Leitsatz (amtlich)
Die Unentgeltlichkeit einer Leistung ist nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen in dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem die jeweilige Leistung vorgenommen wurde.
Eine erst nach der angefochtenen Rechtshandlung ausgesprochene materiell-rechtliche Anfechtung eines Vertrags führt nicht zur Inkongruenz der Leistung.
Eine im Zeitpunkt der Rechtshandlung bestehende materiell-rechtliche Anfechtbarkeit eines Vertrags begründet die Inkongruenz der Leistung nur dann, wenn dem Schuldner ein materiell-rechtliches Anfechtungsrecht zustand; es genügt nicht, wenn nur der Insolvenzgläubiger anfechten kann.
Eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Nachrangdarlehens geregelte vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre (qualifizierter Rangrücktritt), nach welcher Rückzahlungs- und Zinsansprüche des Darlehensgebers insb. bei einem Vermögensverfall des Darlehensnehmers bereits außerhalb eines Insolvenzverfahrens eingeschränkt sind, ist als Abrede über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung des Nachrangdarlehens der Inhaltskontrolle entzogen.
In allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern ist eine qualifizierte Nachrangvereinbarung nur dann hinreichend transparent, wenn aus ihr die Rangtiefe, die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre, deren Dauer und die Erstreckung auf die Zinsen klar und unmissverständlich hervorgehen. Knüpft eine solche Klausel die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre an das Entstehen von Insolvenzeröffnungsgründen, muss sie die erfassten Insolvenzeröffnungsgründe klar und unmissverständlich bezeichnen.
Normenkette
InsO §§ 134, 140, 131, 19 Abs. 2 S. 2; BGB § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, §§ 488, 490, 307 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 10.05.2017; Aktenzeichen 9 U 118/16) |
LG Itzehoe (Urteil vom 28.10.2016; Aktenzeichen 10 O 140/15) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Schleswig vom 10.5.2017 aufgehoben und das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Itzehoe vom 28.10.2016 unter Zurückweisung der Berufung des Klägers dahin abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die F. KGaA (fortan: Schuldnerin) gab zur Finanzierung Orderschuldverschreibungen und Genussrechte aus. Sie war seit Ende 2012 überschuldet. Ab Sommer 2013 bot sie auch Privatanlegern die Möglichkeit, ihr Nachrangdarlehen zu gewähren. Diese warb die Schuldnerin mit Hilfe eines 167-seitigen Prospekts ein, der auf den Seiten 44-47 als Anlage auch die Darlehensbedingungen enthielt. Die eingenommenen Gelder nutzte die Schuldnerin, die ein Schneeballsystem betrieb, tatsächlich dazu, Verbindlichkeiten gegenüber Altanlegern zu bedienen.
Rz. 2
Die Beklagte bot der Schuldnerin am 20.8.2013 auf einem aus einer Seite bestehenden Formular den Abschluss eines Nachrangdarlehens über 30.000 EUR für eine Mindestlaufzeit von 30 Tagen zu einem Zinssatz von 5 vom Hundert an. Zugleich kündigte die Beklagte dieses Darlehen zum 29.9.2013. Dem Darlehen lagen die von der Schuldnerin vorformulierten Bedingungen (fortan: Darlehensbedingungen) zugrunde; ob sie dem von der Beklagten unterzeichneten Antrag auf ein Nachrangdarlehen beigefügt gewesen oder der Beklagten ausgehändigt worden sind, ist nicht festgestellt. Nach § 10 der Darlehensbedingungen tritt das Nachrangdarlehen mit seinen Forderungen gegenüber allen anderen Ansprüchen von Gläubigern gegen die Darlehensnehmerin im Rang zurück. Die Beklagte überwies anschließend 30.000 EUR an die Schuldnerin.
Rz. 3
Die Schuldnerin zahlte der Beklagten am 13.10.2013 den Darlehensbetrag von 30.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 123,29 EUR zurück. Auf einen am 12.11.2013 eingegangenen Antrag eröffnete das Insolvenzgericht am 1.4.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und ernannte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger forderte die Beklagte auf, den Darlehensbetrag nebst den erhaltenen Zinsen zur Insolvenzmasse zurückzugewähren. Die Beklagte lehnte dies ab und erklärte mit Schreiben vom 2.6.2015 die Anfechtung der Darlehensvereinbarung und der Nachrangvereinbarung wegen arglistiger Täuschung, weil die Schuldnerin die bestehende Überschuldung arglistig verschwiegen habe.
Rz. 4
Das LG hat die Beklagte zur Rückzahlung der Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG die Beklagte unter Zurückweisung ihrer Anschlussberufung auch zur Rückzahlung des Darlehensbetrags verurteilt. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur vollständigen Klageabweisung.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Anfechtungsgrund folge aus § 134 Abs. 1 InsO, weil die Zahlung auf eine Nichtschuld und damit unentgeltlich erfolgt sei. Maßgeblich sei das der Zahlung zugrunde liegende Kausalverhältnis. Entscheidend sei, ob der Anspruch bestanden habe, den die Schuldnerin habe erfüllen wollen. Aus dem Verwendungszweck der Überweisung ergebe sich, dass die Schuldnerin die Zahlung dem Nachrangdarlehen zugeordnet habe. Die Zahlung vom 13.10.2013 sei daher ohne Rechtsgrund erfolgt, weil die Beklagte mit Schreiben vom 2.6.2015 den Darlehensvertrag oder die Nachrangvereinbarung wegen arglistiger Täuschung angefochten habe. Da die Schuldnerin über die bei Abschluss des Darlehensvertrags bereits vorliegende Insolvenzreife getäuscht habe, liege der Anfechtungsgrund des § 123 Abs. 1 BGB vor. Gemäß § 142 Abs. 1 BGB beseitige die wirksame Anfechtung rückwirkend die Erfüllungsansprüche.
Rz. 7
Dem stehe nicht entgegen, dass der Rückgewähranspruch aus § 143 InsO mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehe. Es genüge, dass die mittelbare Gläubigerbenachteiligung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintrete. Gleiches müsse gelten, wenn die Voraussetzungen des Anfechtungsanspruchs erst nach Verfahrenseröffnung mit Wirkung ex tunc herbeigeführt worden seien.
Rz. 8
Zinsen könne der Kläger jedoch erst ab dem Zeitpunkt verlangen, ab dem die Voraussetzungen des Rückgewähranspruchs aufgrund der Schenkungsanfechtung durch die materiell-rechtliche Anfechtungserklärung der Beklagten geschaffen worden seien. Andere Anfechtungstatbestände seien nicht erfüllt. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO scheide aus, weil die Beklagte nicht Gesellschafterin der Schuldnerin gewesen sei. Ebenso wenig folge aus dem Rangrücktritt gem. § 10 der Darlehensbedingungen, dass es sich um eine unentgeltliche Leistung gehandelt habe. Es handele sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die dahin auszulegen sei, dass der Rangrücktritt nur eingreife, wenn gerade durch die Rückzahlung ein Insolvenzgrund herbeigeführt werde. Daran fehle es, weil die Insolvenzreife bereits zuvor bestanden habe.
II.
Rz. 9
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann keine unentgeltliche Leistung gem. § 134 Abs. 1 InsO angenommen werden.
Rz. 10
1. Unentgeltlich ist im Zwei-Personen-Verhältnis eine Leistung, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll (BGH, Urt. v. 20.4.2017 - IX ZR 252/16, BGHZ 214, 350 Rz. 10 m.w.N.). Auch ohne eine vertragliche Vereinbarung einer Gegenleistung fehlt es an einer für die Unentgeltlichkeit erforderlichen kompensationslosen Minderung des schuldnerischen Vermögens, wenn der Empfänger die Leistung des Schuldners auf andere Art und Weise auszugleichen hat (BGH, a.a.O., Rz. 12). Leistet der Schuldner, weil er sich irrtümlich hierzu verpflichtet hält, steht ihm hinsichtlich der Leistung ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Der Empfänger ist von vornherein diesem Bereicherungsanspruch ausgesetzt. Insoweit fehlt es bei einer solchen Leistung an einem endgültigen, vom Empfänger nicht auszugleichenden, freigiebigen Vermögensverlust des Schuldners. Daher ist eine Leistung des Schuldners, wenn dieser irrtümlich annimmt, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein, nicht nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar (BGH, Urt. v. 20.4.2017 - IX ZR 252/16, BGHZ 214, 350 Rz. 13 f m.w.N.).
Rz. 11
2. Nach diesen Maßstäben ist die Leistung der Schuldnerin nicht schon deshalb nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil - wie das Berufungsgericht angenommen hat - die Zahlung der Schuldnerin aufgrund ihrer Leistungsbestimmung ausschließlich zur Erfüllung des Darlehensrückzahlungsanspruchs diente und die Beklagte den Darlehensvertrag später wirksam wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB angefochten hat.
Rz. 12
a) Dem steht bereits entgegen, dass die erst rund 20 Monate nach der angefochtenen Rechtshandlung (§ 140 Abs. 1 InsO) erfolgte Anfechtung des Darlehensvertrags wegen arglistiger Täuschung nicht geeignet ist, rückwirkend die Voraussetzungen für eine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO herbeizuführen. Ob die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestandes erfüllt sind, richtet sich grundsätzlich nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung. Damit ist die Unentgeltlichkeit nach dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem die jeweilige Leistung vorgenommen wurde (MünchKomm/InsO/Kayser, 3. Aufl., § 134 Rz. 20; Bork in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2016, § 134 Rz. 41; vgl. auch BGH, Urt. v. 3.3.2005 - IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276, 281). Spätere Veränderungen führen im Allgemeinen nicht dazu, dass eine zum Zeitpunkt der Rechtshandlung entgeltliche Leistung nachträglich - rückwirkend - als unentgeltlich anzusehen ist (vgl. MünchKomm/InsO/Kayser, a.a.O.; BGH, Urt. v. 21.1.1999 - IX ZR 429/97, ZIP 1999, 316, 317).
Rz. 13
Auch wenn ein wirksam angefochtenes Rechtsgeschäft gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist, ändert dies nichts daran, dass im Streitfall nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt der Rückzahlung der Darlehensvaluta ein Darlehensvertrag bestand, aus dem die Ansprüche auf Darlehensrückzahlung folgten. Gegen die Inanspruchnahme aus dem Darlehensvertrag konnte sich die Schuldnerin bis zur Anfechtung nicht damit verteidigen, dass die Beklagte den Vertrag anfechten könne. Gemäß § 140 Abs. 1 InsO gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Dies war hier die Rückzahlung der Darlehensvaluta nebst Zinsen am 13.10.2013. Diese Leistung war entgeltlich, soweit die Schuldnerin den aus der entgeltlichen Darlehenshingabe entstandenen Darlehensrückzahlungsanspruch erfüllte (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2016 - IX ZR 184/14, BGHZ 212, 272 Rz. 14).
Rz. 14
b) Unabhängig davon ist die Zahlung des Schuldners vom 13.10.2013 auch dann nicht nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, wenn der Darlehensvertrag bereits zum Zeitpunkt der Leistung der Schuldnerin nicht mehr bestanden haben sollte. Nimmt der Schuldner zum Zeitpunkt der Leistung irrtümlich an, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein, steht ihm hinsichtlich seiner Leistung ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu; dieser tritt an die Stelle des weggegebenen Vermögensgegenstandes und steht damit der Unentgeltlichkeit entgegen (BGH, Urt. v. 20.4.2017 - IX ZR 252/16, BGHZ 214, 350 Rz. 13, 15). So liegt der Fall, wenn ein Schuldner irrtümlich einen tatsächlich nicht bestehenden Darlehensrückzahlungsanspruch erfüllt. Soweit in diesen Fällen eine Anfechtung nach § 134 InsO in Betracht kommt, wenn der Schuldner in Kenntnis des fehlenden Rechtsgrundes handelt und eine Rückforderung gem. § 814 BGB ausgeschlossen ist (BGH, Urt. v. 20.4.2017 - IX ZR 252/16, BGHZ 214, 350 Rz. 16), fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts.
III.
Rz. 15
Die Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.
Rz. 16
1. Eine Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO scheidet aus. Zwar erfolgte die Darlehensrückzahlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit innerhalb des von § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO bestimmten Anfechtungszeitraums. Die Darlehensrückzahlung stellt jedoch keine inkongruente Deckung dar, weil der Beklagten am 13.10.2013 ein durchsetzbarer und fälliger Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens nebst Zinsen zustand.
Rz. 17
a) Eine inkongruente Deckung liegt nicht deshalb vor, weil der Darlehensvertrag vom 20.8.2013 für die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts arglistig getäuschte Beklagte gem. § 123 BGB anfechtbar war und die Beklagte am 2.6.2015 gem. § 143 Abs. 1 BGB die Anfechtung erklärt hat.
Rz. 18
aa) Die von der Beklagten am 2.6.2015 erklärte Anfechtung gem. § 123 BGB ist unerheblich. Die Frage, ob eine inkongruente Deckung vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung. Wird eine Deckungshandlung angefochten, kommt es auf die materielle Rechtslage, den Anspruch des Gläubigers zum Zeitpunkt der Leistung (§ 140 InsO) an (BGH, Urt. v. 3.3.1959 - VIII ZR 176/58, WM 1959, 470, 471 unter 3; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2014, § 131 Rz. 31). Die Inkongruenz ist zu dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem die Rechtshandlung vorgenommen wurde (Schoppmeyer, a.a.O., Rz. 35 m.w.N.; Jaeger/Henckel, InsO, § 131 Rz. 3; Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 19. Aufl., § 131 Rz. 9). Dabei unterscheidet gerade das Recht des Gläubigers, die Leistung zu fordern, kongruente und inkongruente Rechtshandlungen (BGH, Urt. v. 17.6.1999 - IX ZR 62/98, NJW 1999, 3780, 3781; v. 9.6.2005 - IX ZR 152/03, NZI 2005, 497; v. 14.5.2009 - IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 Rz. 14).
Rz. 19
Nach diesen Maßstäben berührt eine erst nach der angefochtenen Rechtshandlung ausgesprochene materiell-rechtliche Anfechtung des Vertrags nicht das im Zeitpunkt der Rechtshandlung rechtlich und tatsächlich bestehende Recht des Gläubigers, die entsprechende Leistung zu fordern. Die von § 142 Abs. 1 BGB angeordnete Rückwirkung genügt hierfür im Allgemeinen nicht. Solange das anfechtbare Rechtsgeschäft nicht angefochten wird, ist es gültig (BGH, Urt. v. 1.7.1987 - VIII ZR 331/86, ZIP 1987, 1256, 1258; Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 142 Rz. 3; Roth in Staudinger, BGB, 2015, § 142 Rz. 5). Hierfür spricht auch der vergleichbare Fall einer Leistung des Schuldners auf einen zum Zeitpunkt der Rechtshandlung auflösend bedingten Anspruch. Dieser ist - solange die Bedingung nicht eingetreten ist - voll wirksam (§ 158 Abs. 2 BGB). Die Leistung auf einen auflösend bedingten Anspruch ist daher kongruent (arg. § 42 InsO; MünchKomm/InsO/Kayser, 3. Aufl., § 131 Rz. 15; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2014, § 131 Rz. 50; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 3. Aufl., § 131 Rz. 6).
Rz. 20
bb) Ebenso wenig führt die im Zeitpunkt der Rechtshandlung bestehende materiell-rechtliche Anfechtbarkeit des Darlehensvertrags zur Inkongruenz. Allerdings liegt eine inkongruente Deckung vor, sofern der Schuldner auf einen im Zeitpunkt der Rechtshandlung anfechtbaren Vertrag leistet (MünchKomm/InsO/Kayser, a.a.O., Rz. 14a; Schoppmeyer, a.a.O., Rz. 51; Schmidt/Ganter/Weinland, a.a.O., Rz. 20). Dies setzt jedoch voraus, dass gerade dem Schuldner ein Anfechtungsrecht nach §§ 119, 123 BGB zusteht; hingegen genügt es nicht, wenn nur der Insolvenzgläubiger anfechten kann.
Rz. 21
Der Vertrauensschutz, den § 130 InsO dem Gläubiger über die subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen gewährt, entfällt im Rahmen des § 131 InsO, weil der Schuldner mit seiner Leistung dem Gläubiger etwas gewährt, das der Gläubiger nicht kraft des ihm zustehenden Anspruchs durchsetzen kann (vgl. Schoppmeyer, a.a.O., Rz. 5 f.; Schoppmeyer, WM 2018, 301, 306). Der Insolvenzgläubiger, der eine ihm so nicht zustehende Deckung entgegennimmt, erscheint weniger schutzwürdig und weckt den Verdacht, dass er die wirtschaftliche Krise des Schuldners kennt oder voraussieht (MünchKomm/InsO/Kayser, a.a.O., Rz. 1; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, a.a.O., Rz. 6). Dies trifft zu, wenn der Schuldner zur Anfechtung des Vertrags berechtigt ist. In diesem Fall kann sich der Schuldner gegenüber einem Leistungsverlangen des Gläubigers verteidigen, indem er das Rechtsgeschäft anficht (§§ 142, 143 BGB). Leistet der Schuldner in Kenntnis der für ihn bestehenden Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts, ist eine darin liegende Bestätigung des Rechtsgeschäfts gem. § 144 Abs. 1 BGB ebenfalls als eine inkongruente, ermöglichende Rechtshandlung anfechtbar, weil dem Insolvenzgläubiger regelmäßig kein Anspruch auf eine Bestätigung des Rechtsgeschäfts zusteht.
Rz. 22
Diese Wertung trifft jedoch nicht zu, sofern ein Anfechtungsgrund gem. §§ 119, 123 BGB allein in der Person des Insolvenzgläubigers besteht. Verlangt der Insolvenzgläubiger in diesem Fall Erfüllung, hat der Schuldner keine Möglichkeit, diesen Anspruch abzuwehren. Vielmehr räumt das Gesetz allein dem Anfechtungsberechtigten die freie Wahl ein, ob er die Anfechtung gem. § 143 Abs. 1 BGB erklärt, das Rechtsgeschäft gem. § 144 Abs. 1 BGB bestätigt oder die bestehenden Anfechtungsfristen (§§ 121, 124 BGB) verstreichen lässt. Der Gegner hat hierauf keinen Einfluss. Damit ist eine Leistung des Schuldners auf einen nur für den Insolvenzgläubiger anfechtbaren, aber zum Zeitpunkt der Leistung nicht angefochtenen Vertrag kongruent, weil der Gläubiger sie zu diesem Zeitpunkt auch im Prozessweg durchsetzen konnte. Der Gläubiger erhält damit eine Leistung in der Art, wie er sie beanspruchen konnte.
Rz. 23
b) Die Darlehensrückzahlung am 13.10.2013 ist schließlich nicht deshalb inkongruent, weil die Beklagte der Schuldnerin ein Nachrangdarlehen gewährt hatte. Soweit § 10 der Darlehensbedingungen auch eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre begründen soll, ist diese Klausel unwirksam.
Rz. 24
aa) Inkongruent ist eine Leistung, die ein Schuldner auf einen Anspruch erbringt, der aufgrund einer Nachrangvereinbarung mit einer Durchsetzungssperre behaftet ist. Der Gläubiger kann diese Leistung jedenfalls nicht zu der Zeit beanspruchen, soweit die Voraussetzungen der vereinbarten Durchsetzungssperre vorliegen (vgl. BGH, Urt. v. 5.3.2015 - IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rz. 29 ff.). Der Rangrücktritt und die Durchsetzungssperre bestimmen sich nach den getroffenen Vereinbarungen (vgl. Schmidt, ZIP 2015, 901, 904). Inhalt und Reichweite des Rangrücktritts können Gläubiger und Schuldner der Forderung frei vereinbaren (BGH, a.a.O., Rz. 15 m.w.N.). Ein Nachrang kann nur für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbart sein (BGH, a.a.O.). Eine Durchsetzungssperre kann vertraglich ebenso auch für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbart werden. Soll der Nachrang auch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingreifen, muss dies hinreichend klar und deutlich vereinbart werden. Es muss der Wille der Parteien feststehen, dass der Darlehensgeber nur Befriedigung verlangen kann, wenn bei der Schuldnerin weder Überschuldung noch Zahlungsunfähigkeit vorliegen noch einzutreten drohen (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 22).
Rz. 25
bb) Im Streitfall fehlt es zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung an einer wirksam vereinbarten Durchsetzungssperre. Soweit das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, ob die Darlehensbedingungen gem. § 305 BGB wirksam in den Darlehensvertrag einbezogen worden sind, kann dies dahinstehen. § 10 der Darlehensbedingungen ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, soweit die Klausel eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre anordnen soll, weil die Bestimmung nicht hinreichend klar und verständlich ist.
Rz. 26
(1) Die Darlehensbedingungen stellen nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. § 10 der "Darlehensbedingungen zum Nachrangdarlehen 2013" der Schuldnerin enthält folgende Bestimmung:
"§ 10 Nachrangigkeit, qualifizierter Rangrücktritt
Rz. 27
Das Nachrangdarlehen tritt mit seinen Forderungen gegenüber allen anderen Ansprüchen von Gläubigern gegen die Darlehensnehmerin im Rang zurück. Zahlung von Ansprüchen aus den Nachrangdarlehen insb. die Zahlung der Zinsen sowie die Rückzahlung des valutierten Darlehensbetrages steht unter dem Vorbehalt, dass bei der Darlehensnehmerin ein Insolvenzeröffnungsgrund nicht entsteht. Können aufgrund dieses Zahlungsvorbehalts Zinszahlungen durch die Darlehensnehmerin nicht geleistet werden, sind diese, unter den Voraussetzungen des § 10 zum nächsten Zinstermin nachzuholen. Kann aufgrund des Zahlungsvorbehalts die Rückzahlung des Kapitals nicht zum Fälligkeitstag erfolgen, ist die Rückzahlung unter den Voraussetzungen des § 10 drei Monate nach dem Fälligkeitstag vorzunehmen. Das Nachrangdarlehen wird mit seinen Forderungen, im Fall des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Darlehensnehmerin oder der Liquidation der Darlehensnehmerin, erst nach Befriedigung aller nicht nachrangigen Gläubiger bedient."
Rz. 28
(2) § 10 der Darlehensbedingungen ist allerdings - soweit die Bestimmung eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre und einen qualifizierten Rangrücktritt regelt - als Abrede über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung des Nachrangdarlehens gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle entzogen. Enthält ein Nachrangdarlehen eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelte vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre (qualifizierten Rangrücktritt), stellt dies nicht schon deshalb eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB dar, weil dies Rückzahlungs- und Zinsansprüche des Darlehensgebers insb. bei einem Vermögensverfall des Darlehensnehmers bereits außerhalb eines Insolvenzverfahrens einschränkt.
Rz. 29
(a) Gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 308, 309 BGB nur solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Hingegen sind Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungen (sog. Leistungsbeschreibungen) mit Rücksicht auf die Vertragsfreiheit ebenso wie Vereinbarungen über das vom anderen Teil zu erbringende Entgelt, insb. soweit sie dessen Höhe betreffen, der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB (und nach den vorliegend nicht einschlägigen §§ 308, 309 BGB) entzogen (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2010 - Xa ZR 5/09, NJW 2010, 1958 Rz. 20; v. 15.5.2013 - IV ZR 33/11, VersR 2013, 888 Rz. 42; v. 9.4.2014 - VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rz. 43; v. 23.8.2018 - III ZR 192/17, NJW 2019, 47 Rz. 14, jeweils m.w.N.). Denn der im Bürgerlichen Recht geltende Grundsatz der Privatautonomie stellt es den Vertragsparteien im Allgemeinen frei, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen, weshalb es insoweit regelmäßig auch an gesetzlichen Vorgaben und damit an einem Kontrollmaßstab fehlt (BGH, Urt. v. 23.8.2018 - III ZR 192/17, NJW 2019, 47 Rz. 14 m.w.N.).
Rz. 30
Nicht kontrollfähige Leistungsbeschreibungen in diesem Sinne sind allerdings nur solche Bestimmungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen (BGH, Urt. v. 9.5.2001 - IV ZR 121/00, NJW 2001, 2014 unter I 1c; v. 12.6.2001 - XI ZR 274/00, BGHZ 148, 74, 78; v. 29.4.2010 - Xa ZR 5/09, a.a.O.; v. 9.4.2014 - VIII ZR 404/12, a.a.O.). Die zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung gehörenden Abreden sind von den nicht durch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle entzogenen (Preis-)Nebenabreden zu unterscheiden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber im Falle der Unwirksamkeit dispositives Recht treten kann (BGH, Urt. v. 23.8.2018 - III ZR 192/17, a.a.O., Rz. 15 m.w.N.).
Rz. 31
(b) Die Regelung über eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre und einen qualifizierten Rangrücktritt eines Nachrangdarlehens betrifft unmittelbar die Hauptleistungspflichten der Parteien. Sie unterliegt daher gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle (Poelzig, WM 2014, 917, 923 f.; Primozic/Schaaf, ZInsO 2014, 1831, 1834 f.; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rz. 68a; ebenso zu Genussrechtsbedingungen BGH, Urt. v. 22.3.2018 - IX ZR 99/17, ZIP 2018, 882 Rz. 31, zVb in BGHZ; Habersack in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 793 Rz. 48; Bork, ZIP 2014, 997; Habersack, NZG 2014, 1041; Habersack in MünchKomm/AktG, 4. Aufl., § 221 Rz. 259; a.A. OLG Düsseldorf, ZIP 2018, 437, 440; OLG München, ZInsO 2018, 2480, 2481; Bitter, ZIP 2015, 345, 351 f.; Wunschel/Gaßner, ZfIR 2015, 853, 868; Gehrlein, WM 2017, 1385, 1388 f.; offen gelassen von BGH, Urt. v. 20.2.2014 - IX ZR 137/13, WM 2014, 897 Rz. 20 für einen einfachen Rangrücktritt i.S.d. § 39 Abs. 2 InsO).
Rz. 32
Die Bestimmungen über die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre zielen darauf, die wechselseitigen Hauptpflichten des Nachrangdarlehens nicht nur für den Insolvenzfall, sondern unabhängig hiervon festzulegen. Ein Nachrangdarlehen stellt einen im Rahmen der Vertragsfreiheit zulässigen eigenständigen Vertragstyp dar, der als besondere Finanzierungsform (vgl. BGH, Urt. v. 5.3.2015 - IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rz. 14 m.w.N.) das geleistete Darlehenskapital von vornherein in einer vertraglich ausgestalteten Art und Weise bindet (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 15 ff., 25 f, 32) und die wechselseitigen Ansprüche prägt. Diese Bindung des Darlehenskapitals gehört zur vertragscharakteristischen Hauptleistung eines Nachrangdarlehens. Die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre betrifft nicht lediglich als bloße Nebenabreden einzuordnende Fälligkeits- und Kündigungsbestimmungen. Sie gestaltet vielmehr die Hauptpflicht des Darlehensgebers aus, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen (§ 488 Abs. 1 Satz 1 BGB), welche auch das Belassen des Geldes für die vereinbarte Laufzeit umfasst (Palandt/Weidenkaff, BGB, 78. Aufl., § 488 Rz. 5; Berger in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 488 Rz. 31) und sich bei einem Nachrangdarlehen gerade darauf erstreckt, dass das Darlehenskapital auch in wirtschaftlichen Krisen zur Verfügung stehen muss. Für die umgekehrte Hauptpflicht des Darlehensnehmers zur Rückzahlung des zur Verfügung gestellten Darlehens (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB; BGH, Beschl. v. 16.1.2016 - XI ZR 366/15, NJW 2016, 2428 Rz. 13) gilt dies entsprechend. Dies erstreckt sich in gleicher Weise auf die Ausgestaltung der Zinsansprüche bei einem Nachrangdarlehen.
Rz. 33
Damit handelt es sich bei vorinsolvenzlicher Durchsetzungssperre und qualifiziertem Rangrücktritt um die für das Nachrangdarlehen vertragscharakterisierende Festlegung der beiderseitigen Hauptleistungen (vgl. Poelzig, WM 2014, 917, 923 "Kern der Leistungszusage"; Primozic/Schaaf, ZInsO 2014, 1831, 1834 f.). Das Darlehenskapital selbst wird über die Ausgestaltung der Hauptleistungspflichten in einer von den Parteien vereinbarten Art von vornherein dauerhaft und zu den vereinbarten Konditionen entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen zur Verfügung gestellt. Die Vorschriften des dispositiven Gesetzesrechts in §§ 488 Abs. 1 Satz 2, 490 BGB sind nicht geeignet, an die Stelle der Regelungen über die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre zu treten (a.A. Gehrlein, WM 2017, 1385, 1388 f.), weil dies den Charakter des Vertrags als eine besondere Finanzierungsform gerade auch für Zeiten wirtschaftlicher Krise in seinen Hauptleistungspflichten verändern würde. Der Darlehensgeber gewährt bei einem Nachrangdarlehen aufgrund der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre und des qualifizierten Rangrücktritts ein Risikokapital, für das die Regelungen zur vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre und zum qualifizierten Rangrücktritt vertragswesentlich sind.
Rz. 34
(3) Die Klausel in § 10 der Darlehensbedingungen ist - wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht annimmt - jedoch intransparent und hält deshalb der Inhaltskontrolle nicht stand (§ 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BGB).
Rz. 35
(a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragsgegners auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen (etwa BGH, Urt. v. 29.4.2015 - VIII ZR 104/14, WM 2015, 1487 Rz. 16; v. 25.2.2016 - VII ZR 156/13, NJW 2016, 1575 Rz. 31 jeweils m.w.N.). Der Verwender muss folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2015, a.a.O., m.w.N.). Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird (BGH, Urt. v. 26.9.2007 - VIII ZR 143/06, NJW 2007, 3632 Rz. 31 m.w.N.; v. 22.3.2018 - IX ZR 99/17, ZIP 2018, 882 Rz. 34, zVb in BGHZ). Dies gilt auch für die Bestimmungen zu den Hauptleistungspflichten (§ 307 Abs. 3 Satz 2 BGB).
Rz. 36
In allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern ist eine qualifizierte Nachrangvereinbarung nur dann hinreichend transparent, wenn aus ihr die Rangtiefe, die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre, deren Dauer und die Erstreckung auf die Zinsen (vgl. Schmidt, ZIP 2015, 901, 905) klar und unmissverständlich hervorgehen (vgl. Poelzig, WM 2014, 917, 926 f.; Gehrlein, WM 2017, 1385, 1387 f.). Dies erfordert auch, dass die Voraussetzungen der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre hinreichend deutlich erläutert werden, insb. die Klausel klarstellt, inwieweit die Ansprüche aus dem Darlehen bereits dann nicht mehr durchsetzbar sind, wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Leistungsverlangens bereits zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder dies zu werden droht.
Rz. 37
(b) § 10 der Darlehensbedingungen genügt diesen Maßstäben nicht.
Rz. 38
(aa) Aus der Überschrift von § 10 der Darlehensbedingungen ("Nachrangigkeit, qualifizierter Rangrücktritt") lässt sich nicht hinreichend deutlich und transparent entnehmen, inwieweit die Ansprüche der Beklagten aus dem Darlehen außerhalb eines eröffneten Insolvenzverfahrens eingeschränkt werden sollen. Der Begriff der "Nachrangigkeit" allein ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern nicht geeignet, die Rechtsfolgen für die Wirkungen außerhalb eines eröffneten Insolvenzverfahrens klar und deutlich darzustellen. Dies gilt auch für den Begriff "qualifizierter Rangrücktritt"; diesem vermag der juristisch nicht vorgebildete durchschnittliche Verbraucher nur zu entnehmen, dass der Rangrücktritt in irgendeiner Hinsicht Besonderheiten aufweist. Hingegen genügt er nicht, um die einschneidenden Rechtsfolgen bereits einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre und insb. deren zeitlich unbegrenzte Dauer zu verdeutlichen. Es ist nicht möglich, aus einem vertraglichen Rangrücktritt stets auf eine Stundung oder sonstige vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre hinsichtlich der Forderung zu schließen, weil die Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis vielfältig sind (vgl. Bitter/Rauhut, ZIP 2014, 1005, 1012).
Rz. 39
(bb) Weder § 10 Satz 1 der Darlehensbedingungen noch § 10 Satz 5 der Darlehensbedingungen enthalten eine ausreichend klare und dem durchschnittlichen Verbraucher unmittelbar verständliche Regelung zu den Wirkungen eines Nachrangs der Darlehensansprüche außerhalb eines eröffneten Insolvenzverfahrens. § 10 Satz 5 der Darlehensbedingungen erfasst nur die Wirkungen nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder im Falle einer Liquidation der Schuldnerin. Allein die Formulierung in § 10 Satz 1 der Darlehensbedingungen, das "Nachrangdarlehen [trete] mit seinen Forderungen gegenüber allen anderen Ansprüchen von Gläubigern gegen die Darlehensnehmerin im Rang zurück" enthält keine Regelung, aus der ein durchschnittlicher Verbraucher vorab hinreichend sicher entnehmen könnte, unter welchen Voraussetzungen seine Ansprüche aus dem Darlehensvertrag außerhalb eines eröffneten Insolvenzverfahrens eingeschränkt sein sollten.
Rz. 40
(cc) Schließlich genügen auch die Regelungen in § 10 Satz 2 bis 4 der Darlehensbedingungen nicht, um eine ausreichend klare und dem durchschnittlichen Anleger unmittelbar verständliche Regelung eines Nachrangs der Darlehensansprüche außerhalb eines eröffneten Insolvenzverfahrens zu treffen. Es fehlt insb. an einer klar verständlichen Regelung von Voraussetzungen, Umfang und Dauer der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre.
Rz. 41
Soweit danach eine Zahlung unter dem Vorbehalt steht, dass "ein Insolvenzeröffnungsgrund nicht entsteht", ist damit einem durchschnittlichen, juristisch nicht vorgebildeten Verbraucher nicht hinreichend klar und deutlich, welche Sachverhalte diese Klausel erfassen soll. Insbesondere vermag ein durchschnittlicher Verbraucher dies auch mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 17 bis 19 InsO nicht hinreichend klar und unzweifelhaft klären. Diese Vorschriften enthalten verschiedene sich im Einzelnen unterscheidende Insolvenzeröffnungsgründe. Allein der Eröffnungsgrund der Überschuldung (§ 19 Abs. 1 InsO) regelt in § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO Nachrangverbindlichkeiten, worauf Überschrift und Inhalt von § 10 der Darlehensbedingungen verweisen. Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist nur dann ein Eröffnungsgrund, wenn der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt (§ 18 Abs. 1 InsO). Hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit als allgemeinem Eröffnungsgrund (§ 17 Abs. 1 InsO) kommt es nach der gesetzlichen Formulierung auf einen Rangrücktritt nicht an. Auf dieser Grundlage ist mit dem nicht näher erläuterten Hinweis auf einen "Insolvenzeröffnungsgrund" unklar, ob sämtliche Eröffnungsgründe gemeint sind, nur der allgemeine Eröffnungsgrund des § 17 Abs. 1 InsO, nur der des § 19 InsO, weil der Rangrücktritt diesen Eröffnungsgrund gerade beseitigt, oder sogar eine drohende Überschuldung erfasst werden soll.
Rz. 42
Auch im Übrigen sind die Bestimmungen in § 10 Satz 2 bis 4 der Darlehensbedingungen nicht geeignet, die erstrebte vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre gegenüber einem durchschnittlichen Verbraucher hinreichend zu erläutern. Dass im Fall einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre sämtliche Ansprüche aus dem Darlehen in rechtlich verbindlicher Weise bereits außerhalb des Insolvenzverfahrens für unbeschränkte Dauer nicht mehr durchsetzbar sein können, machen die Bestimmungen nicht ausreichend klar und verständlich erkennbar. Die hierzu erforderlichen Wirkungen des nach § 10 Satz 1 der Darlehensbedingungen vereinbarten Rangrücktritts werden nur unzureichend erklärt. Die Formulierung, die Zahlung "steht unter dem Vorbehalt", verschleiert die Wirkungen einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre ebenso wie die weiteren Bestimmungen, wonach Zahlungen, die "aufgrund dieses Zahlungsvorbehalts" nicht geleistet werden oder erfolgen können, zu einem bestimmten Termin nachzuholen seien. Dass Zahlungen nicht geleistet werden "können" und dass sie alsbald nachzuholen seien, ermöglicht ein Verständnis, es handele sich um eine bloß vorübergehende, tatsächliche Verzögerung der Zahlungen.
Rz. 43
(c) Die Revisionserwiderung beruft sich zu Unrecht auf das Urteil des BGH vom 5.3.2015 (IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 ff.). Die in jener Entscheidung zu beurteilende Klausel ist mit der Vereinbarung in § 10 der Darlehensbedingungen nicht vergleichbar. Die Urteile vom 22.3.2018 (IX ZR 99/17, ZIP 2018, 882, zVb in BGHZ) und vom 20.2.2014 (IX ZR 137/13, WM 2014, 897) betrafen nur die Transparenz eines einfachen Rangrücktritts, nicht hingegen diejenige einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre.
Rz. 44
(4) Damit kann dahinstehen, ob die in § 10 der Darlehensbedingungen getroffene vorinsolvenzliche Nachrangvereinbarung auch aus anderen Gründen unwirksam sein kann. Insbesondere kann offen bleiben, ob die Regelung - angesichts der insoweit im Hinblick auf die weitreichenden Auswirkungen einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre zu stellenden hohen Anforderungen - nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden ist.
Rz. 45
2. Eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistung gem. § 134 InsO im Hinblick auf die Nachrangabrede (vgl. BGH, Urt. v. 5.3.2015 - IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rz. 46 ff.) scheidet aus. Da die Regelung der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre unwirksam ist, war die Schuldnerin nicht berechtigt, die Zahlung schon wegen einer bereits bestehenden Insolvenzreife zu verweigern. Ob ein Rückforderungsanspruch der Schuldnerin aus § 812 BGB wegen Kenntnis der Nachrangklausel ausscheidet, ist daher unerheblich.
Rz. 46
3. Zutreffend verneint das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 135 Abs. 1 InsO, weil die Beklagte nicht Gesellschafterin der Schuldnerin war. Auf den vom Kläger mit der Gegenrüge geltend gemachten Einwand, § 135 Abs. 1 InsO sei in persönlicher Hinsicht unabhängig von einer formalen Gesellschafterstellung stets auf den Darlehensgeber anzuwenden, dessen Darlehen eine (einfache) Rangrücktrittsvereinbarung enthielt, kommt es nicht an. Eine Anfechtung nach § 135 Abs. 1 InsO scheidet aus, wenn sich der Anfechtungsgegner auf das Kleinbeteiligungsprivileg gem. § 39 Abs. 5 InsO berufen kann (allgemeine Meinung, vgl. nur MünchKomm/InsO/Gehrlein, 3. Aufl., § 135 Rz. 29 ff.; Schmidt/Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 135 Rz. 12). Angesichts des Darlehensbetrags von 30.000 EUR und der kurzen Laufzeit des Darlehens ist es nach dem Sachvortrag der Parteien ausgeschlossen, dass die Beklagte - selbst wenn man ihre Rechtsstellung allein im Hinblick auf die Rangrücktrittsvereinbarung gem. § 10 Satz 5 der Darlehensbedingungen wie eine Gesellschaftsbeteiligung ansehen würde (so etwa Bork, ZIP 2012, 2277 ff.; dagegen Bitter, ZIP 2013, 2 ff.; Schmidt/Schmidt, a.a.O., Rz. 12; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 135 Rz. 8) - im Streitfall so zu behandeln wäre, als ob sie mit mehr als 10 vom Hundert am Haftkapital der Schuldnerin beteiligt gewesen wäre.
Rz. 47
4. Eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO oder nach § 133 Abs. 1 InsO scheitert schon daran, dass der Kläger keine Tatsachen vorgetragen hat, aufgrund derer die Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gekannt hätte.
Rz. 48
5. Dem Kläger steht schließlich kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Aus der Nachrangklausel folgt kein Bereicherungsanspruch des Klägers, weil die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre unwirksam ist. Soweit der Darlehensvertrag gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist, nachdem die Beklagte ihn gem. §§ 143 Abs. 1, 123 BGB wirksam angefochten hat, ist zwar auch der Rechtsgrund für die Darlehensrückzahlung entfallen. Jedoch besteht insoweit nur ein einziger Bereicherungsanspruch in Höhe des Überschusses, und zwar zugunsten der Partei, die ursprünglich den weitergehenden Anspruch aus Bereicherungsausgleich hatte (BGH, Urt. v. 21.1.2011 - V ZR 243/09, NJW 2011, 1436 Rz. 17; vom 27.1.2015 - KZR 90/13, WM 2015, 680 Rz. 44). Der Kläger zeigt nicht auf, dass ihm ein solcher Anspruch angesichts der erforderlichen Saldierung der bereits vor Insolvenzeröffnung erfolgten wechselseitigen Leistungen zusteht.
Rz. 49
Auf Einschränkungen der Saldotheorie im Insolvenzrecht (vgl. BGH, Urt. v. 22.4.2010 - IX ZR 163/09, ZIP 2010, 1253 Rz. 8 m.w.N.) kommt es nicht an, weil sämtliche Leistungen bereits vor Insolvenzeröffnung ausgetauscht worden sind und dem Kläger kein Anfechtungsanspruch aus § 143 InsO zusteht. Soweit aufgrund der wechselseitigen Rückforderungsansprüche aus dem Vertragsverhältnis eine Aufrechnungslage entstanden ist, ist die Aufrechnung nicht nach § 96 Abs. 1 InsO unzulässig, weil die Aufrechnungslage unter diesen Voraussetzungen nicht als unentgeltliche Leistung anfechtbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.4.2017 - IX ZR 252/16, BGHZ 214, 350 Rz. 25 ff., 29). Andere insolvenzrechtliche Gründe, die der Anwendung der Saldotheorie entgegenstehen, liegen nicht vor.
IV.
Rz. 50
Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Weil dem Kläger keine Rückzahlungsansprüche gegen die Beklagte zustehen, ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 13009401 |
BGHZ 2019, 280 |
BB 2019, 1230 |
DB 2019, 6 |
DB 2019, 719 |
DStR 2019, 12 |