Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzen der Vertretungsmacht eines GmbH-Geschäftsführers. Rechenschaftspflicht des zur Herausgabe Verpflichteten. Kollusives Handeln mit dem Geschäftsführer einer GmbH gegen die Gesellschaftsinteressen
Leitsatz (amtlich)
Wer mit dem Geschäftsführer einer GmbH zusammenwirkt, um ein Geschäft, das mit Rücksicht auf seine Größenordnung und Bedeutung der Gesellschafterversammlung unterbreitet werden müßte, dort aber keine mehrheitliche Zustimmung finden würde, hinter dem Rücken eines Gesellschafters durchzuführen, kann sich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, in Erfüllung eines formal wirksam erteilten Auftrages gehandelt zu haben; er muß sich vielmehr wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag behandeln lassen.
Orientierungssatz
1. Der Geschäftsführer einer GmbH darf seine Vertretungsmacht nicht gegen den mutmaßlichen Willen der Gesellschafter gebrauchen.
2. Hat der Geschäftsführer einer GmbH auf Veranlassung eines Gesellschafters Gesellschaftsmittel über sein Konto weitergeleitet, und will er hierdurch von seiner Herausgabepflicht freigeworden sein, so muß er Rechenschaft ablegen und gegebenenfalls darlegen, inwieweit die Gesellschaft durch die Verwendung der Mittel einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat.
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter des Vermögens der B & R GmbH. Am 4. April 1977 beschlossen deren Gesellschafter B und R wechselseitig ihre Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grunde, was am 11. Januar 1978 im Handelsregister vermerkt wurde. Die Gesellschaft muß zwei Geschäftsführer haben. Deshalb wurden am 30. Dezember 1977 und 19. Januar 1978 zwei Notgeschäftsführer bestellt. Die Geschäftsführer vertreten die Gesellschaft gemeinschaftlich oder jeweils zusammen mit einem Prokuristen.
Die B & R GmbH überwies auf ein Anderkonto des Beklagten zu 2, eines Steuerberaters, durch den die Gesellschafterin B sich in der Gesellschafterversammlung von 4. April 1977 hatte vertreten lassen, folgende Beträge: 12. September 1977 103.000 DM, 2. Dezember 1977 200.000 DM, 8. Dezember 1977 150.000 DM, 13. Dezember 1977 50.000 DM, 6. Januar 1978 100.000 DM, insgesamt 603.000 DM Der Beklagte zu 2 überwies am 8. September 1977 102.978 DM an U G auf ein Konto der sch Kreditanstalt Z sowie am 5. Oktober 1977 350.000 DM, am 5. Dezember 1977 198.999,53 DM am 9. Dezember 1977 150.000 DM und am 15. Dezember 1977 49.250 DM jeweils an E B auf ein Konto der Bank N in Z wobei er die Gewährung von Darlehen als Zahlungsgrund angab. Am 19. Januar 1978 hob der Beklagte zu 2 100.000 DM von dem Anderkonto ab.
Der Kläger will die 603.000 DM ersetzt haben, weil der Beklagte zu 2 rechtswidrig darüber verfügt habe. Der Beklagte zu 2 hat behauptet, die Gelder aufgrund eines Auftrages weitergeleitet zu haben, den ihm die – am 4. April 1977 nicht wirksam abberufene – Geschäftsführerin B gemeinsam mit dem Prokuristen erteilt habe. Die B & R GmbH habe mit der T-F KG einen Vertrag über die Errichtung einer Anlage zur Produktion von Löschpulver geschlossen und ihre Verpflichtung aus diesem Vertrage durch eine Bankbürgschaft in Höhe von 500.000 DM abgesichert. Die weitergeleiteten Gelder hätten der Absicherung dieser Bürgschaft gedient, aus der die Sch Kreditanstalt von der T-F KG später in Anspruch genommen worden sei. Die Gelder seien über sein Anderkonto geflossen, um zu verhindern, daß der Gesellschafter R von den Zahlungsvorgängen Kenntnis erlangte.
Das Landgericht hat der Klage insoweit stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen.
Der Senat hat die Revision des Klägers nicht angenommen, soweit auch der Beklagte zu 1, der Sozius des Beklagten zu 2, zur Zahlung von 603.000 DM verurteilt werden sollte. Soweit das Berufungsgericht die Klage gegen den Beklagten zu 3, dem Kläger 50.000 DM zu zahlen, abgewiesen hat, hat der Kläger die Revision zurückgenommen. Die Revisionen der Beklagten zu 1 bis 3, mit denen diese sich dagegen wenden, daß sie zur Rechnungslegung über Honorare und Spesen verurteilt worden sind, hat der Senat insgesamt nicht angenommen. Der Kläger verfolgt mit der Revision die Klage gegen den Beklagten zu 2 weiter, soweit diese in Höhe von 603.000 DM abgewiesen worden ist. Der Beklagte zu 2 beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Soweit der Senat die Revision des Klägers angenommen hat, ist sie begründet.
1. Der Beklagte zu 2 wendet sich zu Unrecht gegen die Aktivlegitimation des klagenden Konkursverwalters. Sollten die Beschlüsse, durch die das Konkursverfahren eröffnet und der Verwalter bestellt worden ist, mangelhaft sein, weil – wie der Beklagte zu 2 behauptet – die Voraussetzungen einer Konkurseröffnung nicht vorgelegen haben, so wären sie allenfalls mit den hierfür vorgesehenen Rechtsmitteln angreifbar (§§ 109, 73 Abs. 3 KO) gewesen; solange die Bestellung des Klägers nicht aufgehoben wird oder aus anderen Gründen endet, ist gegen seine Prozeßführungsbefugnis nichts einzuwenden. Das gilt auch, wenn er – wie der Beklagte zu 2 behauptet – mit anderen bewußt zum Nachteil der Gemeinschuldnerin zusammengewirkt hätte. Hieraus würden allenfalls eine Verpflichtung zum Schadensersatz folgen und ein Grund für das Konkursgericht, ihn als Verwalter abzuberufen.
2. Das Berufungsgericht hat eine Verpflichtung des Beklagten zu 2, dem Kläger die auf das Anderkonto überwiesenen 603.000 DM zu erstatten, verneint. Zwar habe der Beklagte zu 2 den Betrag ohne Rechtsgrund erhalten, weil die Gesellschafterin B als Geschäftsführerin abberufen worden sei und deshalb die GmbH nicht mehr habe vertreten können. Zur Herausgabe des Erlangten sei er aber nicht nach § 812 BGB verpflichtet, weil er das Geld nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien „in irgendeiner Weise” weitergeleitet habe und deshalb nicht mehr bereichert sei (§ 818 Abs. 3 BGB). Eine Haftung aus § 819 Abs. 1 BGB scheide aus, da der Beklagte zu 2 die Abberufung der Geschäftsführerin für unwirksam gehalten, mithin das Fehlen des rechtlichen Grundes nicht gekannt habe.
Dagegen wendet sich die Revision mit Recht. Nach dem bisher vorgetragenen Sachverhalt kommt eine Haftung des Beklagten zu 2 nach Auftragsrecht in Betracht, und zwar unabhängig davon, ob die Gesellschafterin B die Gesellschaft ihm gegenüber wirksam vertreten hat oder nicht.
a) Ist zwischen der GmbH und dem Beklagten zu 2 kein wirksamer Geschäftsbesorgungsvertrag zustandegekommen, weil – wie das Berufungsgericht annimmt – Frau B am 4. April 1977 als Geschäftsführerin abberufen worden war und deshalb die GmbH nicht mehr vertreten konnte, so ist der Beklagte zu 2 bei der Entgegennahme der 603.000 DM und der von ihm behaupteten Weiterleitung des Geldes für Rechnung der GmbH als deren Geschäftsführer ohne Auftrag tätig geworden. Seine Rechtsbeziehungen zur Gesellschaft regeln sich in diesem Falle nach den §§ 677 ff BGB.
b) Nichts anderes gilt, falls Frau B noch Geschäftsführerin war, als sie zusammen mit dem Prokuristen den Beklagten zu 2 beauftragte. Dabei hätte sie sich zwar formal im Rahmen ihrer Vertretungsmacht gehalten. Hierauf könnte sich der Beklagte zu 2 aber nicht berufen. Wie er selbst vorgetragen hat, befürchtete Frau B, daß ihr Mitgesellschafter R die Herstellung von Feuerlöschpulver für die GmbH, zu der er sich verpflichtet hatte, einstellen und zur unmittelbaren Belieferung der Kunden übergehen werde. Deshalb beabsichtigte sie, aus Mitteln der Gesellschaft in Höhe von mehr als einer Million DM Produktionsanlagen der T-F KG zu finanzieren, damit diese der GmbH Löschpulver lieferte. Da die Gefahr bestand, daß der zur Hälfte am Kapital der GmbH beteiligte und den Produktionsvertrag mit der T-F KG nicht billigende Gesellschafter R die zu diesem Zweck vorgesehenen Zahlungen verhindern werde, übernahm es der Beklagte zu 2, sie vor R dadurch zu verheimlichen, daß er die für T-F bestimmten Beträge zunächst an sich überweisen ließ und sie dann auf sch Konten weiterleitete.
Folgt man diesem Vortrag, so hat die Gesellschafterin B die von ihr in Anspruch genommene Vertretungsmacht mißbraucht. Denn der Auftrag an den Beklagten zu 2 betraf nach dessen Darstellung ein Vorhaben, das nach seiner Größenordnung und Bedeutung über den bisherigen Geschäftsbetrieb der GmbH hinausging und deren Interessen in besonderem Maße berührte, weil mit ihm ein wesentlicher Geschäftszweig unter Aufwand erheblicher Gesellschaftsmittel auf eine neue tatsächliche und rechtliche Grundlage gestellt werden sollte. Ein solches Vorhaben durfte Frau B nicht eigenmächtig anbahnen und durchführen. Sie mußte es vielmehr nach § 49 Abs. 2 GmbHG der Gesellschafterversammlung unterbreiten und deren Zustimmung einholen. Dazu war sie gerade auch deshalb verpflichtet, weil sie daran zweifelte, ob sie diese Zustimmung erwirken könne. Denn ein Geschäftsführer darf seine Vertretungsmacht nicht gegen den mutmaßlichen Willen der Gesellschafter gebrauchen (Baumbach/Hueck, GmbHG, 13. Aufl., § 49 Anm. 3 B). Das gilt auch dann, wenn er, wie hier, damit rechnet, mit Rücksicht auf den Widerspruch eines zu 50 % beteiligten Gesellschafters einen zustimmenden Mehrheitsbeschluß nicht erlangen zu können, und deshalb von einer Vorlage an die Gesellschafterversammlung von vornherein absieht. In einem solchen Falle hat das Geschäft zu unterbleiben. Daran würde es hier nichts ändern, wenn der Gesellschafter R mit einem Widerspruch gegen das geplante Geschäft sein Stimmrecht zum Schaden der Gesellschaft mißbraucht hätte. Hiergegen hätte sich die Mitgesellschafterin mit den gesetzlich gegebenen Rechtsbehelfen – Anfechtungsklage in Verbindung mit einer positiven Feststellungs- oder einer Zustimmungsklage (vgl. Urt. d. Sen. v. 26.10.1983 – II ZR 87/83, WM 1983, 1310 = ZIP 1983, 1444) – wehren können. Sie durfte aber das Ergebnis einer solchen Auseinandersetzung nicht einfach vorwegnehmen, indem sie die Zustimmung des Mitgesellschafters gar nicht erst zu erlangen versuchte, sondern das von ihm mißbilligte Geschäft hinter seinem Rücken einleitete. Dadurch überschritt sie die Schranken, die einem Geschäftsführer im Verhältnis zur Gesellschaft gesetzt sind.
Bei dieser Sachlage kann der Beklagte zu 2 nicht geltend machen, er habe die ihm überwiesenen 603.000 DM aufgrund eines wirksamen Auftrages für die GmbH in Empfang genommen und verwendet. Inhalt dieses Auftrags waren Maßnahmen, die in Ermangelung eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses von einer Geschäftsführungsbefugnis der Gesellschafterin B nicht mehr gedeckt waren. Nach dem Vortrag des Beklagten zu 2 muß auch angenommen werden, daß er die Umstände, aus denen sich dies ergibt, gekannt hat. Denn er hat sich Frau B als Gehilfe dafür zur Verfügung gestellt, jene Maßnahmen pflichtwidrig vor dem Gesellschafter R zu verheimlichen, um zu verhindern, daß sie an seinem Widerspruch scheiterten.
Wer einen Vertrag mit der GmbH abschließen will, braucht sich allerdings grundsätzlich nicht darum zu kümmern, ob der Geschäftsführer die sich aus dem Innenverhältnis ergebenden Schranken seiner Befugnis einhält. Nachforschungen hierüber sollen dem redlichen Rechtsverkehr erspart bleiben. Darin liegt gerade der Sinn der gesetzlichen Regelung, nach der die Vertretungsmacht der Geschäftsführer Dritten gegenüber unbeschränkbar ist (§ 37 Abs. 2 GmbHG). Hierauf darf sich ein Geschäftspartner im allgemeinen verlassen. Sein Vertrauen auf den Bestand des Geschäfts ist aber dann nicht mehr schutzwürdig, wenn er weiß oder es sich ihm geradezu aufdrängen muß, daß der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht zum Schaden der Gesellschaft mißbraucht. In einem solchen Falle kann er aus dem formal durch die Vertretungsmacht des Geschäftsführers gedeckten Geschäft keine vertraglichen Rechte oder Einwendungen herleiten (Urt. d. Sen. v. 15.12.1975 – II ZR 148/74, LM GmbHG § 37 Nr. 4; v. 19.5.1980 – II ZR 241/79, WM 1980, 953, 954).
Hier steht zwar nicht fest, daß die Gesellschafterin B bei der Beauftragung des Beklagten zu 2 bewußt zum Nachteil der Gesellschaft gehandelt oder zumindest mit deren Schädigung gerechnet und sie in Kauf genommen hat. Die Regeln über den Mißbrauch der Vertretungsmacht können aber unter Umständen auch dann anwendbar sein, wenn ein Geschäft zwar nicht nachweislich dem Interesse des Vertretenen zuwiderläuft, der Vertragsgegner aber weiß oder sich sagen muß, daß der Vertreter dem Geschäftsherrn Tatsachen vorenthält, bei deren Kenntnis dieser den Vertrag nicht abgeschlossen hätte (Urt. d. Sen. v. 24.4.1972 – II ZR 153/69, WM 1972, 1380; RGZ 134, 67, 71 f). Ein vergleichbarer Tatbestand ist hier nach dem Vortrag des Beklagten zu 2 gegeben: Für die Willensbildung innerhalb der GmbH kam es entscheidend auf das Wissen aller Gesellschafter an, weil es sich bei dem Produktionsvertrag mit T-F um ein Geschäft handelte, über dessen Abschluß angesichts seiner Bedeutung die Geschäftsführung allein nicht entscheiden durfte. Dieses Wissen hat Frau B dem Gesellschafter R vorenthalten, weil sie seinen Widerspruch befürchtete. Hierbei hat der Beklagte zu 2 mit ihr zusammengewirkt, indem er sich von ihr als „Durchgangsstation” für die Verwendung von Gesellschaftsmitteln benutzen ließ, um sie vor R geheimzuhalten und diesen am Einschreiten zu hindern. Unter diesen Umständen kann sich der Beklagte nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, bei der Entgegennahme und Weiterleitung des Geldes in Erfüllung eines ihm wirksam namens der GmbH erteilten Auftrages tätig geworden zu sein. Er muß sich vielmehr wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag behandeln lassen.
3. Als solcher haftet er der GmbH nach § 678 BGB auf Schadensersatz. Denn nach seiner eigenen Darstellung war in der Gesellschafterversammlung für seine Beauftragung keine Mehrheit vorhanden. Der Auftrag entsprach daher nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn. Das muß der Beklagte zu 2 gewußt haben, da seine Einschaltung gerade dem Zweck diente, eine Beschlußfassung der Gesellschafter zu umgehen, weil sonst die Ausführung des Geschäfts in Frage gestellt gewesen wäre.
4. Für Grund und Höhe eines nach § 678 BGB zu ersetzenden Schadens ist grundsätzlich der Geschäftsherr darlegungs- und beweispflichtig. Das kann hier jedoch nicht uneingeschränkt gelten. Nach § 681 Satz 2 i.V.m. § 667 BGB muß der Beklagte zu 2 alles, was er zur Durchführung des Auftrags erhalten oder aus der Geschäftsführung erlangt hat, an den Kläger herausgeben. Dazu gehören die in Höhe von insgesamt 603.000 DM auf sein Konto geflossenen Gesellschaftsmittel. Hat er sie auf Veranlassung von Frau B weitergeleitet und will er hierdurch von seiner Herausgabepflicht freigeworden sein, so muß er Rechenschaft ablegen, falls der Kläger über den Verbleib der Beträge nicht schon unterrichtet ist, und gegebenenfalls darlegen, inwieweit die Gesellschaft durch ihre Verwendung einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat. Überdies ist der Beklagte zu 2 auch deshalb verpflichtet, nach Kräften zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen, weil er das Geld unzulässigerweise aus Gründen der Geheimhaltung über sein Konto leiten ließ.
5. Damit die Parteien Gelegenheit erhalten, unter dem bislang nicht erörterten Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag zum Sachverhalt und insbesondere zu der Frage, inwieweit der GmbH durch diese Geschäftsführung Vorteile oder Nachteile entstanden sind, Stellung zu nehmen, und das Berufungsgericht die hierzu erforderlichen Feststellungen treffen kann, wird die Sache zurückverwiesen.
Fundstellen
BGHZ 89, 162 |
NJW 1984, 1461 |
ZIP 1984, 310 |