Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit der Abfindung des ausscheidenden BGB-Gesellschafters
Leitsatz (amtlich)
Die Vereinbarung einer Abfindung für den ausscheidenden BGB-Gesellschafter auf der Grundlage des Ertragswerts des Gesellschaftsunternehmens kann gem. § 723 Abs. 3 BGB unwirksam sein, wenn der Liquidationswert des Unternehmens den Ertragswert erheblich übersteigt und deshalb ein vernünftiger Gesellschafter auf der Grundlage einer Abfindung nach dem Ertragswert von dem ihm an sich zustehenden Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen würde.
Normenkette
BGB § 723 Abs. 3, § 738 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 07.12.2004; Aktenzeichen 3 U 136/00) |
LG Trier (Entscheidung vom 20.01.2000; Aktenzeichen 6 O 8/97) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Koblenz vom 7.12.2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Brüder. Zusammen mit ihrem Vater betrieben sie ein Feriendorf auf einem 72.908 m2 großen Grundstück mit zuletzt 81 Ferienhäusern. Als der Vater starb, setzten sie sich mit den übrigen Erben auseinander und vereinbarten am 28.8.1987, das Feriendorf in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts weiter zu betreiben.
Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte jeder Gesellschafter nach jeweils fünf Jahren die Gesellschaft mit sechsmonatiger Frist kündigen können. Zu den Rechtsfolgen der Kündigung heißt es in § 7:
"1. Im Falle einer Kündigung scheidet der kündigende Gesellschafter aus der Gesellschaft aus. Der verbleibende Gesellschafter ist berechtigt, das Unternehmen der Gesellschaft unter Ausschluss der Liquidation zu übernehmen und fortzuführen gegen Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens an den Ausscheidenden.
2. Bei der Feststellung des Auseinandersetzungsguthabens sind Vermögen und Schulden mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Ein Geschäftswert bleibt jedoch außer Ansatz.
3. Das Auseinadersetzungsguthaben ist ... in fünf Jahresraten auszuzahlen."
Der Kläger kündigte die Gesellschaft zum 29.7.1996.
Die Parteien streiten über die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens. Der Beklagte hält den Ertragswert für maßgeblich und hat auf dieser Grundlage 566.567 DM an den Kläger gezahlt. Der Kläger meint dagegen, angesichts der geringen Rentabilität des Betriebes sei nicht der Ertragswert, sondern derjenige Erlös maßgebend, der sich bei einer Parzellierung des Grundstücks und einem Verkauf der einzelnen Ferienhausparzellen erzielen lasse. Diesen Wert hat er auf 7.080.000 DM veranschlagt und daraus einen restlichen Abfindungsanspruch i.H.v. 3.315.735 DM errechnet und mit der Klage geltend gemacht.
Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 14.479,17 EUR verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Bei der Errechnung des Abfindungsanspruchs des Klägers sei der Ertragswert des Feriendorfes zugrunde zu legen. Das entspreche dem Willen der Parteien bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages, wie sich aus der Zeugenaussage des Steuerberaters H. ergebe. Nur bei einer Abfindung nach Ertragswert könne das Feriendorf von dem Beklagten fortgeführt werden. Bei einer Abfindung nach dem höheren Liquidationswert müsse es dagegen zerschlagen werden, weil dieser Betrag durch den laufenden Betrieb nicht erwirtschaftet werden könne. Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles müsse das Abfindungsinteresse des ausscheidenden Gesellschafters ausnahmsweise hinter das Fortführungsinteresse des verbleibenden Gesellschafters zurücktreten. Maßgeblich sei, dass die Parteien bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages davon ausgegangen seien, dass das Feriendorf auch im Falle des Ausscheidens eines der Gesellschafter fortgeführt werden solle. Auf der Basis des Ertragswerts habe der Sachverständige K. eine Abschichtungsbilanz erstellt und den Abfindungsanspruch des Klägers auf 594.885,37 DM veranschlagt. Damit habe der Kläger noch einen restlichen Zahlungsanspruch i.H.v. 28.318,37 DM, das seien 14.479,17 EUR.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Kontrolle nicht stand.
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, aufgrund der Zeugenaussage des Steuerberaters H. stehe fest, dass die Parteien bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages mit dem Begriff "gemeiner Wert" in § 7 des Vertrages den Ertragswert gemeint hätten. Dieses Beweisergebnis stimmt mit dem Wortlaut des Vertrages und den Besonderheiten des vorliegenden Falles überein. Danach sollte der verbleibende Gesellschafter das Feriendorf fortführen dürfen, und das war angesichts der geringen Rentabilität nur möglich, wenn die von ihm zu zahlende Abfindung nicht nach dem hohen Grundstückswert, sondern nach dem geringeren Ertragswert bemessen würde. Die Revision zeigt insoweit keinen Rechtsfehler auf.
2. Das Berufungsgericht hat aber verkannt, dass diese Vereinbarung nach § 723 Abs. 3 BGB unwirksam ist.
a) Danach ist bei einer auf unbestimmte Zeit eingegangenen Gesellschaft der Ausschluss oder die der Vorschrift zuwiderlaufende Beschränkung des Kündigungsrechts des Gesellschafters nichtig. Dieser Bestimmung liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass eine Bindung ohne zeitliche Begrenzung und ohne Kündigungsmöglichkeit mit der persönlichen Freiheit der Gesellschafter unvereinbar ist, selbst wenn sich die Vertragsschließenden damit einverstanden erklärt haben (§ 138 Abs. 1 BGB). Das gilt nicht nur für die Kündigung aus wichtigem Grund, sondern auch für die ordentliche Kündigung (BGH, Urt. v. 14.11.1953 - II ZR 232/52, NJW 1954, 106). Zulässig ist zwar ein zeitweiliger - hier fünfjähriger - Ausschluss des Kündigungsrechts (BGHZ 10, 91 [98]), nicht aber eine Regelung, durch die an eine Kündigung derart schwerwiegende Nachteile geknüpft werden, dass ein Gesellschafter vernünftigerweise von dem ihm formal zustehenden Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen, sondern an der gesellschaftlichen Bindung festhalten wird. Ein solcher Nachteil kann darin bestehen, dass der im Falle einer Kündigung bestehende Abfindungsanspruch des Gesellschafters unzumutbar eingeschränkt wird (BGH, Urt. v. 24.9.1984 - II ZR 256/83, GmbHR 1985, 113 = WM 1984, 1506; v. 17.4.1989 - II ZR 258/88, MDR 1989, 886 = ZIP 1989, 768; v. 24.5.1993 - II ZR 36/92, MDR 1993, 854 = GmbHR 1993, 505 = ZIP 1993, 1160 [1161]; ebenso für den Austritt aus einer GmbH BGH v. 16.12.1991 - II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 [369] = MDR 1992, 355 = GmbHR 1992, 257; und für eine erst nachträglich unzumutbar werdende Abfindungsbeschränkung BGH v. 20.9.1993 - II ZR 104/92, BGHZ 123, 281 [285 ff.] = MDR 1993, 1188 = GmbHR 1993, 806).
b) So liegt der Fall hier. Der Ertragswert beträgt nach der Feststellung des Berufungsgerichts 2.020.000 DM. Der Liquidationswert - also der bei einer Beendigung des Gesellschaftsunternehmens und einer Veräußerung der Einzelparzellen zu erzielende Erlös abzgl. der Liquidationskosten - soll sich nach dem für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden Vortrag des Klägers dagegen auf 7.080.000 DM belaufen. Der Beklagte kann den Kläger nicht auf den vereinbarten Ertragswert verweisen, weil dieser so sehr unter dem Liquidationswert liegt, dass ein vernünftiger Gesellschafter auf dieser Grundlage von dem ihm an sich zustehenden Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen würde.
Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob stets (BayObLG v. 31.5.1995 - BReg.3 Z 67/89, AG 1995, 509 = GmbHR 1995, 662 = BB 1995, 1759 [1760]; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 34 Rz. 73; Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 1 Rz. 36 f.; Erman/Westermann, BGB, 11. Aufl., § 738 Rz. 5; einschränkend Scholz/Westermann, GmbHG, 9. Aufl., § 34 Rz. 22) oder jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen (OLG Düsseldorf v. 27.2.2004 - 19 W 3/00 AktE, AG 2004, 324 [327] = OLGReport Düsseldorf 2004, 426; Großfeld, Unternehmensbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 203 ff.; Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl., S. 189 ff.; Koppensteiner in Kölner Komm/AktG, 2. Aufl., § 305 Rz. 44; Hirte/Hasselbach in Großkomm/AktG, 4. Aufl., § 305 Rz. 148 ff.; IDW S 1, WPg 2000, 825 ff. Tz. 141; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 34 Rz. 50; Bilda in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 305 Rz. 85) der Liquidationswert die Untergrenze für den der Abfindung zugrunde zu legenden Unternehmenswert bildet. Ohne Bedeutung ist auch, dass nach der Rechtsprechung des Senats die Entscheidung, nach welcher betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethode die Höhe des Unternehmenswerts zu ermitteln ist, grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten ist (BGH, Urt. v. 28.4.1977 - II ZR 208/75, WM 1977, 781 [782]; v. 13.3.1978 - II ZR 142/76, WM 1978, 401 [405]; Urt. v. 7.5.1986 - IV b 42/85, NJW-RR 1986, 1066 [1068]). Denn im vorliegenden Fall ist es jedenfalls rechtsfehlerhaft, bei der Berechnung der Abfindung allein auf den Ertragswert abzustellen.
Der Liquidationswert beläuft sich nach dem für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden Vortrag des Klägers auf das Dreieinhalbfache des Ertragswerts. Beide Parteien waren am Aufbau und Betrieb des Feriendorfes gleichermaßen beteiligt. Beide haben das Feriendorf im Wege des Erbgangs und der Erbauseinandersetzung erworben. Die Verbandsgemeinde G. hat die amtliche Auskunft erteilt, dass eine Teilung des Gesamtgrundstücks zum Zeitpunkt der Beendigung der Gesellschaft rechtlich möglich war, was im Revisionsverfahren als zutreffend zu unterstellen ist. Das der Stadt G. eingeräumte Vorkaufsrecht steht einer Verwertung nicht entgegen. Dem Beklagten ist die Liquidation schon deswegen zumutbar, weil er bei einer Verwertung des Unternehmensvermögens nicht gezwungen ist, alle Ferienhausparzellen zu veräußern. Er kann vielmehr einen Teil behalten und den neuen Eigentümern die Bewirtschaftung der Gesamtanlage - die auch nach einer Parzellierung und Teilveräußerung den Charakter einer Ferienhausanlage behalten wird - anbieten. Unter Umständen muss er sich aber auch dann, wenn nur eine Gesamtverwertung des Gesellschaftsvermögens zu einem den Ertragswert erheblich übersteigenden Erlös in Betracht kommt, damit abfinden.
III. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die Höhe des - von seinem Standpunkt aus mit Recht offen gebliebenen - Liquidationswerts und auf dieser Grundlage die Höhe des Abfindungsanspruchs des Klägers feststellen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 1500954 |
BB 2006, 1019 |
DB 2006, 999 |
DStR 2006, 1005 |
DStZ 2006, 387 |
HFR 2006, 725 |