Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 11.11.1986) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 11. November 1986 mit den Feststellungen aufgehoben,
- soweit der Angeklagte wegen Betrugs und wegen Lohnsteuerhinterziehung, begangen im Tatzeitraum 1978/1979 verurteilt worden ist;
- im gesamten Strafausspruch.
2. Soweit der Schuldspruch wegen Betrugs aufgehoben worden ist, wird das Verfahren eingestellt.
Insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.
Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Umsatzsteuerhinterziehung, wegen Lohnsteuerhinterziehung und wegen Betrugs, begangen jeweils in zwei selbständigen Fällen, zu einer aus sechs Einzelstrafen gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Es handelt sich um Straftaten im Zusammenhang mit unerlaubter gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung aus der Zeit von 1978 bis 1981, die der Angeklagte überwiegend allein, im Jahre 1980 gemeinsam mit einem Mittäter beging. Mit der Revision, mit der er sich insbesondere gegen die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung wendet, rügt er die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel ist zum Teil begründet.
1. Bei zwei Einzeltaten kann die Verurteilung wegen eingetretener oder möglicher Verjährung nicht bestehenbleiben.
a) Die Ahndung des fortgesetzten Beitragsbetrugs aus den Jahren 1978/79 ist verjährt. Die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB), die spätestens Ende 1979 mit der Aufgabe des Gewerbebetriebs begann (UA S. 8), war bereits abgelaufen, als die Staatsanwaltschaft nach der Strafanzeige der AOK Essen vom 19. Februar 1985 (GA I 53) am 9. Mai 1985 die erste Vernehmung des Angeklagten zu diesem Vorwurf anordnete (GA I 61). Das Strafverfahren ist insoweit wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen (§ 260 Abs. 3 StPO).
b) Die Lohnsteuerhinterziehung aus den Jahren 1978/79 ist möglicherweise gleichfalls verjährt, ohne daß der Senat dies abschließend hat klären können. Die Unterbrechung der Verjährung, die hinsichtlich der fortgesetzten Umsatzsteuerhinterziehung 1978/79 durch den Erlaß des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Essen vom 28. Juni 1984 (GA I 24) und die Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens am 5. Oktober 1984 (GA I 26) eingetreten ist, erstreckt sich nicht auf die Lohnsteuerhinterziehung; denn die Lohnsteuerhinterziehung ist prozessual eine selbständige Tat (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg 24. Aufl. § 264 Rdn. 62) und war nicht Gegenstand der Durchsuchungsanordnung und der Bekanntgabe. Zwar hat die Steuerfahndung das Steuerstrafverfahren am 19. Oktober 1984 auch wegen Lohnsteuerhinterziehung eingeleitet (GA I 13). Aus den dem Senat vorliegenden Akten geht jedoch nicht hervor, ob diese Einleitung dem Angeklagten noch vor Ablauf der Verjährungsfrist bekanntgegeben worden ist. Die Frage kann möglicherweise durch Anhörung der Beamten der Steuerfahndung geklärt werden; die Sache ist insoweit zur weiteren Prüfung an das Landgericht zurückzuverweisen.
2. Im übrigen hält der Schuldspruch, gegen den die Revision im einzelnen nichts vorbringt, der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Feststellungen tragen insbesondere die Annahme eines vollendeten Beitragsbetrugs im Jahre 1981 (vgl. Senatsurteile vom 13. Mai 1987 – 3 StR 460/86 und 3 StR 79/87). Der Angeklagte meldete entsprechend seinem Tatplan nur einzelne Arbeitnehmer zur Sozialversicherung an, für die er auch die Beiträge abführte. An die AOK E. zahlte er 5.903 DM; bei der AOK S. wurde ein Nettolohnanteil von 22.340 DM „der Sozialversicherung unterworfen” (UA S. 10). Im übrigen ließ der Angeklagte die Krankenkassen in Unkenntnis über die tatsächliche Zahl der von ihm beschäftigten Versicherungspflichtigen Arbeitnehmer und über die Höhe ihres Bruttolohns (UA S. 5). Auf diese Weise enthielt er den Einzugsstellen im Jahre 1981 insgesamt 158.812 DM vor (UA S. 15).
Aus den Urteilsgründen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß die Einzugsstellen bei ordnungsmäßiger Anmeldung der Leiharbeitnehmer und bei Abgabe vollständiger Beitragsnachweisungen wegen eigener Unzuständigkeit von der Einziehung der weiteren Beitragsforderungen abgesehen hätten oder außerstande gewesen wären, die Ansprüche alsbald durchzusetzen. Allerdings liegt unter den gegebenen Umständen die Annahme nahe, daß der Angeklagte das Gewerbe nicht so lange, wie geschehen, hätte ausüben können, wenn er seine steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten als Arbeitgeber erfüllt hätte (vgl. UA S. 6). Vielmehr hätte er den Betrieb wahrscheinlich alsbald wegen Unwirtschaftlichkeit einstellen müssen. Das ist für die strafrechtliche Beurteilung des Sachverhalts aber unerheblich. Zwar kann das durch Täuschung bewirkte Unterlassen der Einzugsstellen, die Forderungen geltend zu machen, als Vermögensverfügung den in dem Forderungsausfall liegenden Schaden nur verursacht haben, wenn die Beiträge bei rechtzeitiger Geltendmachung gezahlt worden wären. Bei der Prüfung, ob dies der Fall ist, ist jedoch jeweils an die tatsächlichen Vorgänge zur Zeit der monatlichen Beitragsnachweisungen anzuknüpfen, nicht aber ein nur hypothetischer, gänzlich anderer Geschehensablauf (hier: die vorzeitige Einstellung des Unternehmens) zugrundezulegen.
3. Der Senat hat den gesamten Strafausspruch aufgehoben. Er kann nicht ausschließen, daß sich die Verurteilungen in den beanstandeten Fällen auf die Bemessung auch der Einzelstrafen wegen Umsatzsteuerhinterziehung 1978/79 und wegen der Taten aus den Jahren 1980/81 ausgewirkt hat. Auf die Angriffe der Revision gegen die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung braucht er nicht einzugehen, weil die Gesamtstrafe ohnehin aufgehoben werden muß. Bei der Bestimmung der neuen Gesamtstrafe wird das Landgericht auch Gelegenheit haben, die Frage der Strafaussetzung nochmals zu prüfen.
Unterschriften
Schmidt, RiBGH Dr. Krauth ist beurlaubt und daher an der Unterschriftsleistung verhindert Schmidt, Gribbohm, Kutzer, Detter
Fundstellen