursreife” als nicht bewiesen angesehen hat. Schon die – unstreitige – Häufung von zahlreichen gewichtigen Indizien für eine anhaltende Krise der Gesellschaft ab Juni 1993 zeigt, daß sich die GmbH bereits seit geraumer Zeit auf den Zustand der Zahlungsunfähigkeit zubewegte. In den Monaten Juni und Juli wurde in mehreren Fällen Ware im Wert von jeweils etwa 20.000 bis 30.000 DM, die unter Eigentumsvorbehalt geliefert worden war, von der Lieferantin wegen Nichtbezahlung der Rechnungen wieder abgeholt. Im Juli und August kam es zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verschiedener Gläubiger. In der ersten Hälfte des vierten Quartals hatten die rückständigen Raten für geleaste Kraftfahrzeuge einen solchen Umfang angenommen, daß die betroffenen Leasingfirmen Maßnahmen zur Rückholung von Fahrzeugen ergriffen. Ab Oktober wurden mehrfach Lastschriften zurückgebucht und Schecks nicht eingelöst. Wegen Zahlungsrückständen wurde überdies die Sperrung der Telefon- und Stromleitungen angedroht. Bei der zuständigen Berufsgenossenschaft befand sich die BKD GmbH mit Beiträgen in Höhe von etwa 50.000 DM in Verzug, so daß sich der Beklagte zu 1 im Oktober 1993 auf Drängen der Berufsgenossenschaft veranlaßt sah, eine entsprechende persönliche Bürgschaft zu übernehmen. Daß der Beklagte zu 2 als Steuerberater und damaliger Gesellschafter der GmbH die wirtschaftliche Situation des Unternehmens nicht anders sah, belegt sein Mahnschreiben an die Gesellschaft vom 15. Juli 1993, in welchem er auf die Dringlichkeit der Tilgung von Forderungen der Krankenkassen und Finanzämter hinwies. Dieses Schreiben – ein wichtiges Indiz für die negative Einschätzung der wirtschaftlichen Lage der GmbH durch die Beklagten – hat das Berufungsgericht mit Stillschweigen übergangen, was die Revision zutreffend als Verstoß gegen § 286 ZPO rügt. Angesichts einer solchen Häufung deutlicher Anzeichen für eine bereits eingetretene oder unmittelbar bevorstehende Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft spätestens im Herbst 1993 erweist sich die zusammenfassende Wertung des Berufungsgerichts, es hätte „wesentlich stärkerer Indizien bedurft”, als formelhafte Wendung und Überspannung der Beweisanforderungen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Juni 1998 – IX ZR 311/95, WM 1998, 1689 unter C II 2 a = BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Beweismaß 2).
Sofern der Beklagte zu 1 als der für die kaufmännischen Angelegenheiten zuständige „Hauptgeschäftsführer” der GmbH über diese Vorgänge nicht in vollem Umfang unterrichtet war, entlastet ihn das nicht, denn dann müßte er sich, wie ausgeführt, das Verhalten seines als Verhandlungsgehilfen hinzugezogenen Bruders, des Beklagten zu 2, zurechnen lassen (§ 278 BGB), der, wie den Aussagen der Zeugen J. und O. zu entnehmen ist, umfassend informiert war.
bb) Aufgrund der unstreitigen gewichtigen Anzeichen für eine anhaltende Krise der Gesellschaft war für die Beklagten erkennbar, daß die GmbH im Herbst 1993 entweder bereits zahlungsunfähig war oder der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zumindest drohte. Damit war der vom Kläger mit dem Erwerb eines Geschäftsanteils verfolgte Vertragszweck der Beteiligung an einer lebensfähigen Gesellschaft jedenfalls ernsthaft gefährdet. Der Beklagte zu 1 war daher verpflichtet, den Kläger – auch ungefragt – über diese Vorkommnisse umfassend und wahrheitsgemäß zu unterrichten; dieser Verpflichtung ist er unstreitig nicht nachgekommen, wobei ihm das Unterlassen des Beklagten zu 2 zuzurechnen ist. Darin liegt eine mindestens fahrlässige Verletzung der ihm gegenüber dem Kläger obliegenden Aufklärungspflicht, die ihn nach den Grundsätzen der Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen zum Schadensersatz verpflichtet.
d) Das Verschweigen der auf eine Zahlungsunfähigkeit der GmbH hindeutenden Anzeichen war ursächlich sowohl für den Kaufentschluß des Klägers als auch für die Leistung der Liquiditätshilfe von 100.000 DM an die GmbH, die Zahlung von 40.000 DM an die I. GmbH aufgrund der dieser gegenüber übernommenen Garantie und die im Zusammenhang damit entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten.
Das Berufungsgericht hat dies – aus seiner Sicht folgerichtig – nicht geprüft. Soweit es in anderem Zusammenhang Zweifel an der Kausalität der Handlungsweise des Beklagten zu 1 und des Zeugen K. äußert, verkennt es, daß sich in Fällen der vorliegenden Art die Darlegungs- und Beweislast umkehrt: Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, beweispflichtig dafür, daß der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der Geschädigte also den Hinweis – hier: auf die eindeutigen Anzeichen für eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit im Sommer und Herbst 1993 – unbeachtet gelassen und auch bei wahrheitsgemäßen Angaben den Kaufvertrag so wie geschehen abgeschlossen hätte (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 18. Juni 1996 – VI ZR 121/95, NJW 1996, 2503 unter II; Urteil vom 20. September 1996 – V ZR 173/95, NJW-RR 1997, 144 unter II 2 b bb). Anhaltspunkte für ein solches – hypothetisches – Verhalten des Klägers sind weder von den Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere trifft es nicht zu, daß dem Kläger, wie die Beklagten unter Hinweis auf das von ihm erstellte Unternehmenskonzept behaupten, die „äußerst angespannte wirtschaftliche Situation” der Gesellschaft bekannt gewesen sei. Jenes – allerdings undatierte – Sanierungskonzept kann der Kläger frühestens am 9. Dezember 1993, mithin vier Wochen nach der Zahlung der Liquiditätshilfe und mehr als zwei Wochen nach dem Abschluß des Anteilskaufvertrages, erstellt haben. Das ergibt sich aus dem einleitenden Satz des Konzepts: „Eine BWA … liegt für den Monat Oktober seit dem 09.12. 1993 vor (Anhang).” Unter diesen Umständen läßt die unstreitige Tatsache, daß der Kläger ein Sanierungs- bzw. Unternehmenskonzept erstellt hat, keinerlei Rückschlüsse auf seinen Kenntnisstand bei Leistung der Liquiditätshilfe an die BKD GmbH oder bei Abschluß des notariellen Vertrages am 22. November 1993 und etwaige Schlußfolgerungen hinsichtlich einer mangelnden Kausalität der Pflichtverletzungen der Beklagten zu. Soweit die Beklagten darüber hinaus geltend machen, der Kläger hätte im Zeitpunkt der Abgabe seiner Garantieerklärung gegenüber der I. GmbH am 17. Dezember 1993 aufgrund seiner Eigenschaft als Gesellschafter und Geschäftsführer selbst einen Überblick über die wirtschaftliche Lage der GmbH haben können, beseitigt dies die Ursächlichkeit der Pflichtverletzungen der Beklagten nicht. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, er sei damals noch – mangels ausreichender Kenntnisse über das wahre Ausmaß der Krise der Gesellschaft – von der Sanierungsfähigkeit der BKD GmbH ausgegangen. Angesichts der erwiesenen, in erster Linie vom Beklagten zu 2 zu verantwortenden gravierenden Mängel der Buchführung sowie der angeblichen Unkenntnis der Beklagten über den genauen Umfang der Zahlungsrückstände und einer Überschuldung der Gesellschaft trotz ihrer jahrelangen Beteiligung an der GmbH sowie ihrer Tätigkeit als kaufmännischer Geschäftsführer bzw. buchführender Steuerberater liegt es nahe, daß der Kläger Mitte Dezember 1993, mithin erst wenige Wochen nach seinem Eintritt in die Gesellschaft – übrigens ebenso wie der an der I.-Garantie beteiligte langjährige Mitgesellschafter K. – noch auf die Möglichkeit einer Sanierung der BKD GmbH vertraute und auch vertrauen durfte.
4. Der in seinem Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben seines Vertragspartners Enttäuschte ist so zu stellen, wie er bei richtiger Offenbarung der für seinen Kaufentschluß erheblichen Umstände stünde. Er kann daher entweder am Vertrag festhalten und lediglich zusätzlich Schadensersatz beanspruchen oder aber Rückgängigmachung des Vertrages verlangen (BGHZ 69, 53, 56 und BGHZ 111, 75, 82). Wählt er – wie der Kläger im vorliegenden Fall – die letztere Möglichkeit, dann kann er Zug um Zug gegen (Rück-) Abtretung des erworbenen Geschäftsanteils den Kaufpreis zurückfordern und zugleich, wie ausgeführt, Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen, die ihm im ursächlichen Zusammenhang mit dem beabsichtigten und/oder durchgeführten Erwerb des Geschäftsanteils entstanden sind. Dies trifft für die Liquiditätshilfe (100.000 DM), die Garantieleistung an die I. GmbH (40.000 DM) und die außerhalb dieses Rechtsstreits und des Parallelverfahrens entstandenen Anwaltsgebühren und Gerichtskosten (insgesamt 55.775,21 DM) jedenfalls dem Grunde nach zu. Die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten erstreckt sich auch auf den weiteren Schaden, der dem Kläger aufgrund des Kaufs der Geschäftsanteile an der BKD GmbH bisher entstanden ist und künftig entstehen wird, den der Kläger aber derzeit noch nicht beziffern kann und hinsichtlich dessen er die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten beantragt hat.
III. An einer eigenen Sachentscheidung (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) sieht sich der Senat gehindert, weil das Berufungsgericht die vom Landgericht bejahte Frage des Mitverschuldens des Klägers sowie die vom Beklagten zu 2 erhobene Verjährungseinrede zunächst in eigener Zuständigkeit zu prüfen haben wird und es hierfür weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
Das Berufungsgericht hat – aus seiner Sicht folgerichtig – die besonderen subjektiven Voraussetzungen einer deliktischen Haftung insbesondere des Beklagten zu 2 aus § 826 BGB, für die Anhaltspunkte bestehen, nicht geprüft. Hierauf kann es jedoch im Hinblick auf die Verjährungsfrage ankommen; denn die Verjährungsfrist des § 852 BGB entspricht zwar in ihrer dreijährigen Dauer jener für die Berufshaftung des Steuerberaters nach dem – möglicherweise entsprechend anwendbaren – § 68 StBerG, unterscheidet sich von ihr aber durch die Voraussetzungen für ihren Beginn. In diesem Zusammenhang wird sich das Berufungsgericht gegebenenfalls mit den Ausführungen der Revision insoweit auseinanderzusetzen haben.
IV. Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Unterschriften
Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Dr. Leimert, Wiechers, Dr. Wolst
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.04.2001 durch Kirchgeßner, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 584428 |
BB 2001, 1167 |
BB 2001, 2390 |
DB 2001, 1298 |
DStR 2001, 1578 |
DStR 2001, 901 |
DStZ 2001, 486 |
WPg 2001, 655 |
NJW 2001, 2163 |
NWB 2001, 2172 |
BGHR 2001, 445 |
GmbH-StB 2001, 162 |
DNotI-Report 2001, 92 |
NZG 2001, 751 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1118 |
WuB 2001, 943 |
MDR 2001, 1002 |
NJ 2001, 484 |
NZI 2001, 363 |
GmbHR 2001, 516 |
RdW 2001, 401 |
ZNotP 2001, 279 |
stud.jur 2002, 30 |
JURAtelegramm 2002, 158 |