Leitsatz (amtlich)
a) Verursacht der Konkursverwalter einen Gemeinschaftsschaden, so können dadurch mittelbar geschädigte Masse- oder Konkursgläubiger den Anspruch auf Ersatz dieses Schadens nicht aus eigenem Recht geltend machen. Dazu ist nur ein neubestellter Konkursverwalter befugt.
b) Der Konkursverwalter, der unter Verstoß gegen § 170 KO nicht festgestellte Vorrechtsforderungen bezahlt hat, hat den gesamten Betrag der Zahlungen zur Konkursmasse zu ersetzen.
c) Der Ausschluß von Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung in § 6 Abs. 5 S. 1 des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren gilt nur für die Rückforderung von Leistungen, die nach § 6 Abs. 2 bis 4 des Gesetzes ungerechtfertigt wären, nicht aber für aus anderen Gründen gegebene Bereicherungsansprüche.
Normenkette
KO § 82
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 21.09.1987) |
LG München II |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. September 1987 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Klage des Klägers zu 3) stattgegeben worden ist.
Die Klage des Klägers zu 3) wird abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges hat der Beklagte zu tragen.
Die Gerichtskosten der Rechtsmittelverfahren haben der Kläger zu 3) zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3 zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Beklagte die der Klägerinnen zu 1) und 2) voll und 2/3 der eigenen, der Kläger zu 3) die eigenen und 1/3 der dem Beklagten erwachsenen Kosten.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerinnen zu 1) und 2) nehmen als Masse- und Konkursgläubiger, der Kläger zu 3) als Sonderkonkursverwalter den Beklagten auf Schadensersatz wegen Verletzung seiner Pflichten als Konkursverwalter in Anspruch.
Am 12. Juli 1976 wurde über das Vermögen des Helmut T., Inhaber der Firma GTG Gerätebau Jakob T. in G. (fortan: Gemeinschuldner), das Konkursverfahren eröffnet, das noch nicht beendet ist. Der Beklagte wurde zum Konkursverwalter bestellt. In dem Konkursverfahren machte die Klägerin zu 1) Masseschulden von 101.600,31 DM, 136,80 DM, 260,40 DM und 52.495,94 DM geltend; der letztgenannte Betrag ist zwischen der Klägerin zu 1) und dem Beklagten streitig und Gegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens. Die Klägerin zu 2) machte Masseschulden von insgesamt 57.157,12 DM geltend. Außerdem meldeten die Klägerinnen zu 1) und 2) bevorrechtigte Konkursforderungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zur Konkurstabelle an, und zwar die Klägerin zu 1) in Höhe von 42.472,40 DM und die Klägerin zu 2) in Höhe von 232.044,43 DM und 157.657,50 DM.
Am 6. Februar 1979 beschloß die von den Betriebsräten des Gemeinschuldners und dem Beklagten angerufene Einigungsstelle einen Sozialplan, der nach einem Punktsystem berechnete Abfindungen für die Arbeitnehmer des Gemeinschuldners vorsah. In dem Beschluß heißt es:
„Da der vorliegende Beschluß eine Einigung zwischen den Betriebsräten und dem Konkursverwalter ersetzt, sind die Abfindungen nach diesem Sozialplan bevorrechtigte Konkursforderungen im Sinne des § 61 Konkursordnung … Der Konkursverwalter ist erst nach Erstellung der Schlußrechnung in der Lage, die Sozialplanforderungen zu befriedigen … Erst nach Erstellung der Schlußrechnung (lassen) sich unter Berücksichtigung der in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.12.1978 festgelegten Rangordnung die Auszahlungen vornehmen.”
Am 28. März 1979 fand eine Gläubigerversammlung statt, auf deren Tagesordnung der Sozialplan stand. Für die Gläubiger erschien niemand. In der Sitzungsniederschrift wurde festgestellt, daß Einwände gegen den abgeschlossenen Sozialplan nicht erhoben, Anträge auf Einlegung eines Rechtsmittels nicht gestellt worden seien.
Der Beklagte zahlte am 10. Juli 1981 aus der Masse 103.900 DM auf die Sozialplanforderungen aus und verständigte davon mit Schreiben vom 28. Januar 1982 das Konkursgericht. Die Sozialplanansprüche waren nicht zur Konkurstabelle festgestellt; das Konkursgericht hatte den Beklagten nicht zu der Zahlung ermächtigt.
Am 1. Juni 1984 erstellte der Beklagte die Schlußrechnung. Darin führte er aus, daß nach Abzug der beantragten Konkursverwaltervergütung von 87.686,30 DM und des auf die Sozialplanforderungen bereits gezahlten Betrages von 103.900 DM eine Masse von 204.061,10 DM verbleibe, der noch Masseschulden von 231.781,84 DM gegenüberständen. Wegen der danach gegebenen Unterdeckung beantragte der Beklagte, eine Verteilung nach § 60 KO vorzunehmen.
Mit der im Dezember 1985 erhobenen Klage verlangten die Klägerinnen zu 1) und 2) vom Beklagten Schadensersatz in der Weise, daß er 103.900 DM nebst Zinsen auf das Massekonto des Gemeinschuldners einbezahle. Zur Begründung führten sie aus, der Beklagte habe durch die dem § 170 KO widersprechende Bezahlung der Sozialplanforderungen die Konkursmasse verkürzt, so daß sie jetzt nicht mehr zur Befriedigung der Massegläubiger und zur Ausschüttung einer Konkursdividende für alle Konkursgläubiger der Rangklasse 1 ausreiche.
Das Landgericht wies die Klage ab. Die Klägerinnen zu 1) und 2) legten Berufung ein. Der Kläger zu 3), der durch Beschluß des Konkursgerichts vom 10. November 1986 zum Sonderkonkursverwalter für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten ernannt worden war, trat dem Rechtsstreit bei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 29. Juni 1987 erklärte er, daß er die bisherige Prozeßführung der Klägerinnen zu 1) und 2) billige. Das Berufungsgericht verurteilte den Beklagten nach dem Antrag der Kläger zur Zahlung von 103.900 DM nebst Zinsen auf das Konkurskonto des Gemeinschuldners.
Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nur in bezug auf den Kläger zu 3) begründet.
I.
1. Das Berufungsgericht nimmt an, daß die Klage aller drei Kläger zulässig sei. Es bejaht des weiteren die Aktivlegitimation sämtlicher Kläger mit folgenden Erwägungen: Für den Kläger zu 3) ergebe sich die Aktivlegitimation aus seiner Bestellung zum Sonderkonkursverwalter und seinem durch den Bestellungsbeschluß festgelegten Wirkungsbereich. Auch die Klägerinnen zu 1) und 2) seien aktivlegitimiert. Auszugehen sei von dem Sinn und Zweck des Konkursverfahrens, eine möglichst gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger herbeizuführen und eine Einzelbefriedigung von Gläubigern außerhalb des Verfahrens auszuschließen. Deshalb seien die Abwicklung des Verfahrens und die Geltendmachung und Befriedigung von Forderungen in die Hände des Konkursverwalters gelegt. Das könne aber sinnvollerweise nur für Ansprüche gelten, die auf die unmittelbare Befriedigung eines einzelnen Konkursgläubigers gerichtet seien und die deshalb den Ablauf des Konkursverfahrens stören und hemmen sowie die Rechte der übrigen Konkursgläubiger beeinträchtigen könnten. Werde dagegen wie im vorliegenden Fall Zahlung zur Masse begehrt, so werde dadurch der Zweck des Konkursverfahrens gerade nicht gestört, sondern im Gegenteil gefördert. Im übrigen sei eine Aktivlegitimation der Klägerinnen zu 1) und 2) auch deshalb gegeben, weil der Kläger zu 3) als Sonderkonkursverwalter deren Prozeßführung gebilligt habe.
2. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Im Ergebnis zu Recht bejaht das Berufungsgericht allerdings die Zulässigkeit der Klage der Klägerinnen zu 1) und 2).
aa) Sämtliche Kläger verlangen Erstattung des Betrages zur Konkursmasse, um den der Beklagte die Konkursmasse durch Befriedigung der Sozialplanansprüche verkürzt hat. Sie begehren somit Ersatz des sogenannten Gemeinschaftsschadens (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, KO 10. Aufl. § 82 Rdnr. 5; Kilger, KO 15. Aufl. § 82 Anm. 4; Jaeger/Weber, KO 8. Aufl. § 82 Rdnr. 6; Mohrbutter/Mohrbutter, Handbuch der Konkurs- und Vergleichsverwaltung 5. Aufl. Rdnr. 949 a.E.). Dazu sind die Klägerinnen zu 1) und 2) aus eigenem Recht nicht befugt.
Sie sind Massegläubiger und bevorrechtigte Konkursgläubiger. Infolge der Verkürzung der Konkursmasse sind sie in beiden Rechtsstellungen verletzt: Die verkürzte Konkursmasse reicht nämlich zur vollständigen Befriedigung aller Massegläubiger nicht aus, so daß der Beklagte bereits eine Verteilung nach § 60 KO angekündigt hat. Bei unverkürzter Konkursmasse wären dagegen nicht nur die Massegläubiger vollständig befriedigt worden, sondern es wäre auch auf die Konkursgläubiger der Rangklasse 1, zu denen die Klägerinnen zu 1) und 2) gehören, noch eine Dividende entfallen. Daraus folgt jedoch nur die Befugnis der Klägerinnen zu 1) und 2), den gerade ihnen infolge der Masseverkürzung entstandenen Ausfall (Einzelschaden) geltend zu machen. Dagegen läßt sich daraus nicht das Recht ableiten, den Gemeinschaftsschaden einzuklagen.
(1) Die Frage, wie sich der Einzelschaden eines Massegläubigers oder Konkursgläubigers zu dem Gemeinschaftsschaden der Konkursmasse verhält, wenn der Einzelschaden durch die Verkürzung der Konkursmasse, also durch den Gemeinschaftsschaden vermittelt wird, ist höchstrichterlich nicht abschließend geklärt. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 78, 186, 188; 89, 237, 240; 142, 184, 188; RG Gruch Beitr Bd. 63, 345, 348) sowie der wohl einhelligen Auffassung des Schrifttums (vgl. Sydow/Busch, KO 16. Aufl. § 82 Anm. 3; Kuhn/Uhlenbruck, § 82 KO Rdnr. 5; Kilger, § 82 KO Anm. 4; Jaeger/Weber, § 82 Rdnr. 11; Mohrbutter/Mohrbutter a.a.O. Rdnr. 950; Karsten Schmidt KTS 1976, 191, 192; vgl. auch Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 1 Rdnr. 48; Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse S. 141 Fußn. 155) kann der Gemeinschaftsschaden während des Konkursverfahrens nur durch einen dafür neu zu bestellenden Konkursverwalter geltend gemacht werden. Nach Beendigung des Konkursverfahrens soll dagegen nach Auffassung des Reichsgerichts (RGZ 78, 186, 188) dieser Anspruch dem Gemeinschuldner zustehen, dem die Masse überkommen ist. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 10. Mai 1977 – VI ZR 48/76, KTS 1977, 260, 261 = WM 1977, 847) hat demgegenüber entschieden, daß ein Massegläubiger den Ausfall, den er infolge einer Verkürzung der Konkursmasse erleidet, schon während des anhängigen Konkursverfahrens geltend machen könne. Derselbe Senat hat ausgesprochen (Urt. v. 22. Februar 1973 – VI ZR 165/71, NJW 1973, 1198 ff = WM 1973, 642), daß ein einzelner Konkursgläubiger jedenfalls nach Beendigung des Konkursverfahrens den Quotenschaden (Ausfallschaden) geltend machen könne, der sich für ihn infolge der Masseverkürzung ergeben habe; die Frage, ob ein Konkursgläubiger auch während des Konkursverfahrens diesen Schaden geltend machen könne, ist ausdrücklich offengeblieben.
(2) Das Berufungsgericht geht über diese Auffassung hinaus, indem es dem einzelnen Masse- oder Konkursgläubiger das Recht zubilligt, den Gemeinschaftsschaden während des Konkursverfahrens in der Weise geltend zu machen, daß Zahlung in die Konkursmasse verlangt werden könne. Dieser Auffassung folgt der Senat nicht.
Der weit gefaßte Tatbestand des § 82 KO und die Pflichtenstellung des Konkursverwalters gegenüber einer großen Zahl von Beteiligten ermöglichen es, daß dieselbe Pflichtverletzung des Konkursverwalters Vermögensschäden bei verschiedenen Beteiligten hervorruft; bei Masseverkürzungen kann es deshalb geschehen, daß eine Schädigung der Masse insgesamt zugleich mittelbar einen Einzelschaden bei einem einzelnen Beteiligten hervorruft. Allgemeinen Regeln des Schadensersatzrechts entspricht es, daß jeder Betroffene nur den Schaden geltend machen kann, der durch die Pflichtverletzung des Konkursverwalters gerade an seinem Vermögen verursacht worden ist. Der Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 Satz 1 BGB) rechtfertigt es keineswegs, daß ein Verletzter einen anderen als den gerade ihm entstandenen Schaden geltend machen kann. Die Befugnis, einen mehreren Verletzten gemeinschaftlich entstandenen Schaden durch einen der Beteiligten geltend zu machen, muß besonders verliehen sein. Das verkennt das Berufungsgericht.
Die Befugnis eines einzelnen Beteiligten, einen Gemeinschaftsschaden geltend zu machen, läßt sich nicht aus § 82 KO ableiten. Aus eigenem Recht kann ein durch eine Masseverkürzung geschädigter Massegläubiger nur den gerade ihm entstandenen Ausfall einklagen, wie das der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat (Urt. v. 10. Mai 1977 aaO). Ebenso kann ein durch eine Masseverkürzung nachteilig betroffener Konkursgläubiger nur den gerade ihm entstandenen Quotenschaden gelten machen, wie dies der Bundesgerichtshof ebenfalls bereits für die Zeit nach Konkursbeendigung ausgesprochen hat (Urt. v. 22. Februar 1973 aaO). Die in der Entscheidung des VI. Zivilsenats offengelassene Frage, ob der Anspruch des einzelnen Konkursgläubigers auf den Quotenschaden bereits während des Konkursverfahrens besteht, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Klägerinnen zu 1) und 2) haben gerade nicht ihren Einzelschaden, sondern den Gemeinschaftsschaden insgesamt geltend gemacht.
(3) Der Anspruch auf Ersatz des Gemeinschaftsschadens kann nur einem Rechtsträger zustehen, in dessen Vermögen sich die Masseverkürzung in vollem Umfang auswirkt. Das kann der Gemeinschuldner sein (vgl. Jaeger/Weber, § 82 KO Rdnrn. 11, 12; Hanisch a.a.O. S 141 Fußn. 155), dessen Rechte im Konkursverfahren gemäß § 6 KO durch den Konkursverwalter ausgeübt werden. Es gibt aber auch Fallgestaltungen, in denen eine pflichtwidrige Masseverkürzung durch den Konkursverwalter keinen Schadensersatzanspruch des Gemeinschuldners begründet. Verkürzt der Konkursverwalter, wie hier, die Masse dadurch, daß er an einzelne bevorrechtigte Konkursgläubiger mehr auszahlt, als ihnen aufgrund der Konkursdividende zukommt, ohne jedoch mehr als die Konkursforderungen der bevorzugten Gläubiger zu bezahlen, so bleibt die Summe der Verbindlichkeiten, die nach Beendigung des Konkursverfahrens gegen den Gemeinschuldner geltend gemacht werden können, gleich; es findet nur eine Verschiebung unter den einzelnen Gläubigern statt. Der Gemeinschuldner ist dadurch nicht geschädigt. Dennoch entspricht es allgemeiner Auffassung, daß auch in diesen Fällen der Konkursverwalter auf Ersatz des Gemeinschaftsschadens nach § 82 KO haftet und dieser Schaden durch einen besonderen Konkursverwalter geltend gemacht werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 22. Februar 1973 a.a.O. S. 1199). Da sich dieser Schadensersatzanspruch nicht aus dem von dem Konkursverwalter verwalteten Recht des Gemeinschuldners ergeben kann, muß ein anderer Rechtsträger beeinträchtigt sein. Die Konkursmasse ist kein Rechtssubjekt (BGHZ 88, 331, 335; vgl. Kuhn/Uhlenbruck, § 6 KO Rdnr. 17; Jaeger/Henckel, § 6 KO Rdnr. 167; Kilger, § 6 KO Anm. 2; differenzierend: Karsten Schmidt KTS 1984, 345, 372 ff). Die gegenteilige Auffassung (Bötticher ZZP 77, 55, 62 ff; Erdmann KTS 1967, 87 ff; Pagenstecher/Grimm, Der Konkurs 4. Aufl. § 12; Stürner ZZP 94, 263, 297; differenzierend: Hanisch a.a.O. S. 85 ff) überzeugt nicht. Sie ist mit § 6 KO unvereinbar, wonach der Gemeinschuldner nicht das Eigentum, sondern nur die Verfügungsbefugnis an der Konkursmasse verliert; für die Annahme, daß durch die Eröffnung des Konkursverfahrens eine neue juristische Person entstehe, fehlt jede gesetzliche Grundlage. Der Konkursverwalter handelt vielmehr mit Wirkung für und gegen den Gemeinschuldner als Träger der den Gläubigern als Haftungsobjekt zugewiesenen Konkursmasse.
Mit der Konkurseröffnung wird am Vermögen des Gemeinschuldners ein Verwertungsrecht für alle Konkursgläubiger begründet, das allein durch den Konkursverwalter nach Maßgabe der Vorschriften der Konkursordnung ausgeübt wird. Dieses Verwertungsrecht, das nicht mit der Summe der Ansprüche der Konkursgläubiger gleichgesetzt werden darf, ist ein Gemeinschaftsrecht aller am Konkurs beteiligten Gläubiger, also auch derjenigen, die nach der Verwertung der Masse letztlich keine Dividende erhalten. Durch eine schuldhaft pflichtwidrige Masseverkürzung wird dieses Recht beeinträchtigt; der daraus entspringende Schadensersatzanspruch steht demgemäß der Gemeinschaft der Konkursgläubiger zu und kann, weil seine Ausübung durch die Konkursordnung allein dem Konkursverwalter zugewiesen ist, auch nur durch einen Konkursverwalter während des Konkursverfahrens geltend gemacht werden. Mit der Beendigung des Konkursverfahrens löst sich dieser der Gemeinschaft zustehende Schadensersatzanspruch nicht etwa entsprechend den Einzelschäden der beteiligten Gläubiger in eine Vielzahl von Einzelansprüchen auf (vgl. Hess/Kropshofer, KO 3. Aufl. § 82 Rdnr. 22; Karsten Schmidt KTS 1976, 191, 210). Die Ansprüche der Gläubiger auf Ersatz ihrer Einzelschäden und der Anspruch auf Ersatz des Gemeinschafsschadens sind vielmehr unterschiedliche Ansprüche, deren rechtliches Schicksal allerdings in einer hier nicht näher zu untersuchenden Weise miteinander verknüpft sein mag.
(4) Die Befugnis eines einzelnen Konkursgläubigers, den Gemeinschaftsschaden durch Klage auf Zahlung in die Konkursmasse aus eigenem Recht geltend zu machen, läßt sich nicht durch die entsprechende Heranziehung gesellschaftsrechtlicher Grundsätze rechtfertigen. Im Gesellschaftsrecht wird die Klagebefugnis einzelner Gesellschafter für sogenannte Sozialansprüche bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 22. Oktober 1984 – II ZR 2/84, ZIP 1985, 31, 33; v. 16. März 1987 – II ZR 179/86, ZIP 1987, 1044; MünchKomm/Ulmer, 2. Aufl. § 705 BGB Rdnrn. 169 ff; Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft 4. Aufl. S. 261 ff). Die Gesamtheit der Konkursgläubiger kann indessen nicht einer Gesellschaft gleichgestellt werden. Sie stellt eine Zufallsgemeinschaft dar; es fehlt anders als bei der Gesellschaft an einem rechtsgeschäftlichen Zusammenschluß. Die Gläubiger und der Konkursverwalter haben sich nicht gegenseitig Leistungen versprochen, deren im Gemeinschaftsinteresse liegende Erfüllung auch durch einen einzelnen Berechtigten durchgesetzt werden könnte. Die Ausschließlichkeit, mit der die Konkursordnung die Verwaltung und Verwertung der Masse dem Konkursverwalter zuweist (§§ 6, 117 Abs. 1 KO), verbietet es, einem einzelnen Gläubiger das Recht zuzugestehen, den zur Konkursmasse gehörenden Anspruch auf Ersatz eines Gemeinschaftsschadens aus eigenem Recht geltend zu machen.
bb) Die Klägerinnen zu 1) und 2) machen den Anspruch auf Ersatz des Gemeinschaftsschadens jedoch zulässigerweise als fremdes Recht geltend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf jemand ein fremdes Recht aufgrund einer ihm von dem Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen im Prozeß verfolgen, sofern er ein eigenes schutzwürdiges Interesse daran hat (BGHZ 89, 1, 2; 96, 151, 152 ff; 100, 217, 218; 102, 293, 296). Das Berufungsgericht hat ein eigenes rechtliches Interesse der Klägerinnen zu 1) und 2) bejaht und die notwendige Ermächtigung in der Erklärung des Klägers zu 3) gesehen, er genehmige die Prozeßführung der Klägerinnen zu 1) und 2). Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen. Somit lagen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozeßstandschaft zugunsten der Klägerinnen zu 1) und 2) vor; ihre Klage ist damit zulässig geworden.
b) Das hat aber zur Folge, daß die frühere Rechtshängigkeit ihrer Klage der Schadensersatzklage des Klägers zu 3) gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegensteht (vgl. BGHZ 78, 1,7; BGH, Urt. v. 12. Juli 1985 – V ZR 56/84, WM 1985, 1324, 1325; Urt. v. 12. Oktober 1987 – II ZR 21/87, BGHR ZPO § 51 Abs. 1 Prozeßstandschaft, gewillkürte 6). Dies hat das Revisionsgericht auch ohne Rüge von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 20. Aufl. § 559 Rdnr. 10; AK-ZPO/Ankermann, § 559 Rdnr. 6). Die Klage des Klägers zu 3) ist deshalb unzulässig.
II.
1. In der Sache bejaht das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 82 KO. Der Beklagte durfte keine Zahlungen auf die Sozialplanforderungen leisten, weil die Voraussetzungen des § 170 KO nicht erfüllt waren. Die schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten stellt auch die Revision nicht in Abrede.
2. Die Revision meint, der zu ersetzende Gemeinschaftsschaden bestehe nicht in dem vollen Betrag der Masseverkürzung; abzuziehen sei vielmehr die Konkursdividende, die bei ordnungsgemäßer Verteilung der Konkursmasse auf die Sozialplangläubiger als bevorrechtigte Konkursgläubiger entfallen wäre. Das trifft nicht zu.
a) Richtig ist, daß die aus dem Sozialplan berechtigten Arbeitnehmer nach näherer Maßgabe der §§ 2,4 Satz 1 und 6 des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren vom 20. Februar 1985 (BGBl I 369), geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2450), bevorrechtigte Konkursgläubiger der Rangklasse 1 sind. Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei unverkürzter Masse auf die Gläubiger der Rangklasse 1 eine Konkursdividende entfallen wäre, hätten auch die Sozialplangläubiger eine Quote erhalten. Müßte diese Quote von dem Gemeinschaftsschaden abgesetzt werden, so entständen jedoch kaum überwindbare praktische Schwierigkeiten. Die Höhe der Quote läßt sich erst bei der Schlußverteilung endgültig feststellen, wenn alle Massekosten und Masseschulden vorweg befriedigt sind und die Höhe der zu berücksichtigenden Konkursforderungen endgültig feststeht. Da hier das Konkursverfahren nicht beendet ist, wäre eine zuverlässige Schadensfeststellung nicht möglich.
b) Die Verpflichtung des Beklagten, Ersatz in Höhe des gesamten an die Sozialplangläubiger ausgezahlten Betrages zu leisten, ergibt sich aus § 249 Satz 1 BGB. Danach hat der Schädiger den Zustand herzustellen, der ohne die schädigende Handlung bestehen würde. In diesem Fall befände sich der ausgezahlte Betrag noch in der Konkursmasse.
c) Durch die Verpflichtung des Beklagten, den an die Sozialplangläubiger ausgezahlten Betrag in vollem Umfang zu erstatten, werden die übrigen am Konkursverfahren beteiligten Gläubiger nicht ungerechtfertigt bevorzugt. Das käme nur in Betracht, wenn die Ansprüche der Sozialplangläubiger bei der Schlußverteilung der durch die Ersatzleistung ergänzten Masse nicht berücksichtigt werden könnten; denn das hätte zur Folge, daß sich die Konkursdividende der übrigen bevorrechtigten Gläubiger erhöhen würde, sie also mehr bekämen, als sie ohne die pflichtwidrige Handlung des Beklagten erhalten hätten. Das ist indessen nicht der Fall. Die Ansprüche der Sozialplangläubiger können jetzt noch nach näherer Maßgabe des Sozialplangesetzes zur Konkurstabelle festgestellt und bei der Verteilung berücksichtigt werden.
aa) Durch die Zahlung des Beklagten sind die Sozialplanansprüche nicht erloschen. Die Zahlung hatte keine Erfüllungswirkung; sie war wegen des Verstoßes gegen § 170 KO wirkungslos, weil dadurch die Sozialplangläubiger unter Verletzung einer zwingenden Bestimmung der Konkursordnung zum Nachteil der Konkursmasse bevorzugt wurden (vgl. RGZ 53, 190, 194; BGH, Urt. v. 8. Dezember 1954 – VI ZR 189/53, WM 1955, 312; KG KTW 1930, 84). Die Sozialplangläubiger sind verpflichtet, die gesetzwidrig empfangenen Leistungen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB an die Konkursmasse zurückzuzahlen.
bb) Allerdings bestimmt das Sozialplangesetz, das nach dessen § 6 Abs. 1 hier anzuwenden ist, in § 6 Abs. 5 Satz 1, daß Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung ausgeschlossen sind. Diese Regelung betrifft indessen nicht Bereicherungsansprüche, die auf einer Verletzung des § 170 KO beruhen.
Das Sozialplangesetz bezweckt, den Sozialplanansprüchen, die nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1983 (BVerfGE 65, 182) und des Bundesarbeitsgerichts vom 30. April 1984 (BAGE 45, 357) zu den Konkursforderungen der Rangklasse 6 gehörten, entsprechend ihrer sozialen Bedeutung einen besseren Rang zu verschaffen. Demgemäß ordnet § 4 des Sozialplangesetzes die Sozialplanforderungen in die Rangklasse 1 ein; das gilt gemäß § 6 Abs. 1 des Gesetzes grundsätzlich auch für Konkursverfahren, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits anhängig waren. Auf abgeschlossene Sachverhalte sollte sich die Rangänderung jedoch nicht mehr auswirken. Dem trägt § 6 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes Rechnung, der nach der Begründung (abgedruckt bei Kuhn/Uhlenbruck, KO Anh. VIII) die Anwendung der Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung insbesondere dann ausschließen soll, wenn ein Arbeitnehmer infolge eines zu Unrecht angenommenen Vorrechts bei der Verteilung mehr erhalten hat, als ihm nach dem Sozialplangesetz zusteht, oder wenn die übrigen Konkursgläubiger eine höhere Quote erhalten haben, weil eine nach dem Sozialplangesetz bevorrechtigte Sozialplanforderung ohne Vorrecht berichtigt worden ist. Bereits vorgenommene Zahlungen sollen also nicht nur wegen § 6 Abs. 2 bis 4 des Gesetzes rückgängig gemacht werden. Darin erschöpft sich indessen die Wirkung des § 6 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes; die Vorschrift soll nicht etwa aus anderen Gründen gerechtfertigte Bereicherungsansprüche abschneiden (vgl. Balz, Das neue Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren S. 107).
cc) Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, soweit ein Gläubiger unter Verletzung des § 170 KO lediglich die ihm zustehende Konkursdividende erhalten habe, liege eine ungerechtfertigte Bereicherung nicht vor (vgl. Seuffert, Deutsches Konkursprozeßrecht S. 368 ff; Wolff, KO 2. Aufl. § 170 Anm. 1; Jaeger/Weber, § 170 KO Rdnr. 4; Kilger, § 170 KO Anm. 1; unklar: Kuhn/Uhlenbruck, § 170 KO Rdnrn. 4, 11). Dieser Ansicht vermag der Senat nicht zu folgen. Da die Zahlung des Beklagten an die Sozialplangläubiger gegen § 170 KO verstieß und durch das Verfügungsrecht des Konkursverwalters aus § 6 Abs. 2 KO nicht gedeckt war, geht die Rückzahlungspflicht der Sozialplangläubiger auf den vollen Betrag; wegen der ihnen zustehenden Sozialplanansprüche können sie konkursmäßige Befriedigung erst verlangen, nachdem ihre Ansprüche zur Konkurstabelle festgestellt sind und der Beklagte die darauf entfallende Quote ermittelt hat (vgl. BGH, Urt. v. 30. Oktober 1974 – VIII ZR 81/73, WM 1974, 1218, 1219).
dd) Das Nebeneinander der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten und der Bereicherungsansprüche gegen die Sozialplangläubiger führt nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Konkursmasse. Eine Bereicherung der Masse träte ein, wenn sowohl die Schadensersatzleistung des Beklagten als auch die Rückzahlungen der Sozialplangläubiger endgültig in die Konkursmasse flössen. Das ist aber nicht der Fall. Dem beklagten Konkursverwalter steht entsprechend § 255 BGB das Recht auf Abtretung der Bereicherungsansprüche oder auf Entnahme der in die Konkursmasse zurückfließenden Leistungen der Sozialplangläubiger zu, wenn er die Masseverkürzung ersetzt hat. Das Risiko, daß die Bereicherungsansprüche nicht durchgesetzt werden können, muß allerdings er tragen. Er kann deshalb nicht verlangen, daß seine Schadensersatzpflicht von vornherein gemindert wird.
Die Klage der Klägerinnen zu 1) und 2) erweist sich danach im Ergebnis als begründet.
Unterschriften
Merz, Fuchs, Winter, Kreft, Kirchhof
Fundstellen
Haufe-Index 1502489 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1989, 1407 |