Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntmachung der Beratungsstellen von Lohnsteuerhilfevereinen in Tageszeitungen
Leitsatz (amtlich)
Das Verbreitungsgebiet im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 3c und Abs. 3 Satz 2 der WerbeVOStBerG ist in Anlehnung an die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung dahin zu bestimmen, daß es das Gebiet umfaßt, in dem eine Zeitung regelmäßig vertrieben wird und deren Inhalt dritten Personen bestimmungsgemäß und nicht nur zufällig zur Kenntnis gebracht wird.
Leitsatz (redaktionell)
Werbemaßnahmen, die einzelnen Lohnsteuerhilfevereinen untersagt sind, werden nicht dadurch zulässig, daß sich diese Vereine in einem Gesamtverband zur Förderung ihrer gewerblichen Interessen zusammenschließen und dieser eine Werbetätigkeit ausübt, die dem einzelnen Verein untersagt ist.
Normenkette
WerbeVOStBerG § 3 Abs. 2 Nr. 3c, Abs. 3 S. 2; StBerG § 8 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 06.08.1985; Aktenzeichen 6 U 194/85) |
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 13.12.1984; Aktenzeichen 1 HKO 6478/84) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Feriensenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 6. August 1985 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
In dem klagenden Verband haben sich Lohnsteuerhilfevereine zusammengeschlossen. Er beanstandet eine Anzeige des Beklagten in der „S. Zeitung” vom 9. Februar 1984 und … März 1984. In der Anzeige, die den … Teil einer Zeitungsseite einnimmt, weist der Beklagte unter der herausgestellten Überschrift „Lohnsteuerhilfe B. e.V.” auf seine Tätigkeit hin. In der Anzeige sind ferner Beratungsstellen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Anschrift und Telefonnummer aufgeführt.
Der Kläger sieht in dieser Anzeige einen Verstoß gegen das für die steuerberatenden Berufe geltende Werbeverbot. Er hat hierzu vorgetragen, die „S. Zeitung” werde vorwiegend nur im süddeutschen Raum und dort schwerpunktmäßig im Raum M. verteilt und gelesen; deshalb habe der Beklagte nicht alle im Bundesgebiet befindlichen Beratungsstellen in einer Anzeige zusammenfassen und damit für sie werben dürfen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
den Beklagten bei Meidung gesetzlicher Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für seine lohnsteuerberatende Tätigkeit
mit Zeitungsinseraten in Tageszeitungen mit der Angabe aller seiner auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verteilten Beratungsstellen, deren Anschriften, Telefonnummern und Öffnungszeiten zu werben
und/oder
mit Zeitungsinseraten zu werben, sofern das einzelne Inserat ein Viertel einer Zeitungsseite mit dem Satzspiegel 474 × 355 mm einnimmt.
Der Beklagte ist dem Unterlassungsbegehren entgegengetreten und hat geltend gemacht, da die „S. Zeitung” im gesamten Bundesgebiet als überregionale Tageszeitung erscheine, sei er auch berechtigt, die im Bundesgebiet liegenden Beratungsstellen in einer Anzeige zusammengefaßt bekanntzugeben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger den Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat den Beklagten für befugt gehalten, seine Beratungsstellen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in einer Anzeige zusammenzufassen und durch eine Anzeige in der „S. Zeitung” bekanntzumachen. Diese Zeitung sei eine überregionale Tageszeitung, deren Verbreitungsgebiet sich auf die gesamte Bundesrepublik Deutschland erstrecke. Die Anzeige sei weder nach ihrer Größe noch nach ihrer Aufmachung reklamehaft ausgestaltet. Sie enthalte nur die den Lohnsteuerhilfevereinen gestatteten Informationen und keine unzulässigen Werbeaussagen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Lohnsteuerhilfevereine, die nach § 4 Nr. 11 SteuerberatungsG zu beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind, unterliegen grundsätzlich dem nach § 8 Abs. 1 SteuerberatungsG für die steuerberatenden Berufe geltenden Verbot, unaufgefordert die eigenen Dienste oder die Dienste Dritter zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen anzubieten. Sie haben nach § 26 Abs. 1 SteuerberatungsG ihre Tätigkeit unter Verzicht auf Werbung auszuüben. Dieses Werbeverbot ist in § 8 Abs. 2 Satz 1 SteuerberatungsG dahingehend eingeschränkt, daß die Vereinigungen im Rahmen des sachlich Gebotenen auf ihre Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen hinweisen dürfen. Sie erhalten so die Möglichkeit, auf ihre Existenz aufmerksam zu machen, da sie regelmäßig bei den Personen, denen sie ihre Hilfe anbieten, nicht so bekannt sind, wie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte (vgl. dazu Urt. v. 26.11.1969 – I ZR 34/68, GRUR 1970, 179, 181 = WRP 1970, 217 – Lohnsteuerzahler und Begr. zum Dritten ÄnderungsG des SteuerberatungsG, BT-Drucks. 7/2852 S. 33).
Die Art und Weise, in der die Lohnsteuerhilfevereine auf ihre Existenz und Tätigkeit hinweisen dürfen, ist in der Verordnung über Art und Inhalt der zulässigen Hinweise auf die Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen (WerbeVOStBerG) vom 25.11.1976 (BGBl. 1976 I, 3245) festgelegt. Nach deren § 3 Abs. 1 dürfen die Lohnsteuerhilfevereine Anzeigen, in denen auf ihre Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen hingewiesen wird, nur zum Abdruck in Tageszeitungen aufgeben. Sie haben sich nach Abs. 2 Nr. 3c WerbeVOStBerG dabei auf die Angabe der Anschriften und Öffnungszeiten der im Verbreitungsgebiet der Tageszeitung liegenden Beratungsstellen zu beschränken. Von weiteren – im vorliegenden Zusammenhang nicht näher interessierenden – Voraussetzungen abgesehen, sind nach § 3 Abs. 3 Satz 2 WerbeVOStBerG Bekanntmachungen, die mehrere im Verbreitungsgebiet der Tageszeitung liegende Beratungsstellen betreffen, in einer Anzeige zusammenzufassen.
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Anzeige in der „S. Zeitung” sei wegen dieser Vorschrift nicht zu beanstanden, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Anders als bei seiner Begründung, in der von eigenen Beratungsstellen des Beklagten gesprochen wird, ist das Berufungsgericht im Tatbestand davon ausgegangen, daß der Beklagte ein eingetragener Verein sei, in dem sich Lohnsteuerhilfevereine zusammengeschlossen haben; so hatte der Kläger auch bereits in der Klageschrift den beklagten Verband vorgestellt, ohne daß der Beklagte das beanstandet hatte. Den einzelnen Mitgliedern des Beklagten wäre nach § 8 Abs. 1 SteuerberatungsG nicht erlaubt, auf Beratungsstellen eines anderen Mitgliedes hinzuweisen, da sie damit die Dienste Dritter anböten; das ist auch den Lohnsteuerhilfevereinen nicht gestattet. Sie dürfen nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SteuerberatungsG auf „ihre” Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen hinweisen; daraus folgt aber nicht, daß sie auch auf die Befugnis anderer Vereine hinweisen dürften. Sollte der Beklagte ein privatrechtlich organisierter Verband sein, der sich auf der Grundlage eines freiwilligen Zusammenschlusses zur Förderung der gewerblichen Interessen von Lohnsteuerhilfevereinen mit deren Wissen und Willen betätigt, gälte das Werbeverbot nach §§ 8 und 26 Abs. 1 SteuerberatungsG für ihn in gleicher Weise wie für jedes seiner Mitglieder. Diese haben sich in ihm zur Wahrnehmung und Förderung ihrer Aufgaben und Tätigkeiten zusammengeschlossen; gleichwohl bleiben letztere aber Angelegenheit der einzelnen Lohnsteuerhilfevereine auch dann, wenn sie ihre Förderung einem Dachverband – wie hier dem Beklagten – übertragen haben. Werbemaßnahmen, die einzelnen Lohnsteuerhilfevereinen untersagt sind, werden nicht dadurch zulässig, daß sich diese Vereine in einem Gesamtverband zur Förderung ihrer gewerblichen Interessen zusammenschließen und dieser eine Werbetätigkeit ausübt, die dem einzelnen Verein untersagt ist. Das zu verhindern war Ziel der durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 24.5.1975 (BGBl. I, 1509) erweiterten Vorschrift des § 8 Abs. 1 SteuerberatungsG mit der Erstreckung des Verbots der Werbung zugunsten steuerberatender Berufe auch durch solche Personen, die diesen Beruf nicht ausüben. Mit diesem Gesetzeszweck würde es nicht in Einklang stehen, dem Beklagten lediglich im Hinblick auf seine vereinsrechtliche Selbständigkeit ein Verhalten zu gestatten, das den ihn tragenden Mitgliedern untersagt ist (BGH, Urt. v. 11.11.1982 – I ZR 126/80, GRUR 1983, 130, 132 = WRP 1983, 154 – Lohnsteuerhilfe-Bundesverband; Urt. v. 1.3.1984 – I ZR 8/82, GRUR 1984, 540, 542 = WRP 1984, 391 – Lohnsteuerberatung). Dem Beklagten ist daher versagt, in seiner Werbung auf die Beratungsstellen seiner Mitglieder im ganzen Bundesgebiet hinzuweisen.
b) Sollte dagegen zutreffen, wovon das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen ausgegangen ist, daß der Beklagte nur seine Beratungsstellen in der Anzeige aufgeführt hat, könnte die Entscheidung auch nicht aufrechterhalten bleiben.
Aus den bisher getroffenen Feststellungen läßt sich nicht die Berechtigung des Beklagten ableiten, nach § 3 Abs. 3 Satz 2 WerbeVOStBerG alle seine Beratungsstellen in einer Anzeige in der „S. Zeitung” aufzuführen. Nach dieser Vorschrift sind Bekanntmachungen, die mehrere im Verbreitungsgebiet einer Tageszeitung liegenden Beratungsstellen betreffen, in einer Anzeige zusammenzufassen. Das Berufungsgericht hat zwar rechtsfehlerfrei und ohne daß die Revision insoweit Beanstandungen erhebt, angenommen, daß die „S. Zeitung” eine Tageszeitung im Sinn dieser Vorschrift ist.
Das Berufungsurteil enthält aber keine Ausführungen dazu und es hat auch keine Feststellungen dazu getroffen, wie das Verbreitungsgebiet der „S. Zeitung” zu bestimmen ist und ob die in der Anzeige aufgeführten Beratungsstellen des Beklagten in dem Verbreitungsgebiet liegen. Eine Auslegung nach dem Sinn der Vorschrift, die die Bekanntgabe an Personen ermöglichen will, die Lohnsteuer zu zahlen haben und denen die Tätigkeit der für ihre Bedürfnisse besonders geschaffenen Lohnsteuerhilfevereine nicht bekannt ist, ergibt, daß damit – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht das gesamte Gebiet gemeint sein kann, in dem eine bestimmte überregionale Tageszeitung überhaupt, wenn auch nur in geringem Umfang, gelesen wird. Daraus, daß Lohnsteuerhilfevereine abweichend von dem allgemeinen Werbeverbot auf ihre Existenz durch Bekanntmachungen in Tageszeitungen aufmerksam machen dürfen, folgt, daß dies in Tageszeitungen geschehen muß, von denen angenommen werden kann, daß sie auch in ausreichendem Maße von den Personen in dem Gebiet gelesen werden, in dem der jeweilige Verein seinen Sitz hat. Da die WerbeVOStBerG aufgrund des § 8 Abs. 2 Satz 2 SteuerberatungsG erlassen worden ist, um den zulässigen Umfang der Werbung der Lohnsteuerhilfevereine für ihre Tätigkeit zu bestimmen, sind mangels anderer Anhaltspunkte die dort gebrauchten Begriffe so auszulegen, wie sie allgemein im Wettbewerbsrecht verwendet werden. Danach ist eine Zeitung regelmäßig dort verbreitet, wo deren Inhalt dritten Personen bestimmungsgemäß und nicht nur zufällig zur Kenntnis gebracht wird. Es kann nicht ausreichen, daß hier und da vereinzelt durch Dritte einzelne Exemplare in ein Gebiet gelangen, das von der Vertriebsorganisation des Verlegers oder Herausgebers nicht erfaßt und in das das Druckerzeugnis nicht regelmäßig geliefert wird (vgl. dazu BGH, Urt. v. 23.10.1970 – I ZR 89/69, GRUR 1971, 153, 154 = WRP 1971, 26 – Tampax; Urt. v. 3.5.1977 – VI ZR 24/75, GRUR 1978, 194, 195 = WRP 1977, 487 – profil; OLG Hamburg, GRUR 1982, 174, 175).
Dazu, ob die „S. Zeitung” an allen Orten, für die in der Anzeige Beratungsstellen genannt sind, bestimmungsgemäß verbreitet wird, enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen. Das Berufungsgericht wird deshalb zu klären haben, in welchem Umfang die „S. Zeitung” insbesondere außerhalb Bayerns an den Orten verbreitet ist, für die Beratungsstellen aufgeführt sind. Dazu reichen die bisher von den Parteien vorgelegten Zahlen der durchschnittlichen Verbreitung der Auflage der Zeitung nicht aus. Sie erlauben keine Aussage darüber, ob damit an den einzelnen Orten, für die die Beratungsstellen des Beklagten in der Anzeige aufgeführt sind, der Personenkreis angesprochen wird, für den die Bekanntmachungen bestimmt sind.
3. Von dem Ergebnis der weiteren Feststellungen wird auch die Entscheidung über das Begehren des Klägers abhängen, dem Beklagten zu untersagen, mit Zeitungsinseraten zu werben, sofern das einzelne Inserat ein Viertel einer Zeitungsseite einnimmt. Die zulässige Größe der Anzeigen, die nach § 3 Abs. 2 WerbeVOStBerG in Größe und Aufmachung keine reklamehafte Form haben dürfen, wird auch von der Anzahl der Beratungsstellen abhängen, die in einer Anzeige zusammengefaßt erscheinen dürfen.
III. Danach war auf die Revision des Klägers das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache, da sie zu ihrer abschließenden Beurteilung weiterer tatrichterlicher Aufklärung bedarf, an das Berufungsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, zurückzuverweisen.
Unterschriften
v. Gamm, Piper, Erdmann, Frau RinBGH Dr. Scholz-Hoppe befindet sich in Urlaub und kann deshalb nicht unterschreiben.v. Gamm, Mees
Fundstellen
Haufe-Index 1530750 |
GRUR 1988, 318 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1987, 1149 |